Urteil des VG Gelsenkirchen vom 27.10.2009

VG Gelsenkirchen (aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, überwiegendes öffentliches interesse, zuweisung, antragsteller, anspruch auf beschäftigung, interesse, amt, vollziehung, tochter)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 12 L 738/09
Datum:
27.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 L 738/09
Schlagworte:
Zuweisung, Telekom, Widerrufsvorbehalt, zumutbar, amtsangemessen,
abstrakt-funktionelles Amt, konkret-funktionelles Amt
Normen:
PostPersRG § 4 Abs. 4 Satz 2
Leitsätze:
Zur (unzumutbaren) Zuweisung zu einem Tochter- bzw.
Enkelunternehmen der Deutschen Telekom AG.
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers
gegen den Bescheid vom 23. Juni 2009 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der dem Tenor (zu 1.) entsprechende Antrag hat Erfolg.
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Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig. Bei der Zuweisung einer
Tätigkeit in einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG gemäß § 4 Abs. 4
Satz 2 Postpersonalrechtsgesetz (PostPersRG) handelt es sich um einen
versetzungsähnlichen Verwaltungsakt, für den die aufschiebende Wirkung eines
Rechtsbehelfs allerdings nicht bereits gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §
126 Abs. 4 des am 12. Februar 2009 in Kraft getretenen Bundesbeamtengesetzes - BBG
n.F. - (vormals: § 172 BBG a.F. i.V.m. § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG) entfällt.
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Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Zuweisung entfällt
demnach nur, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung anordnet. Eine solche
Anordnung hat die Antragsgegnerin im Rahmen des Bescheides vom 23. Juni 2009
vorgenommen.
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Der Antrag ist auch begründet.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 23. Juni 2009 enthält eine den
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Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende Begründung. Inwieweit die
Gründe tragfähig sind und ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen
Vollziehung anzunehmen ist, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen, sondern erlangt erst im
Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht selbst vorzunehmenden
Interessenabwägung Bedeutung.
Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Entscheidung hat das Gericht das
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung
abzuwägen gegen das Interesse des Betroffenen, von der Vollziehung vorläufig
verschont zu bleiben. In diese Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten in einem
Hauptsacheverfahren einzubeziehen. Ist der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich
rechtswidrig, kann an dessen sofortiger Vollziehung niemals ein öffentliches Interesse
bestehen. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, besteht hingegen
regelmäßig ein überwiegendes öffentliches Interesse. Führt diese im Rahmen des § 80
Abs. 5 VwGO notwendig summarische Überprüfung zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist
auf Grund sonstiger, nicht nur an den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens
orientierter Gesichtspunkte abzuwägen, welches Interesse schwerer wiegt.
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Im vorliegenden Fall ist der streitbefangene Bescheid nicht offensichtlich rechtmäßig.
Vielmehr sprechen im Gegenteil überwiegende Gründe dafür, dass sich dieser
Bescheid in einem etwaigen Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.
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1. Der Bescheid vom 23. Juni 2009 unterliegt bereits unter dem Gesichtspunkt der
Bestimmtheit rechtlichen Bedenken. Dem Antragsteller wird nach dem Eingangssatz
des Bescheides dauerhaft eine Tätigkeit bei dem Unternehmen Deutsche Telekom
Netzproduktion GmbH (DT NP) übertragen. Andererseits heißt es am Ende unter einer
auch durch Unterstreichung besonders hervorgehobenen Überschrift
(Widerrufsvorbehalt), die Zuweisung erfolge nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG unter dem
Vorbehalt des Widerrufs. Ein gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG einem Verwaltungsakt
beigefügter Widerrufsvorbehalt berechtigt aber die Behörde ohne weitere
Voraussetzungen zum Widerruf des Verwaltungsaktes (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VwVfG). Im vorliegenden Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der hier
ausgesprochene Widerrufsvorbehalt im Rahmen einer Zuweisungsentscheidung
überhaupt rechtlich zulässig ist und ob er im Falle einer Anfechtung Bestand haben
könnte. Maßgeblich ist insoweit , dass die Antragsgegnerin mit diesem Vorbehalt des
Widerrufs der Zuweisung objektiv eine Regelung trifft , wonach sie berechtigt ist, die
Zuweisung jederzeit ohne weiteres zu widerrufen. Damit stellt die Antragsgegnerin die
Dauerhaftigkeit ihrer Zuweisung in Frage und lässt die Zielrichtung ihrer
Organisationsmaßnahme offen.
