Urteil des VG Freiburg vom 10.10.2013

aufschiebende wirkung, verfügung, betreiber, vollziehung

VG Freiburg Beschluß vom 10.10.2013, 5 K 1260/13
Überwiegendes öffentliches Vollziehungsinteresse an Fortführung einer
Spielhalle
Leitsätze
Gegenwärtig besteht im Regelfall kein überwiegendes öffentliches
Vollziehungsinteresse für Verfügungen, mit denen den Inhabern von
Gewerbeerlaubnissen nach § 33i GewO, die sie nach dem Stichtag des 28.10.2011
und vor Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags erlangt haben,
die Fortführung einer Spielhalle über den 01.07.2013 hinaus untersagt worden ist.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die
Verfügung des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 04.07.2013 wird
hinsichtlich deren Nummer 1 wieder hergestellt und deren Nummer 2 angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Die Kammer legt den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz dahin aus, dass der
Antragsteller hinsichtlich Nr. 1 der angefochtenen Verfügung die Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, hinsichtlich Nr. 2 der
Verfügung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.
3 VwGO, § 12 LVwVG) begehrt.
2 So gestellt ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch sonst
zulässig.
3 Er ist auch begründet; denn das Interesse des Antragstellers an der
aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs überwiegt das Interesse des
Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der gewerberechtlichen
Untersagung und an deren Vollstreckung im Wege der Festsetzung eines
Zwangsgelds.
4 Dies folgt allerdings noch nicht daraus, dass, wie der Antragsteller geltend macht,
die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig wäre. Vielmehr geht die
Kammer davon aus, dass die sich stellenden Rechtsfragen teilweise schwierig
sind und der abschließenden Klärung in einem Hauptsacheverfahren bedürfen.
5 Zwar hat die Kammer in ihren bisher ergangenen einschlägigen Entscheidungen
erkennen lassen, dass sie der Rechtauffassung des Antragstellers nach
gegenwärtigem Stand der Literatur und Rechtsprechung letztlich wohl in keinem
Punkt folgen wird (vgl. Beschl. v. 25.04.2013 - 5 K 211/13 - m.w.N., auch VG
Freiburg, Beschl. v. 30.07.2013 - 4 K 1107/13 -; zur Frage der
Gesetzgebungskompetenz auch Urt. v. 30.07.2013 - 5 K 2495/12 - juris). Wegen
der Einzelheiten wird auf den Inhalt der den Beteiligten bekannten bzw.
zugänglichen Entscheidungen verwiesen.
6 Auch liegen bereits zahlreiche verwaltungsgerichtliche Entscheidungen vor, die die
Rechtsauffassung der Kammer in der Begründung oder jedenfalls im Ergebnis
teilen (vgl. zuletzt Bayer. VGH, Beschl. v. 28.08.2013 - 10 CE 13.1416 - juris).
7 Mit hinreichender Gewissheit geklärt sind damit die vom Antragsteller umfassend
aufgeworfenen und nachgewiesenen, auch vertieften Fragen jedoch nicht. Auch
lässt sich dem Vergleichsvorschlag des 6. Senats des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg im Beschwerdeverfahren (6 S 941/13) zum Beschluss der
Kammer vom 25.04.2013 (5 K 211/13) entnehmen, dass dieser von einem recht
umfassenden, erheblichen Klärungsbedarf ausgeht.
8 Bei der somit unabhängig von den Erfolgsaussichten zu treffenden Abwägung
zwischen dem öffentlichen Vollziehungsinteresse einerseits und dem
Aufschiebungsinteresse des Antragstellers andererseits fällt ins Gewicht, dass das
zuständige Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg unter dem
24.06.2013 für Fälle der vorliegenden Art den zuständigen Behörden seine
Auffassung bekannt gemacht hat, dass im Regelfall von der Anordnung der
sofortigen Vollziehung abgesehen werden soll.
9 Soweit das Landratsamt demgegenüber das Vorliegen eines Ausnahmefalls
geltend macht, vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Es trifft zwar zu,
dass der Stichtag 28.10.2011 gerade deshalb gewählt worden ist, um einen
Wettlauf der Betreiber von Spielhallen mit dem Gesetzgeber zum
verfassungsrechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt zu verhindern. Auch spricht viel
dafür, dass es auch dem Antragsteller darum gegangen ist, dem Gesetzgeber
zuvorzukommen. Die Frage ist aber gerade, ob dem schließlich bestimmten
Stichtag nicht erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken entgegen stehen und
ob sich deshalb die Betreiber von Spielstätten auf gewerberechtlichen Erlaubnisse
gem. § 33i GewO berufen können, welche vor Inkrafttreten des geänderten
Glücksspielstaatsvertrags zum 01.07.2012 bzw. vor Inkrafttreten des
Landesglücksspielgesetzes zum 29.11.2012 erteilt worden sind.
10 Insoweit sind aus der Sicht der Kammer zumindest Hauptsacheentscheidungen
mehrerer Oberverwaltungsgerichte abzuwarten.
11 Schließlich ist für die Folgenabwägung auch erheblich, dass nach der erwähnten
Erlasslage Mitbewerber des Antragstellers im Land in gleichgelagerten Fällen wohl
nicht gehindert werden (wenn auch möglicherweise nicht im Zuständigkeitsbereich
des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald), vorerst Spielhallen weiter zu
betreiben.
12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie geht von einem
nach Nr. 54.1 Streitwertkatalog 2004 erhöhten Hauptsachestreitwert aus (vgl.
schon Kammerurteil vom 30.07.2013 - 5 K 2495/12 -) und berücksichtigt durch
dessen Halbierung die Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes.