Urteil des VG Freiburg vom 12.10.2016

moschee, geschlossene bauweise, befreiung, grundstück

VG Freiburg Urteil vom 12.10.2016, 6 K 641/16
Leitsätze
Einer Religionsgemeinschaft kann aufgrund von Art.4 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Rücksichtnahmegebot
ein Anspruch darauf zustehen, dass das besonders herausragende Erscheinungsbild ihres Gotteshauses durch
ein nachträglich in der Nachbarschaft hinzutretendes Bauvorhaben nicht derart optisch verstellt und verdeckt
wird, dass es als solches vom öffentlichen Raum aus nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren
Schwierigkeiten wahrnehmbar und erkennbar ist und damit seine Funktion als manifeste Einladung zur
Glaubensausübung in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt wird (hier eine solche Beeinträchtigung im konkreten
Einzelfall bezüglich einer Moschee aufgrund der örtlichen Verhältnisse allerdings verneinend).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die dem Beigeladenen von der Beklagten für die
Aufstockung und Nutzungsänderung und -erweiterung seines auf dem unmittelbar angrenzenden
Grundstück gelegenen Gebäudes erteilt wurde.
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1.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks XXX auf der Gemarkung der Beklagten im Stadtteil XXX
(zur Eigentümerstellung vgl. Auskunft des Notariats - S. 11 der Behördenakten zum parallel verhandelten
Verfahren 6 K 2168/16).
3 Das Grundstück der Klägerin ist mit einem moslemischen Gemeindezentrum bebaut, das eine Moschee,
XXX, sowie ein Gemeindehaus umfasst, in dem sich auch mehrere Wohnungen befinden. Das Zentrum
wurde im Jahr 2000 gebaut und im Oktober 2001 eröffnet. Die Mosche besteht aus einem 225 m² großen
Gebetsraum, mit einer Kuppel mit 10 m Durchmesser und einem 35 hohen Minarett, einem der höchsten in
Deutschland, und dient den ca. 3000 in XXX lebenden Muslimen als Gotteshaus XXX. Nach dem Vorbringen
der Klägerin wird die Moschee auch von muslimischen Einwohnern umliegender Gemeinden und Städte
besucht und genutzt. Zur XXX Straße hin befindet sich neben dem eigentlichen Moscheegebäude direkt an
der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen anschließend ein Gebäudeteil, der im Erdgeschoss ein
Geschäft, im 1.OG einen Gebetsraum und im 2.OG eine Wohnung mit Dachterrasse umfasst.
4 Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Entlang der YYY Straße befinden sich - ebenfalls im
unbeplanten Innenbereich - rechts und links in durchgängig geschlossener Bauweise mehrgeschossige
Wohnhausblocks. Die gegenüberliegende Straßenseite der XXX Straße ist mit großen mehrgeschossigen
Wohnhausblocks ebenfalls in geschlossener Bauweise bebaut, die dort auf dem ehemaligen XXX-
Werksgelände aufgrund des Bebauungsplans „Stadt am XXX“ (vom 22.12.2000) errichtet wurden, nachdem
die einstige Textilfirma XXX ihren - zeitweise bis zu 1000 Mitarbeiter beschäftigenden - Betrieb 1997
aufgegeben hatte (vgl. XXX).
5
2.
Der Beigeladene ist Eigentümer des direkt westlich an das Klägergrundstück angrenzenden Grundstücks
XXX Straße 32 (Flst.Nr. XXX).
6 Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „XXX-Heizwerkgelände“. Dieser umfasst eine
nahezu dreieckige Fläche, die von Teilabschnitten der XXX Straße, der YYY Straße und der ZZZ Straße
begrenzt wird. Die Aufstellung des Plans wurde vom Gemeinderat der Beklagten nach Auslegung und
Durchführung des Anhörungsverfahrens bereits am 24.07.1997 als Vorhaben- und Erschließungsplan
beschlossen. Der Plan selbst trat aber erst mit seiner Ausfertigung vom 16.10.2007 und anschließenden
Bekanntmachung am 20.10.2007 in Kraft, nachdem das Regierungspräsidium Freiburg mit Erlass vom
09.09.1999 unter Auflagen eine Verletzung von Rechtsvorschriften nicht geltend gemacht hatte und der
Gemeinderat der Beklagten mit Beschluss vom 27.09.2007 diesem Erlass beigetreten war. Der Plan dient
seiner Begründung zufolge der städtebaulichen Neuordnung des Areals, nachdem die bislang dort
befindliche, der Firma XXX unter anderem mit einem Heizwerk dienende Gewerbe- und
Betriebswohnungsnutzung nach Aufgabe der Firma ebenfalls aufgegeben und abgerissen worden war. Das
Gelände sollte nunmehr durch die Bebauung mit großflächigen Fachmärkten städtebaulich entwickelt
werden. (Der Flächennutzungsplan - vom 01.07.1963 - hatte für das südlich der XXX Straße am XXX
gelegene Firmengelände ein Industriegebiet „GI“ und für das - eine Dreiecksfläche bildende -
Heizwerkgelände ein Gewerbegebiet „G“ vorgesehen.
7 Der Entwurf zur Fortschreibung dieses Flächennutzungsplans - vom 16.04.1997 - sah eine Mischbaufläche
„MI“ zur Ermöglichung einer Handels- und Wohnnutzung vor. Der „Fortschreibungsentwurf 2010“ zum
Flächennutzungsplan, wie er im Erläuterungsbericht des gemeinsamen Ausschusses vom 16.04.1997
diskutiert wird, sieht eine Sonder- bzw. Mischgebietsnutzung vor).
8 Für den Teil des Plangebiets (Planungsabschnitt 2), in dem unter anderem das Grundstück des Beigeladenen
liegt, setzt der Plan ein Sondergebiet „SO“ (§ 11 BauNVO) fest, in dem als zulässige Art der Nutzung folgend
Nutzungen festgesetzt werden: „Fachmarkt für Elektro-, Elektronik-, Photo-, Video, Computer und
Küchengeräte - Verkaufsfläche max. 2100 m²“, „Kinderwarenfachhandel - Verkaufsfläche 700m²“,
„Bettenfachhandel - Verkaufsfläche 500m²“ und „Betriebszugehörige Wohnungen, Büro- und Praxisräume“
(vgl. Ziff. 1.1.2 der Textlichen Festsetzungen). Zudem ist für diesen Planabschnitt die geschlossene Bauweise
„g“ festgesetzt. Schließlich enthält der Plan für den Bereich des Beigeladenengrundstücks eine gestaffelte
Festsetzung der zulässigen Gebäudehöhe, nämlich für den nördlichen, von der XXX Straße aus gesehen
hinteren, 6,50 m von der Grundstücksgrenze nach hinten versetzt liegenden Teil des Gebäudes eine
Mindesthöhe von 10,5 m und eine Maximalhöhe von 16,5 m und für den vorderen, an der XXX Straße
gelegenen Teil des Gebäudes eine Mindesthöhe von 7,5 m und eine Maximalhöhe von 12,5 m. In der - vom
28.04.1997 stammenden und am 16.06.1997 ergänzten - Begründung des Plans wurde seinerzeit dazu
ausgeführt, die Mindesthöhe von 10,5 m und die geschlossene Bauweise wirkten abschirmend auf das
zukünftige Mischgebiet und die bestehende Wohnbebauung entlang der YYY Straße. Außerhalb des
Plangebiets sei zur Abschirmung sowie als Übergangsbereich zwischen den zentralen
Versorgungseinrichtungen und dem östlich gelegenen Wohngebiet entlang der YYY Straße eine
mehrgeschossige Bebauung geplant. Im nördlich des Plangebiets gelegenen Abschnitt seien Nutzungen
geplant, die als Mischgebietsnutzung zu qualifizieren seien, und im südlichen Abschnitt solle ein islamisches
Kulturzentrum (Moschee) eingerichtet werden. Diese Nutzungen lägen außerhalb des Geltungsbereichs des
Plans, da für ein Mischgebiet derzeit kein Investor zur Verfügung stehe und zum anderen für das islamische
Kulturzentrum ein Hochbauwettbewerb durchgeführt werde, den abzuwarten den Zeitablauf für die
anderen Vorhaben (im Plangebiet) unverhältnismäßig verzögert hätte.
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3.
Das Grundstück des Beigeladenen (Flst.Nr. XXX/10) und das sich westlich anschließende Grundstück XXX
Straße 34 (Flst.Nr. XXX/8) wurden 1998 mit einem großen durchgehenden Geschäftshaus bebaut, in dem
sich im EG und 1.OG ein großflächiger Bettenfachmarkt bzw. ein Kinderwarenfachmarkt befindet und in
dessen oberer Etage (2.OG) sich - entsprechend den Höhenfestsetzungen des Bebauungsplans - um 6,50 m
von der Straßenfrontfassade nach hinten zurückversetzt ein Fitnessstudio sowie eine zum
Kinderwarenfachmarkt gehörende Betriebsleiterwohnung befinden, welche mit einem halbrund gewölbten
Dach versehen ist und von der Beigeladenen in den beiden parallel zum vorliegenden Verfahren
verhandelten Verfahren 6 K 677/16 und 6 K 2168/16, der Geschäftsführerin des Kinderwarenfachmarkts und
Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. XXX/8, bewohnt wird. (Die dieser Bebauung zugrundeliegende
Baugenehmigung dürfte wohl nach § 33 BauGB im Vorgriff auf den seinerzeit noch nicht, sondern erst 2007
in Kraft getretenen Bebauungsplan auf der Grundlage des bis dahin nur vorliegenden Beschlusses über seine
Aufstellung erteilt worden sein). Etwa im Jahr 2000 wurde unmittelbar an die Ostseite dieses Gebäudes auf
dem Grundstück der Klägerin das Islamische Kulturzentrum mit der Moschee angebaut. (Die
zugrundeliegende Baugenehmigung dürfte wohl nach § 34 BauGB erteilt worden sein).
10
4.
In einem - hier nicht streitgegenständlichen - früheren Verfahren ist dem Beigeladenen im vorliegenden
Verfahren und der Beigeladenen zu den Parallelverfahren (6 K 677/16 und 6 K 2168/16), die damals
gemeinsam als Bauherren auftraten, unter Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von den Höhenfestsetzungen des
Bebauungsplans am 17.07.2013 ein Bauvorbescheid für die bauliche Erweiterung ihres im 2. Obergeschoss,
durchgehend auf beiden Grundstücken gelegenen Fitnessstudios erteilt worden, nämlich für ein Vorziehen
der insoweit (entsprechend der Planfestsetzung um 6,5 m von der Straßenfront weg nach hinten
zurückversetzten) Bebauung im 2. OG bis vor an die Fassadenfront des darunterliegenden Gebäudeteils und
außerdem für ein Aufstocken eines im gleichen Umfang, also ebenfalls vor bis an die Fassadenfront
vorgezogenen, kompletten dritten Obergeschosses (siehe die im nachstehenden Planausschnitt rot
schraffierte Darstellung der Erweiterung).
11 Damals hatte die als Angrenzerin angehörte Klägerin eingewandt, durch diese Erweiterung werde das
Erscheinungsbild ihrer Moschee, nämlich insbesondere die Ansicht der Kuppel und teilweise des Minaretts
verdeckt. Die Moschee und die im Gemeindehaus auch vorhandenen Mietwohnungen würden vom
Sonnenlicht abgeschnitten. Die Kuppel und das Minarett seien Wiedererkennungsmerkmale, so dass dieses
Bild nicht verunstaltet werden dürfe, sondern als Orientierungspunkt für die Besucher von Wichtigkeit sei
und erhalten bleiben müsse. Das Erscheinungsbild bereichere die Stadt YYY und spiegle deren Toleranz
wider (Behördenakten Seite [BAS] 63).
12 Der Bauvorbescheid war dennoch erteilt und die Befreiung damit begründet worden, städtebauliche
Bedenken bestünden nicht, nachbarliche Interessen würden nicht berührt.
