Urteil des VG Gelsenkirchen vom 24.02.2010

VG Gelsenkirchen (kläger, verfügung, umwelt, verbraucherschutz, verwaltungsgericht, grundstück, halten, witterungsschutz, tierhaltung, begründung)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 646/09
Datum:
24.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 646/09
Schlagworte:
Anordnung der Veräußerung von Tieren, generelles Tierhaltungsverbot
Normen:
TierSchG §§ 2, 16a Nr 2
Tenor:
Soweit die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt
haben, wird es eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger hielt bis 2007 auf dem von ihm gepachteten Grundstück I.-----------weg
(Gemarkung S. , Flur 555, Flurstücke 19,20,21,137 und 247) einen Ponyhengst, einen
Eselhengst, 23 Schafe, 5 Schaflämmer, 10 Ziegen, 2 Minischweine, 6 Gänse und einen
Hund. In der Vergangenheit hatte es wiederholt Nachbarbeschwerden über entlaufene
Schafe gegeben, die in den umliegenden Gärten aufgefunden wurden. Bei mehreren
örtlichen Kontrollen hatte der Beklagte zudem festgestellt, dass für Hund, Equiden,
Schafe und Lämmer kein Witterungsschutz vorhanden, die Wasserversorgung und der
Ernährungszustand der Tiere teilweise unzureichend war und die Tiere zeitweise nicht
beaufsichtigt waren. Der mehrfach wiederholten mündlichen Anordnung, insoweit
tierschutzgerechte Zustände zu schaffen, kam der Kläger nicht nach.
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Letztlich wurden ihm sämtliche Tiere am 26. Januar 2007 weggenommen und
anderweitig untergebracht. Mit Ordnungsverfügung vom 7. Februar 2007 bestätigte der
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Beklagte unter ausführlicher Beschreibung der vorgefundenen Zustände auf dem
Grundstück die Fortnahme und anderweitige Unterbringung der Tiere und ordnete die
sofortige Vollziehung der Verfügung an. Gleichzeitig kündigte der Beklagte seine
Absicht an, die Tiere zu veräußern, da der Kläger nicht in der Lage sei,
tierschutzgerechte Bedingungen herzustellen. Gegen diese Verfügung hat der Kläger
nach Abschluss des Vorverfahrens Klage erhoben, die mir Urteil vom heutigen Tage als
unzulässig, weil verspätet, abgewiesen worden ist (7 K 1049/07).
Mit für sofort vollziehbar erklärter Verfügung vom 20. März 2007 ordnete der Beklagte
die Veräußerung der am 26. Januar 2007 fortgenommenen Tiere des Klägers an und
untersagte ihm mit weiterer, ebenfalls für sofort vollziehbar erklärter Verfügung vom 28.
März 2007 das Halten und Betreuen von Tieren jeglicher Art. Gleichzeitig wurde ihm im
Falle der Zuwiderhandlung die Fortnahme und Veräußerung etwaiger weiterer Tiere
angedroht. Der Kläger sei in der Vergangenheit insgesamt 30 mal wegen der
Tierhaltung überprüft worden; jedesmal seien Verstöße gegen das Tierschutz- und
Tierseuchengesetz festgestellt worden.
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Gegen beide Verfügungen legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein, die mit
Bescheid des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2009 zurückgewiesen wurden. Die Tierhaltung
durch den Kläger habe elementare Defizite aufgewiesen, was zu Leiden der Tiere
geführt habe. Eine verstärkte Überwachung durch Veterinäre habe keinen Erfolg gehabt;
der Kläger sei zu einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht in der Lage.
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Am 13. Februar 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er bezieht sich zur Begründung auf
seine Widersprüche und seinen Schriftsatz vom 23. Februar 2010.
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Da sämtliche Tiere bereits 2007 veräußert worden sind, haben die Parteien wegen der
Ordnungsverfügung vom 20. März 2007 die Hauptsache für erledigt erklärt.
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Im Übrigen beantragt der Kläger,
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den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2007 und den Widerspruchsbescheid des
Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW vom 13. Januar 2009
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist es
beendet.
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Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob noch ein
Rechtsschutzinteresse für die Klage gegeben ist, nachdem der Kläger in der
mündlichen Verhandlung erklärt hat, vorerst - mindestens bis 2012 - gar keine Tiere
halten zu wollen und auch seine Planung danach ungewiss ist. Jedenfalls ist das gegen
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den Kläger ausgesprochene generelle Tierhaltungsverbot vom 12. April 2007 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz NRW vom 13. Januar 2009 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Kammer nimmt zur Vermeidung von
Wiederholungen zunächst bezug auf die ausführlichen Gründe der Ordnungsverfügung
vom 12. April 2007 und des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Natur,
Umwelt und Verbraucherschutz NRW vom 13. Januar 2009 (dort S. 5-11), die sie sich zu
eigen macht (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Maßgeblich ist im vorliegenden Fall, dass beim Kläger in der Zeit von mindestens 2004
bis zur Wegnahme der Tiere vom Grundstück I1.----------weg in S. im Januar 2007
durchgehend tierschutzwidrige Verhältnisse für alle von der Fortnahme betroffenen
Tiere festgestellt wurden. So hat der Kläger z.B. den mehrfach angemahnten
Witterungsschutz - zuletzt unter Berufung auf den natürlichen Aufwuchs - nicht
hergestellt, die Versorgung der Tiere insgesamt, auch mit lebensnotwendigem
Trinkwasser, war über Tage nicht gesichert oder nicht hinreichend sichergestellt (z.B.
gefrorenes Eiswasser). Die Verstöße gegen Haltungsgebote im Einzelnen hat der
Beklagte dem Kläger mehrfach erläutert und schriftlich aufgelistet, ohne dass dauerhaft
wirksam Abhilfe geschaffen wurde.
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Im Hinblick darauf entspricht die Maßnahme auch unter Berücksichtigung der Rechte
des Klägers, nach eigener Entscheidung Tiere halten zu dürfen, der
Verhältnismäßigkeit, weil dieser Freiheit der - verfassungsrechtlich gebotene - Schutz
der Tiere (vgl. Art. 29 a LVerf NRW, Art. 20 a GG) gegenübersteht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der
Billigkeit, auch die Kosten für den erledigten Teil des Rechtsstreits dem Kläger
aufzuerlegen, weil er voraussichtlich im Falle einer streitigen Entscheidung unterlegen
wäre. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung
beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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