Urteil des VG Gelsenkirchen vom 18.08.2006

VG Gelsenkirchen: mitbestimmung, erlass, vergleich, neubewertung, beamtenrecht, auflage, rechtswidrigkeit, mitbewerber, vorrang, gleichbehandlung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 L 946/06
Datum:
18.08.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 946/06
Schlagworte:
Bestanauslese, Beamter, Beurteilung, Beurteilungsrichtlinien,
Beurteilungszeitraum, Regelbeurteilung, Mitbestimmung, Personalrat,
Säule, Polizei, Polizeibeamter, Vergleichsgruppe
Normen:
GG Ar.t 33 Abs. 2, LPVG § 72, LPVG § 72 Abs. 4 Nr. 16, VwGO § 123,
LBG § 104, BRL Pol
Leitsätze:
1. Polizeibeamte der ersten und der zweiten Säule dürfen bei der
Regelbeurteilung in einer Vergleichsgruppe zusammengefasst werden.
2. Ein personalvertretungsrechtlicher Mangel bei dem Erlass von
Beurteilungsrichtlinien schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der
einzelnen Beurteilung durch.
3.Eine unterschiedliche Länge des Beurteilungszeitraums der
Regelbeurteilungen, die im Stellenbesetzungsverfahren herangezogen
werden, kann im Interesse der sachgerechten Vergleichsgruppenbildung
und der größtmöglichen Aktualität der Beurteilungen in begrenztem
Umfang hinzunehmen sein.
Tenor:
1. Gemäß § 65 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird
Polizeikommissar G. U. I. , S.-----------straße 104, 44628 I1. beigeladen,
da seine rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden.
2. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig
sind.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag des Antragstellers,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, eine der ihm
zum 1. Juni 2006 zugewiesenen Stellen der Besoldungsgruppe A 10 BBesO nicht mit
einem Konkurrenten zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist,
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hat keinen Erfolg.
4
Der Antragsteller hat nicht gemäß § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend
gemachte Anordnungsanspruch zusteht.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung der Rechte des Antragstellers
ist dann gerechtfertigt, wenn die Verletzung seines Rechts auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung über das Beförderungsbegehren glaubhaft gemacht ist und die
Möglichkeit besteht, dass die noch zu treffende rechtmäßige Auswahlentscheidung zur
Beförderung des Antragstellers führen kann. Für den Erfolg des Antrags genügt mithin
jeder Fehler, einschließlich möglicher Fehler in den dabei zu Grunde gelegten
Beurteilungen, der für das Auswahlergebnis kausal gewesen sein kann. Ist die
getroffene Auswahlentscheidung fehlerhaft, kann die Verweigerung vorläufigen
Rechtsschutzes im Grundsatz nur dann in Betracht kommen, wenn es ausgeschlossen
erscheint, dass der Antragsteller nach Beseitigung des Mangels den Vorzug vor dem
Mitbewerber erhalten wird.
6
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschl. v. 24. September 2002 - 2 BvR
857/02, DÖD 03, 17ff; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG
NRW), Beschl. v. 13. September 2001 - 6 B 1776/00 -, DÖD 2001, 316 ff; Beschl. v. 4.
September 2001 - 1 B 205/01 -; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Auflage,
Rdnrn. 75 und 41 m.w.N..
7
Nach der in diesem Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung ergeben sich
keine Fehler, die sich nach den oben dargelegten Grundsätzen negativ auf den
Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ausgewirkt haben könnten.
8
Bei der Entscheidung darüber, welchem von mehreren in Betracht kommenden
Beamten eine Beförderungsstelle übertragen wird, ist das Prinzip der Bestenauslese zu
beachten. Der Dienstherr hat Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber
zu bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG -, § 7 Abs. 1
des Landesbeamtengesetzes - LBG - ). Ist ein Bewerber besser qualifiziert, darf er nicht
übergangen werden.
