Urteil des VG Freiburg vom 09.02.2016

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VG Freiburg Beschluß vom 9.2.2016, 5 K 826/14
Erwerb einer Waffe für den Schießsport - Bescheinigung eines
Sportschützenverbands
Leitsätze
1. Ob eine Waffe für eine Sportschützendisziplin nach der Sportordnung eines
Schützenverbands zugelassen ist, ist gemäß §§ 8 und 15a WaffG glaubhaft zu
machen.
2. Es ist dabei nicht Sache der Behörden oder der Verwaltungsgerichte, die
Sportordnungen der Schützenverbände auszulegen und anzuwenden. Dies obliegt
nach den Regelungen des Waffengesetzes den Sportschützenverbänden selbst.
3. Würde eine Behörde oder ein Verwaltungsgericht sich insoweit über eine
ablehnende Bescheinigung eines Sportschützenverbands hinwegsetzen, würde es in
die den Sportschützenverbänden eingeräumte Autonomie unzulässig eingreifen.
4. Wird von einem Sportschützenverband eine Bescheinigung nach §§ 8, 15a WaffG
versagt, kann ein Sportschütze diese ggf. auf dem Zivilrechtsweg erstreiten.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird endgültig auf 750,- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und nur noch über die Kosten
gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht
es, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dem steht nicht
entgegen, dass die Beklagte nunmehr bereit ist, die Waffe des Klägers in dessen
Waffenbesitzkarte für Sportschützen (gelbe Waffenbesitzkarte) einzutragen. Denn
damit hat sie nicht etwa ihren Rechtstandpunkt aufgegeben und sich freiwillig in die
Rolle der Unterlegenen begeben. Vielmehr trägt sie damit nur dem Umstand
Rechnung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 1.9.2015 eine
Bescheinigung des Badischen Sportschützenverbandes e.V.(BSV) vorgelegt hat,
wonach mit seiner Doppelflinte Kaliber 12/70 mit einem verkürzten Lauf auf 43 cm
an den Wettkämpfen im BSV teilgenommen werden kann, wenn eine
Ausschreibung für die Disziplin-Nr. BD3.01.01 vorliegt.
2 Zuvor war der Kläger nicht bereit oder nicht in der Lage, eine solche
Bescheinigung vorzulegen. Vielmehr hatten zwei Sportschützenverbände auf
Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass für die Waffe des Klägers kein Bedürfnis für
ein sportliches Schießen bestätigt werden könne. Hiervon ausgehend hatte der
Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgetragen: Die Voraussetzungen für eine
Eintragung der Waffe in seine gelbe Waffenbesitzkarte gemäß § 14 Abs. 4 WaffG
lägen vor. Es handele sich um eine der dort aufgeführten, vom Gesetzgeber als
weniger gefährlich angesehen Langwaffen mit glattem Lauf. Richtig sei, dass nach
der Schießordnung des Bundes Deutscher Sportschützen (BDS) die Waffe im
Wettkampf nicht zugelassen sei, weil sie bearbeitet sei; verwendbar sei sie aber
zum Üben, weil sie eine etwas weitere Streuung habe. Aus der
Gesetzesbegründung, in der es heiße, dass § 14 Abs. 4 WaffG keinen Verweis auf
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 WaffG enthalte, um dem Sportschützen zu ermöglichen, mit
eigener Waffe als Gastschütze bei einem anderen Verband schießen zu können,
ergebe sich, dass für die Bedürfnisprüfung nicht darauf abgestellt werden könne,
ob die Waffe auch für den Wettkampf zugelassen sei, erheblich sei nur, ob sie für
eine Disziplin zugelassen sei. Soweit ein Sportschütze Waffen gemäß § 14 Abs. 4
WaffG zum Testen erwerben könne, müsse er eine solche Waffe auch für
Trainingszwecke besitzen dürfen. Überdies sei die Waffe nach der Sportordnung
des Deutschen Schützenbundes (DSB) auch im Wettbewerb - für die Disziplinen
Trapp, Doppeltrapp und Skeet - zugelassen. Gefordert werde in der Sportordnung
nur, dass sie als Flinte eine Lauflänge von mindestens 42 cm aufweise. Darauf, ob
sie handelsüblich oder unbearbeitet sei, komme es nicht an. Als sachverständigen
Zeugen hierfür möge des Gericht den Vizepräsidenten (Recht) des Deutschen
Schützenbundes hören.
