Urteil des VG Freiburg vom 16.07.2013

überschreitung, grundstück, offene bauweise, bad

VG Freiburg Beschluß vom 16.7.2013, 4 K 497/13
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die der
Beigeladenen Ziff. 1 von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom
01.09.2011 zum Neubau eines Geschäftshauses mit Tiefgarage auf den
Grundstücken Flst.-Nrn. aa, bb und cc der Gemarkung F wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene Ziff. 1 tragen die Kosten des Verfahrens je
zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 2, die
diese auf sich behält.
Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
A.
1 Der Antrag, mit dem die Antragstellerin sich gegen die der Beigeladenen Ziff. 1 von
der Antragsgegnerin unter dem 01.09.2011 erteilte Baugenehmigung für den
Neubau eines Geschäftshauses mit Tiefgarage auf den Grundstücken Flst.-Nrn.
aa, bb und cc der Gemarkung F wendet, ist gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 80
Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB
statthaft. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin,
Wohnungseigentümergemeinschaft des unmittelbar westlich an die
Baugrundstücke Flst.-Nrn. bb und cc anschließenden Grundstücks Flst.-Nr. dd,
macht in ihrem Antrag u.a. einen Verstoß gegen die nachbarschützenden
Abstandsflächenvorschriften des § 5 LBO und damit Beeinträchtigungen des
Gemeinschaftseigentums geltend. Damit rügt sie die Verletzung von Rechten, die
der Antragstellerin als der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehen und
von ihr gemäß § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1 WEG geltend zu machen sind. Als
teilrechtsfähige Vereinigung ist die Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig (vgl. dazu Bayer. VGH, Urteil
vom 12.07.2012 - 2 B 12.1211 -, juris; Beschluss vom 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 -,
juris; jew. m.w.N.). Schließlich bestehen an der Vertretungsmacht des Verwalters
der Antragstellerin zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der
Widerspruchseinlegung gegen die im Streit stehende Baugenehmigung im Hinblick
auf § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG keine Bedenken. Insoweit nämlich handelt es sich um
eine Maßnahme zur Wahrung einer Frist (vgl. dazu nur MüKo-BGB, 6. Aufl., § 27
Rn. 21), hier der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 70 VwGO, im Sinne der
Vorschrift. Im Übrigen hat die Eigentümerversammlung am 22.06.2012 - und somit
während der laufenden Widerspruchsverfahrens - den Verwalter W ermächtigt,
ihren Prozessbevollmächtigten „mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens
und deren Begründungen gegen die Baugenehmigung für das ‚C-Eck‘ zu
beauftragen und zu bevollmächtigen“, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt
eine unterstellte schwebende Unwirksamkeit der Widerspruchseinlegung geendet
hätte und der Widerspruch jedenfalls nunmehr als mit wirksamer Vertretungsmacht
eingelegt zu betrachten wäre.
B.
2 Der Antrag ist auch begründet. Denn das Interesse der Antragstellerin an einem
vorläufigen Aufschub der (weiteren) Baumaßnahmen zur Verwirklichung des
genehmigten Bauvorhabens bis zu einer bestands- bzw. rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache überwiegt die privaten und öffentlichen
Interessen der Beigeladenen Ziff. 1 und der Antragsgegnerin an der weiteren
Fortsetzung dieser Baumaßnahmen. Dies folgt daraus, dass eine im Verfahren auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein mögliche und gebotene
summarische Prüfung der derzeitigen Sach- und Rechtslage ergibt, dass der
Widerspruch der Antragstellerin vom 12.09.2011 gegen die Baugenehmigung vom
01.09.2011 aller Voraussicht nach Erfolg haben wird. Denn die Baugenehmigung
der Antragsgegnerin vom 01.09.2011 verstößt mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit gegen von der Antragsgegnerin als Baurechtsbehörde zu
prüfendes öffentliches Recht, das auch dem Schutz der Antragstellerin als
Nachbarin dient. Nach summarischer Prüfung erweist sich der am 19.02.2013 vom
Gemeinderat der Antragsgegnerin beschlossene „1. Teilbebauungsplan mit
örtlichen Bauvorschriften Eckbereich zwischen F-straße und C-straße“, Plan-Nr. 1-
65.1, als voraussichtlich fehlerhaft und unwirksam (dazu unter I.); nach Maßgabe
des Bebauungsplans Nr. 1-62 dürfte das genehmigte Bauvorhaben rechtswidrig
sein und Rechte der Antragstellerin als Nachbarin verletzen (dazu unter II.).
I.
3 Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin hängen wesentlich
von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 1-65.1 ab und machen daher auch
im vorliegenden Verfahren eine zumindest summarische Prüfung seiner
Wirksamkeit notwendig. Die Kammer sieht sich hieran nicht deshalb gehindert, weil
es sich dabei um eine inzidente Gültigkeitskontrolle einer untergesetzlichen Norm
in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt. Denn im Hinblick auf
die in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vertretene Rechtsauffassung, wonach die Möglichkeit der
Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Individualrechtsschutzes zur
Verneinung der für eine Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO erforderlichen
Dringlichkeit führen kann (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.02.1997 -
3 S 3419/96 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 13.07.2009 - 2 NE 09.1506 -,
juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2009 - OVG 2 S 50.09 -,
juris), erscheint im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG eine summarische Prüfung des
der erteilten Baugenehmigung zugrunde liegenden Bebauungsplans geboten (zur
summarischen Inzidentprüfung eines Bebauungsplans im Verfahren vorläufigen
Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung vgl. etwa Bayer. VGH, Beschluss
vom 27.10.2009 - 15 CS 09.2130 -, juris; vgl. auch VG F, Beschluss vom
12.02.2008 - 4 K 1645/07 -).
4
1.
Der Bebauungsplan Nr. 1-65.1 unterliegt in formeller Hinsicht keinen Bedenken.
5
1.1
Zwar wirkte im Rahmen des ursprünglichen Satzungsbeschlusses am
26.07.2011 ein befangener Gemeinderat mit; dieser Fehler ist jedoch durch die
erneute Beschlussfassung in der Gemeinderatssitzung vom 19.02.2013 in einer
rechtlich nicht zu beanstandenden Weise behoben worden.
6
1.2
Auch im Hinblick auf das von der Antragstellerin gerügte Fehlen einer erneuten
Offenlage des Bebauungsplanentwurfs nach Streichung der textlichen
Festsetzungen Ziff. 5.2, 5.3 und 6 hat die Kammer keine durchgreifenden
Bedenken.
7
1.2.1
Zwar ist ein Entwurf des Bauleitplans grundsätzlich erneut auszulegen, wenn
er nach der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung geändert oder ergänzt wird (§
4a Abs. 3 Satz 1 BauGB). Ein erneutes Beteiligungsverfahren ist jedoch nicht um
seiner selbst willen zu betreiben; deshalb besteht kein Anlass zu einer erneuten
Beteiligung, wenn eine nochmalige Gelegenheit zur Stellungnahme eine bloße
Förmlichkeit wäre, die für den mit dem Beteiligungsverfahren verfolgten Zweck
nichts erbringen könnte (BVerwG, Urteil vom 29.01.2009 - 4 C 16.07 -, juris;
Beschluss vom 18.12.1987 - 4 NB 2.87 -, juris). Ein solcher Fall kann auch dann
gegeben sein, wenn die Maßgabe auf die Streichung einer unzulässigen textlichen
Darstellung im Bebauungsplan gerichtet ist, die Streichung die Grundzüge der
Planung nicht berührt und sie auf die verbleibenden Darstellungen keine
Auswirkungen haben kann (BVerwG, Beschluss vom 14.04.2010 - 4 B 78.09 -,
juris).
8
1.2.2
Die textlichen Festsetzungen Ziff. 5.2, 5.3 und 6 beinhalteten bereits in der
Fassung vom 15.03.2011, welche der Offenlage zugrunde lag, Regelungen zum
Stellplatznachweis (Ziff. 5.2), das Erfordernis eines Lieferkonzepts für gewerbliche
Nutzung (Ziff. 5.3) sowie die Verpflichtung, Fahrradstellplätze auf dem Grundstück
anzulegen (Ziff. 6). Diese Regelungen wurden, bezüglich Ziff. 5.2 mit leicht
geändertem Inhalt, in den Bebauungsplan übernommen, wie er am 26.07.2011
beschlossen wurde. In dem am 19.02.2013 beschlossenen Bebauungsplan
schließlich wurden die genannten Regelungen vollständig gestrichen, Hinweise
auf die Stellplatzpflicht sowie ein Lieferkonzept wurden in die Begründung zum
Bebauungsplan verlagert (dort Ziff. 3.3, 3.4). Die Streichung erfolgte, weil diese
Regelungen, wovon auch die Antragstellerin ausgeht und was in der Drucksache
G-13/034.1 ausführlich dargelegt wurde (Seite 11-12), unzulässig waren. Sie
berühren die Grundzüge der Planung nicht und haben auch auf die verbleibenden
Darstellungen ersichtlich keine Auswirkungen. Mithin wäre eine erneute Auslegung
eine bloße, vom Baugesetzbuch nicht gewollte Förmlichkeit gewesen.
9
2.
Der Bebauungsplan Nr. 1-65.1 dürfte sich jedoch wegen eines materiellen
Fehlers betreffend das Maß der baulichen Nutzung, der Auswirkungen auf den
Plan insgesamt hat, als unwirksam erweisen. Denn die Festsetzung über die
höchstzulässige Grundflächenzahl, die die Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO
deutlich überschreitet, dürfte bei summarischer Prüfung derzeit nicht durch § 17
Abs. 2 BauNVO gerechtfertigt sein. Im Einzelnen:
10
2.1
Der Bebauungsplan setzt für das (nur) aus den Grundstücken Flst.-Nrn. aa, bb
und cc bestehende Plangebiet ein Kerngebiet mit einer Grundflächenzahl von 1,0
sowie einer Geschossflächenzahl von 6,5 bei (mit Ausnahme der Zufahrt zur
Tiefgarage) 6 bis 7 Vollgeschossen als Höchstmaß fest. Nach § 17 Abs. 1
BauNVO betragen die Obergrenzen in Kerngebieten für die Grundflächenzahl 1,0,
für die Geschossflächenzahl 3,0.
