Urteil des VG Freiburg vom 27.11.2015

grundstück, gebäude, materielles recht, neubau

VG Freiburg Urteil vom 27.11.2015, 4 K 80/14
Leitsätze
Hier: Fall der objektiven Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung wegen Fehlens
eines Bauantrags.
Eine Baugenehmigung, die erteilt worden ist, obwohl für das genehmigte Vorhaben
kein Bauantrag gestellt worden ist, verletzt einen Nachbarn zumindest dann nicht in
seinen Rechten, wenn die genehmigte Anlage vor Erteilung der Baugenehmigung in
vergleichbarer Weise Schutz genoss wie eine genehmigte Anlage.
Eine bauliche Anlage, die vor Inkrafttreten der (ersten) Landesbauordnung für Baden-
Württemberg am 01.01.1965 und des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 im
Einklang mit den im Zeitpunkt ihrer Herstellung geltenden öffentlich-rechtlichen
Vorschriften, das heißt rechtmäßig, errichtet worden ist und für die in der
Vergangenheit keine Baugenehmigung erteilt wurde, genießt für die Zeit ihres
Bestands Bestandsschutz.
Einen dem Bestandsschutz vergleichbaren Schutz genießt auch eine bauliche
Anlage, die ebenfalls ohne Baugenehmigung, aber nach Inkrafttreten der
Landesbauordnung für Baden-Württemberg errichtet wurde, wenn sie seit
Jahrzehnten von allen am baurechtlichen Geschehen Beteiligten, das heißt von den
Behörden und den Nachbarn, bewusst als selbstverständlich hingenommen worden
ist und sich alle Beteiligten mit ihrer Existenz abgefunden haben.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer dem Beigeladenen erteilten
Baugenehmigung zur Errichtung eines Leistungszentrums für Fußballnachwuchs.
2 Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückstücks Flst.-Nr. … der Gemarkung …
(… Straße …), das mit einem Geschäftshaus (im weiteren Sinn) und mehreren
(fünf) Neben- bzw. Betriebsgebäuden bebaut ist. Das östlich an dieses Grundstück
angrenzende mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Flst.-Nr. … (… Straße …)
gehört der Klägerin nicht. Auch das südlich angrenzende Grundstück Flst.-Nr. …
(… Straße …), auf dem sich eine Gaststätte (… bzw. …) und zwei Gebäude
befinden, die dem angrenzenden Campingplatz zugeordnet sind, gehört der
Klägerin nicht. Die Grundstücke Flst-Nrn. … und … stehen im Eigentum der
Beklagten; die nördlichen Bereiche dieser beiden Grundstücke sind an die
Klägerin verpachtet. Zur Situation des Grundstücks der Klägerin und der
Nachbargrundstücke wird auf den nachfolgenden Grundstückplan verwiesen:
3 …
4 Auf dem ihr gehörenden Grundstück Flst.-Nr. … und den gepachteten Flächen der
Grundstücke Flst.-Nrn. … und … betreibt die Klägerin ein (von ihr) so genanntes
(Wald-)Kurbad mit verschiedenen Saunaanlagen, Räumen für Massagen,
Physiotherapie und Körperpflege und einer Liegewiese; außerdem befindet sich in
dem Gebäude auf dem Grundstück Flst.-Nr. … ein Beherbergungsbetrieb der
Klägerin („Hostel“) mit ca. 29 Übernachtungsmöglichkeiten (so die Angaben der
Klägerin im abgeschlossenen Verfahren 4 K 1915/12).
5 Unmittelbar nördlich an das Betriebsgelände der Klägerin grenzen die von dem
Beigeladenen als Sportflächen genutzten Grundstücke Flst.-Nrn. …, …, …, …, …,
…, …, … und … . Siehe hierzu den von dem Beigeladenen zusammen mit seinem
Bauantrag im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Lageplan:
6 …
7 Diese Flächen werden schon seit Jahrzehnten für die Ausübung des Fußballsports
genutzt. Auf der Fläche des heutigen Grundstücks mit der Flst.-Nr. … wurde im
Jahr 1922 das …-Stadion, ein Fußballstadion für mehrere tausend Zuschauer,
errichtet. Südlich davon, auf den heute als Flst.-Nrn. … und … bezeichneten
Flächen, befanden sich schon damals (1922) zwei Sportplätze sowie westlich des
Stadions zunächst drei, später (nach 1928) fünf Tennisplätze. Das Stadion und die
(zwei) südlich davon gelegenen Sportplätze wurden in den 1920er Jahren von
zahlreichen Fußball-, Handball- und Hockeymannschaften sowie Leichtathletik-
und Turnriegen des … Fußballclub (…) und außerhalb des Trainings der
verschiedenen Abteilungen des … von … Schulen und anderen Sportvereinen
genutzt. In den Jahren 1953 und 1954 wurde das …-Stadion mit einem
Fassungsvermögen von ca. 23.000 Zuschauern ausgebaut. Nach den
Lageplänen eines Baugesuchs für verschiedene bauliche Anlagen im
Stadionbereich, die mit Bescheid der Beklagten vom 02.10.1954 baupolizeilich
genehmigt wurden, existierten damals außer dem …-Stadion noch drei weitere
etwa gleich (große zwei als Übungsplätze und einen als Handballplatz)
bezeichnete Sportplätze. Auf der Fläche des Betriebsgrundstücks der Klägerin
befand sich bis Anfang der 1970er Jahre eine Rollschuh- und Eisbahn mit
Vereinshaus. Auf dem südlich angrenzenden Grundstück Flst.-Nr. … befanden
sich bis dahin ein Gasthaus („…“) und eine Schreinerei. Auf der Grundlage einer
Baugenehmigung aus dem Jahr 1975 fanden auf dem Betriebsgrundstück der
Klägerin zahlreichen Umbauten und eine Änderung der Nutzung dieses
Grundstücks als Kurbad statt. Zur damaligen Situation wird auf den nachfolgenden
Plan aus dem Jahr 1954 verwiesen:
8 …
9 Später, im Jahr 1970, wurde der östliche dieser drei Plätze als Rasensportplatz in
den Maßen 70 m x 105 m, statt in Nord-Süd-Richtung in Ost-West-Richtung
ausgebaut. In 1980er Jahren erfolgte u. a. der Umbau des westlichsten der drei
Sportplätze zu einem Hartplatz. Die Lage der Plätze entspricht seither (bis heute)
weitgehend der aktuellen Situation, wie sie aus dem nachfolgenden Luftbild
ersichtlich ist:
10 …
11 Für das Gebiet südlich der Bahnstrecke … - …, das heißt u. a. für alle von der
Klägerin und dem Beigeladenen genutzten Grundstücke, existiert kein
Bebauungsplan. Westlich an das vom Beigeladenen genutzte Sportgelände und
das Betriebsgrundstück der Klägerin schließt sich der …-Park, ein bewaldeter
Stadtpark, an. Zwischen diesem Park und dem Gelände der Klägerin und des
Beigeladenen verläuft eine asphaltierte Straße. Auf der Südseite des
Campingplatzgeländes verläuft die … Straße, auf deren Südseite sich einige
weitere Gebäude befinden. Ansonsten schließt sich auf der Südseite der … Straße
ein großes Waldgebiet an. Auf der Ostseite grenzt das Sportgelände des
Beigeladenen an ein Kleingartengelände sowie, durch die … Straße davon
getrennt, an einige als Flüchtlingsunterkunft genutzte Gebäude und den Friedhof
… . Auf der Nordseite wird das gesamte Areal begrenzt durch die eingleisige
Bahnstrecke … - … und dahinter die vierspurige, in diesem Bereich abgesenkte
Bundesstraße … . Siehe nachfolgendes Luftbild:
12 …
13 Am 05.06.2000 stellte der Beigeladene bei der Beklagten einen Bauantrag für den
Neubau eines Leistungszentrums mit Internatsbetrieb für den Fußballnachwuchs
im …-Stadion. Im Wesentlichen sieht dieser Bauantrag vor, die Zuschauertribüne
an der Südseite des …-Stadions umzubauen und nach Süden hin um einen
zweigeschossigen Anbau für ein Fußballinternat mit Wohnappartements und
verschiedenen Funktionsräumen zu erweitern. Die Besucherzahlen für das
Stadion sollten (von bisher 23.000) auf weniger als 8.000 reduziert werden. Nach
dem dem Bauantrag beigefügten Lageplan soll das Hauptspielfeld im Stadion
(Platz 1) eine Rasenheizung und von den Nebenplätzen (Plätze 2 bis 4) die Plätze
2 und 3 jeweils einen neuen Belag erhalten. Der westlichste der drei Plätze, der auf
dem Grundstück Flst.-Nr. … angelegte Platz 2, soll einen Kunstrasen bekommen,
der östlich angrenzende Platz 3 auf dem Grundstück Flst.-Nr. … , der mittlere der
drei Plätze, soll als Tennenplatz, das heißt als Platz mit einer Granulatoberfläche
(Hartplatz), angelegt werden; Platz 4 auf dem Grundstück Flst.-Nr. … soll weiterhin
als Rasenplatz erhalten bleiben.
14 Mit Schreiben vom 13.06.2000 erläuterte der Beigeladene das Betriebskonzept für
das beantragte Vorhaben. Danach sei ein Internat mit 16 Schlafplätzen
vorgesehen. In den Ferien sei eine Belegung für Ferienmaßnahmen des …
Fußballverbands möglich. Außerdem komme eine Belegung durch Sportler des …
in Betracht. Die Spiele und das Training aller Nachwuchsmannschaften mit
Ausnahme der Damen- und Mädchenmannschaften fänden im …-Stadion statt.
Die bestehende Gastronomie bleibe erhalten. Zur medizinischen Versorgung sei
ein ca. 300 m2 großes Therapiezentrum geplant.
15 Mit Schreiben vom 05.07.2000 ergänzte der Beigeladene sein Betriebskonzept
und führte aus: Auch von dem …, der das Gelände früher genutzt habe, sei das …-
Stadion regelmäßig täglich von 15:30 Uhr bis 20:30 Uhr genutzt worden. An diesen
Zeiten werde man sich weiterhin orientieren. Über Ort und Zeit von Spitzenspielen
könne man keine Aussagen treffen, weil man keinen Einfluss darauf habe. Ein ggf.
stattfindendes internationales Jugendturnier würde an einem Wochenende
durchgeführt werden. Eine Zunahme der Jugendmannschaften wäre nur in den
Altersklassen von sechs bis zehn Jahren möglich; die daraus folgende Zunahme
führte dazu, dass die Anzahl der Mannschaften der des … entspreche. Wenn mehr
als 16 Schlafplätze benötigt würden, werde der Mehrbedarf im Hotelbetrieb eines
anderes Sportvereins gedeckt. Wenn eine Erweiterung erwogen werde, betreffe
das in erster Linie den Internatsbereich. Das Therapiezentrum diene in den
nächsten zwei Jahren allein der Betreuung der vereinseigenen Sportler. Eine
Erweiterung in diesem Bereich hänge von einer Zulassung durch die
Berufsgenossenschaft ab.