13 Dagegen hatte die Klägerin Widerspruch erhoben (BAS 119). Die Moschee sei schön und anmutig, sie sei ein
Denkmal, durch die Bauerweiterung würden die Schönheit und das angenehme Bild zerstört. Die im
Bebauungsplan für den vorderen Gebäudeteil festgesetzte maximale Gebäudehöhe von 12,5 m werde mit
15,84 um 3,34 m überschritten. Das dürfe nicht zugelassen werden, zumal sich der Gestaltungsbeirat der
Beklagten am 15.02.und 18.07.2012 ablehnend gegenüber einer Aufstockung des Gebäudes geäußert habe
(siehe dazu BAS 157 und 195 sowie Protokoll des Gestaltungsbeirats - BAS 169, 167).
14 Nach Rücksprache mit dem Regierungspräsidium hatte die Beklagte dem Widerspruch mit Abhilfebescheid
vom 28.01.2014 (a.a.O. BAS 223) teilweise abgeholfen, den der Beigeladene im vorliegenden Verfahren und
die Beigeladene in den beiden Parallelverfahren haben bestandskräftig werden lassen. Sie hatte mit diesem
Abhilfebescheid den Bauvorbescheid teilweise aufgehoben, nämlich soweit damit ein Vorrücken einer
Bebauung im 3. OG über die Grenzlinie zwischen den unterschiedlichen Höhenfestsetzungen hinaus bis vor
zur Fassadenfront zugelassen worden sei. Insoweit führe dies zu einer unzumutbaren Verschattung des
Gebäudes der Klägerin und zu einer erdrückenden Wirkung (BAS 225). Wörtlich führte die Beklagte hierzu
in der Begründung des Abhilfebescheids aus: „
Die fragliche Aufstockung im südlichen Gebäudeabschnitt über
das laut Bebauungsplan zulässige Maß von 12,5 m hinaus führt zu einer unzumutbaren Verschattung und
wirkt erdrückend auf das dortige Gebäude. Das Gebot der Rücksichtnahme ist unter Würdigung der
Argumente der Widerspruchsführer verletzt. Die betroffene Nachbarschaft besitzt einen Anspruch auf
Einhaltung der maßgeblichen bauplanungsrechtlichen Festsetzungen. Grundzüge des Bebauungsplans
wären andernfalls berührt“.
15 (Siehe dazu auch nachstehenden Plan mit Grüneintrag - BAS 215):
16
5.
Der Beigeladene hat dann seine Pläne geändert und möchte nun keine bauliche Erweiterung der Nutzung
seines Gebäudes zum Zwecke des Betriebs eines Fitnessstudios mehr, sondern eine bauliche Erweiterung
des Gebäudes im 2.OG und ein Aufstocken eines 3.OG jeweils zum Zwecke der Nutzung als Wohnraum.
17 Mit der im vorliegenden Verfahren
angefochtenen Baugenehmigung vom 14.10.2016
(Bauakten BA-
2014-801-2, dort BAS 153) genehmigte die Beklagte ihm unter Befreiung von den Festsetzungen des
Bebauungsplans zur zulässigen Höhe und zur Art der Nutzung (betriebszugehörige Wohnung) zum Zwecke
der Errichtung von insgesamt vier allgemeinen Wohnungen die räumliche Erweiterung und
Nutzungsänderung seines bisher um 6,5 m zurückversetzt im 2.OG liegenden Fitnessstudios durch
Vorziehen der entsprechenden Bebauung um 2,88 m bis auf einen Abstand von 3,6 m von der Fassadenfront
des darunterliegenden 1. OG und durch Aufstockung um ein direkt darüber liegendes (also ebenfalls um 2,88
m vorgezogenes und 3,6 m von der Fassade des 1.OG zurückversetzt liegendes) 3.OG und die Nutzung der
unbebauten Flächen im 2.OG als Terrasse bis zu einem Abstand von 2,5 m von der Grenze zum Grundstück
der Klägerin bzw. die Anbringung von Balkonen vor der Front des 3. OG ebenfalls bis zu einem Abstand von
2,50 m von der Grenze zum Grundstück der Klägerin (siehe nachfolgende Auszüge aus den
Baugenehmigungsakten - Plan mit der Bezeichnung: „BAUANTRAG 5“, dort sind - mit dünnen roten Linien
und Maßangaben in dünner roter Schrift die nach dem Bebauungsplan zulässigen maximalen
Höhenfestsetzungen mit eingezeichnet)
18 Im vorangegangenen Angrenzeranhörungsverfahren hatte die Klägerin gerügt, durch den geplanten Umbau
des Fitnessstudios in vier Wohnungen würden ihre nachbarschützenden Rechte verletzt. Die Aufstockung
des Gebäudes des Beigeladenen auf eine Gebäudehöhe von ca. 16 Metern an der Nordseite ihres Gebäudes
führe zu einer optischen Bedrängung und Verschattung, nämlich einem Entzug der Besonnung und
Belichtung. Die geplante Nutzungsänderung zu Wohnzwecken führe auch zu einer wesentlich stärkeren
Beeinträchtigung bezüglich Licht und Luft sowie des Brandschutzes als die frühere Nutzung. Zudem müsse
die Einhaltung der Abstandsvorschriften beachtet werden (BAS 95). Der im damaligen
Bauvorbescheidsverfahren erlassene bestandskräftige Abhilfebescheid habe eine unzumutbare Verschattung
und erdrückende Wirkung für den Fall konstatiert, dass die Linie der unterschiedlichen Höhenfestsetzungen
des Planes durch eine die zulässige Höhe überschreitende Bebauung überschritten werde. Zudem erfordere
die bemerkenswerte Architektur der Moschee eine Rücksichtnahme. Der Gestaltungsbeirat der Beklagten
habe hierzu erklärt, diese Architektur gebiete, die Ansicht der Kuppel der Moschee zu schützen.
19 Die Beklagte hatte diese Einwendungen mit dem angefochtenen Bescheid zurück- gewiesen und zur
Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (vgl. BAS 141): Der Bebauungsplan setze
unterschiedliche maximale und minimale Höhen des Baukörpers fest. Zulässig wäre danach im 2. OG eine bis
zur vorderen Baulinie (Abschluss der zur Straße gelegenen Fassadenfront) vorgezogene Bebauung mit max.
12,50 m Höhe. Diese zulässige Bebauung werde aber mit dem Vorhaben im 2.OG nicht ausgeschöpft, da der
Baukörper in diesem 2. Obergeschoss nicht bis an die Fassadenfront vorgezogen werde, sondern erst im
Anschluss an die vor ihr gelegene 3,62 m tiefe Terrasse beginne und somit nur auf einer Tiefe von 2,88 m
innerhalb des zulässigen Höhenrahmens in Erscheinung trete. Gegenüber einer an sich im 2.OG möglichen
Bebauung bis zu einer Höhe von 12,50 m und bis vor an die Fassadenfront bleibe diese Bebauung also mit
einer um 15,20 m² ( = 3,62 m x 4,20 m) geringeren Grenzwandfläche zurück. Unmittelbar über dem
Baukörper des 2.OG gelegen befinde sich der darauf aufgestockte Baukörper des 3.OG. Dieser überschreite
nur auf einer Tiefe von 2,88 m die hier an sich nach dem Bebauungsplan zulässige Gebäudehöhe von 12,50
m. Insoweit sei hier die Grenzwandfläche um 9,62 m² (= 2,88 m x 3,34 m) größer als bei Einhaltung der
Höhenfestsetzung. In der Gesamtbilanz reduziere das konkrete Vorhaben damit die Größe der (Anmerkung:
gegenüber dem Gebäude der Klägerin in Erscheinung tretenden) Grenzwandfläche um 5,58 m² (= 15,20 m²
- 9,62 m²) gegenüber der Größe der bei Einhaltung der Höhenfestsetzungen des Plans zulässigerweise
möglichen Grenzwandfläche (siehe insoweit den nachstehenden Auszug aus den Baugenehmigungsakten -
Plan mit der Bezeichnung: „BAUANTRAG 7“. Dort sind rot schraffiert bzw. grün/ rot schraffiert die
entsprechenden Flächen zur Veranschaulichung eingetragen. Bei der grün schraffierten Fläche handelt es
sich, wie die Beklagte auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, nicht um einen
Grüneintrag im echten Sinne, der sonst üblicherweise einen von der Baugenehmigung nicht abgedeckten
Teil des Bauvorhabens darstellt, sondern um eine lediglich erläuternde Markierung der relevanten,
gewissermaßen über den an sich zulässigen Bereich hinausragenden genehmigten Teile der Bebauung).
20 Von daher werde die Überschreitung der im Plan festgesetzten zulässigen Gebäudehöhe durch den
Baukörper im 3.OG im Wege der Befreiung nach §§ 30, 31 Abs. 2 BauGB zugelassen, da dies nicht nur
städtebaulich vertretbar sei, sondern auch eine Verbesserung darstelle und nachbarliche Belange nicht
wesentlich beeinträchtige. Denn die an sich zulässige Grenzbebauung im 2. OG, also auf der Höhe der
Nachbarbebauung auf dem Grundstück der Klägerin, werde dadurch reduziert. Im Übrigen sei zum Schutz
des Grundstücks der Klägerin auch geregelt, dass die Terrassennutzung im 2.OG des Vorhabens einen
Abstand von 2,50 m von der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin einhalten müsse, d.h. nicht
näher herangehend genutzt werden dürfe, bzw. zu begrünen sei. Auch die im 3.OG vorgesehenen Balkone
dürften nicht näher als bis auf 2,50 m an die Grenze gebaut werden. Für die Abweichung von der im Plan
festgesetzten zulässigen Art der Nutzung (Betriebswohnung) werde zugunsten einer Nutzung zu
allgemeinen Wohnzwecken ebenfalls eine Befreiung nach §§ 30, 31 Abs. 2 BauGB im überwiegenden
privaten Interesse erteilt. Diese Befreiung sei städtebaulich vertretbar, da die im Plan festgesetzte Nutzung
zum Schutz der damaligen Industriegebäude südlich der XXX Straße festgesetzt worden sei, auf dieser
Fläche aber, wie auch auf den nördlich des Plangebiets angrenzenden Grundstücken bereits Wohnflächen
entstanden seien, so dass nachbarschützende Normen durch die Befreiung nicht berührt würden.
21 Dagegen hat die Klägerin am 20.11.2014 Widerspruch erhoben, zu dessen Begründung sie vorträgt, die
Befreiung von der Höhenfestsetzung widerspreche dem bestandskräftigen Abhilfebescheid im
vorangegangenen Bauvorbescheidsverfahren, wonach die Erweiterung der Bebauung im 2. und 3.OG des
Gebäudes nicht genehmigungsfähig sei. Die Befreiung verletze im Übrigen das Rücksichtnahmegebot, weil
sie nachbarliche Belange erheblich beeinträchtige, da sie unzumutbare Auswirkungen auf das Grundstück
der Klägerin habe, nämlich die Silhouette der Moschee erheblich beeinträchtige, was auch der
Gestaltungsbeirat so sehe. Infolge der Aufstockung auf eine Gebäudehöhe von 16 m werde dem Grundstück
der Klägerin erheblich Licht und Besonnung entzogen. Das Vorhaben wirke zudem erdrückend.
