Urteil des VG Freiburg vom 03.12.2015

unfallversicherung, erwerb, erhaltung, krankenkasse

VG Freiburg Urteil vom 3.12.2015, 6 K 877/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Bewilligung eines höheren Wohngeldes.
2 Streitig zwischen den Beteiligten ist der Wohngeldanspruch des Klägers für
Bewilligungszeiträume (BWZ) ab 1.12.2011 bis 31.1.2015. Insoweit ergingen
mehrere Bescheide des Beklagten, gegen die der Kläger in diesem und im (derzeit
ruhenden) Verfahren 6 K 1553/14 gerichtlich vorgeht.
3 Im Einzelnen ergingen u.a. die folgenden, die BWZ letztlich regelnden Bescheide:
4
BWZ
Bescheid vom
Widerspruchsbescheid
1. 1.12.2011 – 31.1.2012 16.12.2013
11.6.2014
2. 1.2.2012 – 30.6.2013
11.12.2013 (Nr.1) 11.6.2014
3. 1.7.2013 – 31.7.2014
4.6.2014*
11.6.2014
4. 1.8.2014 – 31.1.2015
6.8.2014
18.3.2015
5 * Mit diesem Bescheid wurden die zwei Bescheide Nr. 2 und 3 vom 11.12.2013
aufgehoben und die darin enthaltenen Bewilligungszeiträume (1.7.2013 –
31.7.2013 und 1.8.2013 – 31.7.2014) zu einem Bewilligungszeitraum vom
1.7.2013 - 31.7.2014 zusammengefasst; mit Bescheid vom 11.12.2013 (Nr.3) war
der Bescheid vom 17.9.2013, mit dem Wohngeld für die Zeit ab 1.8.2013 versagt
worden war, aufgehoben und Wohngeld bewilligt worden (vgl. im Einzelnen die
ausführliche Darstellung im Widerspruchsbescheid des RP Freiburg vom
11.6.2014).
6 Die Bewilligungszeiträume vom 1.12.2011 – 31.7.2014 (oben Nr. 1 – 3) mit den
dazugehörigen Bescheiden sind bereits Gegenstand des Verfahrens 6 K 1553/14.
Insoweit wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24.3.2015 der Antrag
des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender
Aussicht auf Erfolg abgelehnt; die Beschwerde des Klägers wurde mit Beschluss
des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15.9.2015
zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 19.10.2015 wurde das Ruhen jenes
Verfahrens angeordnet.
7 Am 17.4.2015 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, die auch den
Zeitraum von 1.12.2011 – 31.7.2014 betrifft. Zur Begründung macht er geltend, bei
der Berechnung der Höhe des Wohngeldes habe der Beklagte die ungekürzten
Lohn- und Einkommensersatzleistungen gem. § 14 Abs. 2 Nr. 6 WoGG in Form
von Arbeitslosengeld gemäß § 136 SGB III als Jahreseinkommen berücksichtigt,
ohne die in seinem Antrag vom 10.6.2014 nachgewiesenen Bewerbungskosten
als Werbungskosten i.H.v. 2.843,59 EUR zu berücksichtigen.
8 Ferner sei ein Abzug für private Versicherungen gemäß § 16 WoGG
vorzunehmen. Der Beklagte sei der Auffassung, dass die Privat-Schutz-
Versicherung für beide zum Haushalt gehörenden Kinder nicht dem Hauptzweck
der gesetzlichen Rentenversicherung entspreche. Es handele sich insoweit aber
nicht um eine herkömmliche Unfallversicherung. Zutreffend sei, dass im strittigen
Bewilligungszeitraum durch den Bezug von Arbeitslosengeld von einem Dritten die
Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung entrichtet worden und
auch die Kinder über die Familienversicherung kranken- und pflegeversichert
seien. Eine wirtschaftliche Absicherung der Hinterbliebenen sei damit jedoch nicht
gewährleistet gewesen. Die Höhe der Leistung der gesetzlichen
Rentenversicherung sei nämlich auch abhängig von Dauer und Höhe der
einbezahlten Beträge. Zudem könnten Personen unter 18 Jahren nicht freiwillige
Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Die nachgewiesenen
Versicherungen der zum Haushalt gehörenden Kinder schließe die
Versorgungslücke der Kinder bei gesundheitlichen Schäden, die zu
Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit mit vorzeitigem Rentenbezug oder einer
auch länger andauernden Rehabilitation führten. Daher sei mindestens einmal ein
Abzug von 10 % gemäß § 16 Abs. 1 WoGG zu berücksichtigen und die
angegriffenen Wohngeldbescheide vom 6.8.2014, 4.6.2014, 11.12.2013 und
16.12.2013 seien entsprechend zu ändern.