11
2.2
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BauNVO können die Obergrenzen des Absatzes 1
überschritten werden, wenn (u.a.) besondere städtebauliche Gründe dies
erfordern. In Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung (vgl. nur
BVerwG, Beschluss vom 23.01.1997 - 4 NB 7.96 -, juris; Urteil vom 25.11.1999 - 4
CN 17.98 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.12.1997 - 3 S 2023/07 -,
juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.09.2011 - 2 A 8.11 -, juris; Urteil vom
20.11.2009 - 2 A 19.07 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 09.10.2003 - 10a D 55/01.NE
-, juris) geht die Kammer davon aus, dass die Planungsentscheidung für das hohe
Nutzungsmaß durch eine objektiv gegebene städtebauliche Ausnahmesituation
gerechtfertigt und das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des bestimmten
städtebaulichen Planungsziels so gewichtig sein muss, dass dafür sogar die
Abweichung von den Regelmaßen in Kauf genommen wird. Die städtebaulichen
Gründe müssen ein gewisses Gewicht besitzen und dürfen nicht in jeder
Standardsituation einsetzbar sein. Die Überschreitung der Geschossflächenzahl
muss jedoch nicht unabweisbar sein. Vielmehr reicht es aus, dass die konkrete
Planung nach den Umständen des Einzelfalls und aus dem darauf abgestellten
Planungskonzept der Gemeinde mit seinen Zielen und Zwecken vernünftigerweise
geboten ist; ob dies der Fall ist, beurteilt sich maßgeblich nach der Begründung
des Bebauungsplans, in welcher die jeweils einschlägigen städtebaulichen Gründe
schlüssig darzulegen sind (BVerwG, Beschluss vom 26.01.1994 - 4 NB 42.93 -,
juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.12.1995 - 8 S 3611/94 -, juris; OVG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.09.2011, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom
09.10.2003, a.a.O.; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 2012, §
17 BauNVO Rn. 20, 23). Dies hat umso ausführlicher zu geschehen, je größer der
Grad der Überschreitung ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.12.1995, a.a.O.).
12
2.3
Die Antragsgegnerin hat ihrer Entscheidung im Bebauungsplan, die
höchstzulässige Geschossflächenzahl im Bebauungsplangebiet auf 6,5
festzusetzen, diesen Maßstab zugrunde gelegt. Zwar heißt es im Rahmen der
Ausführungen zu § 17 BauNVO, die bauliche Dichte sei „städtebaulich sehr gut zu
vertreten“. Allerdings geht die Kammer unter Berücksichtigung des
Gesamtzusammenhangs der Begründung davon aus, dass es sich bei dieser
Formulierung lediglich um einen, wenn auch sprachlich verunglückten,
Einleitungssatz für das im folgenden näher begründete Vorliegen der
Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO handeln sollte und damit nicht
etwa der Maßstab für die Prüfung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO festgelegt werden
sollte.
13
2.4
Die Antragsgegnerin begründet die Überschreitung der Geschossflächenzahl
in der Begründung des Bebauungsplans Nr. 1-65.1 zusammenfassend mit der
atypischen Grundstücksecksituation der Grundstücke Flst.-Nrn. aa und bb, mit
dem Bestreben, durch ein neues Bürogebäude zu einer Verbesserung des Orts-
und Straßenbildes beizutragen, mit der Erwägung, dass die Schaffung
angemessener innerstädtischer Wohnbedingungen eine grenzständige,
geschlossene und hohe Bebauung erfordere, und mit dem Verweis auf die
Weiterentwicklung der 12-geschossigen Bebauung an der Bahnhofsachse sowie
der 6- bis 7-geschossigen Bebauung auf dem B-Areal.
14
2.5
Die Kammer neigt auch unter Berücksichtigung der schriftsätzlichen
Stellungnahmen der Beigeladenen Ziff. 1 und der Antragsgegnerin vom
28.06.2013 zu der Annahme, dass sich den in der Begründung des einschlägigen
Bebauungsplans Nr. 1-65.1 enthaltenen Ausführungen voraussichtlich keine
Gründe entnehmen lassen, die die starke bauliche Verdichtung in dem extrem
kleinen Plangebiet durch eine Überschreitung der Obergrenzen der
Geschossflächenzahl auf 6,5 und damit auf mehr als das Doppelte des in § 17
Abs. 1 BauNVO für Kerngebiete vorgesehenen Höchstmaßes vom 3,0
vernünftigerweise geboten erscheinen lassen. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob
die von der Antragsgegnerin benannten Gründe die Überschreitung der Maße des
§ 17 Abs. 1 BauNVO nur in ihrer Summe rechtfertigen oder ob jeder der benannten
Gründe eine Abweichung auf eine Geschossflächenzahl von 6,5 tragen soll.
15
2.5.1
Zunächst geht die beschließende Kammer von der im Bebauungsplan
festgesetzten Geschossflächenzahl von 6,5 und nicht von der vom angefochtenen
Bauvorhaben nach Darstellung der Beigeladenen Ziff. 1 tatsächlich realisierten
Geschossflächenzahl von 4,92 aus. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des
Einwands der Beigeladenen Ziff. 1, die Geschossflächenzahl sei nicht isoliert,
sondern im Zusammenspiel mit anderen Festsetzungen des Bebauungsplans zu
betrachten. Selbst wenn dies richtig sein sollte, führte das zu einer abweichenden
Beurteilung der Geschossflächenzahl jedenfalls nur dann, wenn infolge der
weiteren Festsetzungen die Ausnutzung der Geschossflächenzahl deutlich
eingeschränkt wäre, etwa wenn eine Geschossflächenzahl von 6,5 vor dem
Hintergrund einer Grundflächenzahl von 0,5 und einem Höchstmaß von 4
Vollgeschossen bereits rein rechnerisch bei weitem nicht ausgenutzt werden
könnte (was die Festsetzung einer Geschossflächenzahl von 6,5 dann allerdings
aus anderen Gründen problematisch erscheinen ließe). Dies aber ist vorliegend
nicht der Fall. Vielmehr gilt für die Grundstücke Flst.-Nrn. bb und aa die
Festsetzung einer Grundflächenzahl von 1; mit Ausnahme eines schmalen
Streifens im südlichen Grundstücksbereich, für den, wie auch für das südlich
angrenzende Grundstück Flst.-Nr. cc, eine eingeschossige Bebauung
(Tiefgaragenzufahrt) festgesetzt ist, ist eine 6- bzw. 7-geschossige Bebauung
festgesetzt. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass das auf dem Grundstück
Flst.-Nr. bb zugelassene siebte Geschoss im Regelfall als ein nicht in die
Berechnung der Geschossflächenzahl einfließendes Attikageschoss zu werten
wäre, wäre nach dem Bebauungsplan auf den Grundstücken Flst.-Nrn. aa und bb
jedenfalls die Verwirklichung einer Geschossflächenzahl von knapp 6,0 möglich.
Dass die Berechnung der Geschossflächenzahl im Falle des Bauvorhabens der
Beigeladenen Ziff. 1 ein hiervon deutlich nach unten abweichendes Ergebnis zu
bringen scheint, ist neben einem leichten Rücksprung des Gebäudes im 5.
Obergeschoss sowie einer geringen Unterschreitung der höchstzulässigen
Grundflächenzahl in erster Linie darauf zurückzuführen, dass in die Berechnung
der Grund- und Geschossfläche des Gesamtvorhabens das Grundstück Flst.-Nr.
cc, für das lediglich, dem Bebauungsplan entsprechend, die eingeschossige
Einhausung der Tiefgarageneinfahrt genehmigt worden ist, mit eingeflossen ist.
Dies dürfte jedoch zu Unrecht erfolgt sein. Denn nach § 20 Abs. 2 BauNVO in
Verbindung mit § 19 Abs. 3 BauNVO ist räumliche Bezugsgröße für die
Geschossfläche das Baugrundstück, welches grundsätzlich identisch ist mit dem
Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinn. Danach ist unter einem Grundstück ein
räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der auf einem
besonderen Grundbuchblatt allein oder auf einem gemeinschaftlichen
Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke
gebucht ist (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 30.11.2000 - 4 BN 57.00 -, juris; OVG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.09.2010 - 2 A 22.08 -, juris). Dafür, dass für die
Berechnung der Geschossflächenzahl hier ausnahmsweise auch das Grundstück
Flst.-Nr. cc mit einzubeziehen wäre, weil andernfalls die Gefahr bestünde, dass der
Sinn der Festsetzung der Geschossflächenzahl handgreiflich verfehlt würde,
bestehen keine Anhaltspunkte, im Gegenteil ist von der Antragsgegnerin eine
hohe riegelartige Bebauung auf den Grundstücken Flst.-Nrn. aa und bb
planungsrechtlich erwünscht. Bezieht man aber die in Anspruch genommenen
Flächen von - laut Aufstellung - 3.272 m² (hierbei ist die von der Tiefgaragenzufahrt
beanspruchte Fläche offenbar bereits abgezogen) auf die Größe der Grundstücke
Flst.-Nrn. aa und bb (570 m²), errechnet sich eine Geschossflächenzahl von etwa
5,74, die sich bei Berücksichtigung der auf den benannten Grundstücken im
Erdgeschoss für die Tiefgaragenzufahrt in Anspruch genommenen Fläche noch
geringfügig erhöhen dürfte. Die beschließende Kammer sieht vor diesem
Hintergrund nach summarischer Prüfung keinen Anlass, anstelle der festgesetzten
Geschossflächenzahl von 6,5 von der für den gesamten Bereich des
Bebauungsplans konkret verwirklichten Geschossflächenzahl auszugehen.