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Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass auch eine dauerhafte Zuweisung i.S. von
§ 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG letztlich nicht bedeutet, dass sie unabänderlich ist. So
wie eine auf Dauer angelegte Versetzung (vgl. § 28 Abs. 1 BBG n.F.) etwa eine
anschließende weitere Versetzung nicht ausschließt, ist es nicht zweifelhaft, dass auch
nach einer dauerhaften Zuweisung eine weitere Zuweisung oder eine Versetzung
rechtlich grundsätzlich möglich ist. Dies kann dann jedoch nur unter den im Gesetz
genannten Voraussetzungen erfolgen. Diese allgemeinen beamten- rechtlichen
Möglichkeiten sind aber mit dem in den Bescheid eingefügten und besonders
hervorgehobenen Widerrufsvorbehalt ersichtlich nicht gemeint. Andernfalls ginge der
Widerrufsvorbehalt auch von vornherein ins Leere.
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Von daher vermag auch die von der Antragsgegnerin angeführte Rechtsprechung, die
einen Widerrufsvorbehalt der vorliegenden Art als unbedenklich ansieht, nicht zu
überzeugen. Wenn in dem von der Antragsgegnerin zitierten Beschluss des VGH
München vom 29. Juli 2009 - 15 CS 09.1174 - ein derartiger Widerrufsvorbehalt als
unbedenklich angesehen und in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, der Vorbehalt
könne nur dahingehend verstanden werden, dass die Antragsgegnerin angesichts
wechselnder unternehmerischer Erfordernisse den Einsatz in einem Tochter- oder
Enkelunternehmen möglichst flexibel (Hervorhebung durch die beschließende Kammer)
gestalten möchte (S. 6 des Umdrucks, Bl. 163 der Gerichtsakte), so geht das genannte
Gericht offenbar davon aus, dass auf Grund des Widerrufsvorbehaltes die Beendigung
der Zuweisung über die normalen beamtenrechtlichen Instrumente hinaus in einer
erleichterten Weise erfolgen kann. Die dortige nachfolgende Formulierung, die
Übertragung eines anderen Funktionspostens sei nur im Rahmen einer anderweitigen
Zuweisung oder Versetzung möglich, steht dazu in einem nicht aufgelösten
Widerspruch. In diesem Zusammenhang besteht Anlass zu der Feststellung, dass eine
statusändernde Maßnahme der Antragsgegnerin, die (allein) auf den Widerrufsvorbehalt
gestützt würde, aus Sicht der beschließenden Kammer zwar voraussichtlich keinen
Bestand haben könnte. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass der
Widerrufsvorbehalt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen
Bescheides vom 23. Juni 2009 keine Bedeutung hat. Denn die Schaffung dieses
"flexiblen" Instrumentes legt nahe, dass die Antragsgegnerin beabsichtigt, ggf. davon
auch Gebrauch zu machen. Deshalb führt auch der Hinweis des VGH München a.a.O.
nicht weiter, der Widerruf könne in dem Fall nicht rechtmäßig ausgeübt werden, in dem
der Beamte in den Zustand ohne abstrakt- funktionelles Amt (bei der
Organisationseinheit Vivento) zurückfallen würde. Zudem hat die Vergangenheit
gezeigt, dass häufig Beamte, die zu Vivento "versetzt" worden waren und denen
vorübergehend eine Tätigkeit zugewiesen worden war, anschließend wieder in die
Beschäftigungslosigkeit bei Vivento zurückgeführt worden sind. Der Antragsteller,
dessen Versetzung zu Vivento im Zusammenhang mit seiner hiergegen gerichteten
Klage von der Antragsgegnerin aufgehoben worden ist, und der demnach
organisatorisch wieder bei der Niederlassung Personalbetreuung für zu Inlandstöchtern
beurlaubte Mitarbeiter (PBM-NL) geführt wird, befindet sich strukturell in keiner anderen
Situation als die unmittelbar noch von Vivento betreuten Beamten.
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2. Es bestehen weiterhin Zweifel, ob die Zuweisung vom 23. Juni 2009 den
Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG entspricht.
