Urteil des VG Freiburg vom 25.07.2014

subjektives recht, büg, juristische person, gleis

VG Freiburg Urteil vom 25.7.2014, 5 K 1491/13
Durchsetzung des Lärmaktionsplans
Leitsätze
Hat eine Gemeinde in ihrem Lärmaktionsplan Maßnahmen festgelegt, die von der
Deutschen Bahn AG oder einer ihrer Tochtergesellschaften auszuführen wären (hier
"Besonders überwachtes Gleis"), kann sie diese jedenfalls nicht im Klageweg
durchsetzen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Einführung der
Lärmminderungsmaßnahme „Besonders überwachtes Gleis“ aufgrund eines von
ihr beschlossenen Lärmaktionsplans.
2 Die klagende Stadt Mahlberg liegt im Ortenaukreis und hat ca. 4.800 Einwohner.
Zu ihr gehört seit dem Jahr 1973 die ehemals selbständige Gemeinde Orschweier.
3 Die Gemarkungen Mahlberg und Orschweier werden von mehreren Haupt-
Verkehrswegen durchzogen. Dazu gehören neben der Bundesautobahn A 5 und
der Bundesstraße B 3 auch die Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel mit
einer Strecke von 2.750 m.
4 Die Beklagte als Betreiberin der Schienenwege im Gemeindegebiet der Klägerin ist
zu 100 % Tochter der DB AG, an der der Bund sämtliche Anteile hält.
5 Die Bundesautobahn A 5 und die Rheintalbahn zählen zu den Verkehrswegen, für
die vom Eisenbahn-Bundesamt auf der Grundlage der EG-
Umgebungslärmrichtlinie und des Bundesimmissionsschutzgesetzes in einer
ersten Stufe bis zum 30.06.2007 strategische Lärmkarten zu erstellen waren. Die
Bundesstraße B 3 wurde von der sogenannten zweiten Stufe der Lärmkartierung
erfasst und im Jahr 2012 als Hauptverkehrsstraße mit mehr als 3 Mio. Fahrzeugen
pro Jahr kartiert.
6 Im Zuge des geplanten viergleisigen Ausbaus der Rheintalbahn werden
verschiedene Trassenführungen diskutiert. Die sogenannte Antrags-Trasse
verläuft parallel zu den bestehenden Gleisen. Alternative Vorschläge zur
Trassenführung - auch seitens der Klägerin - bevorzugen eine Verlegung des
dritten und vierten Gleises an die A 5 (in Tieflage mit Teildeckelung). In einem
Projektbeirat läuft eine politische Entscheidungsfindung über die Trassenführung
am Oberrhein.
7 Die Klägerin wurde bislang nicht in das Lärmsanierungsprogramm des Bundes für
Haupteisenbahnstrecken aufgenommen.
8 Mit Gemeinderatsbeschluss vom 12.03.2012, bekannt gemacht am 30.03.2012,
stellte die Klägerin u. a. nach Beteiligung der Deutschen Bahn AG einen
Lärmaktionsplan auf. Dabei wurden für den über die Gemarkungen Mahlberg und
Orschweier verlaufenden Streckenabschnitt der Rheintalbahn u. a. das Verfahren
„Besonders überwachtes Gleis“ festgesetzt. Dabei legte die Klägerin eine von ihr in
Auftrag gegebene Lärmkartierung des Ingenieurbüros H. und J. zu Grunde,
nachdem das Eisenbahn-Bundesamt die Überlassung seiner Lärmkarte vom
Abschluss einer urheberrechtlichen Vereinbarung mit der Klägerin abhängig
gemacht hatte, die diese nicht abschließen wollte.
9 Die Maßnahme „Besonders überwachtes Gleis“ - „BüG“ - dient der Gleispflege aus
akustischen Gründen. Die Gleise werden regelmäßig daraufhin überprüft, ob der
Schallpegel seit der letzten Kontrolle zugenommen hat. Ist dies der Fall, wird das
überprüfte Gleis geschliffen. Durch das Schleifen werden die wellenartigen
Unebenheiten der Schienen beseitigt, die durch das Befahren der Schienen mit
der Zeit entstehen. Überrollt ein Zug diese Unebenheiten, entsteht ein mit
zunehmender Geschwindigkeit zunehmender Heulton, der gegenüber einer glatten
Schiene zu einem 3 dB(A) und mehr höheren Fahrgeräuschpegel führen kann. Die
Minderungsmaßnahme „Besonders überwachtes Gleis“ würde nach den
Berechnungen des Lärmaktionsplans die Anzahl der Betroffenen von
Lärmbelastungen über 70 dB(A) am Tag um 42 auf 9 Personen und von
Lärmbelastungen über 60 dB(A) nachts um 217 auf 97 Personen reduzieren.