16
2.5.2
Soweit die Antragsgegnerin zur Begründung einer Geschossflächenzahl von
6,5 auf die ungünstige Grundstücksecksituation der beiden Grundstücke Flst.-Nrn.
aa und bb verweist, ist damit eine städtebauliche Ausnahmesituation wohl noch
nicht dargetan. Denn in bebauten Gebieten zumal in historisch gewachsenen
Stadtzentren finden sich nicht selten ungünstig bzw. kleinteilig zugeschnittene
Grundstücksflächen (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 09.10.2003 - 10a D
55/01.NE -, juris) sowie regelmäßig Eckgrundstücke, die typischerweise das
Schicksal teilen, keine rückseitige Freifläche zu haben; solche und ähnliche
Umstände kennzeichnen daher zahlreiche innerstädtische Planungsfälle. Insoweit
ist auch zu berücksichtigen, dass die Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO
gerade auch für Kerngebiete gelten, die insbesondere in Zentren großer Städte
typischerweise hoch verdichtet sind. Allein der Umstand, dass Grundstücke in
einem Kerngebiet vergleichsweise klein und von verdichtet bebauten
Nachbargrundstücken umgeben sind, bedeutet daher nicht, dass damit gleichsam
aus sich heraus ein Ausnahmefall vorläge, der die Überschreitung der Grenzen
des § 17 Abs. 1 BauNVO rechtfertigen könnte; diesem Umstand wurde vielmehr
bereits dadurch Rechnung getragen, dass in Kerngebieten die im Vergleich zu
anderen Baugebieten bei weitem höchste Geschossflächenzahl von 3,0 zulässig
ist. Hinzu kommt vorliegend, dass der Grundstückszuschnitt der Grundstücke Flst.-
Nrn. aa und bb sich seit dem Jahr 2002, dem Zeitpunkt der Aufstellung des
Bebauungsplans Nr. 62-1, nicht geändert hat. Auch seinerzeit ging es um eine
städtebauliche Neugestaltung des Quartiers, verbunden mit einer Anhebung der
zulässigen Geschossigkeit. Dennoch ergab sich für die Grundstücke Flst.-Nrn. aa
und bb unter Zugrundelegung der festgesetzten Baufenster sowie der
Fünfgeschossigkeit eine wesentlich niedrigere Geschossflächenzahl.
Selbstverständlich bleibt es der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer gemeindlichen
Planungshoheit unbenommen, ihre planerischen Vorstellungen zu ändern und
weiterzuentwickeln sowie andere planerische Schwerpunkte zu setzen. Dessen
ungeachtet zeigt die frühere Planung, dass der Grundstückszuschnitt der
Grundstücke Flst.-Nrn. aa und bb nicht per se, nachgerade aus sich heraus eine
zumal derart deutliche Überschreitung der Geschossflächenzahl erforderlich
macht. Bereits dieser Umstand lässt die Annahme der Plangeberin, „die deutliche
Überschreitung der GFZ sei im Wesentlichen durch den Grundstückszuschnitt
bedingt“ (Begründung zum Bebauungsplan Nr. 1-65.1, dort S. 4), als rechtlich
wenig belastbar erscheinen. Vielmehr wäre insoweit eine - angesichts des Grades
der Überschreitung der Geschossflächenzahl ausführliche (vgl. VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 28.12.1995, a.a.O.) - Darlegung angezeigt gewesen, weshalb die
Überschreitung aufgrund der Grundstückssituation städtebaulich vernünftigerweise
geboten und nicht etwa nur der besseren wirtschaftlichen Ausnutzbarkeit der
Grundstücksfläche geschuldet sein sollte. Daran fehlt es jedoch.
17
2.5.3
Soweit die Antragsgegnerin im Bebauungsplan ferner auf Belange des
Immissionsschutzes verwiesen hat, sind diese zwar grundsätzlich geeignet, eine
städtebauliche Ausnahmesituation darzutun (so etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss
vom 10.12.1997 - 3 S 2023/97 -, juris). Dass Gründe des Immissionsschutzes eine
Überschreitung der gemäß § 17 Abs. 1 BauNVO höchstzulässigen
Grundflächenzahl von 3,0 - zudem im erfolgten Umfang - erfordern, erscheint, auch
im Hinblick auf die derzeitige Höhe der anschließenden, vom F-ring abgewandten
Wohnbebauung jedoch nicht schlüssig. Dies sieht die Antragsgegnerin offenbar
ebenso, trägt sie doch in der Antragserwiderung vor, dass der Immissionsschutz
„selbstverständlich“ weder eine bezüglich der nördlichen sowie südlichen
Grundstücksgrenze grenzständige, noch eine bis zu 7-geschossige Bebauung
erfordere. Nach summarischer Prüfung ergeben sich daher keine Anhaltspunkte
dafür, der Immissionsschutz lasse eine - zudem derart massive - Überschreitung
der in § 17 Abs. 1 BauNVO bestimmten Obergrenzen in dem kleinen
Bebauungsplangebiet als vernünftigerweise geboten erscheinen.
18
2.5.4
Der dritte für die Antragsgegnerin bei der Festsetzung einer
Geschossflächenzahl von 6,5 erhebliche Belang ist ausweislich der Begründung
des Bebauungsplans eine Verbesserung des Orts- und Straßenbildes durch
Ersetzung der alten Wohngebäude durch ein neues Bürogebäude, „das den
örtlichen Gegebenheiten Rechnung trägt“; weiter ist davon die Rede, dass die
geschlossene hohe Bebauung die Entwicklung zwischen der Bahnhofsachse mit
derzeit bis zu 12-geschossiger Bebauung und der 7- bis 6-geschossigen
Bebauung auf dem B-Areal konsequent weiterverfolge.
19
2.5.4.1
Geht es zumindest auch um die Umsetzung besonderer, qualifizierter
planerischer Lösungen bzw. städtebaulicher Ideen, so ist das ein Gesichtspunkt,
der als „besonderer“ städtebaulicher Grund im Sinne des § 17 Abs. 2 BauNVO
anerkennungswürdig sein kann (BVerwG, Beschluss vom 26.01.1994 - 4 NB 42.93
-, juris); daher können grundsätzlich auch Gründe der Stadt- und
Ortsbildgestaltung im Rahmen des § 17 Abs. 2 BauNVO maßgebend sein, sofern
sie auf einem besonderen städtebaulichen Konzept beruhen (VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 10.12.1997, a.a.O.; Nieders. OVG, Urteil vom 26.09.2000 - 1 K
3563/99 -, juris; OVG RP, Urteil vom 19.02.2009 - 1 C 10256/08 -, juris;
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 2012, § 17 BauNVO Rn.
22). Anders als bei der Frage der Erforderlichkeit der Bauleitplanung nach § 1 Abs.
3 BauGB genügt es für die Rechtfertigung der Überschreitung der Obergrenzen
der baulichen Nutzung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauNVO allerdings nicht,
dass die Gemeinde überhaupt ein an städtebaulichen Erwägungen ausgerichtetes
Planungskonzept zugrundegelegt hat; vielmehr müssen sich daraus
städtebauliche Gründe von einem gewissem Gewicht ergeben, die die
Überschreitung als vernünftigerweise geboten erscheinen lassen (OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 30.09.2010 - 2 A 22.08 -, juris).
20
2.5.4.2
Die Begründungserwägungen für die Überschreitung der
Geschossflächenzahl, wie sie Eingang in die Begründung des Bebauungsplans
gefunden haben, dürften nach Auffassung der Kammer die von der
Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für das Vorliegen besonderer
städtebaulicher Gründe nicht erfüllen.
21 So lässt sich der Begründung des Bebauungsplanes bereits nicht hinreichend
deutlich entnehmen, inwieweit im Bereich des Bebauungsplans eine
städtebauliche Ausnahmesituation besteht. Die Situation, dass alte, in den 50er
Jahren schnell hochgezogene Wohnbebauung durch eine neue, zeitgemäße
Bebauung ersetzt und diese an die im Umfeld bereits bestehende moderne
Bebauung auch in der Höhe angeglichen werden soll, ist vielmehr in vom Zweiten
Weltkrieg zerstörten Innenstädten wie auch der der Antragsgegnerin immer wieder
anzutreffen; er entspricht daher eher einer städtebaulichen Standard- als einer
Ausnahmesituation.
22 Selbst wenn jedoch insoweit von einer städtebaulichen Ausnahmesituation
auszugehen wäre, ergeben sich für die beschließende Kammer nach
summarischer Prüfung unter Zugrundelegung der Begründung des
Bebauungsplans aus dem diesem zugrunde gelegten Planungskonzept
voraussichtlich keine gewichtigen und nachvollziehbaren Gründe dafür, dass die
Überschreitung der in § 17 Abs. 1 BauNVO geregelten Obergrenzen
vernünftigerweise geboten wäre.