16 Mit einem am 21.06.2000 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom
20.06.2000 machte die Klägerin Einwendungen gegen das von dem Beigeladenen
beantragte Bauvorhaben geltend. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor:
Sie habe in den Jahren von 1977 bis 1999 ihren Betrieb schrittweise entwickelt
und ausgebaut. Ihr Betrieb habe ein großes Ruhebedürfnis. Von der
Lärmbelastung, die vor allem von Platz 3 ausgehe, seien vor allem die Anlagen im
Garten sowie der Dampfbadetempel, die Erdsauna, der Ruheraum und der
Seminarbereich im Dachgeschoss betroffen. Es sei zu befürchten, dass der Lärm
existenzbedrohend sei und auch Unternehmen, wie die Krankengymnastikpraxis,
betreffe, die Räumlichkeit auf dem Gelände des Waldkurbads angemietet hätten.
Der Bauantrag beinhalte lediglich Maßnahmen im Zusammenhang mit dem
Ausbau des bestehenden Tribünengebäudes. Von dort seien bei
bestimmungsgemäßer Nutzung keine nennenswerten Lärmimmissionen zu
erwarten. Der Bauantrag gehe jedoch nicht auf die Intensivnutzung der Plätze 2
und 3 ein. Diese Veränderungen kämen einer Neuanlage dieser Plätze gleich.
Dadurch erfahre das Sportgelände im Grunde eine Nutzungsänderung. Das
Gelände werde fortan nicht mehr als Übungsplatz für vereinseigene Sportler
genutzt, sondern für Zwecke der überregionalen Rekrutierung des Profifußball-
Nachwuchses. Darin liege eine Funktionsänderung des gesamten Geländes, das
keinen sportlichen Zwecken mehr diene, sondern der Auslese und Kaderschmiede
und damit der Gewinnerzielung. Diese Umwidmung verletze das Gebot der
nachbarlichen Rücksichtnahme. Lärmschutzeinrichtungen seien nicht vorgesehen.
Es sei mit einer Ausnutzung der Kapazitäten während des ganzen Jahres und
rund um die Uhr zu rechnen. Das werde auch eine hohe Kfz-Frequenz zur Folge
haben. Die Lärmbelastung sei nach der Sportanlagen-Lärmschutzverordnung zu
beurteilen. Gerade wegen des besonderen Ruhebedürfnisses des Waldkurbads
wirkten sich die Impulshaltigkeit und der Informationsgehalt des zu erwartenden
Lärms besonders störend aus. Dadurch werde ihr Eigentum schwer und
unerträglich beeinträchtigt.
17 Mit Beschluss vom 11.07.2000 sprach der Gemeinderat der Beklagten sein
Einvernehmen mit dem beantragten Vorhaben aus.
18 Mit Bescheid vom 26.07.2000 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die von ihm
beantragte Baugenehmigung für den Neubau eines Leistungszentrums für
Fußballnachwuchs im …-Stadion. In Nr. 0.0.22 aF der Nebenbestimmungen ist
ausgeführt, dass die Genehmigung auf der Grundlage des Betriebskonzepts des
Beigeladenen vom 13.06.2000, ergänzt durch Schreiben vom 05.07.2000, erteilt
werde. Abweichungen hiervon, z. B. ein weitergehender Spiel- und
Trainingsbetrieb oder eine bauliche Erweiterung, bedürften einer baurechtlichen
Überprüfung. Nach Nebenbestimmung Nr. 0.0.27 sei u. a. die Sportanlagen-
Lärmschutzverordnung zu beachten. Nach Nebenbestimmung Nr. 0.0.30 befinde
sich das Bauvorhaben im Außenbereich; für die immissionsschutzrechtliche
Bewertung sei von einem Sondergebiet für Sportanlagen nach § 10 BauNVO
auszugehen. Der Bereich der Klägerin und des angrenzenden Campingplatzes sei
als Mischgebiet einzustufen. Nach Nebenbestimmung Nr. 09.11F werde die
Baugenehmigung unter der Bedingung erteilt, dass die Einhaltung der baurechtlich
zulässigen Lärmschutzwerte vor Erteilung der Baufreigabe durch ein
Lärmimmissions-Gutachten unter Berücksichtigung der Nachbareinwendungen
nachgewiesen werde; weitere Auflagen zur Sicherstellung des
Lärmimmissionsschutzes blieben vorbehalten. In den Gründen der
Baugenehmigung wies die Beklagte die Einwendungen der Klägerin im
Wesentlichen mit folgender Begründung zurück: Das …-Stadion liege im
Außenbereich. Im Flächennutzungsplan sei das Gelände als öffentliche
Grünfläche mit der Spezifizierung Sportanlage ausgewiesen. Im Zuge der
Genehmigung der Kleingartenanlage … sei das …-Stadion weitgehend aus dem
Landschaftsschutzgebiet … herausgenommen worden. Lediglich ein kleiner
Streifen an der Westseite des Stadiongeländes befinde sich noch im
Landschaftsschutzgebiet und werde von den Baumaßnahmen (Kassenhäuschen)
geringfügig tangiert. Das bisher genehmigte …-Stadion sei bauplanungsrechtlich
gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB wegen seiner besonderen Zweckbestimmung
und Größe als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich zulässig. Dies gelte für
das genehmigte Vorhaben in gleicher Weise. Die baulichen Anlagen würden nur
unwesentlich erweitert und die Zuschauerkapazität werde gegenüber der
Baugenehmigung aus dem Jahr 1954 von 23.006 auf 7.854 reduziert. Nach dem
Betriebskonzept des Beigeladenen solle das Stadion künftig durch die
Nachwuchsmannschaften und die Amateurmannschaft genutzt werden. Bei
Spitzenspielen werde mit 700 bis 800 Zuschauern gerechnet. Darüber hinaus
seien Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem … Fußballverband und dem …
vorgesehen. Gegenüber dem genehmigten Bestand sei eine weitaus geringere
Maximalauslastung bzw. Frequentierung der Sportanlage geplant. Die bisherige
Sportanlage sei nach der erteilten Baugenehmigung hinsichtlich der
Nutzungsintensität nicht beschränkt gewesen. Sämtliche Sportanlagen seien lange
vor Inbetriebnahme der Einrichtungen der Klägerin errichtet worden und würden
seit ihrer Genehmigung bis heute regelmäßig für Sportveranstaltungen genutzt.
Auch wenn man das Vorhaben nicht als privilegiertes Außenbereichsvorhaben
ansähe, wäre es bauplanungsrechtlich zulässig, da öffentliche Belange nicht
beeinträchtigt würden. Es liege auch kein Verstoß gegen das Gebot der
Rücksichtnahme oder gegen Eigentumsrechte der Klägerin vor. Denn die
geplanten Maßnahmen sähen lediglich eine dem heutigen Stand der Förderung
des sportlichen Nachwuchses angemessene Verbesserung der Sportanlagen vor.
Gegenüber der bisher genehmigten Nutzung träten keine weitergehenden
unzumutbaren Belästigungen auf. Außerdem werde dem Gebot der
Rücksichtnahme durch die Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung Rechnung
getragen.
19 Nach einem schalltechnischen Gutachten Nr. .../726 des Ingenieurbüros für … vom
28.08.2000 komme es nach Maßgabe der Sportanlagen-Lärmschutzverordnung
innerhalb der Ruhezeiten am Gebäude der Klägerin auf dem Grundstück Flst.-Nr.
… (… Straße …) dann zu einer Überschreitung der für ein Mischgebiet zulässigen
Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) um 3 dB(A), wenn in diesen Ruhezeiten alle
drei Spielfelder (Plätze 2, 3 und 4) durchgehend von Fußballspielern und einem
Trainer genutzt würden und auf jedem Platz außerdem durchschnittlich 10
Zuschauer anwesend seien. Außerhalb der Ruhezeiten würden die
Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet von 60 dB(A) dagegen auch unter den
zuvor genannten Bedingungen um 5 dB(A) unterschritten. Bei Punktspielen im …-
Stadion würden die Lärmrichtwerte dann, wenn sie als seltene Ereignisse an
weniger als an 18 Kalendertagen im Jahr stattfänden, sowohl innerhalb als auch
außerhalb der Ruhezeiten eingehalten. Als Lösung für die
Immissionsrichtwertüberschreitung in den Ruhezeiten schlug der Sachverständige
vor, die Nutzung des Platzes 3 in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 22:00 Uhr zu
unterlassen oder alle drei Plätze maximal bis 20:45 Uhr zu nutzen.
20 Mit Bescheid vom 11.10.2000 ergänzte die Beklagte die Baugenehmigung vom
26.07.2000 um zahlreiche weitere Nebenbestimmungen, die u. a. speziell die
Nutzung der Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 betreffen und die Einhaltung der
Immissionsrichtwerte gewährleisten sollen.
21 Sowohl gegen die Baugenehmigung vom 26.07.2000 als auch gegen den
Bescheid vom 11.10.2000 erhob die Klägerin jeweils rechtzeitig Widerspruch. Zur
Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die für ihren Betrieb genutzten
Flächen seien nicht als Mischgebiet anzusehen, da die Nutzung dort viel
lärmempfindlicher sei als mischgebietstypische Nutzungen. Die Nutzung ihres
Kurbads, zu dem ganz wesentlich die Freiflächen gehörten, entspreche einer
reinen Wohnnutzung. Das Rücksichtnahmegebot erfordere deshalb eine
Schonung ihres Grundstücks vor Lärmbeeinträchtigungen. Daraus folge die
Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung. Diese müssten
das Ruhebedürfnis eines reinen Wohngebiets gewährleisten. Bestandsschutz
komme den Trainingsplätzen auf dem Areal des Beigeladenen nicht zu, weil die
genehmigte Nutzung im Rahmen eines Sportinternats baurechtlich eine ganz
andere Nutzung darstelle als die frühere Nutzung.
22 Mit Schreiben vom 30.01.2002 beantragte die Klägerin das Ruhen des
Widerspruchsverfahrens. In den folgenden Jahren erhob die Klägerin zahllose
Beschwerden wegen Lärmbeeinträchtigungen auf den Plätzen 2, 3 und 4. Mit
Schreiben vom 10.01.2008 bat sie, das ruhende Widerspruchsverfahren wieder
aufzunehmen.