9 Mit Schriftsatz vom 23.11.2015 hat der Kläger die Klage „erweitert“ und beantragt
bezüglich der (o.g.) Bewilligungsbescheide vom 16.12.2013, 11.12.2013 und
4.6.2014 die Gewährung eines höheren Wohngeldes mit der Begründung, gemäß
dem Schreiben der Techniker Krankenkasse vom 26.11.2011 sei ihm vom
Krankengeld ein Betrag für die beitragspflichtige Pflegeversicherung in Höhe von
täglich 0,44 EUR abgezogen worden. Der Beklagte habe die Pflichtbeiträge des
Klägers zur Pflegeversicherung nicht berücksichtigt; er sei vielmehr der
Auffassung, dass ein Abzug i.H.v. 10 % vom Gesamteinkommen gemäß § 16 Abs.
1 Nr. 2 WoGG nicht zu berücksichtigen sei, wenn nur Pflichtbeiträge zur
Pflegeversicherung entrichtet werden. Diese Auffassung sei jedoch nicht
zutreffend.
10 Der Kläger beantragt,
11 die Bescheide des Beklagten vom
16.12.2013 betreffend den BWZ 1.12.2011 – 31. 1. 2012,
11.12.2013 betreffend den BWZ 1. 2. 2012 – 30.6.2013,
4.6.2014 betreffend den BWZ 1.7.2013 – 31.7.2014 und
6.8.2014 betreffend den BWZ 1.8.2014 – 31.1.2015
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidium Freiburg
vom 18.3.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ein höheres Wohngeld zu
bewilligen.
12 Der Beklagte beantragt,
13 die Klage abzuweisen.
14 Er ist der Ansicht, dass die Bescheide vom 11.12.2013, 16.12.2013, 4.6.2014 und
die damit verbundenen Bewilligungszeiträume bereits im Verfahren 6 K 1553/14
rechtshängig seien und eine diesbezügliche erneute Klage unzulässig sei.
15 Soweit sich der Kläger gegen den Bescheid vom 6.8.2014 wende, lasse er hierbei
die gesetzlichen Regelungen außer Acht. Nach der allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Wohngeldgesetzes Rn. 13.11 Abs. 2
Nr. 1b seien bei steuerfreien Einnahmen nach § 14 Abs. 2 Nr. 13 WoGG die
Aufwendungen zum Erwerb, zur Sicherung und zur Erhaltung dieser Einnahmen
abzuziehen, jedoch höchstens bis zur Höhe des Arbeitslohns. Bei allen anderen
steuerfreien Einnahmen nach § 14 Abs. 2 WoGG sei ein Abzug dieser
Aufwendungen nicht zulässig (Unterstreichungen durch den Bekl.). Eine
Absetzung des Werbungskostenpauschbetrags bei den Lohnersatzleistungen sei
somit gesetzlich ausgeschlossen und nicht möglich. Der vom Kläger
vorgenommene Vergleich der Vorschriften des Einkommensteuerrechts und des
Wohngeldrechts werde der jeweiligen Zweckbestimmung der Gesetze nicht
gerecht. Das Einkommensteuerrecht regle, was der Staat auf der Basis des
Leistungsfähigkeitsprinzip vom Einzelnen als Beitrag für die Gemeinschaft
billigerweise erwarten dürfe, wohingegen es bei einer Sozialleistung wie dem
Wohngeld genau umgekehrt darum gehe, was der Einzelne auf der Basis des
Sozialstaatsprinzips vernünftigerweise von der Gemeinschaft als Unterstützung
verlangen könne.