9
So ist es hier. Der Antragsgegner hat bei der Besetzung der ihm zum 1. Juni 2006
zugewiesenen Stellen der Besoldungsgruppe A 10 Bundesbesoldungsordnung
(BBesO) ausschließlich Beamte berücksichtigt, die in der letzten Regelbeurteilung zum
Stichtag 1. Oktober 2005 ein Gesamtergebnis von 5 Punkten oder zumindest 4 Punkten
mit in einem Hauptmerkmal 5 Punkten erreicht haben. Damit sind alle 49 ausgewählten
Mitbewerber besser qualifiziert als der Antragsteller, der eine aktuelle Beurteilung zum
Stichtag 1. Oktober 2005 mit lediglich 3 Punkten aufzuweisen hat.
10
Die vom Antragsteller gegen seine Beurteilung zum 1. Oktober 2005 geltend gemachten
Einwendungen greifen nicht durch. Bei der Überprüfung dienstlicher Beurteilungen ist
die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte angesichts der dem Dienstherrn
eingeräumten Beurteilungsermächtigung darauf beschränkt, zu prüfen, ob die
Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften oder -regeln verstoßen, den gesetzlichen
Rahmen der anzuwendenden Begriffe verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zu
Grunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde
Erwägungen angestellt hat.
11
Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Auflage, Rdnr. 477ff m.w.N.
12
Derartige Beurteilungsfehler hat der Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht.
13
Die vom Antragsteller erhobenen allgemeinen Rügen, die die gesamte
Regelbeurteilungsaktion zum 1. Oktober 2005 betreffen, greifen nicht durch. Dies gilt
insbesondere für die Vergleichsgruppenbildung. Die erstmalige Zusammenfassung von
Beamten der ersten und zweiten Säule in einer Vergleichsgruppe zum Stichtag 1.
Oktober 2005 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Sind bei dienstlichen Beurteilungen Richtwerte für die Notenvergabe vorgeschrieben,
muss die jeweilige Vergleichsgruppe hinreichend homogen sein. Um dem aus Art. 33
Abs. 2 GG folgenden Gebot der Bestenauslese zu genügen, die Vergleichbarkeit von
Leistungsbewertungen in dienstlichen Beurteilungen zu gewährleisten, muss der
Dienstherr hinsichtlich der zu beurteilenden und gegebenenfalls später in einem
Stellenbesetzungsverfahren miteinander zu vergleichenden Beamten einen solchen
Bezugspunkt wählen, sie also in einer solchen Vergleichsgruppe zusammenfassen, in
der vergleichbare Leistungsanforderungen herrschen. Bei der Bewertung als
gleichwertig steht dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu. Diesen
Homogenitätsanforderungen ist regelmäßig genügt, wenn die Vergleichsgruppe aus
Beamten desselben Statusamtes besteht. Ausnahmsweise kann auch auf die
Funktionsebene abgestellt werden, wenn Beamte unterschiedlicher Statusämter im
Wesentlichen gleiche Dienstaufgaben wahrnehmen.
15
BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 - RiA 2006, 121 = Dokumentarische
Berichte Nr. 13/2006, Seite 169; OVG NRW, Beschluss vom 11. Januar 2000 - 6 A
1316/97 - , Beschluss vom 20. November 2002 - 6 A 5645/00 - Seite 9 - 12 des
Beschlussabdrucks; Urteil vom 11. Februar 2004 - 1 A 3031/01 - Seite 23 - 35 des
Urteilsabdrucks.
16
Der verfassungsrechtliche Homogenitätsgrundsatz hat einfachrechtlich seine
Konkretisierung in § 10a Abs. 2 Satz 2 LVO gefunden, wonach sich die Zugehörigkeit zu
einer Vergleichsgruppe in erster Linie nach der Besoldungsgruppe der zu beurteilenden
Beamten oder nach der Funktionsebene, der die zu beurteilenden Beamten angehören,
bestimmt. Die bei der Beurteilung von Polizeibeamten anzuwendenden
Verwaltungsvorschriften stehen mit diesen verfassungsrechtlichen und
einfachrechtlichen Vorgaben im Einklang. Nr. 8.2.1 BRL Pol sieht vor, dass in erster
Linie Beamte derselben Laufbahn und derselben Besoldungsgruppe eine
Vergleichgruppe bilden sollen. Unter bestimmten Voraussetzungen können
ausnahmsweise auch Beamte verschiedener Laufbahnen mit derselben
Besoldungsgruppe oder Angehörige derselben Funktionsebene eine Vergleichsgruppe
17
bilden.