23 Mit Schreiben vom 21.05.2008 gab die Beklagte bekannt, dass der als Hartplatz
angelegte Platz 3 (wieder) in einen Rasenplatz umgewandelt werde. Da diese
Maßnahme baurechtlich verfahrensfrei sei, sei eine vorherige Benachrichtigung
der Angrenzer unterblieben.
24 Bereits mit Schreiben vom 26.10.2007 wandte sich die Klägerin wegen
Lärmbeeinträchtigungen durch den Trainingsbetrieb auf dem Gelände des
Beigeladenen mit einer Petition an den Landtag von Baden-Württemberg. Im
Rahmen dieser Petition mit dem Az. 14/01811 beauftragte das Ministerium für
Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg die
Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) mit der Ermittlung
der von der Nutzung der Sporteinrichtungen auf dem Gelände des …-Stadions auf
das Grundstück der Klägerin einwirkenden Geräuschimmissionen. Zu diesem
Zweck nahm die LUBW an vier Tagen, am 22.11.2008, am 03.04.2009, am
17.04.2009 und am 18.04.2009, Messungen von Geräuschen durch
Sportausübungen vor. Am 04.12.2008 fand darüber hinaus eine Messung der
Geräusche durch Maschinen zur Pflege der Grünflächen (Rasenmäher,
Laubbläser und dgl.) statt. Als Immissionsorte wurden in Abstimmung mit den drei
Prozessbeteiligten u. a. zwei Orte auf dem Betriebsgelände der Klägerin
ausgewählt, einer am Fenster des Seminarraums auf der Nordseite im
Dachgeschoss des Hauses auf dem Grundstück Flst.-Nr. … (… Straße …) und ein
weiterer auf der Nordseite eines Therapie- und Anwendungsgebäudes auf diesem
Grundstück. Die Messungen erfolgten und wurden bewertet auf der Grundlage der
Sportanlagen-Lärmschutzverordnung. Im Messbericht der LUBW vom 31.08.2010
„Geräuscheinwirkungen der … Fußballschule auf die Nachbarschaft im Rahmen
der Petition 14/1811“ wurde als Ergebnis der Messungen der
Geräuscheinwirkungen durch den Sportbetrieb an den vier Messtagen festgestellt,
dass die Immissionsrichtwerte bei beiden Immissionspunkten im Wesentlichen nur
innerhalb der Ruhezeiten und in den Nachtzeiten überschritten würden. Die
Petition wurde nach ausführlicher Darstellung des Sach- und Streitstands durch
Beschluss des Petitionsausschusses des Landtags von Baden-Württemberg vom
11.07.2012 beendet. Der Beschluss lautet (LT-Drs. 15/2396): „Die Stadt (die
Beklagte) wird gebeten, die Einhaltung der Nutzungen, wie Trainings-, Spielbetrieb,
Jugendturniere in angemessener Weise zu überprüfen. Darüber hinaus kann der
Petition nicht abgeholfen werden.“
25 Mit Bescheid vom 04.04.2013 erließ die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen
eine weitere Ergänzung bzw. Neufassung der Nebenbestimmungen zur
Baugenehmigung vom 26.07.2000, die gegenüber dem Ergänzungsbescheid vom
11.10.2000 noch differenziertere Vorgaben für die Nutzung sämtlicher Sportplätze
auf dem Areal des Beigeladenen, insbesondere der Spiel- und Trainingsplätze 2
bis 4, zum Inhalt haben und die Einhaltung der Immissionsrichtwerte gewährleisten
sollen.
26 Gegen den Bescheid der Beklagten vom 04.04.2013 erhob die Klägerin rechtzeitig
Widerspruch. Über die Widersprüche der Klägerin und des Beigeladenen ist bis
heute nicht entschieden worden.
27 Am 15.01.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im
Wesentlichen aus: Sie, die Klägerin, betreibe seit 1977, früher unter der Firmierung
… ein Kurbad mit Saunen, Erholungsfreiflächen, außenliegendem Kaltbad und
medizinischem Badebetrieb nebst Physiotherapie. Die Gäste ihres Kurbads
benötigten Ruhe und Erholung. Dies sei bis zur Übernahme des Sportgeländes in
dem nördlich an ihr Betriebsgrundstück angrenzenden Areal durch den
Beigeladenen gewährleistet gewesen. Die frühere Nutzung durch den … habe
ihren Betrieb nicht beeinträchtigt, da das Sportareal nur in geringem Umfang
genutzt worden sei. Das habe sich geändert aufgrund des Spiel- und
Trainingsbetriebs nach Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung, deren
Nebenbestimmungen in den Ergänzungsbescheiden vom 11.10.2000 und vom
04.04.2013 unzureichend seien. Denn die Beklagte gehe fälschlicherweise davon
aus, dass die Lärmgrenzwerte für ein Mischgebiet einzuhalten seien. Das
entspreche jedoch nicht der vorhandenen Bebauung und Nutzung. Sowohl ihr
Waldkurbad als auch der benachbarte Campingplatz seien sehr störanfällig und
insoweit einer reinen Wohnnutzung gleichzustellen. In beiden Betrieben stünden
die Erholung und Rekonvaleszenz im Vordergrund. Dem Gebot der
Rücksichtnahme könne nur dadurch genügt werden, dass durch geeignete
Maßnahmen sichergestellt werde, dass die höchstzulässigen Lärmgrenzwerte für
Wohnnutzung eingehalten würden. Das sei durch die unmittelbar an ihr
Betriebsgrundstück angrenzenden Trainingsplätze 2 bis 4 auf dem Sportgelände
des Beigeladenen nicht gewährleistet. Für die Nutzung dieser Trainingsplätze
könne kein Bestandsschutz beansprucht werden. Denn die frühere Nutzung sei
eine grundlegend andere gewesen. Die Modernisierung des Gebäudes auf Platz 1
und auch das Internat der Sportschule des Beigeladenen stellten nicht das
Problem dar, dieses liege vielmehr darin, dass die Trainingsplätze 2 bis 4
intensiver genutzt würden als früher. Es gehe heute nicht, wie früher, um das eine
Spiel, sondern um den Dauerbetrieb von morgens bis abends. Insoweit bestehe
ein Nutzungskonflikt zwischen ihrem Betrieb und den Anlagen des Beigeladenen.
Auf zeitliche Festlegungen der Nutzung dieser Plätze, wie sie von ihr
vorgeschlagen worden seien, habe sich der Beigeladene nicht eingelassen. Die
Ruhestörungen und Lärmbelästigungen beträfen insbesondere auch
Kasernenhofkommandos, die Verwendung ordinärer Begriffe, das Anbrüllen von
Spielern und Trainern, lärmintensive Pflege- und Instandhaltungsmaßnahmen
durch Maschinen, Lärm durch Fußbälle, die gegen Zäune oder eine Betonwand
geschossen würden, usw. Diese Störungen der Gäste ihres Kurbad seien vielfach
gerügt worden. Dennoch seien keine Verbesserungen eingetreten. Im Jahr 2005
sei der Trainingsplatz 4 mit neuen Flutlichtmasten bestückt worden. Auch dagegen
habe sie Widerspruch erhoben. Die Beklagte habe jedoch erwidert, dass diese
Maßnahme verfahrensfrei sei und insoweit kein Handlungsbedarf bestehe. Die von
der Beklagten als Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung erlassenen
Auflagen würden von dem Beigeladenen nicht eingehalten. Nachdem über ihren
seit Jahren anhängigen Widerspruch trotz Wiederaufgreifen des zwischenzeitlich
ruhenden Verfahrens nicht entschieden worden und ihrem Anliegen auch
ansonsten nicht Rechnung getragen worden sei, sei nun Klage geboten. Die Klage
sei als Untätigkeitsklage zulässig und begründet. Das Bauplanungs- und
Bauordnungsrecht gewähre einem Nachbarn umfassenden Drittschutz auch
gegenüber Außenanlagen baulicher Anlagen und deren Nutzung, soweit sie nicht
nachbarschaftsverträglich sei. Die Nutzung der Trainingsplätze 2 bis 4 sei somit
rechtswidrig, indem sie gegen das Rücksichtnahmegebot in § 15 BauNVO
verstoße. Die Unzumutbarkeit ergebe sich aus der Sportanlagen-
Lärmschutzverordnung. Die Interessen des Beigeladenen und die ihres
Waldkurbads seien miteinander unvereinbar. Der Interessenkonflikt sei auch nicht
durch Auflagen korrigierbar. Daher sei die Baugenehmigung rechtswidrig und
verletze sie in ihren Rechten. Soweit die Beklagte die frühere Rollschuh- und
Eisbahn erwähne, sei klarzustellen, dass diese nur bis in die 1950er Jahre
betrieben worden sei. Im April 1960 sei auf dieser Fläche ein Minigolfplatz mit
Boccia-Bahnen eröffnet worden. Die Nutzung durch den … sei eine ganz andere
gewesen als jetzt. Außer für Ligaspiele seien die Plätze nur für Laienfußball
genutzt worden. Das Vorhaben eines überregionalen Leistungszentrums für
Fußballnachwuchs des Beigeladenen sei weder vom Umfang noch von der
Betriebsweise her mit einem lokalen Fußballverein wie früher vergleichbar.
Insbesondere das Stadion sei vom … nur in einer überschaubaren Anzahl von
Großereignissen im Jahr genutzt worden. Insgesamt handle es sich um eine
Umwidmung der Gesamtanlage zu ganz anderen überregionalen Zwecken. Der
Messbericht der LUBW, auf den die Beklagte abstelle, leide daran, dass keine
langfristigen Daten erhoben worden seien, sondern nur punktuelle Erhebungen
stattgefunden hätten. Diese ergäben kein realistisches Gesamtbild des Betriebs
auf dem Gelände des Beigeladenen. Die Nebenbestimmungen und Auflagen zur
Baugenehmigung stünden nur auf dem Papier. Sie seien weder kontrollierbar noch
würden sie eingehalten. Das von ihr betriebene Kurbad stehe im Einklang mit der
Entwicklung der Gesamtumgebung als Naherholungsgebiet. Daraus ergebe sich
für sie ein planungssichernder Anspruch darauf, dass die Beklagte erhebliche
Verschlechterungen des Gebiets unterbinde.
28 Die Klägerin beantragt,
29 die dem Beigeladenen mit Bescheid der Beklagten vom 26.07.2000 erteilte
Baugenehmigung in der Fassung der Ergänzungsbescheide der Beklagten vom
11.10.2000 und vom 04.04.2013 aufzuheben.
30 Die Beklagte beantragt,
31 die Klage abzuweisen.