22 Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2016 (zugestellt am 05.02.2016) wurde der Widerspruch
zurückgewiesen. Da das Vorhaben im 2.OG um 3,62 m von der Fassadenfrontlinie zurückversetzt sei,
obwohl es unter Einhaltung der Planfestsetzungen zur zulässigen Höhe bis an diese Frontlinie in Höhe von
12,5 m plangemäß errichtet werden dürfte, könne dies nicht zu einer unzumutbaren Verschattung des
Grundstücks der Klägerin führen und beeinträchtige auch nicht dessen ausreichende Belichtung. Das gelte
auch, soweit dafür im 3.OG auf einer Tiefe von 2,88 m ein Vorspringen der Bebauung genehmigt werde, mit
der die an sich nur zulässige Höhe von 12,50 m um 3,34 m auf 15,84 m überschritten werde. Eine
erdrückende Wirkung gehe von dem Vorhaben nicht aus, da es sich im Rahmen der nach dem Plan maximal
zulässigen Gebäudehöhe von 16,50 m halte und diese Höhe im Übrigen auch der Höhe der übrigen
umliegenden Bebauung entspreche. Zudem werde die an sich zulässige Grenzbebauung insoweit sogar um
5,58 m² reduziert. Der gestufte Baukörper wirke nicht erdrückend. Die durch die Befreiung genehmigte
Änderung der Nutzung von einem Fitnesscenter in allgemeine Wohnnutzung im vorliegenden Sondergebiet
wirke nicht zum Nachteil der Klägerin störungsintensiver, da die Wohnnutzung die Nutzungsart mit dem
geringsten Belastungsaufkommen sei. Die nach dem Plan zugelassene Nutzung des Gebiets als Sondergebiet
für den Ladenverkauf werde dadurch nicht zum Nachteil der Klägerin verändert. Abstandsflächen seien hier
gem. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LBO nicht einzuhalten, da der Plan die geschlossene Bauweise vorsehe. Eine
abstandsflächenrelevante Nutzungsänderung liege ungeachtet dessen nicht vor. Das wäre nur der Fall,
wenn die Nutzung eines Gebäudes geändert würde, das - wie z.B. Garagen - aufgrund seines besonderen
Verwendungszwecks nach § 6 Abs. 1 LBO ohne Einhaltung einer Abstandsfläche zulässig wäre. Die Terrasse
und der Balkon hielten im Übrigen den Mindestabstand von 2,50 m zur Grenze zum Grundstück der Klägerin
ein. Gesichtspunkte des Brandschutzes seien nur bei der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes, nicht aber
bei der Änderung seiner Nutzung von Belang.
23 Dagegen hat die Klägerin am 04.03.2016 Klage erhoben.
24 Sie wiederholt die im Einwendungs- und Widerspruchsverfahren geltend gemachten Bedenken. Zudem
macht sie geltend, die dem Beigeladenen erteilte Befreiung von den Planfestsetzungen zur Art der Nutzung
sei rechtswidrig, weil der Klägerin ein planübergreifender Anspruch auf Gebietserhaltung zustehe.
Unabhängig von einer nachteiligen Betroffenheit habe sie daher einen Anspruch auf Einhaltung der
Gebietsfestsetzung, die Wohnungen nur zu betrieblichen Zwecken zulasse. Im Übrigen sei diese Festsetzung
auch nachbarschützend. In der Begründung des Plans sei nämlich bereits auf die künftige Moschee und
darauf hingewiesen worden, dass diese nur deshalb nicht ins Plangebiet mit aufgenommen worden sei, weil
sich infolge eines noch nicht abgeschlossenen Architekturwettbewerbs für die Moschee sonst der Bau der
vorgesehenen Fachmärkte verzögert hätte. Die Befreiungsvoraussetzungen lägen zudem ohnehin nicht vor.
Schließlich liege ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 15 Abs. 2 S. 1 BauNVO vor. Denn die
Genehmigung einer umfangreichen Wohnbebauung in einem Sondergebiet, das lediglich eine
untergeordnete Wohnnutzung zu betrieblichen Zwecken zulasse, verändere den Gebietscharakter und
stelle die Grundzüge der Planung in Frage. Sie beeinträchtige als heranrückende Wohnbebauung auch die
Interessen der Klägerin, da sie den Kreis derer erweitere, die sich durch den Betrieb der Moschee in ihren
Wohnrechten eingeschränkt fühlen würden. Das erste Morgengebet finde vor Anbruch der Dämmerung statt
und könne infolge des An- und Abfahrtverkehrs der Teilnehmer dieses Gebiets im Sommer bereits um ca.
5:00 Uhr zu einer unumgänglichen Erhöhung des Lärmpegels führen. (Im Parallelverfahren 6 K 677/16 hat
die Klägerin zudem erwähnt, dass während der Ramadanzeit auch das Fastenbrechen von 21:30 bis 22:00
Uhr und das Abendgebet [Teravi] stattfinde und sich viele Gläubige daher bis in die Nacht in der Moschee
aufhielten und dass für die Zukunft ein einmal wöchentlich zum Freitagsgebet aufrufender Muezinruf
geplant sei). Bei der derzeitigen gewerblichen Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen als Bettengeschäft
bzw. Fitnessstudio werde hier, anders als bei der künftig vorgesehenen Nutzung mit einer großen Zahl
privater Wohnungen, niemand durch die angrenzende Moschee und ihren Betrieb gestört. Über das Minarett
erfolge derzeit zwar kein Gebetsaufruf. Es sei aber mittel- und langfristig nicht auszuschließen, dass eine
eingeschränkte Form des Gebetsaufrufs für das Minarett zulässig werde, wodurch dann Konflikte mit der
angrenzenden Wohnbevölkerung vorprogrammiert wären. Das Interesse der Klägerin an dem Erhalt bzw. an
der gegebenenfalls künftigen Ausweitung ihrer religiösen Einrichtung sei von der Beklagten bei Erteilung der
Genehmigung nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Erteilung der Befreiung sei mithin
ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig. Die Moschee als kulturelle und religiöse Einrichtung sowie ihre
Architektur sei einzigartig in YYY und habe auch Bedeutung für die Gläubigen aus umliegenden Orten.
Durch die Überschreitung der nach dem Plan zulässigen Gebäudehöhe werde ihr einzigartiges
Erscheinungsbild wesentlich beeinträchtigt. Das habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung nicht
berücksichtigt und gewürdigt.
25 Die Klägerin beantragt,
26 den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums
Freiburg vom 03.02.2016 aufzuheben.
27 Die Beklagte beantragt,
28 die Klage abzuweisen.
29 Sie verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen des Regierungspräsidiums und äußert sich sonst im
gleichen Sinne wie der Beigeladene.
30 Der Beigeladene beantragt,
31 die Klage abzuweisen.
32 Er verweist auf die materielle Präklusion, da die Klägerin erstmals im Klageverfahren, hingegen nicht schon
im Angrenzeranhörungsverfahren, die Rüge vorgetragen habe, sie werde durch die heranrückende
zusätzliche Wohnnutzung womöglich in der Freiheit der Nutzung ihrer religiösen Einrichtung durch künftige
Lärmschutzansprüche der Wohnnutzer beschränkt. Im Übrigen müsse, wer in die Nähe einer bereits
vorhandenen Moschee ziehe, mit derartigen Störungen rechnen und könne sie nicht abwehren. Zudem sei
auch in der Umgebung schon längst überall Wohnnutzung in großem Umfang vorhanden. Das gelte zumal
direkt angrenzend auf dem Grundstück der Klägerin selbst auch sechs Wohneinheiten genehmigt und
gebaut seien und sich dort auch noch eine an den Beigeladenen vermietete Lagerfläche, sowie Büroräume
der Klägerin befänden. Was die Art der Nutzung und die Befreiung angehe, fehle es an Anhaltspunkten für
einen planübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch, denn das Grundstück der Klägerin liege außerhalb des
Geltungsbereichs des Plans. Im Übrigen sei die Festsetzung der Art der Nutzung (betriebszugehörige
Wohnung) hier obsolet geworden, da sie damals nur dem Schutz der auf der anderen Seite der XXX Straße
gegenüberliegenden Industriebebauung des H.-Geländes gedient habe. Jedenfalls bedeute auch eine
Befreiung von der Art der Nutzung nicht zwangsläufig ein Abweichen von den Grundzügen der Planung, da
das Vorhaben nur geringfügig abweiche und keine nennenswerten Beeinträchtigungen auslöse. Das
Vorhaben sei auch nicht rücksichtslos. Es wirke nicht erdrückend, weil es lediglich in geringfügigem Umfang
die Grenzwandfläche im 3.OG auf einer Tiefe von 2,88 m und Höhe von 3,34 m über die nach dem Plan
schon festgesetzte zulässig mögliche Größe hinaus erweitere. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus dem
Abhilfebescheid im damaligen Bauvorbescheidsverfahren, in dem von der Beklagten selbst eine unzumutbare
Verschattung bzw. ein Erdrücken festgestellt worden sei. Da der damalige Abhilfebescheid ein anderes
Vorhaben betroffen habe, stehe er vielmehr der erteilten Genehmigung insoweit nicht bindend entgegen.
Der jetzt vorliegende Bauantrag enthalte nämlich eine gegenüber dem Bauantrag, der dem Abhilfebescheid
zugrunde gelegen habe, wesentlich reduzierte Planung. Die Abstandsflächen seien auch eingehalten, so
dass auch von daher keine erdrückende Wirkung vorliegen könne. Die Vorschläge des Gestaltungsbeirats
seien unverbindlich und schlössen keineswegs das Vorhaben aus.
33 Die Kammer hat das Grundstück der Klägerin und des Beigeladenen vor Ort in Augenschein genommen und
Fotos gefertigt. Auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit verwiesen.
34 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen (zwei Hefte Bauakten der
Beklagten, ein Heft Bebauungsplanakten, ein Heft Widerspruchsakten und ein Heft Gerichtsakten).
Entscheidungsgründe
35 Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
36 Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt gegen keine, auch dem Schutz der Klägerin als
Grundstücksnachbarin dienenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
37
1.
Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
38
1.1
. Befreiung von der festgesetzten Art der zulässigen Nutzung
39
1.1.1.
Die Klägerin ist hier nicht schon mit der Rüge präkludiert (§ 55 Abs. 2 LBO), die Befreiung von der
Festsetzung der zulässigen Art der Nutzung, nämlich von der Zulassung von Wohnungen zu allgemeinen,
nicht lediglich betriebszugehörigen Wohnzwecken, sei rechtswidrig, weil sie infolge dieser Genehmigung
einer heranrückenden Wohnbebauung möglicherweise in der Zukunft mit nachträglichen, den Betrieb ihres
Moscheezentrums einschränkenden Lärmschutzauflagen zu rechnen habe. Zwar hat sie dazu im
Angrenzeranhörungsverfahren und auch im Widerspruchsverfahren zumindest nichts ausdrücklich
vorgebracht, sondern erstmals mit der Klagebegründung unter anderem die mit ihrem Moscheebetrieb
verbundenen, für eine angrenzende Wohnnutzung womöglich störenden Geräuschentwicklungen
beschrieben, die sich insbesondere aus dem An- und Abfahrtsverkehr von Gläubigen sowie ganz generell aus
dem Besucherverkehr im Zusammenhang etwa mit der Teilnahme an dem sehr früh stattfindenden
Morgengebet ergeben könnten. Allerdings hat sie im Angrenzeranhörungsverfahren immerhin schon
ausgeführt, „die geplante Nutzungsänderung zu Wohnzwecken“ führe nicht nur zu einer wesentlich
stärkeren Beeinträchtigung bezüglich der Belichtung und Belüftung ihres Grundstücks, sondern stelle auch
höhere Anforderungen an den Brandschutz als die vorherige Nutzung (als Fitnessstudio), wobei sie diese
höheren Brandschutzanforderungen jedoch nicht näher spezifiziert hat. Damit aber hat sie sich immerhin -
wenn auch recht pauschal - unter anderem auch gegen die Zulassung einer anderen Nutzungsart als der
bisherigen gewandt. Das dürfte bei großzügiger Betrachtungsweise gerade noch den im Rahmen der
Präklusionsvorschriften an das Vorbringen im Angrenzeranhörungsverfahren zu stellenden
Mindestanforderung an eine Thematisierung der Frage genügen, wodurch und in welchen Rechten man sich
betroffen sieht (vgl. dazu Sauter, Kommentar zur LBO Baden-Württemberg, Rn. 36 zu § 55 LBO). Denn
immerhin hat diese Einwendung, wenngleich im Verbund mit der insoweit ebenso recht pauschalen Rüge im
Widerspruchsverfahren, die Widerspruchsbehörde veranlasst, im Widerspruchsverfahren bzw. in der
Begründung des Widerspruchsbescheids auf die Frage einzugehen, inwieweit die genehmigte Nutzungsart
der Planfestsetzung widerspricht.
40
1.1.2.