23 So hat die Kammer nach summarischer Prüfung bereits gewisse Zweifel daran, ob
im vorliegenden Fall von einem Konzept zur Umsetzung besonderer, qualifizierter
planerischer Lösungen bzw. städtebaulicher Ideen die Rede sein kann. Die
Begründung zum Bebauungsplan erschöpft sich insoweit in der Darlegung, die
Entwicklung zwischen Bahnhofsachse mit derzeit bis zu 12-geschossiger
Bebauung und der 6- bis 7-geschossigen Bebauung auf dem B-Areal (gemeint ist
wohl die im derzeit noch gültigen, jedoch zur Überarbeitung stehenden
Bebauungsplan 1-62 vorgesehene Anzahl der Vollgeschosse) werde „konsequent
weitergeführt“. Es fehlt in der Begründung zum Bebauungsplan aber an jeglicher
Darlegung, weshalb es gerade an der F-straße etwa im Hinblick auf eine
besondere Topographie oder Lage im Stadtgebiet oder ihrer funktionalen
Bedeutung oder in Bezug auf eine sonst zu befürchtende ästhetische
Unausgewogenheit des Stadtbildes vernünftigerweise einer 6- bis 7-geschossigen
Bebauung bedarf, welche weiteren stadtgestalterischen Pläne die Antragsgegnerin
in diesem Bereich verfolgt und inwieweit ein solches Maß an öffentlichem Interesse
an der Verwirklichung der städtebaulichen Planungsziele besteht, dass dafür die
Abweichung von der Regelfestsetzung in Kauf genommen wird. Anhand der
insoweit vor allem maßgeblichen Begründung des Bebauungsplans vermag die
beschließende Kammer eine besonders qualifizierte planerische Lösung oder eine
städtebauliche Idee derzeit nicht festzustellen. Daraus, dass an anderer Stelle in
der Stadt eine Bebauung verwirklicht ist, die ebenfalls eine Geschossfläche von
mehr als 3,0 hat, ergibt sich für den vorliegenden Bebauungsplan nichts anderes;
dies umso mehr, als die Vorhaben, etwa K-J-Straße 192 oder F-ring 1,
überwiegend in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem hier in Rede
stehenden Bebauungsplan stehen. Außerdem wurden die von der Beigeladenen
Ziff. 1 in diesem Zusammenhang genannten Bauten von der Antragsgegnerin an
keiner Stelle im Zusammenhang mit einem eventuell bestehenden qualifizierten
Planungskonzept genannt.
24 Aber auch, wenn davon auszugehen wäre, dass die - durch Stellungnahmen der
Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren näher ausgeführten - Erwägungen der
Stadt ausreichen, um ein besonderes Planungskonzept zu begründen, müssten
sich aus diesem Planungskonzept und hier insbesondere der zugrunde liegenden
Begründung städtebauliche Gründe von einem gewissem Gewicht ergeben, die
die Überschreitung als vernünftigerweise geboten erscheinen lassen. Die Frage
danach, ob die Überschreitung der Obergrenzen vernünftigerweise geboten ist,
schließt nach Auffassung der Kammer die Überlegung ein, ob die der Planung
zugrunde liegenden städtebaulichen Zielsetzungen gleichermaßen bei Einhaltung
der Geschossflächenzahlen erreicht werden könnten (vgl. OVG NRW, Urteil vom
15.02.2012 - 10 D 46/10.NE -, juris; in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil
vom 08.09.1995 - 8 S 850/95 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 05.10.2000 - 7a D
47/99.NE -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2009 - 2 A 19.07 -,
juris; Hess. VGH; Urteil vom 22.04.2010 - 4 C 2607/08.N -, juris). Denn auch unter
Berücksichtigung der gemeindlichen Planungshoheit (diesen Aspekt betonend
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.09.2011 - 2 A 8.11 -, juris) ist eine
Überschreitung der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO jedenfalls dort nicht
mehr vernünftigerweise geboten, wo das planerische Ziel der Gemeinde
offenkundig auch bei Einhaltung der Obergrenzen erreicht werden könnte.
Vorliegend aber lässt sich nach Auffassung der beschließenden Kammer der
Begründung zum Bebauungsplan nicht entnehmen, dass die gewählte Lösung -
Heraufsetzung der Geschossflächenzahl auf mehr als das Doppelte des
zulässigen Wertes - aufgrund der der Planung vorgegebenen städtebaulichen
Situation vernünftigerweise geboten ist. So ist bereits nicht erkennbar, weshalb es
geboten ist, gerade auf den von der Planung betroffenen kleinteiligen
Grundstücken die 6- bis 7-geschossige Bebauung in voller Höhe aufzugreifen,
oder weshalb, selbst wenn man diese Höhe erreichen möchte, dies die Möglichkeit
einer vollständigen baulichen Ausnutzung der Grundstücke ohne hintere
Baugrenze erfordert. Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung, die im
Übrigen eine Darstellung in der Begründung des Bebauungsplan oder an anderer
geeigneter Stelle innerhalb der Bebauungsplanung nicht ersetzen kann, auf die auf
dem B-Areal im Bebauungsplan Nr. 1-62 vorgesehene 6- bis 7-geschossige
Bebauung sowie die dort genannten Erwägungen im Hinblick auf eine Aufnahme
der Höhe des „...-Gebäudes“ im Plangebiet verweist, in die sich die jetzige Planung
im Bebauungsplan Nr. 1-65.1 einfüge, sei darauf hingewiesen, dass die
seinerzeitige Planung auf den jetzt im Streit stehenden Grundstücken gerade keine
gleichermaßen hohe Bebauung und zudem eine hintere Baugrenze vorsah. Daher
dürfte der Aspekt bereits vorhandener Planung eher gegen als für das Bestehen
eines städtebaulichen Gebotenseins sprechen. Insoweit ist auch zu
berücksichtigen, dass die in § 17 Abs. 1 BauNVO genannten Obergrenzen auch in
hochverdichteten Großstadtzentren gelten und auch dort nur ausnahmsweise
überwindbar sind (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2009 - 2 A 19.07 -,
juris); das Bestreben, im Rahmen einer städtebaulichen Modernisierung eines
Innenstadtquartiers eine bessere bauliche Ausnutzung der Grundstücke zu
erreichen, genügt daher regelmäßig nicht, um eine Überschreitung der
Geschossflächenzahlen zu rechtfertigen.
25 Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beigeladenen Ziff. 1 zitierten
Gesetzentwurf, der die Anforderungen an die Überschreitung der in § 17 Abs. 1
BauNVO genannten Obergrenzen wieder herabsetzt. Denn dem Vorhaben
zugrunde zu legen ist die derzeit geltende Rechtslage und damit der
Bebauungsplan, der eine Geschossflächenzahl von 6,5 auf der Grundlage von §
17 Abs. 2 BauNVO 1990 vorsieht, einer Vorschrift mithin, die, wie ausführlich
dargestellt, vergleichsweise strenge Anforderungen an die Überschreitung der
Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO stellt.
26
2.6
Sollte demnach, wovon im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage
auszugehen ist, die für das gesamte, nur aus drei Flurstücken bestehende
Bebauungsplangebiet geltende Festsetzung einer Geschossflächenzahl von 6,5
unwirksam sein, führte dieser Umstand zur Unwirksamkeit des gesamten
Bebauungsplans. Zwar bedarf ein Bebauungsplan, wie sich dem Wortlaut des § 17
Abs. 1 BauNVO entnehmen lässt, für seine Wirksamkeit nicht zwingend einer
Festsetzung gerade der Geschossflächenzahl, um das zulässige Maß der
baulichen Nutzung zu bestimmen. Aus den sonstigen Festsetzungen zum Maß der
baulichen Nutzung im Bebauungsplan Nr. 1-65.1, nämlich einer Grundflächenzahl
von 1,0 und 6 bis 7 zulässigen Vollgeschossen, errechnet sich jedoch - bei
Hinwegdenken der ausdrücklich festgesetzten Geschossflächenzahl - ebenfalls
eine Geschossflächenzahl von 6 bis 7. Auch wenn die Geschossflächenzahl im
Bebauungsplan nicht festgesetzt ist, dürfen die Obergrenzen des § 17 Abs. 1
BauNVO aber durch die übrigen Festsetzungen nur im Falle des - hier, wie geprüft,
unter Berücksichtigung der Planbegründung nicht hinreichend tragfähigen - § 17
Abs. 2 BauNVO überschritten werden (vgl. nur Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl.,
§ 17 Rn. 9). Das bedeutet, dass die Unwirksamkeit der Festsetzung der
Geschossflächenzahl vorliegend die Unwirksamkeit jedenfalls auch der
Festsetzung der Vollgeschosse nach sich zöge. Damit aber könnte dem
vorliegenden Bebauungsplan die gebotene, das zulässige Maß der baulichen
Nutzung abschließend bestimmende dreidimensionale Maßfestsetzung (vgl. dazu
OVG Saarland, Urteil vom 12.03.2009 - 2 C 312/08 -, juris; Fickert/Fieseler,
BauNVO, 11. Aufl., § 17 Rn. 21; König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 16 Rn.
2), wie sie als städtebauliche Grundkategorie zwingender Inhalt eines qualifizierten
Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB ist, nicht entnommen werden.
Nachdem die Festsetzung des höchstzulässigen Nutzungsmaßes gerade auch im
vorliegenden Fall ein zentrales planerisches Anliegen darstellt, geht die
beschließende Kammer für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von der
Unwirksamkeit des Bebauungsplans aus.
27
2.7
Erweist sich mithin bei summarischer Überprüfung der Bebauungsplan Nr. 1-
65.1 aufgrund des Verstoßes der dort getroffenen Festsetzung über die
höchstzulässige Grundflächenzahl, die die Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO
drastisch überschreitet, ohne im Sinne des § 17 Abs. 2 BauNVO gerechtfertigt zu
sein, als (voraussichtlich) unwirksam, so ist dieser Unwirksamkeitsgrund der
Entscheidung im vorliegenden Verfahren ungeachtet des Umstands zugrunde zu
legen, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung regelmäßig
keine nachbarschützenden Rechte verletzen. Denn anders als es in der
Antragserwiderung anklingt, ist die inzidente Überprüfung einer untergesetzlichen
Regelung im baurechtlichen Nachbarverfahren nicht auf Verstöße gegen
drittschützende Normen beschränkt.
28
3.
Auf die übrigen Rügen der Antragstellerin im Hinblick auf den Bebauungsplan
Nr. 1-65.1 kommt es danach nicht mehr entscheidungserheblich an. Im Hinblick
auf die Vielzahl der von den Beteiligten angesprochenen Punkte sowie den
Umstand, dass sowohl die Antragstellerin weiterhin an einer Überplanung der hier
einschlägigen Grundstücke interessiert sein als auch die Beigeladene Ziff. 1 ein
vitales Interesse an einer Bebauung der Grundstücke haben dürfte, weist die
Kammer gleichwohl auf Folgendes hin:
29
3.1
Der Bebauungsplan verstößt nach Auffassung der Kammer nicht gegen das
Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben
die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Maßgebend ist dabei die
jeweilige planerische Konzeption der Gemeinde.