10 Mit Schreiben vom 18.10.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die
Umsetzung der festgelegten Lärmminderungsmaßnahme „BüG“. Mit Schreiben
vom 29.11.2012 teilte die Beklagte mit, sie werde sich um Möglichkeiten zur
Umsetzung von Lärmschutz aus Mitteln des Lärmsanierungsprogramms entlang
der Rheintalbahn bemühen. Auf ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin vom 04.12.2012 antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 10.01.2013,
dass die festgesetzte Maßnahme nicht umgesetzt werde.
11 Am 08.08.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor: Ihr Lärmaktionsplan
entfalte eine verwaltungsinterne Bindungswirkung für alle Träger öffentlicher
Verwaltung. Dazu gehöre auch die Beklagte u. a. bei der Unterhaltung des
Schienennetzes. Das „BüG“ sei nicht etwa eine planungsrechtliche Maßnahme,
sondern diene allein der Wartung und somit der Erhaltung der Schienenwege.
Diese Maßnahme sei fehlerfrei im Lärmaktionsplan festgelegt worden. Sie, die
Klägerin, sei befugt gewesen, im Wege der „Selbsthilfe“ eine eigene
Lärmkartierung zu Grunde zu legen. Die Maßnahme habe relativ niedrige
Investitionskosten. Sie sei schnell umsetzbar und bewirke sofort eine spürbare
Entlastung der Betroffenen um ca. 3 dB(A). Die Deutsche Bahn AG sei auch
angemessen an der Aufstellung des Lärmaktionsplans und an der Abwägung der
festzulegenden Lärmminderungsmaßnahmen beteiligt worden. Sie habe schon mit
Schreiben vom 22.01.2009 zum Entwurf des Lärmaktionsplans Stellung
genommen und habe auch bei einer förmlichen Beteiligung der Träger öffentlicher
Belange eine Äußerung zum Lärmaktionsplan abgegeben. Sie selbst habe ein
subjektives Recht darauf, dass die Beklagte die in der Lärmaktionsplanung
festgelegte und an sie adressierte Maßnahme „BüG“ umsetze. Zwar sei im Falle
des Schienenverkehrslärms die Lärmquelle in ein überörtliches Infrastrukturnetz
eingebunden, die Lärmbelastung wirke gleichwohl vor Ort in der Gemeinde und
rufe dort die zu lösenden Probleme hervor.
12 Die Klägerin beantragt,
13 die Beklagte zu verurteilen, die Schallschutzmaßnahme „Besonders überwachtes
Gleis“ („BüG“) für die Gleisabschnitte auf Gemarkung Mahlberg und Orschweier
als vorübergehende Schutzmaßnahme bis zur Realisierung baulicher
Lärmschutzmaßnahmen einzuführen und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin
alle sechs Monate Nachricht über den Pflegezustand der Gleise zu erstatten.
14 Die Beklagte beantragt,
15 die Klage abzuweisen.