Die Rüge ist jedoch unbegründet, die Zulassung einer allgemeinen Wohnnutzung im Wege der
Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den - nur eine betriebszugehörige Wohnnutzung zulassenden -
Festsetzungen des Bebauungsplans, verletze sie in ihren Nachbarrechten.
41 Gegenüber der Rechtmäßigkeit der Erteilung einer Befreiung kann nämlich ein Nachbar nur rügen, dass
(a)
von der Einhaltung von nachbarschützenden Vorschriften befreit wurde, obwohl die
Befreiungsvoraussetzungen nicht vorliegen, oder aber, dass
(b)
die Befreiung zwar keine
nachbarschützenden Vorschriften betrifft, er aber gleichwohl jedenfalls durch die konkreten Auswirkungen
des genehmigten Vorhabens in seinem Recht auf nachbarliche Rücksichtnahme verletzt wird, weil die
genehmigte Abweichung ihm unter Würdigung seiner nachbarlichen Interessen nicht zumutbar, sondern ihm
gegenüber rücksichtlos ist. An beiden Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.
42
(a)
Die Befreiung betrifft zwar die Festsetzungen des Bebauungsplans über die zulässige Art der Nutzung.
Solche Festsetzungen dienen als solche grundsätzlich auch dem Schutz der Nachbarn. Das gilt aber nur für
die innerhalb desselben Plangebiets gelegenen Nachbargrundstücke. Denn dieser sogenannte
Gebietserhaltungsanspruch beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses der
gleichermaßen den Festsetzungen desselben Plans Unterworfenen, die, weil und sofern sie in der
Ausnutzung ihres Grundstücks diesen Festsetzungen unterworfen sind, deren Beachtung als Ausgleich
gleichermaßen auch von den Nachbarn im Rahmen der rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verlangen
können. Hingegen gibt es für außerhalb des Plangebiets gelegene Nachbargrundstücke grundsätzlich keinen
von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen, sogenannten planübergreifenden
Gebietserhaltungsanspruch gegenüber behaupteten gebietsfremden Nutzungen (vgl. BVerwG, Beschl. v.
18.12.2007 - 4 B 55.07 -, BayVBl. 2008, 765 = juris; siehe dazu auch m. zahlr. w. Rspr.Nw. VGH Bad.-
Württ., Urt. v. 10.10.2003 - 5 S 1692/02 -, VBlBW 2004, 181 = juris, Rn. 42 und Urt. v. 26.02.2015 - 5 S
736/13 -, juris, Rn. 56; vgl. ferner BayVGH, Beschl. v. 02.05.2016 - 9 ZB 13.2048 u.a. -, juris, Rn. 14).
Danach kann die Klägerin keinen Gebietserhaltungsanspruch geltend machen, da ihr Grundstück außerhalb
des Plangebiets liegt.
43 Im vorliegenden Fall sind auch die Voraussetzungen für einen von diesen Grundsätzen abweichenden,
ausnahmsweisen Anspruch eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Nachbarn auf planübergreifenden
Nachbarschutz nicht erfüllt. Das setzt nämlich voraus, dass die Gemeinde in ihrem Bebauungsplan nicht nur
für das Baugrundstück Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung getroffen hat, sondern dass sie
insoweit damit auch nicht im Plangebiet gelegenen Nachbarn ein Abwehrrecht gegen eine gebietsfremde
planwidrige Nutzung einräumen wollte. Ein solcher Planungswille muss dabei allerdings der Begründung
zum Bebauungsplan zu entnehmen sein. Allein der Umstand, dass der Plangeber für das Plangebiet selbst
nachbarschützende Festsetzungen trifft, genügt insoweit nicht, um einen entsprechenden Planungswillen
auch für einen baugebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch annehmen zu können, weil es sich
dabei eben um einen Ausnahmefall handelt, für dessen Vorliegen deutliche Anhaltspunkte in der
Planbegründung erforderlich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1973 - IV C 71.71 -, NJW 1974, 8111 = juris,
Rn. 28; BayVGH, a.a.O. Rdn. 14).
44 Der bloße Umstand, dass das Grundstück der Klägerin unmittelbar an das Plangebiet angrenzt, gibt
demnach für sich genommen nichts für einen solchen planübergreifenden Anspruch auf Gebietserhaltung
her.
45 In der Begründung des vorliegenden Bebauungsplans fehlen zudem jegliche Anhaltspunkte dafür, dass mit
der Festsetzung einer auf bloß betriebszugehörige Wohnnutzungen beschränkten Art der Nutzung auch das
Grundstück der Klägerin bei der Planung derart mit in den Schutzbereich des Plans einbezogen werden
sollte. Es ist nicht erkennbar, dass ihr ein Recht eingeräumt werden sollte, wie die unmittelbar
Planunterworfenen aufgrund ihres wechselseitigen nachbarlichen Austauschs-und Vertrauensverhältnisses
die Beibehaltung dieser Art der Nutzung einfordern zu können. In der Planzeichnung finden sich außerhalb
der Grenzlinie des Geltungsbereichs des Plans lediglich der Eintrag „GB-Fläche (Islamisches Kulturzentrum)“
und auf Seite 9 der aus dem Jahre 1997 stammenden Begründung des Plans der Hinweis, „außerhalb des
Plangebiets“ sei zur Abschirmung sowie als Übergangsbereich zwischen den zentralen
Versorgungseinrichtungen und dem östlich gelegenen Wohngebiet entlang der YYY Straße eine
mehrgeschossige Bebauung vorgesehen. Im nördlich des Plangebiets gelegenen Abschnitt seien
Mischnutzungen geplant, die als Mischgebietsnutzung zu qualifizieren seien und im südlichen Abschnitt solle
„ein islamisches Kulturzentrum (Moschee) eingerichtet werden“. Diese Nutzungen lägen „außerhalb des
Geltungsbereichs des Plans“, da für ein Mischgebiet derzeit kein Investor zur Verfügung stehe und zum
anderen für das Islamische Kulturzentrum ein Hochbauwettbewerb durchgeführt werde, den abzuwarten
den Zeitablauf für die anderen Vorhaben (im Plangebiet) unverhältnismäßig verzögert hätte. Daraus kann
man lediglich entnehmen, dass dem Plangeber bei der Planaufstellung bewusst war, dass an dieser Stelle
direkt ans Plangebiet angrenzend künftig wohl in der einen oder anderen Form eine Moschee mit
Kulturzentrum errichtet werden würde. Nicht entnehmen lässt sich hingegen, dass die Festsetzung der
Zulassung lediglich betriebszugehöriger Wohnungen in dem als Sondergebiet festgesetzten Plangebiet etwa
auch mit Rücksicht darauf erfolgt wäre, einen Konflikt zwischen einem das Wohnen womöglich durch
Geräusche und Lärm ihres Besucherverkehrs störenden Betrieb einer künftigen Moschee zu deren Gunsten
durch eine Beschränkung der Wohnnutzung zu entschärfen. Das ergibt sich schon daraus, dass der
Plangeber ohnehin von der bereits vorhandenen mehrgeschossigen Wohnbebauung östlich der YYY Straße
ausging, für die er offenbar bezogen auf die künftige Moschee keinen entsprechenden Konflikt sah. Zudem
ging der Plangeber ausweislich der Planzeichnung und der Begründung davon aus, dass das Gelände
westlich der YYY Straße als Mischgebiet künftig ebenfalls mit Wohngebäuden bebaut werden würde (siehe
Eintrag in der Planzeichnung: „MI [Wohn- und Geschäftsbebauung] “). Nur insoweit findet sich in der
Begründung der Festsetzung einer Mindesthöhe der Bebauung des Plangebiets und der geschlossenen
Bauweise der ausdrückliche Hinweis darauf, dass damit auch die „außerhalb des Plangebiets“ gelegene
künftige Wohnbebauung westlich der YYY Straße gegen den Lärm von der XXX Straße „abgeschirmt“
werden sollte („…Die Mindesthöhe von 10,5 m und die geschlossene Bauweise wirken abschirmend auf das
zukünftige Mischgebiet und die bestehende Wohnbebauung entlang der YYY Straße“; siehe auch S. 17 der
Begründung: „Die geplante Bebauung entlang der XXX Straße bewirkt eine geringere Schallbelastung der
bestehenden Wohngebiete an der YYY Straße. Die durch den Fahrzeugverkehr auf dem Parkplatz
entstehenden Schallemissionen werden in Richtung der bestehenden Wohnbebauung durch die geplante
Blockrandbebauung an der YYY Straße gemindert und zusätzlich durch die Festsetzung einer begrünten
Schutzwand entlang der östlichen Grenze des Geltungsbereichs des Plans reduziert. Die Dienstwohnungen
im Planungsabschnitt 2 erhalten dem Schallschutz entsprechende Grundrisse und Ausstattungen“). Im
Übrigen hat der Plangeber, als er mit dem Beitrittsbeschluss vom 27.09.2007 den Plan endgültig in Kraft
setzte, ebenfalls keinen Anlass gesehen, die seinerzeit schon existierende Moschee ins Plangebiet
mitaufzunehmen. Ansonsten findet sich in der Planbegründung bezogen auf das künftige Islamische
Kulturzentrum lediglich noch der Hinweis auf Seite 11, wonach die im Plangebiet festgesetzte innere
Erschließungsstraße, (die laut Planeintrag von der XXX Straße über eine Durchfahrt durch die geplanten
Geschäftshausgebäude den rückwärtigen Parkplatzbereich erschließt), als öffentliche Straße ausgestaltet
wird und auch der Erschließung des künftigen Kulturzentrums zu dienen bestimmt sei.
46 Fehlt es demnach an einem planübergreifenden Anspruch der Klägerin auf Wahrung des sich aus der Art der
Nutzung ergebenden Gebietscharakters im Plangebiet, so kann die Frage dahinstehen, ob die Festsetzung
„betriebszugehörige Wohnungen“ überhaupt dem Zweck gedient haben soll und kann, die Wohnnutzung in
ihrem Schutzniveau bezüglich der südlich der XXX Straße auf der dem Vorhaben gegenüberliegenden
Straßenseite - seinerzeit womöglich schon gar nicht mehr vorhandenen - industriellen Nutzung durch die H.-
Fabrik zu mindern und ob diese Planfestsetzung mithin nach Abriss dieser Firma und Neubeplanung und
Bebauung ausschließlich mit Wohnanlagen mittlerweile obsolet geworden ist, wie dies die Beklagte und die
Widerspruchsbehörde vertreten.
47 Am Rande sei hierzu bemerkt, dass dies hier zweifelhaft sein dürfte, da sich die Festsetzung einer
Beschränkung der Wohnnutzung auf „betriebszugehörige“ Wohnungen nach den gesetzlichen Regelungen
und nach ihrem Sinn und Zweck wohl richtigerweise nur auf die im Plangebiet selbst gelegenen Betriebe
beziehen kann (vgl. zur Festsetzung „betriebsbedingtes Wohnen“, die nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 1 und 9 Abs. 3
Nr. 1 BauNVO nur in Gebieten zulässig und geboten ist, die prägende Merkmale eines Gewerbe- oder
Industriegebiets aufweisen, aber auch in einem sonstigen Sondergebiet nach § 11 BauNVO nicht
ausgeschlossen sind, und zu der damit verbundenen Reduzierung von Schutzansprüchen gegenüber den
vom jeweiligen Betrieb ausgehenden Lärmstörungen: OVG NdS, Beschl. v. 20.02.2014 - 1 ME 203/13 -, juris,
Rn. 19, 20 = BauR 2015, 462; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2008 - 3 S 1771/07 -, BauR 2009, 611 =
VBlBW 2009, 61 = juris, Rn. 30, 34; VG Karlsruhe, Beschl. v. 12.02.2016 - 6 K 121/16 -, BauR 2016, 885 =
juris, Rn. 28; VG Hamburg, Beschl. v. 24.07.1995 - 6 VG 2569/95 -, juris, Rn. 13). Von daher dürfte hier
mehr dafür sprechen, dass die vorliegende Festsetzung der Einschränkung, dass nur „betriebszugehörige
Wohnungen“ in dem festgesetzten Sondergebiet zulässig sein sollen, insoweit wohl eher den Sinn gehabt
hat, das Schutzniveau für die zugelassene Wohnnutzung gegenüber Lärmstörungen zu reduzieren, die sich
hier zwangsläufig nicht nur aus der Nutzung und dem Betrieb der großflächigen Verkaufszentren selbst,
sondern vor allem aus dem in besonderem Maß störenden An- und Abfahrtsverkehr von Kunden auf den
diesen Geschäften dienenden und eigens dafür im Plan ausdrücklich festgesetzten großen Parkplatzflächen
ergeben würden und bei den heutigen langen Ladenöffnungszeiten unter Umständen auch noch bis spät
abends um 22:00 Uhr dauern können.