32 Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus: Die Klage sei
unbegründet. Denn das Vorhabengrundstück und das Grundstück des Kurbads
lägen im Außenbereich. Dort könne Drittschutz nur über das Gebot der
Rücksichtnahme beansprucht werden. Die dem Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung verstoße nicht gegen dieses Gebot der Rücksichtnahme,
insbesondere rufe das Vorhaben in dem von der Baugenehmigung
vorgezeichneten Nutzungsrahmen keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor.
Als schädliche Umwelteinwirkungen kämen grundsätzlich nur die von der
Sportanlage ausgehenden Lärmimmissionen in Betracht. Die Anforderungen an
die Vermeidung erheblicher Nachteile oder Belästigungen für die Nachbarschaft
würden bei der Errichtung und dem Betrieb von Sportanlagen in Bezug auf den
Lärmschutz verbindlich durch die Sportanlagen-Lärmschutzverordnung
konkretisiert. Eine gesteigerte Duldungspflicht eines der Sportstätte benachbarten
Vorhabens könne sich u. a. daraus ergeben, dass der Sportbetrieb schon lange
vor dem Nachbarvorhaben existiert und eine rechtliche oder zumindest faktische
Vorbelastung bestanden habe. Den Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit
bildeten hier die Immissionsrichtwerte für Mischgebiete, da die Schutzbedürftigkeit
des Gebiets im konkreten Fall der von Anlagen im Mischgebiet entspreche. Diese
Werte würden eingehalten. In der Rechtsprechung werde in Bezug auf die
Außenbereichslage regelmäßig ein Schutzniveau zugrunde gelegt, das einem
Dorf- oder Mischgebiet entspreche. Das gelte dementsprechend auch für das von
der Klägerin betriebene Kurbad. Es lägen keine besonderen Umstände vor, die
hier eine erhöhte Schutzbedürftigkeit rechtfertigten. Abgesehen davon sei das
Waldkurbad von Beginn an einer Vorbelastung durch das deutlich früher errichtete
…-Stadion ausgesetzt gewesen. Dieses Stadion existiere mit seinem Hauptplatz
und seinen drei weiteren Sportplätzen durchgängig seit den 1920er Jahren,
ursprünglich sogar mit einem Fassungsvermögen von ca. 23.000 Zuschauern. Die
Inbetriebnahme des Kurbads der Klägerin liege dementsprechend ca. 50 Jahre
später. Vorher habe sich an dieser Stelle ebenfalls eine Sportfläche, nämlich eine
Rollschuhlaufbahn und ein Rollschuhclub-Gelände, befunden. Daran ändere sich
nichts dadurch, dass das …-Stadion in den Jahren vor der Übernahme durch den
Beigeladenen in den Jahren 1999/2000 nicht mehr in vollem Umfang genutzt
worden sei. Die Nutzung der gesamten Fläche als Sport- und Trainingsfläche für
Fußballspiele sei niemals aufgegeben worden. Der Wechsel vom … zum
Beigeladenen ziele gerade auf die Fortführung der bisherigen Nutzung als
Sportfläche. Abgesehen davon seien durch die lärmschutzrechtlichen Auflagen die
Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet eingehalten. Das werde durch die
ergänzenden Schutzauflagen vom 11.10.2000 und vom 04.04.2013 sichergestellt.
Mit ihnen würden die Erkenntnisse aus dem Lärmgutachten der LUBW vom
31.08.2010 umgesetzt. Sollte im Einzelfall dennoch gegen lärmschutzrechtliche
Auflagen verstoßen werden, bestehe unter Umständen ein Anspruch auf
Einschreiten, nicht aber auf Aufhebung der Baugenehmigung. Schließlich sei zu
betonen, dass das Rücksichtnahmegebot als Pflicht zur gegenseitigen
Rücksichtnahme zu verstehen sei. Insoweit sei es der Klägerin selbst
zuzurechnen, dass sie ihren Betrieb an der Grundstücksgrenze zu einer
bestehenden Sportanlage mit vier Plätzen errichtet habe. Für weitergehende
Schutzmaßnahmen dürfte die Klägerin nach alledem auf Selbsthilfe zu verweisen
sein.
33 Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
34 In einer schriftlichen Stellungnahmen trägt der Beigeladene vor: Das heute von der
… Fußballschule genutzte Gelände sei seit Anfang des vergangenen
Jahrhunderts als Sport- und Trainingsgelände genutzt worden. Außer dem …-
Stadion mit einer Kapazität von mehreren tausend Zuschauern habe es schon
früher die heute im Rahmen der Fußballschule genutzten Plätze 2 bis 4 gegeben,
gegen die sich die Klage eigentlich richte. Platz 2 sei schon in der Zeit vor 1945
vorhanden gewesen und der heutige Platz 4 sei immerhin vor 1970 angelegt
worden. Diese Situation habe mithin vor Einrichtung des Gewerbebetriebs der
Klägerin im Jahr 1977 bestanden. Wenn die Klägerin ihren Gewerbebetrieb als
Kurbad bezeichne, so beruhe das auf einer Namensgebung durch die Klägerin
selbst. Die Voraussetzungen eines staatlichen Kurbads seien bei diesem Betrieb
nicht erfüllt. Bei dem Betrieb der Klägerin handele es sich um einen privaten
Sauna- und Badebetrieb mit angeschlossener Gastronomie. Es könne keine Rede
davon sein, dass dieser Gewerbebetrieb im baurechtlichen Sinne unverträglich sei
mit dem Nachwuchsleistungszentrum der … Fußballschule. Vielmehr seien der
Betrieb der Klägerin und die Sporteinrichtungen klassische Nutzungsformen in
einem typischen Mischgebiet. Beide Einrichtungen würden von § 6 Abs. 2 Nr. 5
BauNVO erfasst. Es liege demgemäß kein Verstoß gegen das
Rücksichtnahmegebot vor. Das im Rahmen des Petitionsverfahrens von der
LUBW erstellte Lärmgutachten komme zu dem Ergebnis, dass der zulässige
Lärmpegel nicht überschritten werde. Durch die Modifizierung der
Baugenehmigung in der Fassung vom 04.04.2013 habe die Beklagte einen
ausgewogenen Interessenausgleich herbeigeführt. Es gebe wöchentliche
Belegungs- und Organisationspläne zu jedem einzelnen Platz, durch die die
Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung beachtet würden. Wenn die Klägerin
seit vielen Jahren lärmreduzierende Maßnahmen fordere, so sei dem
entgegenzuhalten, dass sie selbst in keiner Weise irgendwelche Umgestaltungen
oder Lärmschutzmaßnahmen auf ihrem Gelände ergriffen habe. Die Darstellungen
der Klägerin über angebliche Verstöße gegen die Baugenehmigung seien
übertrieben. Bereits bei Einrichtung ihres Betriebs im Jahre 1977 habe die Klägerin
gewusst, dass unmittelbar an ihr Gelände Sportanlagen angrenzten, die zu
Trainings- und Wettbewerbszwecken genutzt würden. Zur damaligen Zeit habe der
in der zweiten Bundesliga gespielt und seine Heimspiele seien regelmäßig von
5.000 bis 10.000 Zuschauern besucht worden. Auch auf den Plätzen 2 bis 4 habe
früher regelmäßig Trainingsbetrieb stattgefunden. Die Zuschauerzahlen der
heutigen Wettbewerbsspiele lägen deutlich unter den damaligen Zuschauerzahlen.
35 Der Kammer liegen die Akten der Beklagten über das genehmigte Vorhaben (12
Hefte) vor. Der Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakten war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
36
1.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.
37
1.1
Als Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. …, die sich durch den Spiel- und
Trainingsbetrieb auf dem benachbarten Sportgelände des Beigeladenen gestört
fühlt, ist die Klägerin klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich weiterer
benachbarter Grundstücke, die entweder, wie Teilflächen der Grundstücke Flst.-
Nrn. … und …, von der Klägerin (nur) gepachtet worden sind oder die im Eigentum
anderer (natürlicher oder juristischer) Personen stehen, wie die Flächen des
Campingplatzes auf den Grundstücken Flst.-Nrn. … und …, das mit einem
Wohnhaus bebaute Grundstück Flst.-Nr. … sowie das mit einem Gasthaus/Café
und anderen Gebäuden bebaute Grundstück Flst.-Nr. …, fehlt ihr hingegen die
Klagebefugnis, da sich nur dinglich Berechtigte gegen eine Baugenehmigung für
Bauvorhaben auf Nachbargrundstücken wenden können (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 21. Aufl. 2015, § 42 RdNr. 97, m.w.N.; Dürr, Baurecht Baden-Württemberg,
14. Aufl. 2013, RdNrn. 291 ff., m.w.N.).
38
1.2
Die Klage ist auch ohne ordnungsgemäße und vollständige Durchführung des
Widerspruchsverfahrens nach Maßgabe von § 75 VwGO zulässig, weil über den
Widerspruch der Klägerin vom 22.08.2000 gegen die angefochtene
Baugenehmigung bis heute nicht entschieden worden ist. An der Zulässigkeit der
Klage ändert sich nichts dadurch, dass das Widerspruchsverfahren mit
Einverständnis der Klägerin während vieler Jahre, von Anfang 2001 bis Anfang
2008, geruht hatte. Denn immerhin hat die Klägerin das ruhende
Widerspruchsverfahren bereits im Januar 2008 wiederangerufen.
39
2.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Soweit dem Beigeladenen mit Bescheid
der Beklagten vom 26.07.2000 in der Fassung der Ergänzungsbescheide der
Beklagten vom 11.10.2000 und vom 04.04.2013 eine Baugenehmigung erteilt
worden ist für den Neubau eines Leistungszentrums für Fußballnachwuchs mit den
Anbauten auf der Südseite der bestehenden Zuschauertribüne, für den Neubau
eines Kassenhauses auf der Westseite und eines Gebäudes für Technik und
Geräte auf der Ostseite sowie für verschiedene sonstige Anlagen auf dem
Sportgelände des Beigeladenen, die sich nördlich der drei Spiel- und
Trainingsplätze befinden - in dem dem Bauantrag des Beigeladenen beigefügten
Lageplan als Plätze 2, 3 und 4 bezeichnet -, ist dieser Bescheid rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten - im Folgenden unter 2.1 -. Soweit mit
diesen Bescheiden auch eine Baugenehmigung für die Spiel- und Trainingsplätze
2, 3 und 4 auf den Grundstücken Flst-Nrn. …, …, …, … und … erteilt worden ist, ist
diese Baugenehmigung zwar rechtswidrig, verletzt die Klägerin jedoch (ebenfalls)
nicht in ihren Rechten - im Folgenden unter 2.2 - (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 Dabei gibt der Vortrag der Klägerin im Lauf des jahrelangen Verwaltungs- und
Gerichtsverfahrens vorab Anlass zu der Klarstellung, dass Gegenstand der von
der Klägerin erhobenen Anfechtungsklage allein die dem Beigeladene erteilte
Baugenehmigung in der Fassung der Ergänzungsbescheide der Beklagten vom
11.10.2000 und vom 04.04.2013 ist. Das bedeutet, dass es - entgegen vielfach
geäußerten Erwartungen der Klägerin - in diesem Verfahren nicht um die Fragen
geht, welche Bedeutung und Wirkung eventuellen und von der Klägerin in
zahlreichen Eingaben behaupteten Verstößen des Beigeladenen gegen diese
Baugenehmigung zukommt. Denn Verstöße gegen einen Verwaltungsakt wie z. B.
eine Baugenehmigung besagen nichts über die Rechtmäßigkeit dieses
Verwaltungsakts. Damit kommt es auf die unzähligen Beschwerden der Klägerin,
die zu einem Großteil den Streit zwischen ihr, der Beklagten und dem
Beigeladenen ausmachen, hier nicht an.