16 Sie trägt vor: Die Klage entspreche kommunaler Rechtsanmaßung. Die Klägerin
habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die im Lärmaktionsplan der
Klägerin vorgesehene aktive Schallschutzmaßnahme „BüG“ auf dem
Streckenabschnitt der Rheintalbahn umsetze, der - zufällig - auf der Gemarkung
der Klägerin liege. Die Beklagte sei nicht an kommunale Lärmaktionspläne
gebunden. Die anlagenbezogenen Regelungen des
Bundesimmissionsschutzgesetzes gälten nicht für öffentliche Verkehrswege. Die
Beklagte sei keine Behörde im funktionalen Sinne. Sie sei lediglich der Kontrolle
des Eisenbahn-Bundesamtes und der Bundesnetzagentur unterworfen. Nach §
47d Abs. 2a BImSchG seien öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen
lediglich verpflichtet, an der Aufstellung von Lärmaktionsplänen für Orte in der
Nähe von Haupteisenbahnstrecken und für Ballungsräume mit Eisenbahnverkehr
mitzuwirken. Eine Bindung an den Inhalt eines Lärmaktionsplans werde hierdurch
gerade nicht ausgesprochen. § 41 BImSchG liege die bewusste gesetzgeberische
Entscheidung zugrunde, dass ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu
Schallschutzmaßnahmen an seinen Schienenwegen nur im Falle des Neubaus
oder der wesentlichen Änderung des Schienenwegs verpflichtet sein solle, nicht
aber im Fall von Lärmerhöhungen durch die bloße Zunahme des Verkehrs bei
einer baulich nicht veränderten Strecke. Eine wesentliche Änderung an der
Rheintalbahn habe sie im Bereich der Gemarkung der Klägerin nicht
vorgenommen. Im Übrigen stehe der Klägerin aus § 47d BImSchG i. V. m. ihrem
Lärmaktionsplan kein subjektiv öffentliches Recht im Sinne eines Anspruchs
gegen die Beklagte auf Umsetzung der aktiven Schallschutzmaßnahme „BüG“ zu.
Die Lärmaktionsplanung sei nicht Gegenstand der kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie. Dabei handele es sich um eine staatliche
Aufgabenübertragung vergleichbar mit der Übertragung von Befugnissen der
unteren Baurechtsbehörde auf die Gemeinde. Die Minderung der nicht nur an
einem einzelnen Ort, sondern an jedem Ort entlang der gesamten Strecke in
ähnlicher Weise auftretenden örtlichen Belastungen sei wegen der Entstehung aus
der überörtlichen Verkehrsabwicklung als eine überörtlich geprägte Aufgabe
anzusehen. Gehöre die Lärmaktionsplanung damit zum übertragenden
Wirkungskreis, so bedeute dies, dass der Gemeinde aus der eigenen
Lärmaktionsplanung keine subjektiv öffentlichen Rechte erwachsen könnten. Es
sei auch nicht ersichtlich, dass allein die Nichtumsetzung des „BüG“ die
Durchsetzbarkeit der Lärmaktionsplanung der Klägerin wesentlich beeinträchtigen
würde. Offensichtlich sei das Gemeindegebiet der Klägerin auch in erheblichem
Maße von Straßenverkehrslärm betroffen. Im Übrigen seien die tatsächlichen
Feststellungen des Lärmaktionsplanes der Klägerin unrichtig. Die
Lärmaktionsplanung müsse auf der Lärmkartierung des Eisenbahn-Bundesamts
aufbauen. Diese habe die Klägerin nicht benutzt. Vielmehr sei der Lärmaktionsplan
auf der Grundlage einer Lärmkartierung des Ingenieurbüros H. und J. vom
September 2008 entwickelt worden. Ferner habe die Klägerin die Kosten für die
Maßnahme „BüG“ auf dem Streckenabschnitt deutlich zu niedrig angesetzt. Allein
der Messwagen koste jährlich 7.400 EUR pro Jahr, die Kosten für ein einmaliges
Schleifen betrügen mindestens 150.000 EUR, was bei einem fünfjährigen
Schleifintervall 30.000 EUR pro Jahr ergebe - insgesamt also 37.400 EUR pro
Jahr. Lasse man die beiden Überholgleise nördlich des Bahnhofs Orschweier weg,
beliefen sich die jährlichen Kosten immer noch auf knapp 28.000 EUR. Über den
buchhalterischen Ansatz würden sich abgezinste Gesamtkosten in Höhe von 1,1
Mio. Euro ergeben.
17 Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte einschließlich Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
18 Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist nicht begründet. Dabei kann
offenbleiben, ob der Lärmaktionsplan der Klägerin vom 12.03.2012 wirksam ist.
Gleiches gilt für die Frage, ob die Beklagte als privates Wirtschaftsunternehmen
Träger öffentlicher Verwaltung und ob sie objektiv an die Festlegungen des
Lärmaktionsplans der Klägerin gebunden ist. Denn jedenfalls steht der Klägerin
kein wehrfähiges (subjektives) Recht auf Durchsetzung ihres Lärmaktionsplans
gegen die Beklagte zu.