3 Die Beklagte hatte auf die ablehnenden Stellungnahmen der befragten
Sportschützenverbände verwiesen und ergänzend vorgetragen, aus dem Gesetz
ergebe sich nicht, dass bei der Bedürfnisprüfung für Waffen, die zum Wettkampf
nicht zugelassen seien, aber zum Üben verwendbar seien, geringere
Anforderungen gälten.
4 Ohne die nunmehr erfolgte Vorlage einer Bedürfnisbescheinigung eines
Sportschützenverbands wäre der Kläger voraussichtlich unterlegen. Das ergibt
sich aus Folgendem:
5 Grundsätzlich berechtigt die Waffenbesitzkarte für Sportschützen gemäß § 14 Abs.
4 Satz 1 WaffG, Waffen der dort genannten Art, zu denen auch die hier im Streit
stehende Einzellader-Langwaffe mit glattem Lauf gehört, zu erwerben. Für die
Erwerbsberechtigung nach § 14 Abs. 4 WaffG bedarf es, anders als bei den dort
nicht aufgeführten Sportwaffen, keiner Bescheinigung des
Sportschützenverbands, dem der Kläger angehört, oder eines ihm angegliederten
Teilverbands, darüber, dass die zu erwerbende Waffe für eine Sportdisziplin nach
der Sportordnung des Schießsportverbands zugelassen und erforderlich ist. § 14
Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG, der das Erfordernis einer solchen Bescheinigung
enthält, ist in § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG gerade - und gegen den Wunsch des
Bundesrats - nicht aufgenommen worden (BVerwG, Beschl. v. 13.08.2008 - 6 C
29.07 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 97). Dies erleichtert den Erwerb der in § 14 Abs.
4 WaffG angeführten Waffen; sie können auch spontan erworben werden; es
genügt, dass sie der Art nach in der Waffenbesitzkarte erwähnt werden
(König/Papsthart, WaffG, 2. Aufl. 2012, § 14 Rdnr. 8). In der Begründung zum
Gesetzentwurf (BR-Drucks. 838/07) ist überdies angeführt, dass es dem
Sportschützen ermöglicht werden solle, mit eigener Waffe Schießsport etwa als
Gastschütze (bei einem anderen Verband, bei dem die Waffe zugelassen und
erforderlich ist) auszuüben.
6 Diese Erleichterung beim Erwerb der in § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG bezeichneten
Waffen ändert aber - worauf auch Satz 2 der Vorschrift und die
Gesetzesbegründung hinweisen - nichts daran, dass für den Besitz, also für die
Eintragung der Waffe in die Waffenbesitzkarte, ein Bedürfnis gemäß § 8 WaffG,
das heißt insbesondere die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffe für den
Schießsport, glaubhaft gemacht werden muss (vgl. König/Papsthart a.a.O. mit
m.w.N. zum Streitstand).
7 Eine solche Glaubhaftmachung war dem Kläger bis zur mündliche Verhandlung
nicht gelungen. Denn er hatte bis dahin keine entsprechende Bescheinigung eines
Sportschützenverbands vorgelegt.
8 Dem entsprechenden Verlangen der Beklagten stand nicht entgegen, dass § 14
Abs. 4 Satz 1 WaffG für den Erwerb einer Waffe eine solche Bescheinigung gerade
nicht erfordert (a.A. VG Hamburg, Urt. v. 01.11.2013 - 4 K 2486/12 - juris und wohl
auch Nr. 14.4 WaffVwV v. 05.03.2012). Denn es ging nicht um den Erwerb einer in
§ 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG genannten Waffe, sondern um die Erlaubnis für ihren
Besitz. Im Übrigen befreit § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG nur von dem Erfordernis, eine
Bescheinigung des eigenen Sportschützenverbands, dem der Kläger angehört,
vorzulegen (um das Schießen mit einer beim eigenen Sportverband nicht
zugelassenen Waffe als Gastschütze bei einem Verein eines anderen
Sportschützenverbands zu ermöglichen). Darum geht es hier aber nicht. In Frage
steht vielmehr die Glaubhaftmachung, dass mit der streitigen Waffe bei
irgendeinem Sportschützenverband regelgerecht geschossen werden darf (vgl. §
15a Abs. 1 WaffG).