16 Die vom Kläger erbrachten Beiträge zu den vorhandenen
Privatschutzversicherungen führte nicht zu einer Absetzung nach § 16 WoGG.
Voraussetzung für die Absetzung eines Versicherungspauschalbetrags von 10 %
bei einer privaten Versicherung sei, dass es sich um eine Versicherung handle,
deren Zweckbestimmung einer Pflichtversicherung zur Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung entspreche und deren Kosten nicht durch Dritte finanziert
würden. Die in Haushaltsgemeinschaft lebenden Kinder des Klägers seien über
die Familienversicherung des Vaters drittfinanziert kranken-und pflegeversichert;
ebenso sei eine wirtschaftliche Absicherung als Hinterbliebene dadurch
gewährleistet. Außerdem entsprächen die Beiträge zu der vom Kläger geltend
gemachten Privatunfallversicherung von ihrem Hauptzweck her weder den
Pflichtbeiträgen einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung noch der
gesetzlichen Rentenversicherung. Eine in der Unfallversicherung vereinbarte
monatliche Rentenzahlung werde nicht im Alter bzw. zu einem bestimmten
Zeitpunkt fällig, sondern gegebenenfalls werde diese nur bei Eintritt eines
Unfallschadensereignisses gezahlt.
17 Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche
Verhandlung (§§ 87a, 101 Abs. 2 VwGO) einverstanden.
18 Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der Beklagten (Band II und III) und die
Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Freiburg (bezogen auf den
Widerspruchsbescheid vom 18.3.2015) vor. Auf sie und die Gerichtsakten dieses
Verfahrens wie auch des Verfahrens 6 K 1553/14 wird wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
19 Die Klage hat keinen Erfolg.
20 Die Frage der Zulässigkeit einer Klageerweiterung (§ 91 VwGO) stellt sich nicht,
denn eine solche liegt nicht vor. Mit Schriftsatz vom 23.11.2015 hat der Kläger
lediglich seine Argumentation erweitert, nicht aber den Streitgegenstand.
21 Soweit sich die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 16.12.2013,
11.12.2013 und 4.6.2014 (betreffend die Bewilligungszeiträume vom 1.12.2011 –
31.7.2014) richtet, ist die Klage unzulässig, weil der Kläger gegen diese Bescheide
und die von ihnen umfassten Bewilligungszeiträume bereits am 10.7.2014 eine
Klage eingereicht hatte (6 K 1553/14). Die Rechtshängigkeit (§ 90 VwGO) dieser
Klage steht der Zulässigkeit einer weiteren Klage entgegen (§ 17 Abs. 1 GVG).
Zwar ist im Klageantrag zur Klage 6 K 1553/14 der Bescheid vom 4.6.2014 nicht
genannt, wohl aber die beiden Bescheide vom 11.12.2013 Nr. 2 und 3, mit denen
über die Wohngeldansprüche des Klägers in den Zeiträumen vom 1.7.2013 –
31.7.2013 und 1.8.2013 – 31.7.2014 entschieden worden ist. Beim Bescheid vom
4.6.2014 handelt es sich indes um einen (Teil-)abhilfebescheid bezüglich dieser
beiden Bescheide, den er fasste die beiden dort geregelten Zeiträume zu einem
Bewilligungszeitraum zusammen. Dieser Zeitraum ist jedoch Klagegegenstand der
Klage 6 K 1553/14. Auch wurde der Bescheid vom 4.6.2014 vom
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 11.6.2014
mitumfasst (vgl. dort S. 4). Er ist mithin auch Gegenstand des Verfahrens 6 K
1553/14.
22 Selbst wenn der Bescheid vom 4.6.2014 vom Kläger nicht zum Gegenstand der
früheren Klage gemacht worden wäre, wäre die jetzige Klage insoweit unzulässig,
denn sie wäre verfristet.