19 Im Einzelnen:
20 Es ist bereits fraglich, ob ein wirksamer Lärmaktionsplan im Sinne von Art. 8 der
Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
25.06.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm - im
Folgenden: Umgebungslärm - Richtlinie - i. V. m. § 47d BImSchG vorliegt. So hat
die Klägerin ihrem Lärmaktionsplan nicht die vom Eisenbahn-Bundesamt zu
erstellende Lärmkarte zu Grunde gelegt (vgl. § 47e Abs. 3 BImSchG), sondern
eine Lärmkartierung, die von einem von ihr beauftragen Ingenieurbüro erstellt
worden ist. Allerdings war das Eisenbahn-Bundesamt im Sommer 2008 nicht
bereit, die voraussetzungslose Nutzung der Daten durch die Klägerin zuzulassen.
Vor diesem Hintergrund könnte die Klägerin berechtigt gewesen sein, eine eigene
fachgerechte Kartierung ihrer Lärmaktionsplanung zu Grunde zu legen, weil sie
(eigentlich bis 18.07.2008) ihrer Pflicht nachkommen musste, einen
Lärmaktionsplan aufzustellen (§ 47d Abs. 1 Satz 1 BImSchG). Ferner stehen die in
den Lärmaktionsplänen genannten Maßnahmen im Ermessen der zuständigen
Behörde (§ 47d Abs. 1 Satz 3 BImSchG, Art. 8 Abs. 1 b der
Umgebungslärmrichtlinie). Ob die Klägerin dieses ihr zustehende Ermessen
fehlerfrei ausgeübt hat, könnte ebenfalls fraglich sein. So bestehen zwischen den
Beteiligten bereits Differenzen hinsichtlich der jährlichen Kosten für die Maßnahme
„BüG“. So hat die Klägerin die jährlichen Kosten für das Schleifen der Schienen mit
15.000 EUR ermittelt, die Beklagte hingegen jährliche Kosten von 37.000 EUR
bzw. von knapp 28.000 EUR ohne die beiden Überholgleise nördlich des
Bahnhofs Orschweier. Auch im Übrigen hat eine Abwägung der verschiedenen
Interessen und Prioritäten nicht bzw. nur äußerst knapp stattgefunden. Der
Lärmaktionsplan enthält im Wesentlichen die Belange, die das Stadtgebiet der
Klägerin betreffen, nicht aber eine Abwägung hinsichtlich der Interessen der
Beklagten, die bundesweit Eisenbahninfrastrukturbelange wahrnehmen muss.
Allerdings hat die DB Mobility Networks Logistiks im Rahmen der Anhörung zum
Lärmaktionsplan mit Schreiben vom 22.01.2009 und 20.06.2011 nichts weiter über
ihre bundesweiten Belange bzw. Prioritäten mitgeteilt.
21 Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, dass der Lärmaktionsplan wirksam
ist, so erscheint weiterhin zweifelhaft, ob die Beklagte an ihn gebunden ist. Eine
solche Bindung ist weder im Bundesimmissionsschutzgesetz noch in der
Umgebungslärmrichtlinie ausdrücklich geregelt. Sie ergibt sich auch nicht aus der
Rechtsnatur des Lärmaktionsplans, der weder ein Gesetz noch eine
Rechtsverordnung noch eine Satzung ist.
22 Entgegen der Auffassung der Klägerin dürfte eine entsprechende Bindung der
Beklagten auch nicht aus § 47d Abs. 6 i. V. m. § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG folgen.
23 Danach sind die Maßnahmen, die die Lärmaktionspläne festlegen, durch
Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher
Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften i. V. m §
47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG durchzusetzen.
24 Zwar könnte die Beklagte Trägerin öffentlicher Verwaltung im Sinne der genannten
Vorschriften sein, auch wenn sie als juristische Person des Privatrechts, die mit
dem Bau, der Unterhaltung und dem Betrieb von Schienenwegen befasst ist, keine
Behörde im organisations-rechtlichen Sinne ist. Denn sie nimmt als bundeseigenes
Eisenbahninfrastrukturunternehmen materiell Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung war und zwar im Sinne eines verfassungsrechtlichen
Infrastrukturauftrags für den Bund als Pflichtaufgabe (vgl. Art. 87 e Abs. 3 und 4
GG). Damit dürfte sie gewissermaßen als „verlängerter Arm des Staates“ Trägerin
öffentlicher Verwaltung im Sinne des § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG sein (BVerwG,
Urt. v. 25.10.2007, BVerwGE 129, 381).