Die Zusammenfassung der Beamten der ersten und zweiten Säule in einer
Vergleichsgruppe bei der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2005 hält die
vorgenannten Anforderungen, die sich aus Verfassung, Rechtsverordnung und
Beurteilungsrichtlinien ergeben, ein. Da nur Beamte derselben Besoldungsgruppe in
einer Vergleichsgruppe zusammengefasst wurden, ist insoweit der im Regelfall
einzuhaltende Grundsatz der Vergleichsgruppenbildung beachtet. Die Beamten
gehören auch derselben Laufbahn, nämlich der Einheitslaufbahn der
Polizeivollzugsbeamten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 LOV Pol), und darüber hinaus auch
demselben Laufbahnabschnitt II (§ 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 LVO Pol) an. Dass die
Beamten der ersten Säule und der zweiten Säule über unterschiedliche Vorbildungs-
und Prüfungsvoraussetzungen verfügen, ist angesichts der grundsätzlichen Eignung der
Beamten der ersten Säule für den Laufbahnabschnitt II (vgl. § 4 Abs. 3 LVO Pol)
unerheblich.
18
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2001 - 2 C 16.00 - BVerwGE, 114, 149 = NVwZ 2001,
1286; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24. Mai 2004 - 1 L 592/04 - .
19
Diese laufbahnrechtliche Gleichstellung der Beamten der ersten Säule mit denjenigen
der zweiten Säule - jedenfalls bis zur Besoldungsgruppe A 11 BBesO - hat
besoldungsrechtlich ihre Bekräftigung dadurch gefunden, dass besondere
Stellenobergrenzen für die Beamten der ersten Säule nicht mehr vorgeschrieben sind.
Mit der Aufhebung von § 3a LBesG durch das Achte Gesetz zur Änderung des
Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen vom 14. Dezember 2004 (GV.
NRW. Seite 779) zum 1. Januar 2005 hat der Landesbesoldungsgesetzgeber diese
besonderen Stellenobergrenzen beseitigt und damit eine weiter gehende
Gleichbehandlung der ersten und zweiten Säule indiziert.
20
Vgl. zur Ablösung des Säulenmodells: Begründung des Regierungsentwurfs, LT-
Drucksache 13/5958, Seite 38 und 40.
21
Die Struktur der von den Beamten der ersten und zweiten Säule wahrgenommenen
Dienstaufgaben steht dieser indizierten Gleichbehandlung nicht entgegen. Im Bereich
der Besoldungsgruppen A 9 bis A 11 BBesO gelten mit Ausnahme der
Führungsfunktion dieselben Verwendungsmöglichkeiten für Beamte der beiden Säulen:
Das breite Aufgabenspektrum umfasst insbesondere Streifendienst, Gruppendienst in
einer Einsatzhundertschaft und Sachbearbeitung unterschiedlichster Art. Bei Beamten
der zweiten Säule können Führungsaufgaben hinzutreten, aber nicht alle Beamten der
zweiten Säule haben Führungsfunktionen. Wenn der Dienstherr angesichts dieses
Befundes die Dienstaufgaben der Beamten der ersten und zweiten Säule im Hinblick
auf die Vergleichsgruppenbildung als gleichwertig ansieht, liegt dies innerhalb des dem
Dienstherrn in diesem Rechtsbereich zustehenden Beurteilungsspielraums. Diese
aktuelle Bewertung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Dienstherr in der
Vergangenheit Beurteilungen von Beamten der zweiten Säule als höherwertig
gegenüber einer Beurteilung eines Beamten der ersten Säule mit derselben
Besoldungsgruppe und Gesamtnote angesehen hat.