30 Zwar mag man mit der Antragstellerin die Frage aufwerfen, ob nicht eine
einheitliche Entwicklung des gesamten Areals, insbesondere eine, wie es die
Antragstellerin formuliert, „Gesamterschließungskonzeption“, in Anbetracht der in
diesem Bereich zu bewältigenden vielfältigen städtebaulichen Probleme aus
städtebaulicher Sicht der vorzugswürdige Weg gewesen wäre, dessen sich die
Antragsgegnerin nach dem Dafürhalten der Antragstellerin durch die isolierte
Vorwegnahme eines Teilbereichs der Planung infolge der hierdurch geschaffenen
Zwangspunkte zumindest in Teilen begeben hat. Hieraus den Schluss zu ziehen,
der Bebauungsplan Nr. 1-65.1 sei nicht erforderlich, hieße jedoch, den Maßstab
des § 1 Abs. 3 BauGB zu verkennen. Welche Ziele eine Gemeinde sich in der
Bauleitplanung setzt und mit welchen Mitteln sie diese zu erreichen sucht,
unterliegt nämlich ihrer weiten planerischen Gestaltungsfreiheit, weshalb ein
Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB nur bei groben und einigermaßen
offensichtlichen Missgriffen in Betracht kommt (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Urteil vom
19.10.2011 - 3 S 942/10 -, juris). Diese Grenze ist hier nicht überschritten. Die
Antragsgegnerin hat in der Begründung zum Bebauungsplan an verschiedenen
Stellen städtebauliche Erwägungen - Ermöglichung einer an die bestehende
Umgebungsbebauung angepassten Bebauung, Verbesserung des Orts- und
Straßenbildes, Immissionsschutz für hinterliegende Wohnbebauung, Schaffung
einer geschlossenen Bebauung am F-ring - genannt. Dafür, dass diese
städtebaulichen Gründe nur vorgeschoben sein könnten, hat die Kammer keine
Anhaltspunkte.
31 Gegen die Annahme, der Bebauungsplan sei erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3
BauGB, spricht auch nicht der Umstand, dass der vorliegende Bebauungsplan
maßgeblich auf die Initiative der Beigeladenen Ziff. 1 zurück geht und ihrem
Interesse an einer bestmöglichen Ausnutzung der Grundstücke weitestgehend
Rechnung getragen wurde. Die enge Abstimmung zwischen der Antragsgegnerin
und der Beigeladenen Ziff. 1 stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen § 1
Abs. 3 BauGB dar. Die Gemeinde darf, was sich auch aus § 12 BauGB ergibt,
hinreichend gewichtige private Belange zum Anlass für die Aufstellung eines
Bebauungsplans nehmen und sich dabei auch an den Wünschen des zukünftigen
Vorhabenbetreibers orientieren, solange sie damit zugleich auch städtebauliche
Belange und Zielsetzungen verfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.08.1993 - 4
NB 12.93 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.03.2013 - 1 A 1.10 -, juris;
OVG RP, Urteil vom 20.01.2010 - 8 C 10725/09 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss
vom 10.05.2013 - 15 CS 12.2708 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 17.06.2011 - 2 D
106/09.NE -, juris). Dies aber ist, wie bereits gesehen, hier der Fall.
32
3.2
Der Bebauungsplan erweist sich bei summarischer Prüfung auch nicht als
abwägungsfehlerhaft.
33 Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans muss eine Gemeinde die öffentlichen
und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abwägen (§ 1
Abs. 7 BauGB). Das Abwägungsgebot ist die zentrale Verpflichtung jeder
Bauleitplanung, um rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht zu werden. Es gilt
sowohl für den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis, wobei die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung
maßgebend ist (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Das Gebot, die öffentlichen und
privaten Belange untereinander und gegeneinander gerecht abzuwägen, wird
zunächst dann verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht
stattfindet. Es ist ferner dann verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht
eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss.
Schließlich liegt eine solche Verletzung auch dann vor, wenn die Bedeutung der
betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der
Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven
Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis stehen. Innerhalb des so
gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot jedoch Genüge getan, wenn sich
die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die
Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des
anderen Belangs entscheidet.
34
3.2.1
Nach summarischer Prüfung dürfte es nicht abwägungsfehlerhaft sein, dass
die Antragsgegnerin die Problematik des Anlieferverkehrs für das auf den
Grundstücken Flst.-Nrn. aa und bb zulässige Gebäude und dessen Auswirkungen
auf den öffentlichen Straßenverkehr im Bebauungsplan nicht abschließend gelöst
hat.
35
3.2.1.1
Die Antragsgegnerin hat ausweislich der Begründung des Bebauungsplans
die im Zusammenhang mit dem Verkehr stehenden Probleme - Gefahr eines
Rückstaus von der Tiefgarage in den öffentlichen Straßenraum, begrenztes
öffentliches Parkplatzangebot mit der Folge, dass öffentliche Parkplätze nicht
zugunsten einer Ladezone umgewandelt werden können - erkannt, sich aber auf
den Standpunkt gestellt, der Nachweis sowohl der erforderlichen Stellplätze als
auch eines Lieferkonzepts mit Stellplatz auf privater Fläche sei (erst) im Rahmen
des Baugenehmigungsverfahrens nachzuweisen. Der Bebauungsplan regelt
insoweit: „In der Baugenehmigung vom 01.09.2011 sind 19 Stellplätze
vorgesehen. Soweit die Nutzung weiteren Stellplatzbedarf hervorruft, ist dieser
entsprechend den Bestimmungen der LBO im näheren Umfeld nachzuweisen“
(Ziff. 3.3 der Begründung) sowie „Die Andienung mit Lieferverkehr hat
ausschließlich auf der privaten Fläche zu erfolgen. Öffentliche Parkplätze können
aufgrund des hohen Bedarfs nicht zugunsten einer Ladezone umgewandelt
werden. Soweit eine gewerbliche Nutzung umgesetzt werden soll, ist ein
Lieferkonzept mit Andienung und Stellplatz auf privater Fläche im Rahmen des
Baugenehmigungsverfahrens nachzuweisen“ (Ziff. 3.4 der Begründung).
36
3.2.1.2
Der Verweis auf entsprechende Nachweise im Rahmen des
Baugenehmigungsverfahrens ist rechtlich zunächst nicht zu beanstanden. Zwar
ergibt sich aus § 1 Abs. 7 BauGB das Gebot der Konfliktbewältigung; Konflikte, die
durch die Planung hervorgerufen werden, dürfen nicht zu Lasten Betroffener
letztlich ungelöst bleiben. Die planende Gemeinde ist aber grundsätzlich nicht
verpflichtet, alle möglicherweise infolge der Planung auftretenden Konflikte bereits
im Rahmen der Bauleitplanung einer Lösung zuzuführen. Zulässig ist ein Verzicht
auf eine Bewältigung der vom Bebauungsplan geschaffenen Probleme allerdings
nur, wenn die Gemeinde bei einer vorausschauenden Betrachtung hinreichend
sicher darauf vertrauen darf, dass außerhalb des Bebauungsplanverfahrens auf
der Stufe der Verwirklichung der Planung eine sachgerechte Lösung gefunden
werden wird (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 14.07.1994 - 4 NB 25.94 -, juris;
Bayer. VGH, Urteil vom 19.06.2013 - 1 B 10.1841 -, juris; OVG NRW, Urteil vom
20.11.2009 - 7 D 124/08.NE -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
15.11.2012 - 10 A 10.09 -, juris). Ferner müssen im Bebauungsplan bereits die
richtigen Weichenstellungen enthalten sein, denn mit einem nachfolgenden
Baugenehmigungsverfahren können die Festsetzungen eines Bebauungsplans
nur noch feingesteuert oder nachgesteuert, nicht aber korrigiert oder vollständig
ersetzt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2010 - 3 S 2099/08 -, juris).
Diesen Anforderungen dürften die im vorliegenden Bebauungsplan getroffenen
Regelungen wohl noch genügen.
37
3.2.1.3
Vorliegend ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die durch den
zu erwartenden Ziel- und Quellverkehr eintretenden Stellplatzprobleme sich im
Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens, insbesondere durch Nachweis von
ggf. über die bestehenden Stellplätze in der Tiefgarage hinaus gehende Zahl an
Stellplätzen im näheren Umfeld des Bauvorhabens, sachgerecht lösen lassen
werden. Auch der Verweis auf die Vorlage eines Lieferkonzeptes im Rahmen des
Baugenehmigungsverfahrens dürfte im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden
sein, auch wenn fragwürdig sein könnte, weshalb ein derartiges Lieferkonzept nur
für gewerbliche Nutzung, nicht aber für eine Nutzung etwa nach § 7 Abs. 2 Nr. 4
BauNVO gefordert wird. Zwar ermöglicht der Bebauungsplan eine vollständige
Bebauung der Grundstücke Flst.-Nrn. aa und bb mit Gebäuden, in denen neben
Büros u.a. auch Einzelhandelsbetriebe, Anlagen für kulturelle, soziale oder
gesundheitliche Zwecke, Schank- und Speisewirtschaften und sonstige nicht
wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig wären, sowie des Grundstücks
Flst.-Nr. cc mit einer Tiefgaragenzufahrt. Bei vollständiger Ausnutzung der
Baufenster verbleibt daher im Wesentlichen - wie es auch im Anlieferkonzept der
Beigeladenen Ziff. 1 vorgesehen ist - der Einfahrtsbereich zur Tiefgarage als
vorübergehende Stellfläche für Lieferfahrzeuge. Dies hat zur Folge, dass je nach
Größe und konkretem Standort des Lieferfahrzeugs während des Anliefervorgangs
die (einspurige) Aus- und Einfahrt der Tiefgarage wie auch der Grundstücke Flst.-
Nrn. ee und ff blockiert werden, was, insbesondere bei einer mit erhöhtem Anliefer-
und Publikumsverkehr verbundenen Nutzung der Räumlichkeiten auf den
Grundstücken Flst.-Nrn. aa und bb, zu einem Rückstau wartender Fahrzeuge in
den öffentlichen Straßenraum bis in die F-straße führen könnte. Ob ein derartiges
Anlieferkonzept die durch die Planung ausgelösten verkehrlichen Konflikte
hinreichend bewältigte, mag man bezweifeln. Allerdings schließt es der
Bebauungsplan nicht aus, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben
zugunsten von parallel zur Tiefgaragenzufahrt zu errichtenden Stellplätzen für
Anlieferfahrzeuge hinter der südlichen Baugrenze auf den Grundstücken Flst.-Nrn.
aa und bb zurückbleibt oder dass die Tiefgaragenzufahrt von ihrem Zuschnitt her
die Befahrung durch größere Lieferwagen ermöglicht und die Tiefgarage selbst
entsprechende Stellplätze vorhält. Damit aber erlaubt der Bebauungsplan eine
Feinsteuerung der Anlieferproblematik im Rahmen des
Baugenehmigungsverfahrens. Ein Verstoß des Bebauungsplans gegen das Gebot
der Konfliktbewältigung dürfte mithin im Ergebnis nicht vorliegen.