41
2.1
Für den Erfolg der Klage eines Nachbarn gegen eine auf dem
Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung - wie hier - ist es anerkanntermaßen
nicht ausreichend, dass ein genehmigtes Bauvorhaben gegen objektives Recht
verstößt. Vielmehr muss hinzukommen, dass das Bauvorhaben gegen
Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz der Nachbarn und nicht allein
öffentlichen Interessen dienen (siehe u. a. Dürr, a.a.O., RdNrn. 294 ff., m.w.N., und
348; Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RdNrn. 24 ff., m.w.N.).
42 Das ist bei den durch den angefochtenen Bescheid genehmigten baulichen
Anlagen in Form des Leistungszentrums für Fußballnachwuchs mit den Anbauten
auf der Südseite der bestehenden Zuschauertribüne, des Kassenhauses auf der
Westseite und des Gebäudes für Technik und Geräte auf der Ostseite sowie der
verschiedenen sonstigen Anlagen, die sich allesamt nördlich der drei
Trainingsplätze 2 bis 4 befinden, nicht der Fall. Es ist nicht erkennbar, gegen
welche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin dienen, die
Baugenehmigung für diese baulichen Anlagen, die sich allesamt mehr als 100 m
von der Grenze zum Grundstück der Klägerin entfernt befinden, verstoßen sollten.
Auch die Einwendungen, die die Klägerin im Lauf des langjährigen Verwaltungs-
und Gerichtsverfahrens gegen die Nutzung des Sportgeländes des Beigeladenen
erhoben hat, betreffen im Wesentlichen den Spiel- und Trainingsbetrieb auf den
ihrem Betriebsgrundstück nächstgelegenen Plätzen 2, 3 und 4 und nicht die
nördlich davon gelegenen baulichen Anlagen. Für das Internat in dem Anbau an
die bestehende Tribüne, das Kassenhaus und das Technik- und Gerätegebäude
haben dies auch die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung
bestätigt. Soweit die Vertreter der Klägerin sich am Rande auch über den Lärm der
Zuschauer bei Ligaspielen in dem im Lageplan zum Bauantrag als Platz 1
bezeichneten …-Stadion beklagen, verkennen sie, dass mit dem durch die
angefochtene Baugenehmigung genehmigten Vorhaben eine erhebliche
Reduzierung der Zuschauerzahl im …-Stadion von ca. 23.000 auf unter 8.000
verbunden ist. Wie im Tatbestand dieses Urteils ausgeführt, besteht das …-
Stadion mit einem Fassungsvermögen von mehr als 20.000 Zuschauern seit den
1920er Jahren. Dass eine mit der angefochtenen Baugenehmigung erfolgte
Reduzierung dieser Zuschauerkapazität um etwa zwei Drittel keine Verletzung von
Rechten der Klägerin wegen des Zuschauerlärms zur Folge haben kann, liegt auf
der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung. Das gilt auch in Bezug auf den
Kraftfahrzeugverkehr, der mit der Zu- und Abfahrt der Zuschauer zum Stadion
verbunden ist und der bei einem Fortbestand der Zuschauerzahl, wie sie vor
Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung zulässig war, bis in die Gegenwart
ebenfalls deutlich größer wäre und in allen Belangen weitaus größere
Belästigungen hervorriefe, als das jetzt, nach der Reduzierung der Zuschauerzahl,
der Fall ist. Soweit die Klägerin rügt, der Stellplatzbedarf werde bei gut besuchten
Ligaspielen weder auf dem Gelände des Beigeladenen noch auf öffentlichen
Parkplätzen entlang der angrenzenden Straße gedeckt, ist die Klägerin zum einen
darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften über die Verpflichtung zur Herstellung
von Stellplätzen (in § 37 LBO) grundsätzlich nicht dem Drittschutz, sondern nur
dem öffentlichen Interesse an der Entlastung des öffentlichen Verkehrsraums
dienen (siehe Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand:
Jan. 2015, Bd. 1, § 37 RdNr. 12, m.w.N.; siehe auch Beschluss der Kammer vom
18.12.2008 - 4 K 2219/08 - juris). Zum anderen bestimmt § 37 Abs. 2 Satz 1 LBO,
dass bei Änderungen von Anlagen Stellplätze (nur) in solcher Zahl herzustellen
sind, dass die infolge der Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge
aufgenommen werden können. Bei einer Reduzierung der bisher zulässigen
Zuschauerzahl eines Fußballstadions wie im vorliegenden Fall ist aber ebenfalls
kein zusätzlicher, sondern ein erheblich verminderter Stellplatzbedarf zu erwarten.
43 Damit ist für die Kammer kein Gesichtspunkt erkennbar, der dafür spricht, dass die
hier angefochtene Baugenehmigung, soweit sie die baulichen Anlagen nördlich
der drei Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 betrifft, einen Verstoß gegen öffentlich-
rechtliche Vorschriften enthält, die auch dem Schutz von Rechten der Klägerin
dienen.
44
2.2
Soweit die angefochtene Baugenehmigung auch die Genehmigung für die drei
Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 auf dem Sportgelände des Beigeladenen und
deren Nutzung enthält, ist sie zwar (objektiv) rechtswidrig - im Folgenden unter
2.2.1 -, verletzt jedoch die Klägerin ebenfalls nicht in ihren Rechten - im Folgenden
unter 2.2.2 -.
45 Eine getrennte Betrachtung der Baugenehmigung für diese drei Spiel- und
Trainingsplätze einerseits und für die geplanten Anlagen nördlich dieser Plätze
andererseits scheitert nicht an der Unteilbarkeit der hier angefochtenen
Baugenehmigung. Denn es handelt sich hier nicht um ein Gesamtbauvorhaben,
bei dem die Genehmigung aller Anlagen in einem untrennbaren Zusammenhang
stünde. Eine Aufhebung der Baugenehmigung für die Spiel- und Trainingsplätze
würde der Baugenehmigung für das Internats- und die anderen Gebäude (objektiv)
nicht ihre Bedeutung nehmen sowie an der Tatsache ihrer seit Jahrzehnten
unbestrittenen Existenz und auch an ihrer Nutzbarkeit aus der (subjektiven) Sicht
des Beigeladenen nichts ändern (Näheres hierzu unter 2.2.1 und 2.2.2).
46
2.2.1
Dass die hier angefochtene Baugenehmigung auch eine Genehmigung der
Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 auf dem Sportgelände des Beigeladenen und
deren Nutzung zum Inhalt hat, kann allein mit Blick auf die umfangreichen
Nebenbestimmungen in dem ursprünglichen Baugenehmigungsbescheid vom
26.07.2000 und vor allem in der Fassung der Ergänzungsbescheide vom
11.10.2000 und vom 04.04.2013, in denen es allein um Beschränkungen der
Nutzung dieser Plätze geht, nicht ernsthaft bestritten werden.
47 Die Baugenehmigung für die Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 ist aber bereits
deshalb rechtswidrig, weil der Beigeladene für diese Anlagen keinen Bauantrag
gestellt hat. Am 05.06.2000 reichte der Beigeladene bei der Beklagten einen
Bauantrag ein „für ein Leistungszentrum mit Internatsbetrieb für den
Fußballnachwuchs im …-Stadion“. In der diesem Bauantrag beigefügten
Baubeschreibung ist das Bauvorhaben bezeichnet als „Leistungszentrum für
Fußballnachwuchs / Gaststätte“. In dieser Baubeschreibung ist unter der Rubrik
„Angaben zur Nutzung“ ausgeführt „1. Umkleiden, Sporthallen, 2. Sauna,
Physiotherapie, Sportmedizin, 3. Büros, Schulungsräume, 4.
Internatsappartements, Gaststätte“. Als Pläne waren diesem Bauantrag zehn
Grundriss- und Schnittzeichnungen des Anbaus an die Zuschauertribüne (samt
Untergeschossen) sowie ein Lageplan des gesamten Sportareals des
Beigeladenen beigefügt, wie er in verkleinertem Maßstab im Tatbestand dieses
Urteils (auf Seite …) wiedergegeben ist. Eine Auslegung dieses Bauantrags
anhand des nach objektiven Kriterien sich ergebenden mutmaßlichen Willens des
Beigeladenen im Zeitpunkt der Antragstellung (im Jahr 2000) ergibt, dass der
Beigeladene die Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4, die es auch damals schon seit
vielen Jahrzehnten gab, nicht zur Genehmigung (und damit auch nicht zur
Disposition) stellen wollte. Denn außer in dem genannten Lageplan, in dem die
Plätze eingezeichnet waren, fanden diese Plätze in dem gesamten Bauantrag
keine Erwähnung. Das gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der (ersten)
Beschreibung des Betriebskonzepts durch den Beigeladenen vom 13.06.2000.
Aber auch in der (zweiten) Beschreibung des Betriebskonzepts vom 05.07.2000
findet sich kein Hinweis darauf, dass der Beigeladene die Plätze 2 bis 4 in eine
durch einen Bauantrag veranlasste Prüfung ihrer Genehmigungsfähigkeit
einbeziehen wollte. Zu dieser Ergänzung ihres Betriebskonzepts hatte die
Beklagte den Beigeladenen erst nach Vorlage der Nachbareinwendungen der
Klägerin, die das Augenmerk der Beteiligten vor allem auf die von ihr befürchteten
Lärmimmissionen infolge der Nutzung der Plätze 2 und 3 (am Rande auch des
Platzes 4) gelenkt haben - in Bezug auf die Maßnahmen im Zusammenhang mit
dem Ausbau des bestehenden Tribünengebäudes führte die Klägerin ausdrücklich
aus, dass sie von dort keine nennenswerten Lärmimmissionen erwarte -,
ausdrücklich aufgefordert.