22
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Juli 2004 - 6 B 1228/04 und 6 B 1229/04 -; VG
Minden, Beschluss vom 23. Januar 2006 - 4 L 884/05 -.
23
Die damalige Bewertung ist ebenso eine von mehreren Bewertungsmöglichkeiten, die
dem Dienstherrn im Rahmen seines Beurteilungsspielraums eröffnet sind, wie die
aktuelle Einschätzung bei der Vergleichsgruppenbildung zum 1. Oktober 2005.
24
Die unterschiedliche Länge der Beurteilungszeiträume bei den Beamten der ersten
Säule (1. Januar 2003 - 1. Oktober 2005) und der zweiten Säule (1. Juni 2002 - 1.
Oktober 2005) schließt weder den Vergleich innerhalb derselben Vergleichsgruppe zum
Stichtag 1. Oktober 2005 noch den Vergleich im Rahmen des laufenden
Stellenbesetzungsverfahren aus. Die Einheitlichkeit des Beurteilungszeitraums soll
angesichts der Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisten, dass die
Regelbeurteilung für alle Beamten gleichmäßig die zu beurteilenden Merkmale nicht nur
punktuell - zum einheitlichen Stichtag - , sondern auch in ihrer zeitlichen Entwicklung
erfasst. Einschränkungen dieses Grundsatzes sind nur hinzunehmen, soweit sie auf
zwingenden Gründen beruhen.
25
BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 - DÖD 2002, 99 = ZBR 2002, 211; OVG
NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2004 - 1 B 1576/04 - , vom 20. Oktober 2005 - 1 B
1388/05 - und vom 10. Mai 2006 - 1 B 2103/05 -.
26
In der vorliegenden Konstellation ist die Abweichung der Beurteilungszeiträume noch
als maßvoll zu bewerten. Bei der zweiten Säule ist der übliche
Regelbeurteilungszeitraum von drei Jahren um vier Monate überschritten und bei der
ersten Säule ist er um drei Monate verkürzt worden, so dass sich insgesamt eine
Differenz von sieben Monaten ergibt, die Nr. 3.6 BRL Pol in der ursprünglichen Fassung
sogar ausdrücklich für hinnehmbar erklärte. Ein Zeitraum von sieben Monaten liegt nach
der Rechtsprechung auch bei der Frage der hinreichenden Aktualität von Beurteilungen
im Fall der Überschreitung des üblichen dreijährigen Regelbeurteilungszeitraums noch
im Grenzbereich des Vertretbaren.
27
OVG NRW, Beschlüsse vom 19. September 2001 - 1 B 704/01 - DÖD 2001, 315 =
NVwZ-RR 2002, 594, vom 15. November 2002 - 1 B 1554/02 - , vom 28. März 2003 - 6 B
207/03 - und vom 1. Juni 2005 - 6 B 689/05 - ; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 22.
Dezember 2005 - 1 L 1514/05 -.
28
In der hier gegebenen Situation fällt ins Gewicht, dass der Beurteilungszeitraum bei
allen Beamten mit demselben Stichtag (1. Oktober 2005) endet - der Aktualitätsgrad also
identisch ist - und den gegen Ende des Beurteilungszeitraums erbrachten Leistungen
ein höheres Gewicht beizumessen ist als den in den ersten sieben Monaten zu Beginn
des Beurteilungszeitraums erbrachten Leistungen. Die angesichts dieser Bewertung
verbleibende maßvolle Differenz der Beurteilungszeiträume ist gerechtfertigt durch das
Anliegen der einheitlichen Behandlung der Beamten der ersten und zweiten Säule.
Dieses durch Maßnahmen des Gesetzgebers indizierte Anliegen machte es notwendig,
die Vergleichbarkeit der Beurteilungen der ersten und der zweiten Säule zu optimieren.