25 Dennoch gibt § 47d Abs. 6 i. V. m. § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG für eine Bindung
der Beklagten an den Lärmaktionsplan der Klägerin wohl nichts her. Denn die
genannten Regelungen stellen nach Sinn und Zweck selbst keine
Ermächtigungsgrundlage zum Eingriff in Rechte Dritter dar. Vielmehr können
Private nur aufgrund von Befugnisnormen zur Umsetzung eines Lärmaktionsplans
verpflichtet werden, die sich aus der Rechtsordnung im Übrigen ergeben. Danach
haben die Träger öffentlicher Verwaltung einen Lärmaktionsplan im Rahmen ihrer
Befugnisse aufgrund von Fachgesetzen um- und durchzusetzen. Allerdings gibt es
keine Ermächtigungsgrundlage, die eine Behörde berechtigen könnte, gegenüber
der Beklagten Lärmschutzmaßnahmen durchzusetzen. Das
Bundesimmissionsschutzgesetz enthält lediglich die Regelung, dass öffentliche
Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet sind, an der Aufstellung von
Lärmaktionsplänen für Orte in der Nähe der Haupteisenbahnstrecken und für
Ballungsräume mit Eisenbahnverkehr mitzuwirken (§ 47d Abs. 2 a BImSchG).
26 Diese im Grunde defizitäre Regelung war auch Anlass für jüngste
gesetzgeberische Aktivitäten. Die Empfehlung des federführenden
Verkehrsausschusses und des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit an den Bundesrat, das allgemeine Eisenbahngesetz
dahingehend zu ändern, dass die zuständigen Eisenbahnaufsichtsbehörden
gegenüber den Eisenbahnen Anordnungen zum Schutz der Umwelt treffen
können, ist jedoch nicht aufgegriffen worden (vgl. BR-Drucks. 11/1/13 v.
21.01.2013). In der Begründung zum Vorschlag für eine entsprechende Änderung
des Allgemeinen Eisenbahngesetzes heißt es, dieses enthalte keine
Anforderungen zum Lärm- und Erschütterungsschutz. Auch das
Bundesimmissionsschutzgesetz heile dieses Defizit nicht, so dass u. a. im
Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Lärmaktionsplanung die Schaffung
entsprechender Befugnisse des Eisenbahn-Bundesamtes und der
Eisenbahnaufsichtsbehörden der Länder unabdingbar sei.
27 In die gleiche Richtung weist auch § 47e Abs. 4 BImSchG. Danach ist (erst) ab
dem 01.01.2015 das Eisenbahn-Bundesamt zuständig für die Aufstellung eines
bundesweiten Lärmaktionsplanes für die Haupteisenbahnstrecken des Bundes mit
Maßnahmen in Bundeshoheit. Zur Begründung dieser Gesetzesänderung ist in
den genannten Empfehlungen der Ausschüsse an den Bundesrat ausgeführt, die
kommunalen Behörden verfügten weder über den technischen Sachverstand zur
Durchführung einer Lärmaktionsplanung für Schienenwege noch besäßen sie
ordnungsrechtliche Instrumente zur Durchsetzung von Maßnahmen.
Unterstützung erhielten sie lediglich durch die Regelungen des § 47d Abs. 2a
BImSchG, wonach die öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur
Mitwirkung an der Lärmaktionsplanung in der Nähe von Haupteisenbahnstrecken
und für Ballungsräume mit Eisenbahnverkehr verpflichtet seien. Auch dies deutet
darauf hin, dass eine unmittelbare Bindung der Beklagten an einen kommunalen
Lärmaktionsplan nach der gegenwärtigen Konzeption des Gesetzgebers
ausgeschlossen ist.
28 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 47d Abs. 6 i. V. m. § 47 Abs. 6 Satz 1
BImSchG auch nicht „richtlinienkonform“ in dem Sinne auszulegen, dass die
Beklagte an kommunale Lärmaktionspläne gebunden ist. Der Umstand, dass (bis
zum 01.01.2015) eine auch im europarechtlichen Sinn effektive
Lärmaktionsplanung für Eisenbahnstrecken nicht geregelt ist, mag der
Umgebungslärmrichtlinie nicht genügen. Dem könnte aber durch verschiedene
Regelungen begegnet werden, etwa durch die im Gesetzgebungsverfahren
bislang gescheiterte Schaffung einer entsprechenden Durchsetzungsbefugnis des
Eisenbahn-Bundesamts.