48
(b)
Die erteilte Befreiung von der Planfestsetzung der Zulässigkeit nur betriebszugehöriger Wohnungen
zugunsten einer Nutzung zu allgemeinen Wohnzwecken verstößt auch nicht zu Lasten der Klägerin gegen
das in § 31 Abs. 2 BauGB im Begriff der „Vereinbarkeit mit nachbarlichen Interessen“ enthaltene
Rücksichtnahmegebot.
49 Dass die zugelassene allgemeine Wohnnutzung als solche die Klägerin nicht in ihren Rechten beeinträchtigt,
weil von einer Wohnnutzung typischerweise nur geringe bis gar keine Geräuschbelastungen für die
Umgebung ausgehen, hat die Widerspruchsbehörde zwar zutreffend festgestellt. Dies spielt hier aber keine
Rolle, weil die Klägerin mit ihrer Rüge einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots auf solche Störungen gar
nicht abhebt. Vielmehr wendet sie sich umgekehrt gegen die nunmehr an ihre Grundstücksgrenze
gewissermaßen „heranrückende“ allgemeine Wohnnutzung mit der Begründung, sie befürchte eine
unzumutbare Beschränkung ihres Moscheebetriebs durch Störungsabwehransprüche der Wohnnutzer.
50 Eine solche Beschränkung hat die Klägerin infolge der Zulassung einer allgemeinen, nicht mehr nur
betriebsbezogenen Wohnnutzung im genehmigten Bauvorhaben des Beigeladenen indessen nicht zu
befürchten.
51 Da die Wohnnutzung in einem Sondergebiet zugelassen wird, das hier der Nutzung durch großflächige
Einzelhandelsbetriebe dient, denen wiederum eine im Plangebiet festgesetzte große Parkplatzfläche für die
Kunden dieser Betriebe dient, können sich die Wohnnutzer, was Lärmschutzansprüche angeht, schon nicht
auf die Einhaltung der Lärmschutzwerte eines reinen oder auch nur allgemeinen Wohngebiets berufen,
sondern hier nur auf die eines Mischgebiets bzw. wegen der vorwiegenden gewerblichen Nutzung
womöglich sogar nur auf die für den Lärmschutz in einer Gemengelage von Mischgebiet und Gewerbegebiet
geltenden Mittelwerte. Sie müssen von daher schon ohne weiteres die mit dem Anlieferverkehr, aber vor
allem auch mit der Parkplatznutzung verbundenen Lärmstörungen hinnehmen, die infolge zunehmend
längerer Geschäftsöffnungszeiten durchaus auch bis spät abends um 22:00 Uhr andauern können. Das gilt
zumal die Wohnungen bezüglich einer Lärmbeeinträchtigung vorbelastet sind, weil sie zur stark
frequentierten XXX Straße hin orientiert sind, über die bekanntermaßen ein großer Teil des von Westen her
kommenden Zugangsverkehrs in die Stadt fließt. Der außerhalb des Plangebiets gelegene unbeplante
Innenbereich, in dem die Moschee selbst und das Kulturzentrum samt Gemeindehaus sowie die in diesem
Zusammenhang genehmigten Wohnungen liegen, ist zudem vom Plangeber ebenso wie das westlich und
östlich entlang der YYY Straße gelegene Gebiet mit seiner Wohnblockbebauung wohl zutreffend als
faktisches Mischgebiet angesehen worden. Die dort üblichen Lärmwerte müssen die Wohnnutzer in den dem
Beigeladenen genehmigten Wohnungen als direkt an diesen Bereich angrenzende Bewohner hinnehmen.
Sie können sich nicht auf die Einhaltung der Lärmwerte eines reinen oder allgemeinen Wohngebiets berufen.
52 Die Klägerin müsste im Übrigen ihren Betrieb einschränkende Lärmschutzansprüche selbst dann nicht
befürchten, wenn man davon ausginge, die Bewohner der dem Beigeladenen genehmigten Wohnungen
könnten sich sogar auf die Einhaltung der Lärmwerte eines allgemeinen Wohngebiets berufen, weil die
großflächigen Einzelhandelsbetriebe zumindest zur Kernnachtzeit von 22:00 bis 6:00 Uhr keine
nennenswerten Lärmstörungen mehr auslösen werden, da der Verkehr auf der XXX Straße um diese Zeit
deutlich reduziert sein wird und weil beiderseits der YYY Straße, ebenso wie südlich der XXX Straße
praktisch überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich nur Wohnnutzung vorhanden ist. Denn in einem
faktischen allgemeinen Wohngebiet (WA) sind nach § 34 Abs. 2 S. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO
der einhelligen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zufolge auch Moscheen und islamische
Kulturzentren einschließlich ihrer abendlichen Nutzung während der Ramadanzeit bzw. morgendlichen
Nutzung zum Morgengebet und selbst bei einem etwas größeren Einzugsbereich als „Anlagen für kirchliche,
kulturelle oder soziale Zwecke“ generell zulässig, wenn sie nicht außergewöhnlich groß sind, bzw. von einer
außergewöhnlich großen Zahl von Gläubigen genutzt werden, sondern sich im Rahmen etwa vergleichbarer
lokaler christlicher Gotteshäuser und diesen zugeordneter kirchengemeindlicher Einrichtungen halten.
Infolgedessen sind den in diesem Gebiet in der Umgebung wohnenden Nachbarn dann auch die durch einen
Zu- und Abgangsverkehr fußläufiger Nutzer bzw. einen Zu- und Abfahrverkehrs motorisierter Nutzer der
Moschee verursachten Störungen zumutbar, so dass den Nachbarn daraus also keine Abwehransprüche
gegenüber der Moscheenutzung erwachsen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.09.1992 - 4 C 50.89 -, NJW
1992, 2170 = juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.01.2008 - 3 S 2773/07 = BauR 2009, 470 = juris; OVG
Lüneburg, Urt. v. 28.10.2004 - 1 KN 119/03 -, juris, Rn. 63; VG Arnsberg, Beschl. v. 17.05.2011 - 14 L
218/11 -, juris, Rn. 52 - 55; VG Berlin, Urt. v. 18.02.2009 - 19 A 355.04 -, juris, Rn. 19 und Urt. v.
07.11.2005 - 19 A 331.03 -, juris. Rn. 24 - 31; VG München, Beschl. v. 07.06.2005 - M 8 SN 05.1628 -, juris,
Rn. 32 - 39; VG Frankfurt, Urt. v. 29.08.2001 - 3 E 815/01 (2) -, NVwZ-RR 2002, 175 = juris, Rn. 48, 54
-56; VG Düsseldorf, Urt. v. 28.02.2008 - 4 K 945/07 -, juris, Rn. 27 - 32; siehe auch VG Neustadt, Urt. v.
30.10.2012 - 4 K 553/12.NW -, juris, Rn. 53 ff. zu einem Bibelheim mit 17 Stellplätzen und 68
Übernachtungsmöglichkeiten im allgemeinen Wohngebiet; a.A. zu einem islamischen Gebetshaus im
allgemeinen Wohngebiet, wenn damit in einem erheblichen Zeitraum, nämlich an 200 Tagen im Jahr und
davon an 130 in besonders intensiver Form eine Nutzung ggf. auch noch mitten in der Nachtzeit verbunden
sei OVG NdS, Beschl.v. 07.12.2009 - 1 LA 255/08 -, BauR 2010, 433 = NVwZ-RR 2010, 219 = juris, Rn.17 -
23 ).
53 Von einem solchen in einem allgemeinen Wohngebiet verträglichen Rahmen ist auch im hier vorliegenden
Fall auszugehen, da die Moschee mit einem Gebetsraum von 225 m² Größe und auch sonst rein äußerlich
betrachtet keine außergewöhnliche Größe aufweist, sondern ebenso wie etwa eine christliche Stadteilkirche
mittlerer Größe geschätzt wohl allenfalls 200 bis 300 Gläubigen Platz bietet und da sich von den ca. 3000
Gläubigen, die in ihrem Einzugsgebet leben und als potentielle Nutzer in Betracht kommen, wohl nur eine
geringe Zahl zu einem frühmorgendlichen Gebet einfinden wird.
54 Dass es sich bei den mit einer Moschee dieser Größe und dieses Zuschnitts verbundenen Störungen durch
den Zu- und Abgangsverkehr ihrer Nutzer um der Umgebung zumutbare gebietstypische und
hinzunehmende Störungen handelt, lässt sich hier auch schon daraus ableiten, dass es selbst in den
immerhin fünfzehn Jahren seit der Eröffnung der Moschee im Oktober 2001 trotz der danach in
unmittelbarer Nähe an allen Seiten hinzugekommenen mehrgeschossigen Wohnblockbebauung westlich der
YYY Straße und südlich der XXX Straße allem Anschein nach bisher wohl zu keinen Lärmschutzkonflikten
mit den vielen in der Umgebung der Moschee lebenden Wohnnachbarn gekommen ist.
55 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladene im Parallelverfahren 6 K 677/16 in der mündlichen
Verhandlung unwidersprochen darauf verwiesen hat, dass der große, hinter den großen
Einzelhandelsbetrieben liegende Parkplatz allein für die Nutzung durch deren Kunden gewidmet und
baurechtlich genehmigt ist, also genau besehen nicht etwa der Moschee zu dienen bestimmte notwendige
Stellplätze umfasst, die Gegenstand der der Klägerin für die Errichtung der Moschee erteilten
Baugenehmigung sind. Der bloße Umstand, dass von den Eigentümern der Einzelhandelsbetriebe und der
Parkplatzfläche die Nutzung dieses Parkplatzes auch durch die Nutzer der Moschee stillschweigend und
wohlwollend geduldet wird, besagt deshalb nicht, dass die mit dieser Nutzung verbundenen
Lärmbeeinträchtigungen zum rechtlich genehmigten Nutzungsrahmen des Moscheebetriebs zählen würden
und ihr bauplanungsrechtlich zurechenbar wären. Das heißt, denkt man sich diese lediglich geduldete
Nutzung diese Parkplatzes weg, so würde sich der An- und Abfahrtsverkehr der Moscheenutzer auf den
allgemeinen im öffentlichen Straßenraum in dem umliegenden Stadtviertel vorhandenen öffentlichen
Parkraum verteilen, was die konkret für die Wohnnutzer des Vorhabens des Beigeladenen damit
verbundenen Störungen sogar geringer ausfallen ließe. Bei Nichtberücksichtigung einer solchen
konzentrierten Parkplatznutzung direkt auf dem Gelände hinter den Einzelhandelsbetrieben aber wäre für
Nachbarn der Moscheebetrieb bauplanungsrechtlich erst recht zumutbar. Auch deshalb muss die Klägerin
bauplanungsrechtlich nicht damit rechnen, von den Nutzern der dem Beigeladenen genehmigten
Wohnungen als neu hinzukommenden Nachbarn erfolgreich auf Einschränkung ihrer Nutzungen verklagt
werden zu können.