9 Dass die erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sich zu der sich
hier stellenden Frage nicht verhält, ergibt sich daraus, dass es dem Kläger jenes
Verfahrens darum ging, eine gelbe Waffenbesitzkarte (nach altem Recht) ohne
Beschränkung auf einzelne Waffenarten zu erhalten (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v.
31.05.2007 - 11 LC 102/07 - NdsVBl. 2007, 245) und eine solche ihm wegen
fehlender Glaubhaftmachung eines Bedürfnis nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG
verweigert worden war.
10 Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, nach der 334 Seiten umfassenden
Sportordnung des Deutschen Schützenbundes (vgl. Seite 70 ff., Regeln Nr. 3.10,
3.15 und 3.20) sei seine Waffe als Flinte mit einer Mindestlänge von 42 cm für
verschiedene Disziplinen im Wettkampf zugelassen, genügte dies den
Anforderungen an die Glaubhaftmachung gemäß § 8 WaffG nicht. Denn es ist
nicht Sache der Behörden oder des Verwaltungsgerichts, die Sportordnung eines
Sportschützenverbands insoweit auszulegen und anzuwenden. Dies obliegt
vielmehr nach den Regelungen des Waffengesetzes den
Sportschützenverbänden selbst, wie sich an verschiedenen Stellen des Gesetzes
(etwa § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 oder § 14 Abs. 3 WaffG) zeigt, wo jeweils der
Nachweis eines Bedürfnisses, eine Waffe als Sportschütze zu nutzen, von der
Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung eines Sportschützenverbands
abhängig gemacht wird.
11 Würde eine Behörde oder ein Verwaltungsgericht sich insoweit über eine
ablehnende Bescheinigung hinwegsetzen, würde es in die den
Sportschützenverbänden im Waffengesetz eingeräumte Autonomie unzulässig
eingreifen; denn der Gesetzgeber hat es den Sportschützenverbänden gerade
überlassen, entsprechende Regeln zu erlassen und damit eine Verwendung von
Waffen als Sportwaffen zu ermöglichen. Dass die Waffenbehörden und die
Verwaltungsgerichte auch bei einer positiven Bescheinigung noch das Vorliegen
eines Bedürfnisses im Übrigen zu prüfen haben, etwa, ob die Waffe in Wahrheit
gar nicht zum Sportschießen eingesetzt, sondern etwa nur für Sammlerzwecke
aufbewahrt werden soll (so auch VG Hamburg a.a.O.), führt zu keiner anderen
Beurteilung.
12 Mithin kam es auch nicht auf das vom Kläger angeregte sachverständige Zeugnis
eines Vizepräsidenten des Deutschen Schützenbundes an. Entscheidend war
allein, ob die zuständige Stelle eines Sportschützenverbands eine entsprechende
Bescheinigung ausgestellt hat. Sofern innerhalb eines Verbands zur Frage, ob
eine Waffe zugelassen und erforderlich ist, unterschiedliche Standpunkte
bestehen, müssen diese innerhalb des Verbands geklärt werden; maßgeblich ist
immer die schließlich erstellte Bescheinigung. Wird eine Bescheinigung vom
Verband nicht erteilt, bleibt dem Sportschützen die Möglichkeit, einen
vermeintlichen Anspruch auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen.
13 Damit konnte der Kläger auch nicht mit seiner Auffassung durchdringen, die
streitige Waffe sei, wenn nicht zu Wettkampfzwecken, zumindest als Übungswaffe
zugelassen und erforderlich. Denn auch dies wäre ggf. von einem
Sportschützenverband zu bescheinigen gewesen.
14 Die Kostenentscheidung ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 VwGO).
15 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nr. 50.2 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).