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a) Allerdings dürfte entgegen der Auffassung des Antragstellers grundsätzlich ein
dringendes betriebswirtschaftliches bzw. personalwirtschaftliches Interesse der
Deutschen Telekom AG i.S. des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG zu bejahen sein. Da die
Deutsche Telekom AG die dem Dienstherrn (Bund) obliegenden Rechte und Pflichten
gegenüber den bei ihr beschäftigten Beamten wahrzunehmen hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1
PostPersRG), liegen Maßnahmen, die geeignet sind, für derzeit beschäftigungslose
Beamte deren Anspruch auf Beschäftigung zu verwirklichen, schon aus diesem Grund
im betrieblichen Interesse i.S. des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG. Außerdem ist in
diesen Fällen (zusätzlich) auch ein personalwirtschaftliches Interesse gegeben, das
darin zu sehen ist, dass die Deutsche Telekom AG, die die Kosten der Alimentierung
der bei ihr beschäftigten Beamten trägt, von diesen Beamten auch eine Dienstleistung
erhält. Deshalb sind insbesondere Zuweisungsentscheidungen an beschäftigungslose
Beamte jedenfalls im Ausgangspunkt rechtlich nicht zu beanstanden, sofern die
Rechtmäßigkeit im Übrigen gegeben ist.
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Diese grundsätzlichen und sich geradezu aufdrängenden Erwägungen bedürfen keiner
vertieften Begründung in jedem Einzelfall. Deshalb führt insbesondere der Umstand,
dass die Antragsgegnerin diese Gründe ausschließlich in der Begründung der
Anordnung der sofortigen Vollziehung angeführt hat, nicht zur Rechtswidrigkeit des
Zuweisungsbescheides.
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b) Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG ist jedoch
aus anderen Gründen zweifelhaft.
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Eine Zuweisung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG muss dem Beamten nach
allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar sein.
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In der Rechtsprechung ist geklärt, dass auch Beamte bei der Deutschen Telekom AG
als Postnachfolgeunternehmen sowie deren Tochter- oder Enkelunternehmen einen
Anspruch auf Übertragung sowohl eines abstraktfunktionellen Amtes als auch eines
konkret-funktionellen Amtes haben, welche im Regelfall seinem statusrechtlichen Amt
entsprechen.
17
Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 26/05 -, BVerwGE 126, 182.
18
Die Gleichwertigkeit der einem Beamten übertragenen Tätigkeit bei dem
Postnachfolgeunternehmen bzw. einem Tochter- oder Enkelunternehmen ist auf Grund
eines Funktionsvergleiches mit den Tätigkeitsbereichen bei der Deutschen Bundespost
zu beurteilen. Soll der Beschäftigungsanspruch - wie hier - durch eine Zuweisung zu
einem Tochter- oder Enkelunternehmen gemäß § 4 Abs. 4 Sätze 2 und 3 PostPersRG
erfüllt werden, müssen die strengen Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt sein.
19
BVerwG, Urteil vom 18. September 2008 - 2 C 126/07 -, BVerwGE 132, 40; juris-Rdnrn
12 und 13.
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Die diesbezüglichen Anforderungen sind in der jüngeren obergerichtlichen
Rechtsprechung (weiter) präzisiert worden:
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Der betroffene Beamte muss danach bereits mit der Zuweisung sowohl ein abstrakt-
funktionelles Amt als auch ein konkret-funktionelles Amt übertragen bekommen. Dies ist
daraus abzuleiten, dass durch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Sätze 2 und 3
PostPersRG sichergestellt sein muss, dass dem Beamten dort auch tatsächlich ein
amtsangemessener Tätigkeitsbereich übertragen wird. Die dienstrechtlichen Befugnisse
müssen bei dem Postnachfolgeunternehmen verbleiben und dürfen nicht dem
aufnehmenden Unternehmen überlassen werden. Die Befugnis dieser Unternehmen zur
Erteilung von Anordnungen gemäß § 4 Abs. 4 Satz 8 PostPersRG (betriebliches
Direktionsrecht) erstreckt sich nicht auf die dienstrechtlichen Entscheidungen.