56 Da das Grundstück der Klägerin ohnedies schon nach allen Seiten in unmittelbarer Nähe von
Wohnbebauung umgeben ist und sich sogar auf ihrem Grundstück selbst eine baurechtlich genehmigte
Nutzung mit mehreren Wohnungen befindet, kann schon nicht davon die Rede sein, dass sich durch das
bloße Hinzutreten weiterer Wohnnutzung auf dem Grundstück des Beigeladenen, die auch räumlich nicht
näher hinzutritt, als die bereits in der Umgebung vorhandene Wohnnutzung, die rechtliche Situation der
Klägerin hinsichtlich möglicher nachbarlicher Abwehransprüche von Wohnnutzern nachteilig dadurch zu
ihren Lasten verändern würde, dass etwa eine andere, neue Nutzungsart hinzukommt, auf die sie anders
als gegenüber den bisherigen in der Nachbarschaft vorhandenen Nutzungsarten, nämlich stärker und
qualifizierter Rücksicht nehmen müsste.
57 Ganz abgesehen davon ist das Rücksichtnahmegebot dadurch gekennzeichnet, dass derjenige der erst
nachträglich mit seiner Nutzung zu einer bereits vorhandenen und baurechtlich genehmigten Nutzung
hinzutritt, auf diese Rücksicht zu nehmen hat, sich also ihr gegenüber nur eingeschränkt auf
Immissionsschutz berufen kann (vgl. OVG SLH, Urt. v. 14.02.2000 - 1 K 30/98 -, juris, Rn. 14 zu nicht nach §
8 Abs. 1 Nr. 3 BauNVO privilegierten Wohnungen, die nachträglich zu einer gewerblichen Nutzung
hinzugetreten sind).
58
2.
Befreiung von der festgesetzten zulässigen Gebäudehöhe
59 Die Festsetzung der Mindesthöhe der Bebauung im Plangebiet im Planabschnitt 2, in dem das Grundstück
des Beigeladenen liegt, dient nach der Planbegründung (siehe dazu oben) allein dem Zweck, die dahinter
gelegene künftige Wohnbebauung westlich der YYY Straße gegen den Verkehrslärm der XXX Straße
abzuschirmen, ist also bezogen auf das Grundstück der Klägerin schon nicht nachbarschützend.
60 Die Festsetzung einer Maximalhöhe ist nach den Planakten vom Plangeber nicht näher begründet worden,
dient aber, wie auch die Staffelung der unterschiedlich zulässigen Höhen im vorderen bzw. hinteren Teil der
Bebauung im Planabschnitt 2 zeigt, ganz offenbar - wie auch sonst typischerweise eine Höhenfestsetzung
bei fehlender ausdrücklicher Darlegung einer ausnahmsweise nachbarschützenden Zwecksetzung - nicht
dem Schutz der Nachbarn.
61 Vielmehr dient sie ganz generell allein dem rein öffentlichen Zweck einer gefälligen Gestaltung der Vorhaben
im Plangebiet. Diese sollen hier wegen der ohnehin schon festgesetzten geschlossenen, mehrstöckigen und
riegelartigen Bebauung nicht noch über ein gewisses Höhenmaß hinausgehend massiv zur XXX Straße hin
in Erscheinung treten. Zudem soll ihr die massive Wirkung durch die Höhenstaffelung und die damit
verbundene optische Gliederung des Baukörpers zumindest teilweise genommen werden.
62 Mangels nachbarschützender Wirkung der Festsetzung der Maximalhöhe, kann sich daher die Klägerin als
Grundstücksnachbarin schon nicht darauf berufen, dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauG für eine
Befreiung von diesen Festsetzungen nicht vorgelegen hätten.
63 Ungeachtet des nachbarschützenden Charakters der Festsetzungen, von denen befreit wurde, kann sich die
Klägerin zwar im Grundsatz darauf berufen, die Erteilung der Befreiung verstoße gegen das auch ihrem
Schutz als Nachbarin zu dienen bestimmte Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, das in dem Begriff der
„Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen“ in § 31 Abs. 2 BauGB enthalten ist. Im hier vorliegenden
Fall erweist sich jedoch die Zulassung einer teilweisen Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe durch
die teilweise Befreiung von der für den vorderen Gebäudeteil geltenden Höhenfestsetzung nicht als
rücksichtslos gegenüber der Klägerin. Denn nach dem Ergebnis des vom Gericht eingenommenen
Augenscheins wird dadurch weder die Wohnung im 2. OG des Gebäudes der Klägerin und die davor gelegene
Terrasse in unzumutbarer Weise verschattet bzw. optisch erdrückt werden
(a)
, noch wird dadurch das
Erscheinungsbild der Moschee mit ihrer besonderen Architektur und ihrer besonderen, durch Art. 4 GG
geschützten religiösen Zweckbestimmung eines Gotteshauses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt
(b)
.
64
(a)
Dass die Befreiung von den Höhenfestsetzungen für das Vorhaben der Beigeladenen das Gebäude der
Klägerin unzumutbar verschattet und optisch erdrückt, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht
schon aus dem Abhilfebescheid der Beklagten, den diese im vorangegangenen Bauvorbescheidsverfahren zur
Wahrung der Nachbarrechte der Klägerin zu Lasten des Beigeladenen erlassen hat und den dieser hat
bestandskräftig werden lassen. Denn aufgrund dieses Abhilfebescheids steht zwischen den Beteiligten nicht
verbindlich fest, dass auch das konkrete jetzt zur Genehmigung gestellte, gegenüber dem beantragten
Vorhaben im Bauvorbescheidsverfahren geänderte und reduzierte Vorhaben des Beigeladenen eine solche
unzumutbare rücksichtslose Auswirkung hätte.
65 Der positive Abhilfebescheid ist wie ein Erstbescheid zu behandeln, mit dem einzigen Unterschied, dass
dagegen kein Vorverfahren erforderlich ist, sondern gleich geklagt werden kann (vgl. Schoch, VwGO
Kommentar, Rn. 15 und 21 zu § 72 VwGO). Für die Bindungswirkung eines Abhilfebescheids gelten mithin
keine Besonderheiten. Bezüglich eines Bauvorbescheids in Gestalt des Abhilfebescheids ist daher dessen
Bindungswirkung für die Beteiligten nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen. Insoweit gilt, dass
Gegenstand der Baugenehmigung nur der konkrete Bauantrag ist, wie er inhaltlich bestimmt durch die
Bauvorlagen zum Gegenstand der Prüfung gemacht wurde (vgl. Sauter, LBO, Kommentar, Rn. 32 und 33 zu
§ 58 LBO). Gegebenenfalls ist durch Auslegung der genaue Inhalt der Genehmigung zu bestimmen (vgl.
Sauter, Rn. 33 zu § 58). Wird die Erteilung eines Bauvorbescheids wegen Verstoßes gegen öffentlich-
rechtliche Vorschriften bestandskräftig abgelehnt, kann sich die Behörde darauf berufen, wenn der Bauherr
später einen Baugenehmigungsantrag stellt. In Bestandskraft mit Bindungswirkung erwächst also auch eine
negative Entscheidung (vgl. Sauter Rn. 48 zu § 58 LBO.) In eine erneute Sachprüfung muss die Baubehörde
nur eintreten, wenn sich die Sach- und/oder Rechtslage geändert hat. Eine Bindung scheidet insoweit also
aus, wenn ein neues, anderes Bauvorhaben zur Prüfung gestellt wird, weil dann ein aliud vorliegt (vgl.
Sauter, Rn. 15 zu § 58 LBO, sowie Rn. 14 zu § 64 und Rn. 27 zu § 65 LBO). Voraussetzung ist, dass nicht
nur eine „unerhebliche“ Abweichung zwischen neuem Antrag und altem (genehmigtem) Antrag vorliegt. Ein
aliud liegt etwa vor, wenn der Baukörper um einen Meter verschoben wird (OVG NRW, Beschl. v.
04.05.2004 - 10 A 1476/04 -, BauR 2004, 1771 = juris, Rn.7 -12). Auch nach allgemeinem
Verwaltungsverfahrensrecht gilt, dass die Ablehnung eines Antrags einem späteren neuen Antrag dann
nicht entgegensteht, wenn sich der Sachverhalt geändert hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 16.
Aufl. 2015, Rn. 31 zu § 43 VwVfG). Wie bei Urteilen gilt, dass nur der Tenor, nicht aber die Begründung
einer Entscheidung in Bestandskraft erwachsen kann (dazu Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 15 und Rn. 31 zu §
43 VwVfG). Allerdings kann ein Verwaltungsakt unter Umständen (inter partes) auch eine
Feststellungswirkung entfalten (siehe Kopp/Ramsauer,aa.O. Rn. 16 zu § 43 VwVfG). Eine
Feststellungswirkung soll nur gelten, wenn und soweit dies durch besondere Rechtsvorschriften bestimmt ist
(vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 27 zu § 42). Im Baurecht gilt allerdings die Besonderheit, dass mit der
Ablehnung eines Bauantrags nicht zugleich die Rechtswidrigkeit des Vorhabens bindend festgestellt wird,
weil sich dies andernfalls auf unbestimmte Zeit als Bausperre auswirken könnte (Kopp/Ramsauer, Rn. 20 zu
§ 43 unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 06.06.1975 - IV C 15.73 -, NJW 1976, 817 = BVerwGE 48, 271 =
juris).
66 Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen stand der Abhilfebescheid der vorliegend streitigen
Baugenehmigung nicht entgegen. Mit dem Abhilfebescheid hat die Beklagte den ursprünglich erteilten
Bauvorbescheid insoweit aufgehoben, als damit eine Befreiung für eine Abweichung von den im Plan
festgelegten Höhenfestsetzungen erteilt worden war, nämlich dem Beigeladenen genehmigt worden war,
mit seinem damaligen Bauvorhaben abweichend von der gestaffelten Höhenfestsetzung sowohl mit einem
2.OG und einem im gleichen Umfang aufgestockten 3.OG vollständig bis an die Vorderkante des Gebäudes
vorzurücken und insgesamt damit eine durchgängige Höhe von 15,80 m herzustellen. Zur Begründung
hatte die Beklagte seinerzeit ausgeführt: „
Die fragliche Aufstockung im südlichen Gebäudeabschnitt über
das laut Bebauungsplan zulässige Maß von 12,5 m hinaus führt zu einer unzumutbaren Verschattung und
wirkt erdrückend auf das dortige Gebäude. Das Gebot der Rücksichtnahme ist unter Würdigung der
Argumente der Widerspruchsführer verletzt. Die betroffene Nachbarschaft besitzt einen Anspruch auf
Einhaltung der maßgeblichen bauplanungsrechtlichen Festsetzungen. Grundzüge des Bebauungsplans
wären andernfalls berührt.“ Zwar liest sich diese Begründung so, als sei damit verbindlich entschieden
worden, dass „jegliche“ Befreiung von diesen Höhenfestsetzungen baurechtlich unzulässig und rechtswidrig
ist, weil damit automatisch die Grundzüge der Planung berührt seien und somit die
Befreiungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Höhenfestsetzung schon generell nie
gegeben seien und weil obendrein jede Abweichung zu einer unzumutbaren Verschattung und Erdrückung
des Nachbargebäudes der Klägerin führen würde. So verstanden würde dann auch eine nur teilweise
Abweichung von den Höhenfestsetzungen durch teilweise Überschreitung der vom Plan für die
Höhenstaffelung festgesetzten Linie im 3. OG um 2,88 m in Richtung Gebäudefassade baurechtlich
unzulässig sein. Da jedoch baurechtlich betrachtet Nachbarschutz bezüglich den (grundsätzlich allein
gestalterischen und damit nicht nachbarschützenden) Höhenfestsetzungen eines Bebauungsplans
unabhängig von der Frage einer Rücksichtslosigkeit nicht schon dann zu gewähren ist, wenn die
Befreiungsvoraussetzungen (Grundzüge der Planung) nicht vorliegen, sondern eben erst und nur, wenn
dadurch das Rücksichtnahmegebot konkret zu Lasten des Nachbarn verletzt wird, lässt sich die
Entscheidungsbegründung und auch ihr Entscheidungsinhalt nur dahin verstehen, dass mit der
Abhilfeentscheidung Nachbarschutz gegenüber einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots (durch
Verschattung und Erdrückung) gewährt werden sollte und dass genau betrachtet nur das konkret zur
Genehmigung gestellte und genehmigte, nämlich eben über beide Geschosse bis ganz vorne an die
Gebäudefassade reichende Bauvorhaben nach der verbindlichen Einschätzung der Beklagten infolge der
„konkret dadurch“ ausgelösten Verschattung als rücksichtslos eingestuft wurde. Damit ist also gerade nicht
gesagt, dass „jegliche“ Abweichung von der vorgesehenen Höhenstaffelung von der Beklagten präventiv
und mit feststellender Bindungswirkung für alle Zukunft auch schon ungeachtet ihres konkreten Umfangs als
rücksichtslos eingestuft werden sollte. Denn dies hängt ja in der Tat von dem konkreten Umfang und der
Höhe der zu errichtenden Grenzwand ab. Bei realistischer und vernünftiger Betrachtung lässt sich daher
dem Bescheid nicht eine verbindliche Feststellung entnehmen, dass jegliches Vorrücken eines Baukörpers,
d.h. selbst ein Vorrücken etwa nur um wenige Zentimeter oder einen halben Meter, unzumutbar und damit
rücksichtlos ist.