48 Einzig in dem oben genannten, dem Bauantrag beigefügten Lageplan finden die
Plätze 2 bis 4 überhaupt eine Erwähnung in Form zeichnerischer Darstellungen.
Aber auch diese Darstellung hatte ersichtlich nicht die Bedeutung eines Antrags
auf Erteilung einer Baugenehmigung für diese Plätze, vielmehr diente ihre
Darstellung nur der Veranschaulichung der vorhandenen Anlagen auf dem
Sportgelände. Dass in Lageplänen, die mit einem Bauantrag eingereicht werden,
nicht nur die baulichen Anlagen eingezeichnet sind, für die die Baugenehmigung
begehrt wird, sondern dass sie auch nachrichtliche Darstellungen von Anlagen in
der Umgebung des Bauvorhabens enthalten, ist in der baurechtlichen Praxis
durchaus nicht unüblich und entspricht auch den Vorschriften (vgl. hierzu § 4 Abs.
4 Nr. 3 LBOVVO). Abgesehen davon, dass für einen Bauherrn (wie den
Beigeladenen) regelmäßig kein Grund dafür besteht, bauliche Anlagen, die seit
Jahrzehnten vorhanden sind und deren Existenz und baurechtliche Zulässigkeit in
diesem zurückliegenden Zeitraum von keinem am baurechtlichen Geschehen
Beteiligten in Frage gestellt worden sind, einem baurechtlichen
Genehmigungsverfahren zu unterziehen, folgt eine solche Auslegung auch aus
den konkreten Darstellungen auf diesem Lageplan. So fällt auf, dass die im
Bauantrag ausdrücklich zur Genehmigung gestellten baulichen Anlagen, wie die
An- und Umbauten an der Stadiontribüne, das Kassenhaus und das Gebäude für
Technik und Geräte, in dem genannten Lageplan (im Einklang mit § 4 Abs. 4 Nr. 5
LBOVVO) exakt, das heißt nach Länge, Breite und Höhe in Zentimetern
vermessen und verzeichnet sind; außerdem sind sie, wie von § 4 Abs. 5 Nrn. 4 ff.
LBOVVO vorgeschrieben, entweder mit roter Farbe (für geplante neue bauliche
Anlagen) oder mit gelber Farbe (für die Beseitigung bestehender Anlagen)
gekennzeichnet. Demgegenüber entspricht die farbliche Darstellung der Plätze 2
bis 4 mit dunkelgrüner, hellbrauner und hellgrüner Farbe keiner der in § 4 Abs. 5
LBOVVO mit Inhalten verknüpften Farbgebungen. Auch die Maßangaben für die
Plätze 2 bis 4 weichen grundsätzlich von denen für die offensichtlich zur
Genehmigung gestellten baulichen Anlagen ab. So wird für Platz 4 nirgendwo ein
Längen- oder Breitenmaß angegeben und auch für die Plätze 2 und 3 sind nur auf
volle Meter gerundete Brutto- und Nettomaße, vermutlich zur Bezeichnung der
gesamten Platzflächen einerseits und der abgegrenzten, kleineren Spielfelder
andererseits, angegeben, die wenn überhaupt nur unter sportlichen, nicht jedoch
unter baurechtlichen Aspekten einen Sinn haben. Auch soweit die Fläche für den
Platz 2, im Lageplan bezeichnet mit Kunstrasen, gegenüber dem seit jeher
bestehenden Spielfeld um einige Meter nach Süden versetzt werden sollte (was
später zumindest im Hinblick auf die Erweiterung nach Süden nicht in die Tat
umgesetzt worden ist), ist das nicht in der in den vorgelegten Plänen an anderer
Stelle praktizierten und nach der Verfahrensverordnung zur Landesbauordnung
vorgesehenen Art und Weise durch Angaben exakter Längen- und
Breitenangaben geschehen. Vielmehr fehlt es (auch) insoweit an jeglichen
Maßangaben und zwar sowohl für die beabsichtigte Erweiterung an der Südseite
als auch für die beabsichtigte Beseitigung, das heißt Zurücksetzung, an der
Nordseite, obwohl auch die Beseitigung von Anlagen, die durch neu geplante
Anlagen ersetzt werden sollen, an anderer Stelle ausdrücklich bezeichnet ist (z. B.
in Form der Angabe: „Abbruch best. Kassenhaus“). Schließlich enthält der
Lageplan auf den eingezeichneten Flächen dieser Plätze auch sonst zahlreiche
gestrichelte und/oder durchgehende Linien, die keine erkennbare baurechtliche
Bedeutung haben und deren Sinn sich auch mit Hilfe der Verfahrensverordnung
zur Landesbauordnung nicht erschließt.
49 Auch der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen, der wie auch die meisten der
heutigen Vorstandsmitglieder des Beigeladenen an der Bauantragstellung im Jahr
2000 noch nicht konkret beteiligt war, räumte in der mündlichen Verhandlung ein,
dass Vieles dafür spreche, dass die Anlage der Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4
nicht Gegenstand des Bauantrags gewesen war bzw. gewesen sein sollte, dass
der Beigeladene diese bereits vorhandenen Plätze vielmehr als willkommene
bestehende Anlagen in das Konzept der geplanten Fußballschule einbezogen hat.
50 Auch in der Folgezeit gibt es keine (im Übrigen nach der Landesbauordnung
formbedürftige) Erklärung des Beigeladenen, aus der sich ergibt, dass er für die
bereits vorhandenen Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 eine Baugenehmigung
beantragt hätte, was auch durch die zuvor gewürdigten Aussagen des
Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung
bestätigt wird.
51 Ohne einen solchen Bauantrag hätte die Beklagte jedoch eine Baugenehmigung
(als einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt) für die Spiel- und
Trainingsplätze 2 bis 4 nicht erteilen dürfen. Eine Baugenehmigung, die, wie zuvor
dargelegt, ohne entsprechenden Antrag des Bauherrn erteilt wurde, ist (objektiv)
rechtswidrig, aber regelmäßig und - so auch hier - nicht nichtig (Sauter, a.a.O., § 53
RdNr. 11 und § 58 RdNrn. 8 f. m.w.N.).
52 Ob die angefochtene Baugenehmigung auch deshalb gegen objektives Recht
verstößt, weil die Umgestaltung der seit Jahrzehnten existierenden Trainings- und
Spielplätze 2 und 4 (Näheres hierzu unter Nrn. 2.2.2.2 und 2.2.2.3) von
ursprünglichen Hart- und Rasenplätzen zu Kunstrasen- und Hartplätzen nach Nr.
8d des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfrei ist und deshalb baurechtlich
nicht genehmigt werden durfte, kann hiernach dahingestellt bleiben.
53
2.2.2
Die nach den vorstehenden Ausführungen objektiv rechtswidrige
Baugenehmigung der verfahrensfreien Umgestaltung der Trainings- und
Spielplätze 2 und 4 verletzt aber nicht Rechte der Klägerin. Wie bereits ausgeführt,
ist es für den Erfolg der Klage eines Nachbarn gegen eine dessen Nachbarn
erteilte Baugenehmigung - wie hier - nicht ausreichend, dass ein genehmigtes
Bauvorhaben gegen objektives Recht verstößt. Vielmehr muss hinzukommen,
dass das Bauvorhaben gegen Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz der
Nachbarn und nicht allein öffentlichen Interessen dienen (siehe oben zu 2.1; vgl.
Dürr, a.a.O., RdNrn. 294 ff., m.w.N., und 348; Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RdNrn.
24 ff., m.w.N.).
54 In Rechtsprechung und Literatur ist des Weiteren anerkannt, dass die Vorschriften
über das Baugenehmigungsverfahren - dazu zählen u. a. die Vorschriften des
Achten Teils der Landesbauordnung (siehe hierzu die gesetzliche Überschrift
dieses Teils), also u. a. die hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 49 ff. LBO über
die Mitwirkungspflicht des Bauherrn durch Stellung eines Bauantrags -
grundsätzlich nicht nachbarschützend sind (siehe hierzu Sauter, a.a.O., § 55 RdNr.
77, Anm. zu §§ 49 ff., m.w.N.; vgl. [zur Regelung über die sachliche Zuständigkeit
nach § 48 LBO] auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.04.2006, NVwZ-RR
2007, 82; vgl. auch OVG Rhld.-Pf., Urteil vom 21.01.2005, DÖV 2005, 615).
55 Die Kammer hat jedoch Zweifel, ob dieser Auffassung in allen Fällen zu folgen ist,
also auch in den Fällen, in denen ein Vorhaben, für das entweder keine
Genehmigungspflicht besteht oder für das, wie hier, kein Bauantrag gestellt worden
ist, durch Erteilung einer Baugenehmigung einen (formellen) Bestandsschutz
erhält, der ihm u. a. auch gegenüber nachbarlichen Einwendungen einen
zusätzlichen Schutz verleiht, den es ohne Baugenehmigung nicht hätte. Denn eine
bestandskräftige Baugenehmigung bewirkt eine Schutzfunktion für das
genehmigte Vorhaben in dem Sinn, als sie den Bestand des Vorhabens
gewährleistet, solange die Baugenehmigung nicht beseitigt ist. Solange die
Baugenehmigung besteht, ist das verwirklichte Vorhaben formell rechtmäßig. Die
Baurechtsbehörde kann bei einem materiellen Rechtsverstoß eines Bauvorhabens
weder kraft eigener Initiative noch aufgrund nachbarlicher Beschwerden etwa eine
Abbruchs- oder Nutzungsuntersagungsanordnung erlassen, solange für dieses
Bauvorhaben eine Baugenehmigung besteht. Ein unter Verstoß gegen materielles
Recht, aber im Einklang mit einer Baugenehmigung errichtetes Vorhaben, kann
erst dann Gegenstand behördlicher Anordnungen, ggf. auch auf Initiative eines
Nachbarn, sein, wenn die Schutzwirkung der Baugenehmigung zuvor durch
Aufhebung oder Rücknahme der Baugenehmigung beseitigt worden ist (siehe
hierzu Sauter, a.a.O., § 58 RdNr. 19).
56 Doch können diese Zweifel hier dahingestellt bleiben, da die Spiel- und
Trainingsplätze 2 bis 4, gegen deren Genehmigung sich die Klägerin mit der
vorliegenden Klage wendet, bereits seit langer Zeit die zuvor genannten
Schutzwirkungen gegenüber behördlichen Eingriffen genießen.