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So wie innerhalb der öffentlichen Verwaltung durch die Übertragung eines abstrakt-
funktionellen Amtes eine Eingliederung erfolgt, beinhaltet der Begriff der dauerhaften
Zuweisung zu einem Tochter- oder Enkelunternehmen die Übertragung eines dem
statusrechtlichen Amt entsprechenden "abstrakten Tätigkeitsbereiches", worunter die
dauerhafte Bindung zwischen dem Beamten und einem bestimmten Aufgabenkreis zu
verstehen ist. Darüber hinaus erfordert die Zuweisung auch die Übertragung eines
konkreten Arbeitspostens, der zum Kreis der "abstrakten" Tätigkeiten gehört, zu denen
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die Zuweisung eine dauerhafte Bindung begründet hat.
Vgl. zum Ganzen: OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 5 ME 427/08 -,
ZBR 2009, 279; OVG Münster, Beschluss vom 16. März 2009 - 1 B 1650/08 -, juris.
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c) Diesen Maßstäben dürfte der Zuweisungsbescheid vom 23. Juni 2009 nicht gerecht
werden.
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Im Zuweisungsbescheid vom 23. Juni 2009 werden zwar neun Aufgabenbereiche
genannt, auf die sich der Einsatz des Antragstellers erstrecken soll. Es wird allerdings
nicht deutlich, ob es sich dabei um den "abstrakten Aufgabenbereich" (i.S. eines
abstrakt-funktionellen Amtes) oder um den konkreten Arbeitsposten (i.S. eines konkret-
funktionellen Amtes) handelt. Die Vielzahl der genannten Aufgaben könnte darauf
hindeuten, dass es sich um den abstrakten Aufgabenbereich handelt. Indessen könnte
die Formulierung, der Antragsteller werde in den genannten Aufgabenbereichen
eingesetzt, andererseits dafür sprechen, dass mit den aufgeführten Arbeitsbereichen der
konkrete Arbeitsposten gemeint ist. Wäre letzteres der Fall, würde es an der
Bestimmung eines abstrakten Aufgabenbereiches (i.S. eines abstrakt-funktionellen
Amtes) gänzlich fehlen. Wäre umgekehrt mit der Aufgabenbeschreibung der abstrakte
Aufgabenbereich gemeint, bliebe unklar, welche von den neun angeführten
Aufgabenbereichen der Antragsteller ganz oder teilweise tatsächlich konkret auf seinem
Arbeitsposten bearbeiten soll.
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Durch die aufgezeigte Unbestimmtheit kann keine Feststellung erfolgen, ob der
Antragsteller bei der DT NP gemäß seinem statusrechtlichen Amt eingesetzt wird. Da
sich die Amtsangemessenheit sowohl auf den "abstrakten Arbeitsbereich" als auch auf
die auf dem konkreten Arbeitsposten auszuführenden Tätigkeiten erstrecken muss, ist
die bloße Feststellung im Zuweisungsbescheid, es handele sich um eine
amtsangemessene Beschäftigung sowie der wiederholte pauschale Vortrag der
Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren, die vorgesehene Tätigkeit entspreche der
Bewertung der Besoldungsgruppe A 8, insoweit nicht ausreichend. Zwar ist andererseits
auch die Infragestellung der amtsangemessenen Beschäftigung seitens des
Antragstellers gänzlich unsubstanziiert. Es obliegt jedoch zunächst der
Antragsgegnerin, die Amtsangemessenheit der übertragenen Tätigkeiten zu belegen.
Wie bereits dargelegt worden ist, bedarf es dazu eines Funktionsvergleiches mit den
Tätigkeitsbereichen bei der Deutschen Bundespost. Ein solcher Vergleich mag im
Einzelfall entbehrlich sein, wenn ein hinreichend konkret definiertes Aufgabenfeld ohne
weiteres einem abstrakten oder konkretem Amt im dienstrechtlichen Sinne zugeordnet
werden kann. Das ist vorliegend aber nicht der Fall.
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3. Die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG erforderliche Zumutbarkeit der Zuweisung
nach allgemeinen beamtenrechtliche Grundsätzen erstreckt sich auch auf die
Zumutbarkeit bei Berücksichtigung der sozialen oder familiären Situation. Auch unter
diesem Gesichtspunkt bestehen nicht unerhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Zuweisungsbescheides.