Dieses Ziel wird durch einen einheitlichen Stichtag bei Inkaufnahme unterschiedlich
langer Beurteilungszeiträume besser erreicht als durch eine Beibehaltung des
dreijährigen Beurteilungszeitraums mit der daraus folgenden unterschiedlichen
Aktualität der Beurteilungen.
29
Das Vorgehen des Antragsgegners ist durchgreifenden personalvertretungs-rechtlichen
Bedenken nicht ausgesetzt. Dass ein formelles Mitbestimmungsverfahren zur
Zusammenfassung der beiden Säulen in einer Vergleichsgruppe und zur Bestimmung
30
der Beurteilungszeiträume nicht durchgeführt worden ist, führt nicht nur Rechtswidrigkeit
der zum 1. Oktober 2005 erstellten Regelbeurteilungen. Fehlt bei allgemeinen
Maßnahmen - wie bei dem Erlass von Beurteilungsrichtlinien - die erforderliche
Mitbestimmung des zuständigen Personalrats, zieht dies nicht die Rechtswidrigkeit von
individuellen dienstrechtlichen Maßnahmen, die in Anwendung der allgemeinen
Maßnahme ergehen, nach sich.
OVG NRW, Beschluss vom 4. Juli 2003 - 6 A 2419/00 - Seite 3 des Beschlussabdrucks;
VG Münster, Urteil vom 2. November 2004 - 4 K 3600/02 -; VG Düsseldorf, Urteil vom
23. Dezember 2004 - 2 K 8920/02 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 22. Juni 2005 - 1 K
6493/02 und 1 K 659/03 -; a. A.: Hessischer VGH, Urteil vom 24. Mai 1989 - 1 UE
1270/84 - ZBR 1990, 193; VG Weimar, Beschluss vom 17. Dezember 1998 - 4 E
2593/98 -; Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Fn.
22b zu Rn. 141; vgl. Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der
Länder, GKöD, § 69 Rn. 40 einerseits und Rn. 42a andererseits.
31
Der in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 LPVG geregelte Mitbestimmungstatbestand ist auf den
allgemeinen Dienstbetrieb bezogen, so dass die Frage der Erforderlichkeit einer
Zustimmung des Personalrats nur in einem personalvertretungsrechtlichen Verfahren zu
klären und diese allgemeine Maßnahme bis zu ihrer Aufhebung als wirksam zu
behandeln ist.
32
Abgesehen davon ist bei allgemeinen Maßnahmen in der Qualität von
Verwaltungsvorschriften zu berücksichtigen, dass diese ihre rechtliche Geltung im
Einzelfall nur durch eine ihnen entsprechende Verwaltungspraxis in Verbindung mit Art.
3 Abs. 1 GG entfalten. Selbst wenn eine Beurteilungsrichtlinie wegen Fehlens der
Mitbestimmung als unwirksam behandelt würde, könnte danach eine einheitliche
Verwaltungspraxis des Endbeurteilers als Grundlage für die Prüfung der einzelnen
Beurteilung in Betracht gezogen werden.
33
Angesichts dieses Befundes bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner
abschließenden Prüfung, ob eine Zustimmung des zuständigen Hauptpersonalrats der
Polizei zur Zusammenfassung der beiden Säulen und zur Festlegung der
Beurteilungszeiträume materiell vorliegt, obwohl ein formelles Mitbestimungsverfahren
nicht durchgeführt wurde. Das Innenminsterium spricht in seinem Erlass vom 10. August
2005 (45.2 - 26.00- 05 (3034H) ) davon, dass die Festlegung des für beide Säulen
einheitlichen Beurteilungsstichtages 1. Oktober 2005 „nach Abstimmung mit dem
Polizei- Hauptpersonalrat" erfolgt. Damit kann auch letztlich offen bleiben, welche
Auswirkungen eine eventuell vorliegende materielle Zustimmung des Personalrats ohne
formelles Mitbestimmungsverfahren auf die Rechtmäßigkeit von Beurteilungsrichtlinien
hat.