29 Auf all dies kommt es aber - wie dargelegt - im Ergebnis nicht an, denn der Klägerin
erwächst aus ihrem Lärmaktionsplan jedenfalls kein subjektives öffentliches Recht
(Anspruch) gegen die Beklagte auf Umsetzung der aktiven
Schallschutzmaßnahme „BüG“.
30 Die Beteiligten sind sich darin einig, dass ein solches Durchsetzungsrecht der
Gemeinden nicht allein aus dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28
Abs. 2 GG) folgen kann.
31 Auch aus der Sicht der Klägerin erwächst es erst aus der Zuweisung der
Lärmaktionsplanung an die Gemeinden. Dem vermag die Kammer jedoch nicht zu
folgen.
32 Nach § 47e Abs. 1 BImSchG sind die zuständigen Behörden u. a. für die Erstellung
von Lärmaktionsplänen zwar die Gemeinden. Die Vorschrift sieht aber
ausdrücklich vor, dass durch Landesrecht etwas Anderes bestimmt werden kann.
33 Schon der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber die in § 47e Abs. 1 BImSchG
angeordnete gemeindliche Zuständigkeit zur Disposition des Landesgesetzgebers
stellt, deutet darauf hin, dass es sich hier um eine allein staatliche
Aufgabenübertragung handelt, vergleichbar mit der Übertragung von Aufgaben
und Befugnissen der Unteren Baurechtsbehörde auf die Gemeinde (Berkemann,
Straßenverkehrslärm im Rahmen eines (unionsrechtlichen) Lärmaktionsplanes,
NuR 2012, 517, 529; a. A. Sparwasser/Engel, Aktionspläne des Luftreinhalte- und
Lärmschutzrechts im Spannungsfeld zwischen deutschem und europäischem
Recht, NVwZ 2010, 1513 ff.; Kupfer, Lärmaktionsplanung - effektives Instrument
zum Schutz der Bevölkerung vor Umgebungslärm?, NVwZ 2012, 784).
34 Dem entspricht die Beschränkung der Lärmaktionsplanung nach § 47d BImSchG
auf Ballungsräume und Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen. Darin zeigt sich
ihre Funktion zur strategischen Lenkung überregionaler infrastruktureller
Sachverhalte, die ein einklagbares (eigenes) Recht der Gemeinden z. B. entlang
der überregionalen Haupteisenbahnstrecken ausschließen.
35 Anders als etwa bei § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 5 StVO (vgl. BVerwG, Urt. v.
29.06.1983, NVwZ 1983, 610 und Urt. v. 20.04.1994, NVwZ 1995, 165) hat der
Gesetzgeber in §§ 47a ff. BImSchG nicht erkennen lassen, dass er die Aufgaben
der Lärmaktionsplanung mit der gemeindlichen Planungshoheit verknüpfen und
den Gemeinden insoweit ein wehrfähiges Recht einräumen will (offengelassen für
den Fall einer fachaufsichtlichen Weisung zur Aufhebung einer
straßenverkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 StVO zur
Umsetzung eines Lärmaktionsplans in: OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.01.2014,
NdsVBl. 2014, 203)
36 Anderes wäre auch fragwürdig, denn gerade bei überregionalen Verkehrswegen
könnte die kommunale Durchsetzung einer auf das Gemeindegebiet beschränkten
Lärmaktionsplanung auch unter Berücksichtigung der auf eine abgestimmte
strategische Lenkung der Gesamtentwicklung zielenden Umgebungslärm-
Richtlinie zu sachwidrigen Ergebnissen führen. So bliebe es Gemeinden
vorbehalten, z. B. die Durchführung der Lärmminderungsmaßnahme „BüG“, aber
etwa auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung jeweils auf ihrem Gemeindegebiet
zu erstreiten. Ein sich daraus ggf. ergebender „Flickenteppich“ von
Lärmminderungsmaßnahmen an Hauptverkehrsstrecken ist ersichtlich weder vom
EU-Recht vorgegeben noch vom deutschen Gesetzgeber gewollt.
37 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
38 Die Berufung ist zuzulassen, da die Frage, ob einer Gemeinde ein wehrfähiges
Recht auf Umsetzung ihres Lärmaktionsplans zusteht, von grundsätzlicher
Bedeutung ist (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).