67 Dass die Beklagte durch die im Abhilfebescheid tenorierte vollständige Aufhebung der Befreiung den mit dem
Bauvorbescheid genehmigten Umfang des Bauvorhabens ganz auf die Linie „zurückgefahren“ hat, entlang
derer der Plan unterschiedliche Höhenfestsetzungen getroffen hat, liegt darin begründet, dass eine
Baugenehmigung antragsgebunden ist. Gegenstand der Genehmigung ist der Bauantrag, der wiederum ein
nach Maß und Zahl ganz konkretes durch die Pläne und Bauvorlagen definiertes Bauvorhaben zur Prüfung
stellt (§§ 49, 53 Abs. 1 S. 1 und S. 2, 58 Abs. 1 LBO). Daher kann eine Baurechtbehörde nicht einfach einen
(gewissermaßen reduzierten) Antrag unterstellen, ihn also nicht gewissermaßen von Amts wegen
eigenständig bis zu dem Punkt reduzieren, an dem sie das Vorhaben dann nicht mehr für rücksichtslos und
damit genehmigungsfähig hält und insoweit eine Genehmigung für einen Antrag erteilen, dessen
entsprechende Reduzierung (durch den aufgrund seiner Dispositionsbefugnis und Baufreiheit allein dazu
befugten Bauherrn) sie dann nur unterstellt. Von daher war die Beklagte hier im Rahmen des
Widerspruchsverfahrens bezüglich des Bauvorbescheids darauf beschränkt, die für die volle Überschreitung
der Höhenfestsetzung erteilte Befreiung wegen deren Rechtswidrigkeit im Wege des Abhilfebescheids
schlichtweg vollständig aufzuheben, um die konkret darin für die Klägerin liegende Verletzung ihrer
Nachbarrechte zu beseitigen. Hingegen stand es ihr nicht zu, in diesem Zusammenhang durch den
Abhilfebescheid dann auch gleich noch hinsichtlich aller möglichen anderen, vom Beigeladenen als Bauherrn
aber gar nicht beantragten, die Linie der unterschiedlichen Höhenfestsetzungen zur Fassade hin weniger
weit überschreitenden Varianten einer Bauausführung deren Rechtswidrigkeit verbindlich festzustellen.
Deshalb konnte dem Abhilfebescheid ein solcher verbindlicher feststellender Gehalt gar nicht zukommen, der
dann in der Tat der Erteilung auch der vorliegend streitigen geänderten, nämlich reduzierten
Baugenehmigung entgegengestanden hätte.
68 Die konkret im vorliegenden Fall durch die Befreiung zugelassene Überschreitung der festgesetzten
Maximalhöhe im 3. OG ist mithin ohne Rücksicht auf den Abhilfebescheid eigenständig bezüglich der Frage
der Rücksichtslosigkeit zu beurteilen. Nach dem vom Gericht eingenommenen Augenschein erweist sie sich
aber als nicht rücksichtlos.
69 Sie führt lediglich dazu, dass der genehmigte Baukörper im 3. OG auf einer Tiefe von 2,88 m und mit einer
Höhe von 3,34 m die nach dem Plan zulässigen Höhenmaße überschreitet. Das bedeutet zwar, dass damit
die Größe der Grenzwand zum Nachbargrundstück mit einer Fläche von immerhin 9,62 m² (= 2,88 m x 3,34
m) die Größe überschreitet, die sie nach den Höhenfestsetzungen des Plans dort zulässigerweise und damit
ohne Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot haben dürfte. Da sich jedoch auf dem Gebäude der Klägerin
kein 3. OG befindet, beeinträchtigt die daraus auf Höhe des 3.OG womöglich resultierende Verschattung
durch das Vorhaben das Klägergrundstück nicht nachteilig. Soweit möglicherweise durch den im 3.OG dem
Beigeladenen genehmigten Baukörper auch eine Verschattung des mit einer Wohnung und davorliegenden
Terrasse genutzten 2.OG des Gebäudes der Klägerin in Betracht kommt, ist diese allenfalls geringfügig. Das
Gebäude des Beigeladenen liegt etwa in Richtung West/Nord-West des Klägergrundstücks. Da die Sonne im
Westen untergeht, kann typischerweise allenfalls für eine beschränkte Zeitdauer abends davon eine gewisse
geringe Verschattungswirkung ausgehen.
70 Das gilt auch für den dem Beigeladenen im 2.OG genehmigten Baukörper. Zudem kann die Klägerin dessen
Errichtung schon deshalb nicht als rücksichtslos rügen, weil er in seinen Ausmaßen den Planfestsetzungen
schon ohne Befreiung schlichtweg entspricht. Diese Festsetzungen und die Festsetzung der geschlossenen
Bauweise waren der Klägerin bekannt, als sie ihr eigenes Gebäude errichtete, und es an das zuvor dort
schon plangemäß errichtete Gebäude des Beigeladenen anschloss. Die Bebauung im 2.OG auf dem
Grundstück der Klägerin gegenüber der bisherigen Bebauung im 2. OG wurde auf dem Grundstück des
Beigeladenen um ca. 2 m versetzt nach vorne zur Straße hin ausgeführt (siehe nachstehendes Foto).
71 Das durch die Befreiung zugelassene Vorspringen der künftigen Bebauung des 2.OG des Grundstücks des
Beigeladenen um 2,88 m über die Linie der zulässigen Höhenfestsetzungen hinaus führt im Ergebnis somit
lediglich dazu, dass diese Bebauung nunmehr um ca. 0,88 m gegenüber der Bebauung im 2.OG auf dem
Grundstück der Klägerin zur Straße hin vorspringt (siehe gelber Pfeil im Foto) und insoweit in diesem
geringen zumutbaren Umfang einen Teil der abendlichen Westsonne verbirgt, d.h. das Grundstück der
Klägerin insoweit verschattet. Da die Terrasse im 2.OG des Gebäudes der Klägerin sich aber ihrerseits
gemessen ab dem künftigen Baukörper im 2.OG des Gebäudes des Beigeladenen auf eine Tiefe von immerhin
noch 3,62 m bis zur Brüstung an der Fassadenfront hin erstreckt, kann nicht davon die Rede sein, dass ein
erheblicher Teil der Terrasse durch das Vorhaben des Beigeladenen ver-schattet würde und insoweit eine
unzumutbare, rücksichtlose Beeinträchtigung des Klägergrundstücks vorläge.
72 Das Vorhaben des Beigeladenen stellt sich im Übrigen auch nicht etwa deshalb als rücksichtslos dar, weil
von ihm eine erdrückende Wirkung auf das Klägergrundstück ausginge. Es trifft zwar zu, dass bei
Hinzukommen eines 3.OG insgesamt nun direkt grenzständig zum Grundstück der Klägerin ein Baukörper
entsteht, der nicht nur gegenüber der Bebauung im 2. OG des Gebäudes der Klägerin um ca. 0,88 m
vorspringt, sondern diese Bebauung obendrein noch mit einem weiteren Stockwerk überragt (siehe die
gestrichelte rote Linie auf vorstehendem Foto, die in etwa den geschätzten Verlauf dieser Begrenzungslinie
markiert). Da jedoch, wie gesagt, noch eine sehr weiträumige große Terrassenfläche verbleibt, die nicht an
dieses Bauwerk angrenzt, kann nicht davon die Rede sein, das Vorhaben erdrücke gewissermaßen optisch
die Nutzer des 2.OG des Gebäudes der Klägerin oder verursache bei diesen eine „gefängnishofartige“
Situation, die ein Gefühl des „Eingemauertseins“ auslöse. Die Fälle, in denen die Rechtsprechung
ausnahmsweise eine solche erdrückende Wirkung angenommen hat, unterscheiden sich von dem
vorliegenden Fall schon durch die ihnen zugrundeliegenden Ausmaße der Baukörper erheblich. Das hat die
Widerspruchsbehörde in ihrem Hinweisschreiben an die Klägerin unter Verweis auf die entsprechende
Kasuistik zutreffend dargelegt.
73 Da die Balkone im 3.OG bzw. die Terrasse im 2.OG des Vorhabens jeweils mit 2,50 m den
bauordnungsrechtlichen Mindestabstand einhalten, kann - ganz abgesehen davon, dass die Klägerin dies
bisher gar nicht ausdrücklich gerügt hat - auch unter diesem Aspekt nicht angenommen werden, sie werde
durch deren künftige Nutzung rücksichtslos betroffen (vgl. zum Rücksichtnahmegebot bezüglich einer
grenznahen, aber noch mit einem Abstand errichteten Balkonanlage einer mit einem Rücksprung errichteten
Doppelhaushälfte VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.04.2009 - 3 S 569/09 -, juris, Rn. 8).
74 Schließlich erweist sich die für das Vorhaben des Beigeladenen erteilte Befreiung von den
Höhenfestsetzungen des Bebauungsplans auch nicht etwa deshalb als rücksichtslos gegenüber der Klägerin,
weil dadurch der Blick auf ihre Moschee und deren charakteristische Architektur in erheblicher Weise
verstellt und sie daher in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde.
75 Zwar zählen der Schutz vor Einblicken in Gebäude bzw. die Erhaltung von Ausblicken aus Gebäuden nach
der Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu den im Rahmen des Rücksichtnahmegebots als schutzwürdig zu
berücksichtigenden nachbarlichen Belangen. Auch die Ansicht eines Bauwerks, d. h. sein eigenes
„Erscheinungsbild“, das es dem außenstehenden Betrachter bietet, genießt an sich nur im Rahmen des
Denkmalschutzrechts rechtlichen Schutz gegenüber Beeinträchtigungen von außen (vgl. §§ 15 Abs. 1 S. 1
Nr. 2 und Abs. 2 sowie 19 Abs. 1 Landesdenkmalschutzgesetz - LDSchG; zum subjektiv-rechtlichen
Abwehranspruch des Eigentümers eines Denkmals gegenüber solchen Beeinträchtigungen siehe BVerwG,
Beschl. v. 10.06.2013 - 4 B 6/13 -, juris, Rn. 8; siehe dazu auch VG Freiburg, Beschl. v. 23.09.2014 - 6 K
1947/14 -). Die Moschee steht aber nicht unter Denkmalschutz, auch wenn sie ihr Architekt für
„denkmalwürdig“ halten mag (vgl. Schreiben des Architekten F. vom 24.10.2013 - GAS 119).
76 Gleichwohl erscheint es nicht ausgeschlossen, dass ein Nachbar im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nicht
nur ein optisches Erdrücktwerden - durch das Erscheinungsbild eines Bauvorhabens ihm gegenüber - rügen
kann, selbst wenn es die (allein der Belichtung und Belüftung dienenden) bauordnungsrechtlichen
Mindestabstände einhält, sondern umgekehrt auch eine Rücksichtlosigkeit unter Hinweis darauf geltend
machen kann, dass das Erscheinungsbild seines eigenen Gebäudes durch das Bauvorhaben des Nachbarn in
unzumutbarer Weise nachteilig beeinträchtigt wird. Das setzt aber zumindest voraus, dass das
Erscheinungsbild seines Gebäudes, wenn es nicht unter Denkmalschutz steht, eine - wenn auch nur im
weitesten Sinne - rechtliche Schutzwürdigkeit genießt, die sich normativ verorten lässt. Bei einem
kirchlichen Zwecken dienenden Gebäude, wie hier der Moschee der Klägerin, mag sich eine solche
Schutzwürdigkeit aus dem besonderen Schutz der Religions(Ausübungs- und Betätigungs)Freiheit in Art. 4
Abs. 2 GG ableiten lassen (zum grundgesetzlichen Schutz „kirchlicher“ Zwecke auch für die Gebäude
nichtchristlicher Kirchen und solcher, die keine als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannten
Religionsgemeinschaften umfassen, vgl. VG München, Beschl. v. 07.06.2005 - M 8 SN 05.1628 -, juris, Rn.