57
2.2.2.1
Das folgt hier allerdings nicht daraus, dass diese Plätze bereits durch eine
ältere Baugenehmigung gedeckt wären. Soweit die Beklagte verschiedentlich
geäußert hat, für diese Plätze sei bereits im Jahr 1954 eine Baugenehmigung
erteilt worden, trifft das aus mehreren Gründen nicht zu. Zwar sind dem … in jenem
Jahr, und zwar am 21.03.1954 und am 02.10.1954, im Gebiet des …-Stadions
zwei baupolizeiliche Genehmigungen erteilt worden, eine Genehmigung für den
„Neubau einer Tribünenanlage, Gaststätte, Umbau Donatorenraum“ und eine
weitere für „Außenanlagen, Stehplätze und Kassenhäuschen“. Doch beschränkten
sich die Inhalte dieser Genehmigungen auf die zuvor genannten Anlagen. Zwar
war auch in dem Verfahren, das zur Erteilung der baupolizeilichen Genehmigung
vom 02.10.1954 führte, den Baugesuchsunterlagen ein Umgebungsplan beigefügt;
dabei handelt es sich um den im Tatbestand dieses Urteils (auf Seite …)
wiedergegebenen Plan, auf dem die drei Spiel- und Trainingsplätze bereits im
Wesentlichen in der gleichen Ausdehnung und Lage wie die heutigen Plätze 2 bis
4, lediglich mit einer anderen Ausrichtung von Platz 4, dargestellt sind (Näheres
hierzu unter 2.2.2.2) und der auf der Rückseite einen Genehmigungsstempel der
Polizeidirektion … aufweist. Doch verhält es sich bei diesem Plan ähnlich wie mit
dem Lageplan, der dem Bauantrag des Beigeladenen vom 05.06.2000 beigefügt
war. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die Darstellung dieser drei Plätze
in jenem Plan aus dem Jahr 1954 lediglich der Veranschaulichung der näheren
Umgebung der baulichen Anlagen diente, für die die baupolizeiliche Genehmigung
beantragt und erteilt wurde. Das ergibt sich auch daraus, dass nach § 123 der im
Jahr 1954 geltenden Badischen Landesbauordnung - Bad. LBO - in der Fassung
der Bekanntmachung vom 26.07.1935 (GVBl, S. 187) nur die in § 1 Bad. LBO
genannten Bauten, zu denen Spiel- und Sportplätze nicht gehörten, einer
Genehmigungspflicht unterlagen.
58
2.2.2.2
Aber auch ohne baurechtliche Genehmigung handelte es sich bei den
Spiel- und Trainingsplätzen 2 bis 4 im Zeitpunkt der Erteilung der hier
angefochtenen Baugenehmigung vom 26.07.2000 nicht um neue Plätze, die
erstmals angelegt werden sollten. Vielmehr existierten sie - auch in ihrer konkreten
Ausdehnung und Lage - schon seit mehreren Jahrzehnten. Aus dem oben
genannten Umgebungsplan aus dem Jahr 1954 zur Erteilung einer
baupolizeilichen Genehmigung für „Außenanlagen, Stehplätze und
Kassenhäuschen“ ist ersichtlich, dass schon damals außer dem eigentlichen
Stadion mit Nebenanlagen südlich davon drei in dem betreffenden Plan als
„Übungsfelder“ bzw. Feld für „Handball“ bezeichnete Sportplätze existierten. Zwei
dieser Sportplätze entsprechen nach Lage, Größe und ihrer Nord-Süd-Ausrichtung
weitestgehend exakt den heutigen Plätzen 2 und 3. Zumindest diese Plätze 2 und
3 haben ihre Lage bis heute in keiner Weise verändert, wie sich aus einem
Vergleich des oben genannten Plans aus dem Jahr 1954 mit dem Lageplan ergibt,
den der Beigeladene im Rahmen des im Jahr 2000 gestellten Bauantrags
vorgelegt hat.
59 Lediglich der vierte Platz, der in dem Plan aus dem Jahr 1954 mit „Handball“
bezeichnet ist, hatte damals eine andere Lage als der heutige (Rasen-)Platz 4; er
befand sich damals östlich von Platz 3 parallel zu den beiden anderen Plätzen 2
und 3. Heute ist dieser Platz um etwas mehr als 90o in Ost-West-Richtung gedreht,
so dass er nicht mehr mit seiner (kürzeren) Breitseite, sondern mit seiner
Längsseite entlang der südlichen Grundstücksgrenzen verläuft. Diese Änderung
hat der Platz 4 nach insoweit übereinstimmenden Aussagen der
Prozessbeteiligten im Jahr 1970 erfahren, was auch durch Luftbilder aus der Zeit
vor Stellung des Bauantrags vom 05.06.2000 bestätigt wird. Soweit dabei infolge
der Drehung und der dadurch bewirkten Verlagerung dieses Platzes nach Osten
erstmals eine Teilfläche (auf dem Grundstück Flst.-Nr. …), die zuvor
voraussichtlich Wiese oder Ackerland war, neu als Sportplatz in Anspruch
genommen wurde, lag darin wohl die Neuanlage eines Sportplatzes, die im Jahr
1970 nach der damals geltenden Landesbauordnung vom 06.04.1964 einer
Baugenehmigung (gem. § 87 LBO a. F.) bedurft hätte, die nach Lage der Akten zu
keinem Zeitpunkt erteilt worden ist.
60 Das ändert jedoch nichts daran, dass alle drei Plätze (2 bis 4) vor Stellung des
Bauantrags durch den Beigeladenen im Jahr 2000 bereits seit Jahrzehnten, die
Plätze 2 und 3, von denen nach Angaben der Klägerin u. a. in ihren Einwendungen
vom 20.06.2000 gegen den Bauantrag des Beigeladenen vom 05.06.2000 die
meisten Lärmbeeinträchtigungen für ihren Betrieb ausgehen, sogar schon vor
Inkrafttreten der ersten Landesbauordnung für Baden-Württemberg und des
Bundesbaugesetzes, existierten und seitdem durchgehend als Sportanlagen
genutzt worden sind.
61 Bei dieser Sachlage kam allen drei Plätzen 2 bis 4 bereits bei Stellung des
Bauantrags des Beigeladenen vom 05.06.2000 seit langem eine Schutzwirkung
zu, die dem durch eine Baugenehmigung verliehenen Bestandsschutz
weitestgehend gleichkommt.
62 Für die Plätze 2 und 3 folgt das daraus, dass bauliche Anlagen, die in der Zeit vor
Inkrafttreten der (ersten) Landesbauordnung für Baden-Württemberg (vom
06.04.1964) am 01.01.1965 und des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 in
Einklang mit den im Zeitpunkt ihrer Herstellung geltenden öffentlich-rechtlichen
Vorschriften, das heißt rechtmäßigerweise, errichtet worden sind, auch ohne
formale Legalisierung durch eine Baugenehmigung für die Zeit ihres Bestands
Bestandsschutz genießen (vgl. hierzu Sauter, a.a.O., § 65 RdNrn. 14a ff. und 31 ff.,
m.w.N.; vgl. zum baurechtlichen Bestandsschutz allgemein Urteil der Kammer vom
08.11.2012, VBlBW 2013, 225, m.w.N.). Für die Kammer ist kein rechtlicher
Gesichtspunkt erkennbar, der bei der Anlage bzw. erstmaligen Herstellung dieser
beiden Plätze, die spätestens bereits 1954, wahrscheinlich sogar schon erheblich
früher, existierten, gegen die (materielle) Rechtmäßigkeit der Herstellung der
beiden Spiel- und Trainingsplätze sprechen könnte. Auch dem Vortrag der
Beteiligten lässt sich hierfür nichts entnehmen. Gerade auch die Nachbarschaft zu
der damals, in den 1950er Jahren, auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen
Rollschuh- und Eisbahn lässt - selbst unter Zugrundelegung der (strengeren)
Anforderungen des erst seit 1961 geltenden Städtebaurechts in Form des
Bundesbaugesetzes bzw. des späteren Baugesetzbuchs - keinen derartigen
Zweifel aufkommen, auch dann nicht, wenn diese Bahn, wie die Klägerin vorträgt,
in den 1950er Jahren nicht mehr als Rollschuh- und Eisbahn, sondern als Minigolf-
und Boccia-Bahn genutzt wurde.
63 Für den Platz 4 ergibt sich eine solche Schutzwirkung zwar nicht wie bei den
Plätzen 2 und 3 aus seiner rechtmäßigen Errichtung zu einer Zeit, in der noch
keine Baugenehmigungspflicht (für derartige Anlagen) bestanden hatte. Jedoch
erlangte dieser Platz im Ergebnis einen vergleichbaren Schutz gegenüber
behördlichen Eingriffen und nachbarlichen Einwendungen wie die beiden anderen
Plätze, nachdem seine Existenz mindestens seit 1970, das heißt seit ca. drei
Jahrzehnten vor Stellung des Bauantrags für das hier streitige Vorhaben im Jahr
2000 von allen am baurechtlichen Geschehen Beteiligten, das heißt den Behörden
und den Nachbarn, bewusst als selbstverständlich hingenommen worden ist und
sich alle Beteiligten mit seiner Existenz abgefunden haben. Es hat sogar nach der
Errichtung von Platz 4 im Jahr 1970 weitere Baugenehmigungsverfahren auf dem
heute von dem Beigeladenen genutzten Sportgelände gegeben, so u. a. einen
Bauantrag vom 10.11.1988 „zur Erstellung eines Ballfanggitters im …-Stadion,
Rasenplatz IV“, der mit Bescheid der Beklagten vom 01.12.1988 genehmigt wurde.
Zu keinem Zeitpunkt vor Stellung des Bauantrags am 05.06.2000 durch den
Beigeladenen wurden die Existenz und die baurechtliche Zulässigkeit der drei
Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 von einem der Beteiligten in Frage gestellt.
Hierdurch besteht speziell auch für diesen Platz 4 ein Vertrauenstatbestand. Denn
die Beklagte hat u. a. (spätestens) durch die Erteilung der Baugenehmigung für
das Ballfanggitter auch mit Wirkung nach außen zu erkennen gegeben, dass sie
sich mit der Existenz von Platz 4 (und der Plätze 2 und 3) abgefunden hat und sie
nicht in Frage stellen will (vgl. hierzu Sauter, a.a.O., § 65 RdNrn. 60 bis 63, m.w.N.).
In besonderer Weise wirkt dieser Vertrauensschutz auch gegenüber der Klägerin,
weil der Platz 4 und erst recht die Plätze 2 und 3 bereits bestanden haben, lange
bevor die Klägerin ihren Betrieb aufgenommen hat und sie bzw. ihre
Rechtsvorgängerin selbst (als Kommanditgesellschaft) existiert haben.