38
3.2.1.4
Soweit die Antragstellerin dagegen darauf verweist, das von der
Beigeladenen Ziff. 1 vorgelegte Anlieferkonzept sei unzureichend, so kann dieser
Einwand - ungeachtet des Umstands, dass die Kammer diese Bedenken auch
unter Berücksichtigung der schriftsätzlichen Stellungnahmen der Antragsgegnerin
und der Beigeladenen Ziff. 1 vom 28.06.2013 nicht für gänzlich fernliegend hält -
den Erfolg des Antrags nicht begründen. Dies gölte selbst dann, wenn die
Baugenehmigung wegen eines mangelhaften Anlieferkonzepts insgesamt
rechtwidrig wäre. Denn eine Baugenehmigung, die einen Konflikt, der
zulässigerweise durch die bauplanerische Entscheidung keiner endgültigen
Lösung zugeführt wurde, nicht bewältigt, begründet nicht die Unwirksamkeit des
zugrunde liegenden Bebauungsplans. Die Baugenehmigung verstieße wiederum
ihrerseits insoweit nicht gegen Rechte, die auch der Antragstellerin zu dienen
bestimmt sind.
39
3.2.2
Der Bebauungsplan erweist sich bei summarischer Prüfung wohl auch nicht
deshalb als unwirksam, weil der Gemeinderat den Aspekt des Wegfalls der
Erschließungsfunktion des Grundstücks Flst.-Nr. cc für das Grundstück Flst.-Nr. dd
infolge der Überplanung nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in die
Abwägung eingestellt hätte.
40
3.2.2.1
Der Gemeinderat der Antragsgegnerin hat sich in seiner
Abwägungsentscheidung mit dem Wegfall der Zweiterschließung des Grundstücks
Flst.-Nr. dd infolge der Überplanung des Grundstücks Flst.-Nr. cc mit einer
Tiefgaragenzufahrt auseinandergesetzt.
41 In der Drucksache G-13/034.1 ist ausgeführt, dass eine Erschließung der
Grundstücks Flst.-Nrn. aa und bb über die F-straße oder den vorderen Bereich der
C-straße nach der F-straße aufgrund der beengten Lage verkehrlich ungünstig sei;
eine Erschließung über das Grundstück Flst.-Nr. cc sei weiter von der Einmündung
F-straße entfernt und sei verkehrlich nicht so belastend. Durch diese Planung falle
zwar die Erschließung des Grundstücks der Antragstellerin über die C-straße weg.
Hierbei handele es sich aber um eine Zweiterschließung, während die
Haupterschließung bereits im Bebauungsplan Nr. 1-62 über zwingend
vorgeschriebene Zu- und Abfahrten auf die bzw. von der F-straße festgesetzt
worden sei. In der Anlage 5 zur Drucksache G-13/034.1 wird dies weiter ausgeführt
sowie festgestellt, für das Grundstück Flst.-Nr. dd bestünden auch ohne
Zweiterschließung ausreichende Möglichkeiten der Brandbekämpfung. Auch aus
der Begründung zum Bebauungsplan (hier Ziff. 3.2) ergibt sich, dass der Wegfall
der Zweiterschließung für das Grundstück Flst.-Nr. dd in die
Abwägungsentscheidung eingestellt worden ist.
42 Dass sich die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung für die
aus ihrer Sicht vorzugswürdige Erschließung der Grundstücke Flst.-Nrn. aa und bb
der Beigeladenen Ziff. 1 über das Grundstück Flst.-Nr. cc und damit gegen den
Fortbestand einer Zweiterschließung für das Grundstück Flst.-Nr. dd der
Antragstellerin entschieden hat, stellt insoweit keine - vom Gericht allein zu
überprüfende - Überschreitung der Abwägungsgrenzen dar.
43
3.2.2.2
Etwas anderes könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass der
Gemeinderat der Antragsgegnerin möglicherweise den zwischen der
Antragsgegnerin und Herrn B am 09.12.1960 geschlossenen Tauschvertrag nicht
mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt hat.
44 In § 8 des genannten Vertrages heißt es, es bestehe „unter den Vertragsteilen
Einverständnis darüber, dass das Bachgrundstück Lgb.Nr. cc als Zu- und Abfahrt
für Fußgänger und Fahrzeuge aller Art (öffentlicher Weg) zu den angrenzenden
Grundstücken Lgb.Nr. ee, aa, bb, ff und dd ausgebaut und unterhalten wird. Herrn
B werden hieraus keine Kosten entstehen.“
45 Der Gemeinderat der Antragsgegnerin hat seinen Satzungsbeschluss am
19.02.2013 auf Grundlage der durch das Rechtsamt der Antragsgegnerin erfolgten
Informationen gefasst, in denen das Rechtsamt ausweislich der Tonbandabschrift
der Sitzung ausführte, es gebe keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung der
Zweiterschließung, denn im Grundstückskaufvertrag sei „kein entsprechender
Anspruch dargestellt“, vielmehr werde „nur beiläufig erwähnt […], dass sich die
Beteiligten darüber einig sind, dass über ein ehemaliges Bachgrundstück eine
öffentliche Straße geführt werden soll und Herr B- […] wurde dann gleichzeitig von
den Erschließungskosten freigestellt. Mehr beinhaltet dieser Vertrag nicht.“
46 Die beschließende Kammer hat gewisse Bedenken, ob die Formulierung im
Vertrag, dass unter den Vertragsteilen „Einverständnis“ über die Errichtung eines
öffentlichen Weges besteht, tatsächlich, wie sie Antragsgegnerin und Beigeladene
Ziff. 1 interpretieren, als bloße Absichtserklärung der Antragsgegnerin ohne
Rechtsbindungswillen anzusehen ist. Ob der in Abgrenzung zum Vertrag
maßgebliche Rechtsgeltungswille tatsächlich fehlt, muss durch Auslegung der
Abrede ermittelt werden (vgl. nur Staudinger, BGB, 2010, Vorbem. §§ 145-156, Rn.
80ff., m.w.N.). In der Tat sprechen die unterschiedlichen Formulierungen
(„verpflichtet sich“ / „es besteht Einverständnis“) möglicherweise gegen eine
rechtliche Verpflichtung der Antragsgegnerin. Andererseits ist zu berücksichtigen,
dass erstens keine einseitige Absichtserklärung der Stadt in den Vertrag
aufgenommen wurde, wie es bei einem fehlenden Rechtsbindungswillen
anzunehmen gewesen wäre, sondern ein - zweiseitiges - Einverständnis, und dass
zweitens der Vertrag, wiewohl nach jahrelangen Verhandlungen zustande
gekommen, auch an anderer Stelle unklare Formulierungen enthält. Dies gilt etwa
für § 6 Nr. 3, wo sich dem Wortlaut nicht eindeutig entnehmen lässt, ob das
„Bachgelände“ sich auch auf den Bereich des unmittelbar zuvor genannten
Grundstücks Flst.-Nr. cc beziehen soll oder nicht, und wo außerdem vom
„Übernehmer“ und nicht etwa, wie an anderer Stelle, von „Herrn B“ die Rede ist. Die
unterschiedliche Wortwahl muss daher nicht unbedingt stets einen sachlichen
Grund gehabt haben. Auch dürfte das Interesse von Herrn B an einer zusätzlichen
- rückwärtigen - Erschließung des verhältnismäßig großen und vor allem tiefen
Grundstücks Flst.-Nr. dd groß gewesen sein; dies aber könnte einen Aspekt
darstellen, der ebenfalls für einen rechtlichen Bindungswillen sprechen könnte.
Angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten bei der Auslegung der strittigen
Vertragsklausel aber bestehen für die Kammer jedenfalls im Rahmen der
vorliegend nur möglichen und ausreichenden summarischen Überprüfung des
streitgegenständlichen Bebauungsplans keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür,
dass die Rechtsauffassung der Verwaltung der Antragsgegnerin fehlerhaft wäre
und der Gemeinderat den Vertrag daher nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht
in die Abwägung eingestellt hätte.
47
3.2.3
Ein Abwägungsfehler ergibt sich nach summarischer Prüfung auch nicht
daraus, dass die Auswirkungen der Überplanung des Grundstücks Flst.-Nr. cc auf
die Rangier- und Parksituation auf den direkt südlich anschließenden
Grundstücken Flst.Nrn. ee und ff nicht mit dem diesem Belang zukommenden
Gewicht in die Abwägung eingestellt worden wäre. Vielmehr hat der Gemeinderat
ausweislich der Begründung (hier Ziff. 1.4, 3.2) berücksichtigt, dass die ebenerdige
Erschließung dieser Grundstücke nach wie vor möglich sei und dass zugunsten
dieser Grundstücke und zulasten des Grundstücks Flst.-Nr. cc ein unentgeltlich
einzuräumendes, dinglich gesichertes Geh- und Fahrrecht zu übernehmen sei. In
Anlage 5 zur Drucksache G-13/034.1 ist ergänzend ausgeführt, dass die
ebenerdige Erschließung der Grundstücke als unproblematisch einzuschätzen sei.