34
Unabhängig davon bedarf die Zusammenfassung beider Säulen in einer
Vergleichsgruppe nicht der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 LPVG auf der
Ebene von Innenministerium und Polizeihauptpersonalrat. Denn die unter
Mitbestimmung des Personalrats erlassenen BRL Pol sehen in Nr. 8.2.1 vor, dass der
Endbeurteiler die Vergleichsgruppen nach Maßgabe der dort genannten drei
Alternativen bildet. Wie ausgeführt stellt die Zusammenfassung der beiden Säulen das
Gebrauchmachen von einer der vorgegebenen Alternativen dar. Dass die
Vergleichsgruppen wegen der Zusammenfassung der beiden Säulen zum 1. Oktober
2005 abweichend von der in der Vergangenheit gehandhabten Verwaltungspraxis
35
gebildet wurden, ist personalvertretungsrechtlich irrelevant. Auf der Ebene des
Polizeipräsidiums Bochum und des örtlichen Personalrats ist die Mitbestimmung zur
Frage der Vergleichsgruppenbildung durchgeführt worden.
Die Festlegung des Beurteilungsstichtages bedarf für sich gesehen ebenfalls nicht der
Mitbestimmung. Denn Nr. 3.1 BRL Pol sieht ausdrücklich vor, dass das Innenminsterium
die Beurteilungsstichtage festlegt. Die Festlegung des einheitlichen Stichtages für beide
Säulen bewirkt allerdings, dass der Beurteilungszeitraum von dem in Nr. 3.1 BRL Pol
vorgesehenen dreijährigen Regelbeurteilungszeitraum abweicht. Ob diese Abweichung
durch die gesetzlich indizierte einheitliche Behandlung der beiden Säulen abgedeckt ist
oder der Mitbestimmung bedarf, muss im vorliegenden Verfahren nicht abschließend
geklärt werden.
36
Die vom Antragsteller konkret benannten individuellen Rügen, die sich speziell gegen
die Beurteilung des Antragstellers vom 19. Dezember 2005 richten, greifen ebenfalls
nicht durch.
37
Die Beurteilung leidet mit Blick darauf, dass der Antragsteller in demselben Statusamt
zum dritten Mal mit dem gleichen Gesamtergebnis beurteilt wurde, nicht an einem
Begründungsmangel. Nach Nr. 8.1 Absatz 2 BRL Pol ist „im Einzelnen zu begründen",
wenn sich Lebens - und Diensterfahrung nicht positiv auf das Leistungsbild ausgewirkt
haben. Nach den ergänzenden Erläuterungen zu den BRL Pol - welche auch vom
Innenministerium NRW in Anlage 3 des Erlasses vom 1. Februar 2002 (- 45.2 - 3034 -)
zitiert werden - ist die Begründung im Sinne von Nr. 8.1 Absatz 2 BRL Pol von dem
Endbeurteiler unter anderem dann vorzunehmen, wenn jemand zum dritten Mal in einer
Vergleichsgruppe desselben statusrechtlichen Amtes beurteilt wird, also
zwischenzeitlich nicht befördert worden ist, und in der anstehenden Beurteilung ein
Gesamturteil vorgesehen ist, das weder im Vergleich zur letzten noch im Vergleich zur
vorletzten Beurteilung eine Verbesserung darstellt. Die Begründung soll in diesen
Fällen "den Beurteilten aufzeigen, warum im Quervergleich innerhalb der
Vergleichsgruppe trotz der zunehmenden Lebens- und Diensterfahrung kein positiveres
Ergebnis erzielt wurde." Dieses Begründungserfordernis greift in der vorliegenden
Fallgestaltung überhaupt nicht ein. Denn die betroffenen drei Beurteilungen des
Antragstellers decken nicht den üblichen Zeitraum von insgesamt neun Jahren ab,
sondern nur 5 Jahre und 8 Monate in demselben Statusamt (28. Januar 2000 -
Ernennung zum Kriminalkommissar - bis 1. Oktober 2005).