23 Abgesehen davon wäre die Klage bzgl. der genannten Bescheide unbegründet,
wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.
24 Hinsichtlich des Bescheids vom 6.8.2014, betreffend den Bewilligungszeitraum
vom 1.8.2014 – 31.1.2015, ist die Klage als Verpflichtungsklage gem. §§ 40, 42, 68
f VwGO zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
höheres Wohngeld.
25 Das Wohngeld richtet sich nach der Zahl der zu berücksichtigenden
Haushaltsmitglieder (§§ 5 bis 8 WoGG), der zu berücksichtigenden Miete oder
Belastung (§§ 9 bis 12 WoGG) und dem Gesamteinkommen (§§ 13 bis 18 WoGG)
und ist nach § 19 WoGG zu berechnen (§ 4 WoGG). Die Einwendungen des
Klägers gegen die nach diesen Bestimmungen vorgenommenen Berechnungen
greifen nicht durch.
26 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Werbungskosten.
Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass bei Lohn- und
Einkommensersatzleistungen im Sinne von 14 Abs. 2 Nr. 6 WoGG ein
Werbungskostenpauschbetrag bzw. Werbungskosten nicht abzuziehen sind.
Lediglich bei steuerfreien Einnahmen nach § 14 Abs. 2 Nr. 13 WoGG sind die
Aufwendungen zum Erwerb, zur Sicherung und zur Erhaltung dieser Einnahmen
abzuziehen, jedoch höchstens bis zur Höhe des Arbeitslohns. Bei allen anderen
steuerfreien Einnahmen nach § 14 Abs. 2 WoGG ist ein Abzug dieser
Aufwendungen nicht zulässig (vgl. auch Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG,
Stand Juni 2014, § 14 Rnr. 534).
27 Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 und 3
i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 WoGG bei der Ermittlung des Jahreseinkommens von dem
Betrag, der sich nach den §§ 14, 15 WoGG ergibt, 10 % abzuziehen sind wegen
der Aufwendungen für Unfallversicherungen zu Gunsten seiner Kinder.
Unfallversicherungen sind keine Versicherungen, die dem Zweck der
Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 16 Abs. 1 S. 1
Nr. 2 WoGG) entsprechen (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a.a.O., § 16 Rnr.
26). Leistungsansprüche aus einer Unfallversicherung entstehen nämlich nur
dann, wenn der Versicherte einen Unfall mit entsprechenden Schadensfolgen
erlitten hat (vgl. die vom Kläger vorgelegten Allgemeinen Unfall-
Versicherungsbedingungen [GKA AUB 2000] des G.-Konzerns –
Versicherungsumfang: 1 Versicherungsfall – und die HDI-Unfall-
Versicherungsbedingungen [AUB 2011] – Der Versicherungsumfang: 1 Was ist
versichert? –, GAS 143, 179). Keine Leistungsansprüche entstehen aufgrund
eines bestimmten Alters oder einer ohne Unfall eintretenden Berufsunfähigkeit.
28 Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch auf Abzug von 10 % gemäß § 16
Abs. 1 Nr. 2 WoGG wegen Zahlung von Beiträgen zu einer Pflegeversicherung.
Zwar hat die Krankenkasse während der Zeit des Krankengeldbezugs den Kläger
gem. § 224 Abs. 1 SGB V von Krankenversicherungsbeiträgen freigestellt, ihn
jedoch weiterhin mit einem Pflegeversicherungsbeitrag belastet. Ein Anspruch
nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WoGG entsteht jedoch nur, wenn Pflichtbeiträge zur
gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung geleistet werden. Werden nur
Pflegeversicherungs-, aber keine Krankenversicherungsbeiträge geleistet, reicht
das für den Pauschalabzug nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 nicht aus (vgl. VG
Ansbach, Urt. v. 15.12.2006 -AN 14 K 06.02288-, Juris);
Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a.a.O., § 16 Rnr. 23 ).
29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.