Im Übrigen hätten die damals Verfügungsberechtigten der Grundstücke Flst.-Nrn.
ee und ff der Verkürzung ihres Wegerechts vertraglich zugestimmt.
48 Nach Aktenlage geht die Kammer davon aus, dass diese Annahmen des
Gemeinderats der Realität entsprechen. Insbesondere ergeben sich aus dem
zwischen der Beigeladenen Ziff. 1 und den seinerzeitigen Eigentümern der
Grundstücke Flst.Nrn. ee und ff am 13.01.2011 geschlossenen Vertrag nicht nur
seitens der Eigentümer die Gestattung, die Tiefgaragenabfahrt unmittelbar an der
Grenze zu den Grundstücken Flst.Nrn. ee und ff zu errichten, sondern auch die
Verpflichtung der Beigeladenen, den Eigentümern ein Geh- und Fahrrecht auf dem
Grundstücks Flst.-Nr. cc einzuräumen und eine entsprechende Grunddienstbarkeit
zu bestellen sowie die Zufahrt zum Hof des Grundstücks Flst.-Nr. ee mit
ausreichender Breite im bisherigen Umfang wiederherzustellen.
49 Dass der Gemeinderat vor diesem Hintergrund den Aspekt der Erschließung der
Grundstücke Flst.-Nrn. ee und ff als im Rahmen der Bauleitplanung hinreichend
berücksichtigt angesehen hat, ist aus Sicht der Kammer rechtlich nicht zu
beanstanden; auch insoweit ist ein der gerichtlichen Überprüfung unterliegender
Abwägungsfehler nicht erkennbar.
II.
50 Ist mithin der Bebauungsplan Nr. 1-65.1 auch bei summarischer Prüfung wegen
Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl gemäß § 17 Abs. 1 BauNVO,
ohne dass ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan die
Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BauNVO vorlägen, unwirksam, beurteilt sich
das Bauvorhaben der Beigeladenen Ziff. 1 auf Grundlage des Bebauungsplans
der Antragsgegnerin „Zwischen R-straße, B-allee, F-straße und C-straße“ vom
16.04.2002, Plan Nr. 1-62. In Bezug auf diesen Plan wurden Einwendungen gegen
seine Wirksamkeit nicht geltend gemacht; solche sind bei summarischer Prüfung
auch nicht erkennbar.
51 Der Plan Nr. 1-62 setzt für die Grundstücke Flst.-Nrn. aa und bb ein Kerngebiet mit
einer Grundflächenzahl von 1,0 und höchstens 5-geschossiger Bebauung fest. Auf
den Grundstücken besteht im südlichen Bereich in Höhe von etwa 2/3 der
Grundstückstiefe eine Baugrenze; die westliche Baugrenze verläuft auf der
westlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks Flst.-Nr. bb, auf der nördlichen
Grundstücksgrenze beider Grundstücke sowie der östlichen Grundstücksgrenze
des Grundstücks Flst.-Nr. aa verläuft eine Baulinie. Es gilt als besondere Bauweise
die offene Bauweise, wobei der Baukörper 50 m überschreiten kann. Für das
Grundstück Flst.-Nr. cc ist eine Straßenverkehrsfläche festgesetzt.
52 Die der Beigeladenen Ziff. 1 erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom
01.09.2011 verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen Festsetzungen des
Bebauungsplans Nr. 62-1, die auch dem Schutz der Rechte der Antragstellerin als
der unmittelbaren westlichen Grundstücksnachbarin zu dienen bestimmt sind.
53
1.
Die Antragstellerin macht insoweit zurecht geltend, dass das genehmigte
Bauvorhaben mit sechs Vollgeschossen gegen die Festsetzung zugelassener
Vollgeschosse und die zulässige Geschossflächenzahl verstößt, aufgrund des
Erkers die östliche Baulinie sowie auf voller Grundstückbreite die südliche
Baugrenze überschreitet. Diese Verstöße führen jedoch noch nicht zum Erfolg des
Eilantrags. Denn in diesem Verfahren ist es grundsätzlich nicht erheblich, ob das
genehmigte Bauvorhaben objektiv-rechtlich gegen einzelne Festsetzungen des für
das Baugrundstück geltenden Bebauungsplans Nr. 62-1 verstößt. Erfolg kann die
Antragstellerin vielmehr nur dann haben, wenn das Bauvorhaben gegen - textliche
oder zeichnerische - Festsetzungen verstößt, die auch dem Schutz der
Antragstellerin als Nachbarin dienen.
54
1.1
Soweit sich die Antragstellerin gegen Überschreitungen des Maßes der
baulichen Nutzung wendet, kann sie damit grundsätzlich nicht gehört werden,
denn das Maß der baulichen Nutzung ist grundsätzlich nicht nachbarschützend, es
sei denn, es ergäbe sich aus dem Bebauungsplan, dass die entsprechenden
Festsetzungen erlassen wurden, um private Belange zu schützen (BVerwG,
Beschluss vom 23.06.1995 - 4 B 52/95 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
20.01.2005 - 8 S 3003/04 -, juris). Dafür, dass die Festsetzung der Geschosszahl
dem Schutz nachbarlicher Belange dienen sollte, ergeben sich aus dem
Bebauungsplan keine Anhaltspunkte. Gleiches gilt für den von der Antragstellerin
behaupteten Verstoß des Vorhabens gegen die Festsetzung einer offenen
Bauweise.
55
1.2
Auch soweit die Antragstellerin die Überschreitung von Baugrenzen durch das
angefochtene Bauvorhaben rügt, kann sie damit voraussichtlich keinen Erfolg
haben. Im Hinblick auf die Überschreitung der östlichen Baulinie gilt dies schon
deshalb, weil straßenseitigen Baugrenzen regelmäßig lediglich die Funktion
zukommt, die Anordnung der Gebäude zur Straße aus städtebaulichen Gründen
zu gestalten (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.01.2005 - 8 S 3003/04 -, juris),
mit der Folge, dass Nachbarschutz bereits grundsätzlich ausscheidet.
56
1.3
Die Festsetzung rückwärtiger Baugrenzen dagegen entfaltet zwar
grundsätzlich Drittschutz; dieser beschränkt sich aber regelmäßig auf die der
jeweiligen Baugrenze jeweils gegenüber liegenden Nachbargrundstücke (VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 02.06.2003 - 8 S 1098/03 -, juris). Insoweit kann sich
die Antragstellerin voraussichtlich nicht mit Erfolg auf die Überschreitung der
südlichen Baugrenze durch das angefochtene Bauvorhaben berufen, denn das in
ihrem Eigentum stehende Grundstück Flst.-Nr. dd liegt der Baugrenze nicht
gegenüber, sondern schließt seitlich an sie an, während das Grundstück FlstNr.
cc, das südlich an die Grundstücke Flst.-Nrn. aa und bb anschließt, nicht im
Eigentum der Antragstellerin steht.
57
2.
Auch mit dem Argument, dass die angefochtene Baugenehmigung eine
Überplanung des als Verkehrsfläche bestimmte Grundstück Flst.-Nr. cc vorsehe,
kann die Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben. Die Festsetzung von
Straßenflächen vermittelt - vorbehaltlich ausdrücklicher gegenläufiger planerischer
Absichten - grundsätzlich keinen Nachbarschutz (OVG Nieders., Beschluss vom
03.09.2003 - 1 ME 193/03 -, juris; Urteil vom 29.05.1998 - 6 L 1223/97 -, juris;
Bayer. VGH, Beschluss vom 26.06.2012 - 11 ZB 11.1940 -, juris; Urteil vom
27.11.1995 - 20 B 95.436 -, NVwZ 1996, 1031). Dass vorliegend etwas anderes
gelten könnte, etwa die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche der
Gewährleistung einer Zweiterschließung für das Grundstück Flst.-Nr. dd dienen
könnte, lässt sich dem Bebauungsplan Nr. 62-1 einschließlich seiner
Begründungen nicht entnehmen. (Zwingende) Ein- und Ausfahrten sind für das
Grundstück Flst.-Nr. dd vielmehr allein von der bzw. auf die F-straße vorgesehen.
Auch aus der Planbegründung (hier Ziff. 2.2, 3.1) ergibt sich die Erschließung des
Grundstücks Flst.-Nr. dd (allein) über die F-straße. Hinweise auf eine mithilfe der
Festsetzung als öffentlicher Verkehrsfläche beabsichtigte Zweiterschließung
lassen sich dem Bebauungsplan an keiner Stelle entnehmen.
58
3.
Ein Verstoß gegen drittschützende Festsetzungen ergibt sich aber nach
summarischer Prüfung aus dem Umstand, dass das genehmigte Bauvorhaben
über fast die gesamte Tiefe des Grundstücks FlstNr. bb grenzständig zum
Grundstück der Antragstellerin Flst.-Nr. dd errichtet worden ist. Jedenfalls im
südlichen Grundstücksbereich dürfte das Vorhaben damit die erforderliche
Abstandsfläche nach Westen - zum Grundstück Flst.-Nr. dd - nicht einhalten.
59 Insoweit ist zu unterscheiden: Im nördlichen Bereich des Grundstücks Flst.-Nr. bb
liegt der genehmigte Baukörper innerhalb der durch den Plan Nr. 62-1
festgesetzten Baugrenzen, während er sich im südlichen Grundstücksbereich
außerhalb der durch Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren
Grundstücksfläche befindet.