32; dazu, dass die Wertentscheidung des Grundgesetzes aus Art. 4 GG auch bei der Anwendung einfachen
Rechts, unter anderem auch des Baurechts, mitzuberücksichtigen ist vgl. VG Berlin, Urt. v. 18.02.2009 - 19
A 355.04 -, juris, Rn. 19 und 22 unter Verweis auf OVG Bln-Brdbg, Beschl. v. 30.03.2007 - 2 N 249.05 -,
juris Rn. 8 und 10).
77 Denn solche kirchlichen Gebäude zielen durch ihre oft auch räumlich herausragende und spezifische
Architektur nicht nur darauf ab, ein manifestes Zeugnis des Glaubens nach außen hin zu bieten, sondern
sich auch einer unbestimmten Vielzahl von Gläubigen als potentiellen Nutzern durch ihre leichte äußere
Erkennbarkeit als Stätte des Gebetes bzw. der gemeinsamen Glaubensausübung anzubieten, indem sie
durch ihr markantes, klar erkennbares Erscheinungsbild auf sich als Gotteshaus und Stätte der
Religionsausübung aufmerksam machen. Aus diesem Grund ist der Klägerin auch das ca. 35 m hohe Minarett
genehmigt worden bzw. wird auch sonst Kirchen mit ihren charakteristischen und markanten Türmen und
Kuppeln im Baurecht, schon was die Einhaltung von Höhenbegrenzungen angeht, ein gewisser Sonderstatus
eingeräumt. Durch diesen besonderen grundrechtlichen Schutz, der Stätten der Religionsausübung
zukommt, unterscheiden sich solche kirchlichen Zwecken dienende Gebäude von sonstigen Profanbauten,
wie etwa privaten Firmengebäuden oder Hotels, die aus kommerziellen Gründen durch eine besondere
auffällige Gestaltung und Architektur ebenfalls Nutzer und potentielle Kunden auf sich aufmerksam zu
machen suchen.
78 Von daher mag es im Grundsatz anzuerkennen sein, dass eine Religionsgemeinschaft einen Anspruch darauf
hat, dass das Erscheinungsbild ihres Gotteshauses aus den genannten Gründen und zur Sicherung seiner
Funktionsfähigkeit als manifeste Einladung zur Glaubensausübung zumindest gegenüber einem nachträglich
hinzutretenden Bauvorhaben in der Nachbarschaft geschützt wird, das dieses Erscheinungsbild vollständig
oder in ganz erheblichem Umfang derart verstellen und verdecken würde, dass das Gotteshaus als solches
nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Schwierigkeiten für die Allgemeinheit generell und für
auswärtige Gläubigen insbesondere wahrnehmbar und erkennbar ist und damit seine Funktion in
erheblichem Ausmaße beeinträchtigt wird.
79 Selbst wenn man diesen Grundsatz zugrunde legt, fehlt es indessen im vorliegenden konkreten Fall
eindeutig an einer solchen das Erscheinungsbild der Moschee der Klägerin erheblich beeinträchtigenden
Auswirkung des Vorhabens des Beigeladenen. Denn selbst das Vorziehen der bisherigen Bebauung um 2,88
m im 2. OG und die Aufstockung des bisherigen Baukörpers um ein weiteres, genauso weit vorgezogenes
3.OG verdeckt den Anblick auf die Moschee für Personen, die sich zu Fuß oder mit einem Fahrzeug auf der
XXX Straße stadteinwärts oder auswärts bewegen, weder von Westen, noch von Osten aus und erst recht
nicht von der gegenüberliegenden südlichen Seite der XXX Straße aus betrachtet, sondern allenfalls in
einem völlig unerheblichen, sehr geringen Ausmaß. Das ergibt sich aus dem Augenschein und dem dadurch
gewonnenen Eindruck, den sich das Gericht von den Örtlichkeiten verschafft hat. Da insbesondere das
Minarett und die Kuppel hoch über die umgebende Bebauung herausragen und da das Moscheegebäude
durch das angegliederte Haus mit Ladengeschäft im EG, dem äußerlich unauffälligem Gebetsraum im 1.OG
und der darüber liegenden Wohnung mit Terrasse im 2.OG vom Gebäude des Beigeladenen mit einem
Abstand von ca. 13 m getrennt liegt, wird sein Anblick von der gegenüberliegenden Seite der XXX Straße
aus gesehen in keiner Weise dadurch beeinträchtigt, dass der künftige Baukörper des Gebäudes des
Beigeladenen das Flachdach der Wohnung im 2.OG des Gebäudes der Klägerin um etwa 4 m überragt,
womit er im Übrigen auch nur etwas mehr als die Höhe der Oberkante des Flachdachs des würfelförmigen
Moscheegebäudes erreicht, aus dem heraus sich die Kuppel der Moschee nach oben wölbt (siehe
nachstehende Ansicht von Süden).
80 Auch von Osten aus betrachtet bleibt für die Nutzer der XXX Straße die Moschee mit ihrer
charakteristischen Kombination aus Minarett und Kuppeldach ohne Weiteres völlig klar erkennbar. Die
Silhouettenlinie des geplanten Baukörpers, wie sie aufgrund einer groben Schätzung nach der
Augenscheinseinnahme im anschließenden Foto gelb markiert dargestellt wird, zeigt dies deutlich.
81 Dasselbe gilt bezüglich des Anblicks aus westlicher Richtung:
82 Aus dieser Perspektive gesehen wird allenfalls eine kleine äußerste Ecke des Anblicks der Kuppel der
Moschee durch das Vorhaben verdeckt.
83 Genau besehen wird der Moscheebau mit seiner Kuppel nur dann weitgehend verdeckt, wenn man sich auf
der dem genehmigten Vorhaben vorgelagerten Terrasse im 2.OG des Gebäudes des Beigeladenen befindet
und in östliche Richtung blickt.
84 (siehe die im nachstehenden Foto aufgrund einer Schätzung nach dem Augenschein eingetragene, etwa dort
verlaufende Silhouettenlinie des Vorhabens)
85 Da diese Terrasse indessen keine der Allgemeinheit öffentlich zugängliche Fläche darstellt, sondern ihre
Nutzung allein den privaten künftigen Wohnnutzern vorbehalten bleibt, für die aufgrund des markanten
Minaretts und der unmittelbaren Nachbarschaft die Existenz einer Moschee an dieser Stelle trotz des
verdeckten Kuppelbaus ohnehin bekannt ist und noch immer wahrnehmbar bleibt, kann nicht davon die
Rede sein, hierdurch werde in rücksichtloser Weise das allgemeine öffentliche Erscheinungsbild der Moschee
und deren Erkennbarkeit in einer deren Funktionsfähigkeit tangierenden Weise auch nur ansatzweise
beeinträchtigt.
86 Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens kann die Klägerin schließlich schon grundsätzlich nicht unter Hinweis
auf ihre gegenüber dem Vorhaben bestehenden allgemeinen ästhetische Bedenken geltend machen, die sie
unter Berufung auf die Stellungnahmen des Gestaltungsbeirats der Beklagten (v. 15.02.2012 und
18.07.2012 -siehe GAS 113 und 117) sowie des Architekten F. (vom 24.10.2013 - GAS 119) vorgebracht
hat, der die Mosche für „denkmalwürdig“ hält, und die sinngemäß darauf abstellen, die massive Bebauung
des Beigeladenengrundstücks über zwei Etagen hinweg im 2. und 3. OG mit ihrer riegelartigen,
ungegliederten einheitlichen langen Front störe den ruhigen und ästhetischen Eindruck der bisherigen
Gesamtsilhouette der Bebauung an der nördlichen Seite der XXX Straße, die unter anderem durch das
runde Tonnendach der im 2.OG des unmittelbar angeschlossenen Nachbargebäudes (Geschäftshaus XXX
Straße Nr. 34) gelegenen Betriebsleiterwohnung der Beigeladenen im Verfahren 6 K 677/16 ebenso geprägt
werde, wie durch die am anderen Ende - durch das Grundstück des Beigeladenen getrennt davon liegende -
Moschee mit ihrer korrespondierenden runden Kuppel. Denn eine schutzwürdige subjektiv-öffentlich-
rechtliche Rechtsposition, die im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen wäre, steht der
Klägerin insoweit schon von vornherein nicht zu. Die Wahrung einer ästhetischen Gestaltung eines unter
anderem durch die Bebauung entlang einer Straße mitbestimmten Ortsbildes liegt nämlich allein im
öffentlichen Interesse, dem etwa im Rahmen einer Gestaltungssatzung (Ortsbausatzung gem. § 74 LBO)
oder aber über das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot (§ 11 LBO) Rechnung getragen werden
kann.
87
2.
Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit
88
2.1.
Eine Verletzung der - nachbarschützenden - Abstandsvorschriften, d.h. der bauordnungsrechtlichen
Vorschriften über die einzuhaltenden Mindestabstände lässt sich hier nicht feststellen. Die Balkone bzw. die
Terrassennutzung im 2. bzw. 3. OG des Vorhabens halten nämlich mit 2,50 m den bauordnungsrechtlichen
Mindestabstand gem. § 5 Abs. 7 S. 2 LBO ein. Die Erweiterung des Baukörpers im 2.OG und seine
Aufstockung durch einen zusätzlichen darüber liegenden Baukörper im 3.OG sind als Grenzbauten gem. § 5
Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LBO ohne Einhaltung einer Abstandsfläche zum Grundstück der Klägerin
bauordnungsrechtlich zulässig, da der Bebauungsplan hier die geschlossene Bauweise „g“ festsetzt, also
nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss.
89
2.2
. Auch - nachbarschützende - brandschutzrechtliche Vorschriften werden durch das Vorhaben nicht zu
Lasten der Bebauung des Grundstücks verletzt. Aufgrund der fachbehördlichen Stellungnahme der
Fachstelle „Feuerwehramt“ des Baurechts- und Denkmalamts (vom 21.07.2014 - BAS 77) sind in der
angefochtenen Baugenehmigung unter den Ziffern 20 bis 26 der Anlage II zur Baugenehmigung (siehe BAS
135, 137) die entsprechenden brandschutzrechtlichen Auflagen als verbindlicher Teil des Regelungsgehalts
der Genehmigung mit aufgenommen worden. Dass diese etwa unzureichend seien, ist nicht ersichtlich und
wird auch von der Klägerin selbst nicht behauptet. Vielmehr hat sie im Angrenzeranhörungsverfahren
hierzu lediglich eingewandt, infolge der Nutzungsänderung von einem Fitnessstudio in eine Wohnnutzung
stellten sich erhöhte Anforderungen an den Brandschutz.
90 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der unterliegenden Klägerin aufzuerlegen, da der Beigeladene
durch Stellung eines eigenen Klageabweisungsantrags ein eigenes Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO)
eingegangen ist.
91
Beschluss vom 17. Januar 2017
92 Der Streitwert wird gem. § 52 Abs. 1 GKG auf
10.000,-- Euro
festgesetzt (vgl. Ziff. 9.7.1. des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 18.07.2013 - Kopp, VwGO-Kommentar, 21.
Aufl. 2015, Anhang zu § 164 VwGO, Rn. 14; siehe auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.08.2014 - 8 S
979/14 -, juris sowie Beschl. v. 27.08.2014 - 3 S 1400/14 -, juris).
93 Hinsichtlich der Möglichkeit der Streitwertbeschwerde wird auf § 68 GKG verwiesen.