38
Vgl. zum Entfallen des Begründungserfordernisses in derartigen Fällen: VG
Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2004 - 1 K 4611/03 - Seite 13 UA - .
39
Die Beurteilung leidet auch nicht an einem Plausibilitätsmangel. Durch die
Herabsetzung von Gesamturteil und Hauptmerkmalen auf 3 Punkte ergibt sich kein
unauflösbarer Widerspruch zu den Submerkmalen. Denn diese liegen - nach dem
unveränderten Text der Beurteilung - nicht überwiegend zwei Punkte höher; sämtliche
Submerkmale sind vom Erstbeurteiler mit 4 Punkten bewertet worden und liegen damit
einen Punkt unter Gesamturteil und Hauptmerkmalen. Nach der bisherigen
Rechtsprechung der Kammer läge bei einer derartigen Differenz von nur einem Punkt
ein Plausibilitätsmangel nicht vor. Auf der Grundlage der neueren obergerichtlichen
Rechtsprechung
40
OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2006 - 6 A 1216/04 -; Beschluss vom 28. Juni 2006 - 6 B
41
618/06 -,
ist ebenfalls kein Plausibilitätsmangel gegeben. Denn in der besonderen Konstellation
des vorliegenden Einzelfalles können die vom Erstbeurteiler vergebenen Bewertungen
der Submerkmale als stillschweigend mit abgesenkt (auf 3 Punkte) betrachtet werden.
42
Vgl. zur stillschweigenden Absenkung: OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2005 - 6 B
594/05 -; Urteil vom 23. Juni 2006 - 6 A 1216/04 -.
43
Die Beurteilung vom 19. Dezember 2005 ist durch eine nicht zu übertreffende
Homogenität von - je für sich gesehen - Erstbeurteilung und Endbeurteilung geprägt. Im
Unterschied zur Vorbeurteilung des Antragstellers hat der Erstbeurteiler alle
Submerkmale, die drei Hauptmerkmale und das Gesamturteil mit 4 Punkten bewertet.
Ebenfalls im Unterschied zur Vorbeurteilung hat der Endbeurteiler alle drei
Hauptmerkmale und das Gesamturteil auf 3 Punkte abgesenkt. Die dafür gegebene, alle
Leistungsbereiche erfassende Begründung lässt darauf schließen, dass der
Endbeurteiler auch die Bewertung der Submerkmale durch den Erstbeurteiler nicht teilt,
sondern im Sinne der genannten Homogenität der Beurteilung mit 3 Punkten bewertet
hat.
44
Unter dem Gesichtspunkt der Weisungsfreiheit des Erstbeurteilers (Nr. 9.1 BRL Pol)
lässt sich jedenfalls im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren ein Mangel
nicht feststellen. Der Erstbeurteiler hat hierzu unter dem 8. Februar 2006 eine schriftliche
Erklärung abgegeben, in der er die Bewertung mit 4 Punkten - anstelle der zuvor
erwähnten 5-Punkte- Bewertung - mit der abweichenden Vergleichsgruppenbildung
begründet. Die Plausibilität dieser Begründung wird durch die vom Antragsteller in
seinem Schriftsatz vom 23. Juni 2006 im Verfahren 1 K 1500/06 erhobenen
Einwendungen nicht durchgreifend erschüttert.
45
Andere Fehler in der Beurteilung oder dem Besetzungsverfahren, welche sich auf den
Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ausgewirkt haben könnten, sind
nicht ersichtlich. Allerdings lässt sich nach dem derzeitigen Stand des vorliegenden
einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend beurteilen, ob der
Antragsgegner bei der Regelbeurteilung zum 1. Oktober 2005 den Grundsatz
hinreichend beachtet hat, dass die Richtsätze die Zuordnung der jeweils zutreffenden
Gesamtnote nicht verhindern dürfen. Dieser Grundsatz ist in Nr. 8.2.2 BRL Pol
ausdrücklich niedergelegt und entspricht darüber hinaus den gesetzlichen
Anforderungen, die an eine leistungsgerechte Beurteilung im Einzelfall zu stellen sind.