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Der Antragsteller hat sich auf eine ärztliche Bescheinigung vom 7. Januar 2009 der
Ärztin T. -L. von der BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH, die für
die Deutsche Telekom AG betriebsärztliche Aufgaben übernommen hat, berufen. In
dieser Bescheinigung wird hinsichtlich des Arbeitsweges ohne weitere Erläuterungen
eine zeitliche Einschränkung "bis 60 Minuten" gemacht. Diese bezieht sich sowohl auf
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den Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit den Pkw. Die mangelnde
Differenzierung ist zwar nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Denn es drängt sich
jedenfalls nicht auf, dass aus medizinischer Sicht eine Fahrt mit öffentlichen
Verkehrsmitteln genau so belastend ist wie eine Autofahrt. Es besteht jedoch kein
Anlass, diese ärztliche Stellungnahme im vorliegenden Verfahren zu hinterfragen,
zumal auch die Antragsgegnerin die von der Betriebsärztin angegebene undifferenzierte
Einschränkung hinsichtlich der zumutbaren Zeit für den Weg zur Arbeit zugrunde gelegt
hat. Im Zuweisungsbescheid ist der Antragsteller indirekt lediglich auf einen möglichen
Umzug verwiesen worden, indem ihm eine Umzugskostenvergütung zugesagt worden
ist. Im vorliegenden Verfahren ist dann von der Antragsgegnerin ausgeführt worden,
dass für eine Fahrt des Antragstellers vom Wohnort (V. ) zum vorgesehenen
Beschäftigungsort (M. ) mit dem PKW weniger Zeit als eine Stunde benötigt werde. Bei
Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln habe der Antragsteller zwar erheblich längere
Wegezeiten hinzunehmen. Insoweit sei es ihm aber zuzumuten, den Wohnsitz näher an
den Dienstort zu verlegen.
Indessen ist ein Umzug, der einem Beamten jedenfalls dann grundsätzlich zugemutet
werden kann, wenn andere Möglichkeiten einer Verwendung ausscheiden, dem
Antragsteller jedenfalls deshalb nicht zuzumuten, weil der Zuweisungsbescheid mit dem
bereits angesprochenen Widerrufsvorbehalt versehen worden ist. Mit dem
Widerrufsvorbehalt gibt die Antragsgegnerin zu erkennen, dass der Antragsteller von
vornherein nicht darauf vertrauen kann, dass die "dauerhafte" Zuweisung an den
Beschäftigungsort M. Bestand haben wird. Unter diesen Umständen erscheint ein
Umzug unzumutbar.
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Angesichts dieser Sachlage braucht nicht auf die weiteren Einwände des Antragstellers
abschließend eingegangen werden. Es sei lediglich klarstellend angemerkt, dass der
Vortrag der psychotherapeutischen Behandlung an seinem Heimatort und das
Vorbringen hinsichtlich der Betreuung seiner Eltern, insbesondere seines Vaters,
voraussichtlich nicht zur Annahme der Unzumutbarkeit der Dienstaufnahme geführt
hätte. Selbst wenn der Antragsteller ständig betreuende Tätigkeiten für den Vater
ausüben sollte - was nicht als gesichert angesehen werden kann - würde dies nicht
ohne Weiteres zu einer Unzumutbarkeit der Dienstaufnahme führen können. Ein
Beamter kann nicht einerseits in einem aktiven Beamtenverhältnis stehen und
entsprechend alimentiert werden und sich andererseits auf die Übernahme anderer,
dienstfremder Verpflichtungen berufen, wenn diese Tätigkeiten - auch wenn sie aus
familiären Gründen erfolgen - mit der Aufnahme einer Diensttätigkeit nicht zu
vereinbaren sind. Der Beamte muss für den Dienst zur Verfügung stehen und hat sich
mit vollem persönlichen Einsatz seinem Beruf zu widmen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG n.F.).
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4. Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragsgegnerin aus,
insbesondere wenn auch die überwiegend wahrscheinliche Rechtswidrigkeit des
Bescheides vom 23. Juni 2009 einbezogen wird. Das Interesse des Antragstellers, von
der Vollziehung vorläufig verschont zu werden, folgt aus den gleichen Gründen, aus
denen für den Antragsteller die Zumutbarkeit der Zuweisung nach allgemeinen
beamtenrechtlichen Grundsätzen i.S. des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG fraglich
erscheint. Dem stehen keine vergleichbaren Interessen der Antragsgegnerin gegenüber.
Das oben angesprochene generelle betriebswirtschaftliche bzw. personalwirtschaftliche
Interesse der Antragsgegnerin an einer Beschäftigung des Antragstellers hat insoweit
weniger Gewicht und muss daher zurückzutreten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2
Gerichtskostengesetz (GKG).
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