60
3.1
Im nördlichen Grundstücksbereich dürfte ein Verstoß gegen
Abstandsflächenrecht zu verneinen sein. Allein das Bestehen einer Baugrenze auf
der Grundstücksgrenze bedeutet freilich noch nicht, dass insoweit ohne Einhaltung
eines Grenzabstands gebaut werden dürfte. Dies ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO
vielmehr nur dann der Fall, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das
Gebäude an die Grenze gebaut werden muss (Nr. 1) oder an die Grenze gebaut
werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück
ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2); die öffentlich-rechtliche Sicherung ist
nicht erforderlich, wenn nach den Festsetzungen einer abweichenden Bauweise
unabhängig von der Bebauung auf dem Nachbargrundstück an die Grenze gebaut
werden darf. Eine Pflicht zur Grenzbebauung lässt sich dem Bebauungsplan nicht
entnehmen, allerdings dürfte vorliegend ein Fall einer abweichenden Bauweise -
offene Bauweise, bei der der Baukörper 50 m überschreiten kann (vgl. dazu
Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., § 22 Rn. 10.1) - vorliegen, die im Sinne des § 5
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 LBO eine Grenzbebauung gestattet. Dies spricht dafür,
im nördlichen Grundstücksbereich innerhalb des Baufensters von einer zulässigen
Grenzbebauung auszugehen, so dass die Verletzung von Nachbarrechten
insoweit nicht in Betracht kommt.
61
3.2
Anders dürfte sich die Rechtslage aller Voraussicht nach jedoch im Hinblick auf
den Grenzbau darstellen, soweit er außerhalb der im Bebauungsplan Nr. 62-1
festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche liegt. Einigkeit besteht in
Rechtsprechung und Literatur zurecht darüber, dass die Festsetzung einer
geschlossenen Bauweise sich stets und nur auf die jeweils überbaubaren
Grundstücksflächen bezieht. Hintere Baugrenzen schränken die Reichweite der
Festsetzung nach hinten ein mit der Folge, dass für die dahinterliegende
Grundstücksfläche die offene Bauweise wieder auflebt und Abstandsflächen
einzuhalten sind (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.08.1993 - 5 S 1338/93 -,
juris; OVG NRW, Urteil vom 22.08.2005 - 10 A 3611/03 -, juris; VG Düsseldorf,
Urteil vom 14.02.2008 - 9 K 4675/06 -, juris; Sauter, LBO BW, Stand 03/2010, § 5
Rn. 39). Nichts anderes kann für eine abweichende Bauweise gelten, für die das
Planungsrecht überbaubare Grundstücksflächen festsetzt.
62 Das mit der angefochtenen Baugenehmigung vom 01.09.2011 genehmigte
Bauvorhaben befindet sich im südlichen Bereich des Grundstücks Flst.-Nr. bb
auch mit seinem Hauptbaukörper - und mithin nicht mit einem nach § 6 Abs. 1 LBO
in den Abstandsflächen zulässigen Gebäude - direkt an der Grenze zum
Grundstück Flst.-Nr. dd. Soweit der Baukörper sich außerhalb der durch die
südliche Baugrenze bestimmten überbaubaren Grundstücksfläche befindet, hält er
damit die nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 LBO erforderliche Abstandsflächentiefe
nicht ein.
63 Hinreichende Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3
LBO bestehen voraussichtlich nicht. So ist insbesondere nicht dargetan und auch
im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb das im Rahmen des § 6 Abs. 3 Nr. 1 LBO
maßgebliche öffentliche Interesse (hierzu Sauter, LBO, Stand 2010, § 6 Rn. 40)
geringere Abstandsflächen erfordern sollte, nachdem das im Bebauungsplan zum
Ausdruck gekommene öffentliche Interesse den südlichen Grundstücksbereich der
Grundstücke Flst.-Nrn. aa und bb sogar gänzlich von Bebauung frei halten wollte.
Ferner kommt ein Sonderfall des § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO voraussichtlich bereits
deshalb nicht in Betracht, weil bei einer Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 2
LBO gebotenen Mindesttiefe der Abstandsfläche nachbarliche Belange im Sinne
des § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO regelmäßig erheblich beeinträchtigt werden (dazu VGH
Bad.-Württ., Urteil vom 06.04.2010 - 8 S 1529/08 -, juris).
64 Auf diesen Abstandsflächenverstoß kann sich die Antragstellerin als Eigentümerin
des angrenzenden Grundstücks, demgegenüber die Abstandsfläche einzuhalten
gewesen wäre, berufen.
III.
65 Kommen nach gegenwärtigem Sachstand dem von der Antragstellerin gegen die
hier streitgegenständliche Baugenehmigung erhobenen Widerspruch hinreichende
Erfolgsaussichten zu, überwiegt bei der gebotenen Abwägung der gegenläufigen
Vollzugsinteressen das Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung, um eine
weitere Verfestigung der nach summarischer Prüfung gegenwärtig
baurechtswidrigen Bebauung der Nachbargrundstücke zu verhindern. Soweit die
Beigeladene Ziff. 1 in ihrem Schriftsatz vom 28.06.2013 geltend macht, die
Antragsgegnerin werde die Begründung des Bebauungsplans überarbeiten, in
eine erneute Abwägung eintreten und den Satzungsbeschluss erneut fassen,
sodass im Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung alle Bedenken der Kammer
ausgeräumt sein werden, mag dem so sein. Die beschließende Kammer hat der
Prognose des Ausgangs des Widerspruchsverfahrens aber die im Zeitpunkt ihrer
Entscheidung geltende Rechtslage zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung
dieser, insbesondere der Bebauungspläne Nr. 1-65.1 und Nr. 1-62 erscheint ein
Erfolg der Antragstellerin im Widerspruchsverfahren aber wahrscheinlicher als ein
Misserfolg. Auch die mit dem Baustop verbundenen wirtschaftlichen Folgen für die
Beigeladene Ziff. 1 rechtfertigen für sich genommen nicht, dass das Recht des
Nachbarn dem Interesse des bis zur Bestandskraft auf eigenes Risiko bauenden
Bauherrn weichen müsste.
C.
66 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO in
Verbindung mit § 100 ZPO.
67 Billigem Ermessen im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO entspricht es vorliegend,
dass die Beigeladene Ziff. 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Zwar stand
der Umstand, dass die Beigeladene Ziff. 2 als Eigentümerin der südlich an das
Bauvorhaben angrenzenden Grundstücke in einem gegen die Antragsgegnerin
gerichteten, auf Aufhebung der streitgegenständlichen Baugenehmigung
gerichteten Verfahren selbst antragsbefugt wäre, ihrer (einfachen) Beiladung im
vorliegenden Verfahren nicht entgegen (vgl. dazu nur BVerwG, Urteil vom
05.07.1974 - IV C 50.72 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 65 Rn. 2,
m.w.N.), zumal sie rechtzeitig Widerspruch gegen die streitgegenständliche
Baugenehmigung eingelegt hat. Diese Stellung als einfach Beigeladene kann
nach billigem Ermessen jedoch nicht dazu führen, dass sie kostenrechtlich
günstiger steht als dies bei einem von ihr angestrengten Verfahren der Fall
gewesen wäre. In jenem Verfahren aber wäre eine Erstattung ihrer
außergerichtlichen Kosten voraussichtlich nicht in Betracht gekommen, da sie wohl
unterlegen wäre. Dies gilt ungeachtet der Frage, inwieweit die Beigeladene Ziff. 2
bereits infolge der Rücknahme der Einwendungen durch die Voreigentümer der
Grundstücke Flst.-Nrn. ee und ff gehindert gewesen wäre, sich gegen das
genehmigte Vorhaben zur Wehr zu setzen. Denn ihr Antrag wäre voraussichtlich in
der Sache in Ermangelung der Verletzung nachbarschützender Normen
abzuweisen gewesen. Zwar ist der Bebauungsplan Nr. 1-65.1 wohl unwirksam; die
angefochtene Baugenehmigung hält auf Grundlage des dann anwendbaren
Bebauungsplans Nr. 62-1, wie sich aus den Ausführungen unter B.II.3.2 ergibt, die
erforderliche Abstandsfläche gegenüber dem Grundstück FlstNr. dd nicht ein,
weshalb sie sich objektiv-rechtlich als rechtswidrig erweisen dürfte. Auf diesen
Rechtsverstoß hätte sich jedoch die Beigeladene Ziff. 2 als Eigentümerin der
südlich angrenzenden Grundstücke in einem eigenen Antragsverfahren nicht mit
Erfolg berufen können. Auf die Überschreitung der auf den Grundstücken Flst.Nrn.
aa und bb südlichen Baugrenze kann sich die Beigeladene Ziff. 2, nachdem sie
von diesen Grundstücken durch das nicht in ihrem Eigentum stehende Grundstück
Flst.-Nr. cc getrennt ist, voraussichtlich ebenfalls nicht berufen können. Schließlich
ergibt sich aus den Akten nicht mit der für das Eilverfahren erforderlichen
Deutlichkeit, das durch das auf den Grundstücken Flst.-Nrn. aa und bb genehmigte
Gebäude die erforderlichen Abstandsflächen auch zur Grenze ihrer Grundstücke
Flst.Nrn. ee und ff nicht eingehalten wären; hierauf beruft sich die Beigeladene Ziff.
2, die im Wesentlichen auf die durch die genehmigte Bebauung auftretenden
Schwierigkeiten für die Anfahrbarkeit der Grundstücke und die Stellplatz- bzw.
Garagennutzung verweist, auch selbst nicht. Hätte die Beigeladene Ziff. 2 folglich
mangels Verletzung in eigenen schützenswerten Rechten mit einem eigenen
gegen die Baugenehmigung vom 01.09.2011 gerichteten Antrag voraussichtlich
keinen Erfolg gehabt, entspricht es billigem Ermessen, dass sie in diesem
Verfahren, auch wenn die gerichtliche Entscheidung ihren Interessen entspricht,
ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
D.
68 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in
Verbindung mit Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.