Bedenken hinsichtlich der Einhaltung dieses Grundsatzes könnten sich aus der
Verfahrensweise ergeben, die die Bezirksregierung Arnsberg in ihrer Verfügung vom 2.
November 2005 (25-26.00.05) für die Vorlage von Übersichten mit den beabsichtigten
Endnoten der Beurteilungen vor der Schlusszeichnung durch den Endbeurteiler
vorgeschrieben hat. Diese Verfahrensweise, die von ihrem Ansatz her dem berechtigten
Anliegen der Einhaltung der Richtwerte im Interesse einer behördenübergreifenden
Vergleichbarkeit der Beurteilungen dienen will, könnte - insbesondere wenn sie mit der
Frage der Zuweisung einer bestimmten Anzahl von Beförderungsstellen verknüpft
worden sein sollte - dazu beigetragen haben, dass der Endbeurteiler von der Vergabe
einer im Einzelfall gebotenen 4- oder 5-Punkte-Bewertung abgesehen hat, um dem in
dieser Weise betonten Belang der Einhaltung der Richtwerte nachzukommen. In einem
Hauptsacheverfahren betreffend die dienstliche Beurteilung wäre daher die Anwendung
der Verfügung der Bezirksregierung Arnsberg vom 2. November 2005 weiter
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aufzuklären. Dabei wäre insbesondere der Notenspiegel für die einzelnen
Vergleichsgruppen vorzulegen und die Bildung der Vergleichsgruppen wäre insoweit
näher zu untersuchen, als nicht alle Beamten derselben Besoldungsgruppe in einer
Vergleichsgruppe zusammengefasst wurden, sondern acht Vergleichsgruppen für die
Besoldungsgruppe A 9 BBesO gebildet wurden. Die Aufklärung zu diesen Fragen muss
nicht im vorliegenden Verfahren erfolgen, weil Beurteilungsfehler, die durch diese
Aufklärung möglicherweise festgestellt werden können, keine Relevanz für den
Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers haben. Die sich eventuell
ergebenden Beurteilungsfehler betreffen ausschließlich die Endbeurteilung. Nach der
Erstbeurteilung des Antragstellers, die im Gesamturteil, in den drei Hauptmerkmalen
und in allen Submerkmalen 4 Punkte aufweist und im vorliegenden Verfahren rechtlich
nicht zu beanstanden ist, kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller bei einer
erneuten anderweitigen Endbeurteilung eine Bewertung erhält, mit der er den Vorrang
vor dem Beigeladenen erhalten müßte. Der Vorrang vor dem Beigeladenen wäre dem
Antragsteller allenfalls dann einzuräumen, wenn der Endbeurteiler von seiner
bisherigen Bewertung mit 3 Punkten abrücken, in der Neubewertung ein Gesamturteil
von 4 Punkten vergeben und ein Hauptmerkmal auf 5 Punkte erhöhen würde. Eine
derartige Neubewertung ist nach der im vorliegenden Verfahren möglichen
Erkenntnislage auszuschließen. Im Übrigen wären bei einer derartigen Neubewertung,
die einen Gleichstand der aktuellen Qualifikation zur Folge hätte, die Vorbeurteilungen
des Antragstellers und des Beigeladenen zu vergleichen. Wenn der Beigeladene eine
mindest gleich gute Vorbeurteilung wie der Antragsteller aufzuweisen hat, käme er
jedenfalls wegen des gegenüber dem Antragsteller um rund ein Jahr höheren
Dienstalters zum Zuge.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er bislang
nicht am Verfahren beteiligt war, daher keinen Antrag gestellt und sich damit dem
Kostenrisiko nicht unterworfen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
47
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 des Gerichts-
kostengesetzes.
48
49