64
2.2.2.3
Durch die beabsichtigte und anschließend umgesetzte Umwandlung der
Plätze 2 und 3 von einem Hart- in einen Kunstrasenplatz und von einem Rasen- in
einen Hartplatz ist eine Genehmigungspflicht ebenso wenig ausgelöst worden, wie
durch die spätere, nach Erteilung der Baugenehmigung erfolgte Umwandlung von
Platz 3 von einem Hartplatz in einen Rasenplatz. Denn nach Nr. 8d des Anhangs
zu § 50 Abs. 1 LBO in der aktuell geltenden Fassung vom 11.11.2014 sind
Anlagen, die der zweckentsprechenden Einrichtung von Ballspiel- und
Sportplätzen dienen, ausgenommen Gebäude und Tribünen, verfahrensfrei. Mit
dieser Regelung ist zwar nicht die Neuanlage solcher Plätze in ihrer Gesamtheit,
das heißt die erstmalige „Umwidmung“ einer Freifläche und ihre Befestigung als
Sportplatz gemeint, sondern nur die der Ausstattung solcher Plätze dienenden
(Neben-)Anlagen (so auch zu vergleichbaren Bestimmungen in Bauordnungen
anderer Bundesländer Sächs. OVG, Beschluss vom 01.07.2013 - 1 A 224/13 -,
juris; Hess. VGH., Beschluss vom 19.02.1991, BauR 1991, 444; vgl. auch,
wenngleich etwas unklar, Sauter, a.a.O., § 50 RdNr. 155; zu einer überholten
Fassung der LBO vgl. Fehrenbacher, Die Genehmigungspflicht und
Genehmigungsfähigkeit von Kinderspielplätzen in Wohngebieten, VBlBW 1994,
389 <390>). Dass im Zuge der Realisierung der geplanten baulichen Anlagen zum
Neubau des Leistungszentrums für Fußballnachwuchs Veränderungen der
Oberfläche bzw. der Beschaffenheit dieser Plätze beabsichtigt waren und dann
auch umgesetzt wurden, indem z. B. der im Jahr 2000 als Hartplatz existierende
Platz 2 einen Kunstrasenbelag bekommen und der zuvor als Rasenplatz
angelegte Platz 3 zu einem Hartplatz umgebaut werden sollte, wie das in dem
genannten Lageplan auf den entsprechenden Flächen vermerkt ist, führt nicht zur
Genehmigungspflicht dieser Plätze. Solche Veränderungen sind nach Sinn und
Zweck von Nr. 8d des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO ebenso genehmigungsfrei,
wie der vorher, in den 1980er Jahren, erfolgte Umbau des Platzes 2 in einen
Hartplatz sowie später, im Jahr 2008, die Rückumwandlung des Platzes 3 in einen
Rasenplatz und die Errichtung von Flutlichtmasten am Platz 4 (zu letzteren siehe
auch Nr. 5b des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO). Zu den nach Nr. 8d des Anhangs
zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfreien Vorhaben gehört nach Auffassung der
Kammer nicht nur das Hinzufügen einzelner unselbständiger Anlagen, sondern
auch, wie hier, die Veränderung von Oberflächen der in dieser Bestimmung
genannten Sportplätze. Die gleiche Grundsätze gelten bzw. galten auch bereits
aufgrund der Regelung in Nr. 51 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO in der im Jahr
des Bauantrags (2000) geltenden Fassung dieses Gesetzes vom 08.08.1995,
derzufolge bauliche Anlagen, die der zweckentsprechenden Einrichtung von
Sportplätzen dienen, verfahrensfrei waren.
65 Damit waren und sind die in dem Lageplan, den der Beigeladene mit seinem
Bauantrag vorgelegt hat, eingezeichneten Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4
wegen ihres Bestands seit mindestens drei Jahrzehnten vor Stellung des
Bauantrags und des daraus folgenden Bestandsschutzes verfahrensfrei. Ob die in
dem Lageplan, der dem Bauantrag beigefügt war, bezeichneten Umwandlungen
bzw. Oberflächenveränderungen dieser Sportplätze überhaupt Inhalt der
angefochtenen Baugenehmigung geworden sind, kann dahingestellt bleiben.
Denn auch wenn das der Fall sein sollte, wäre das zwar unzulässig, weil
verfahrensfreie Vorhaben nicht genehmigt werden dürfen (siehe Sauter, a.a.O., §
49 RdNr. 7), würde aber die Klägerin ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzen.
66
2.2.2.4
Diese einem baurechtlichen Bestandsschutz weitgehend entsprechende
Schutzwirkung ist in den folgenden Jahren und Jahrzehnten bis in die Gegenwart
nicht erloschen. Denn die Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 sind durchgehend
ihrer ursprünglichen Funktion entsprechend bis in die Gegenwart für Ballsport
genutzt worden.
67 Der Übergang der Verantwortlichkeit für die sportlichen Anlagen und ihrer Nutzung
im Gesamtareal …-Stadion vom … auf den Beigeladenen im Jahr 2000 oder die
(gelegentliche) Nutzung dieser Plätze durch Mannschaften anderer Sportvereine
als den … und den Beigeladenen hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht
zu einer Nutzungsänderung in dem Sinne geführt, dass von da an für die Nutzung
der Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 andere oder weitergehende Anforderungen
gegolten hätten als für die bis dahin ausgeübte Nutzung (vgl. hierzu § 50 Abs. 2 Nr.
1 LBO). Allein ein Wechsel in der Person des Bauherrn, des Nutzungsberechtigten
oder Nutzers der jeweiligen Anlage hat in Anbetracht der im öffentlichen Baurecht
gebotenen dinglichen Betrachtungsweise für den Bestandsschutz einer Anlage
keine Bedeutung; denn der Bestandsschutz ist nicht personengebunden (Sauter,
a.a.O., § 65 RdNr. 14e).
68 Die vorstehenden Ausführungen zur Unbeachtlichkeit eines Wechsels in der
Person des Nutzungsberechtigten gelten auch im vorliegenden Fall, in dem im
Jahr 2000 ein Wechsel vom …, einem Amateur-Fußballclub, auf den
Beigeladenen, einem Verein, dessen 1. Fußballmannschaft seit vielen Jahren
entweder in der 1. oder in der 2. Profi-Bundesliga spielt, erfolgt ist. Dieser
Unterschied beruht allein auf sportlichem Erfolg, um den in der Regel jeder
Sportverein bemüht ist, und von dem die Frage des Bestandsschutzes
baurechtlich zulässiger Anlagen nicht abhängen kann. Die Frage, ob die Sportler,
die eine Sportanlage benutzen, mit diesem Sport (auch) Geld verdienen oder nicht,
ist baurechtlich ohne Bedeutung. Dementsprechend ist auch ein Fußballstadion für
Spiele der Fußballbundesliga eine Anlage für sportliche Zwecke, wie sie u. a. in § 4
Abs. 2 Nr. 3 BauNVO genannt ist (vgl. u. a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom
17.06.1992, VBlBW 1993, 131). Das gilt umso mehr für den vorliegenden Fall, in
dem die betreffenden Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 gar nicht in erster Linie von
der Profi-Mannschaft des Beigeladenen, sondern von den Amateur-, Frauen- und
vor allem Jugendabteilungen des Beigeladenen genutzt werden, wie das auf dem
betreffenden Areal im Wesentlichen auch in früheren Zeiten unter der Ägide des …
der Fall war. Das Gleiche gilt im Ergebnis auch für den mit dem Bauantrag vom
05.06.2000 beabsichtigten und nach Fertigstellung der dazu erforderlichen
baulichen Anlagen im Jahr 2000 aufgenommenen Internatsbetrieb. Dieser
Internatsbetrieb betrifft im Wesentlichen die Nutzung der Gebäude, durch die sich
die Klägerin nicht gestört fühlt. Dass diese Internatsschüler auch die Spiel- und
Trainingsplätze 2 bis 4 nutzen, ändern deren Funktion nicht. Denn es macht für die
baurechtlich zulässige Nutzung keinen Unterschied, ob die Plätze von auswärtigen
Spielern, die erst zum Sportgelände fahren müssen, was den zu- und
abfahrtsbedingten Lärm eher erhöht, genutzt werden oder von Spielern, die auf
dem Gelände wohnen.
69 Mit ihrer Behauptung, die Nutzung der Plätze 2 bis 4 und, daraus folgend, die von
dieser Nutzung ausgehenden Lärmbelästigungen hätten seit der Übernahme der
Anlagen durch den Beigeladenen erheblich zugenommen, was von Seiten des
Beigeladenen und der Beklagten ausdrücklich bestritten wird, vermag die Klägerin
nicht zu begründen, dass dies den Bestandsschutz dieser Spiel- und
Trainingsplätze aufgehoben haben könnte. Denn eine Nutzungsintensivierung
stellt grundsätzlich keine Nutzungsänderung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom
29.10.1998, NVwZ 1999, 417, und Beschluss vom 11.07.2001 - 4 B 36/01 -, juris;
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.08.2005, VBlBW 2006, 106, und Beschluss vom
09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752; Sauter, a.a.O., § 50 RdNr. 206, m.w.N.). Ob auf
den Plätzen 2 bis 4 viele oder (zeitweise) nur wenige Wettkampf- oder
Trainingsspiele stattfinden, wirft weder die Genehmigungsfrage (neu) auf noch
erfährt die bodenrechtlich relevante Funktion dieser Plätze dadurch eine
Änderung; genau die Nutzung zu Spiel- und Trainingszwecken war von Anfang an
die diesen Plätzen zugedachte Funktion. Insoweit gilt nichts anderes als für die
Betriebe der Klägerin, das Hostel und das Kurbad, deren baurechtliche
Zulässigkeit durch eine Zu- oder Abnahme der Zahl ihrer Gäste ebenfalls so lange
grundsätzlich nicht in Frage steht, wie diese Veränderungen keine bodenrechtlich
relevante Änderung der zulässigen Nutzungsart zur Folge haben.
70 Es bleibt hiernach festzuhalten, dass die angefochtene Baugenehmigung, soweit
sie die Spiel- und Trainingsplätze 2 bis 4 auf dem Sportgelände des Beigeladenen
betrifft, zwar mangels eines vom Beigeladenen gestellten Bauantrags objektiv
rechtwidrig ist, hierdurch jedoch keine Rechte der Klägerin verletzt werden.
71 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die
Kammer sieht keinen Grund, die Kostenentscheidung gemäß § 167 Abs. 2 VwGO
für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
72 Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom
Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.