Urteil des VG Freiburg vom 16.12.2016

jugend und sport, zahl, wohnung, hausaufgaben

VG Freiburg Urteil vom 16.12.2016, 4 K 2807/15
Leitsätze
Eine Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ermächtigt regelmäßig zur Betreuung
von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern. § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII formuliert insoweit ein
Regel-Ausnahmeverhältnis in der Weise, dass - im Hinblick auf eine Einschränkung der sich aus Art. 12 Abs. 1
Satz 2 GG ergebenden Berufsfreiheit der Betreuungsperson und auch zur Sicherung eines hinreichenden
Angebots an Betreuungsplätzen - eine Beschränkung auf weniger als fünf Kinder nur im besonderen Einzelfall
möglich ist, wenn ein sachlicher Grund dafür vorliegt und die Einschränkung verhältnismäßig ist.
Aus der Sicherheitscheckliste für Räumlichkeiten in der Kindertagespflege des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend können sich keine Einschränkungen hinsichtlich der Zahl der zu betreuenden
Kinder ergeben. Dabei handelt es sich nur um fachliche Empfehlungen, denen keine (rechts-)gestaltende
Wirkung zukommt.
Ebenso wie bei der grundsätzlichen Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege
handelt es sich auch bei der Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis, die (nur) zur Kindertagespflege
von weniger als 5 gleichzeitig anwesenden fremden Kindern befugt, um eine gebundene Maßnahme, sie ist
nicht in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt.
Dass eine Dreizimmerwohnung mit einer Fläche von 72 m² allein schon wegen der Größe nicht geeignet ist,
stellt bereits vom Ansatz her keinen tauglichen Maßstab dar.
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Pflegeerlaubnis für fünf gleichzeitig anwesende Tageskinder
und drei Sharingplätze, jeweils für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres, zu erteilen.
Der Bescheid des Landratsamts Tuttlingen vom 24.09.2015 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts
Tuttlingen vom 29.10.2015 werden (insoweit) aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt ¼, der Beklagte ¾ der Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII ohne
Beschränkungen hinsichtlich der Zahl und des Alters der betreuten Kinder.
2 Die Klägerin verfügt über eine 72,04 m² große Wohnung, bestehend aus Wohnzimmer (20,41 m²), zwei
Schlafzimmern (14,95 und 13,39 m²), Küche (7,56 m²), Bad (4,75 m²), Flur (6,04 m²), Abstellraum (1,19 m²)
und Loggia. Sie bewohnt diese zusammen mit ihrer derzeit 13-jährigen Tochter, welche die Schule besucht.
3 Mit Bescheid des Beklagten vom 25.06.2015 (VAS 41) wurde der Klägerin eine bis zum 31.05.2020 gültige
Erlaubnis zur Kindertagespflege für bis zu zwei gleichzeitig anwesende Kinder ab dem vierten Lebensjahr in
ihrer Wohnung erteilt.
4 Auf ihren Antrag vom 18.09.2015 (VAS 44) wurde der Klägerin nach mehrfacher Besichtigung der
Örtlichkeiten und Gesprächen mit Bescheid des Beklagten vom 24.09.2015 (VAS 45) eine bis zum
31.08.2020 gültige Erlaubnis zur Kindertagespflege für bis zu drei gleichzeitig anwesende Kinder und zwei
weitere Kinder im Platzsharing, insgesamt also für fünf Tageskinder ab dem vierten Lebensjahr in ihrer
Wohnung erteilt.
5 Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 07.10.2015 Widerspruch ein (VAS 46), den sie im
Wesentlichen damit begründete, dass sie ein schlüssiges Konzept habe, wie sie mit bis zu fünf Kindern
gleichzeitig eine gute Betreuung durchführen könne. Sie begehre eine Pflegerlaubnis für fünf gleichzeitig
anwesende Kinder ab dem vierten Lebensjahr im Platzsharing mit drei weiteren Kindern. Die Realität einer
Tagesmutter sehe in den meisten Zeiten so aus, dass Tagesmütter lediglich Randzeiten betreuten. Im Schnitt
betreue sie jedes Kind eine bis zwei Stunden pro Tag. Auch wenn sie voraussichtlich nur selten fünf Kinder
gleichzeitig betreuen werde, brauche sie diese Erlaubnis, da sich im Betreuungsalltag immer wieder
Überschneidungen mit mehreren, also bis zu fünf Kindern ergeben könnten.
6 Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2015 (VAS 47) wies das Landratsamt Tuttlingen den Widerspruch
zurück. Die Eignungsüberprüfung habe insbesondere hinsichtlich der Vorhaltung kindgerechter
Räumlichkeiten ergeben, dass seitens der Klägerin kein ausreichendes Raumangebot für die Betreuung von
mehr als drei gleichzeitig anwesenden Kindern vorgehalten werde. Die räumlichen Gegebenheiten ließen ein
angemessenes Platzangebot, den erforderlichen Bedarf an Ruhe- bzw. Rückzugsmöglichkeiten sowie Platz
für die erforderliche Erledigung von Hausaufgaben vermissen. Zur Sicherstellung einer angemessenen
Betreuungsqualität für die Kinder sei die Pflegeerlaubnis der Klägerin im Rahmen der landesweiten
Qualitätsstandards, welche für den Beklagten maßgeblich seien, insoweit zu begrenzen, dass diese befugt
sei, maximal drei gleichzeitig anwesende Kinder zu betreuen. Weitere zwei Kinder dürften im Rahmen eines
Platzsharings betreut werden, sofern die Betreuungszeiten so arrangierbar seien, dass es zu keinen
Überschneidungen komme, welche dazu führten, dass mehr als drei Kinder gleichzeitig anwesend seien. Da
sich die räumlichen Gegebenheiten nicht geändert hätten, könne einer Erweiterung auf insgesamt acht
Betreuungsplätze nicht zugestimmt werden. Die Begrenzung der Betreuungsplätze erfolge ausschließlich
aufgrund der räumlichen Gegebenheiten und stelle die persönliche Eignung der Klägerin nicht in Frage.
7 Am 02.12.2015 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Sie
bewohne zusammen mit ihrer Tochter eine gut geschnittene 72 m² Wohnung. Vormittags sei sie Betreuerin
in der verlässlichen Grundschule, wo sie mit zwei Kolleginnen zusammen für etwa 80 Kinder da sei. Deshalb
falle ihre Tagesmuttertätigkeit in die Mittags- und Nachmittagsstunden. Die Realität einer
Tagesmutterbetreuung sei die Randzeitenbetreuung in der Mittagspause und nach Kindergarten- oder
Schulende und umfasse nur wenige Stunden am Tag. Innerhalb dieser wenigen Stunden würde es nur zu
einer kurzfristigen gemeinsamen Betreuung aller fünf Kinder kommen, etwa über die Mittagspause.
8 Die Klägerin beantragt,
9
den Bescheid des Landratsamts Tuttlingen vom 24.09.2015 und dessen Widerspruchsbescheid vom
29.10.2015 aufzuheben, soweit darin keine Pflegeerlaubnis für die Betreuung von fünf Kindern gleichzeitig
zuzüglich drei Kinder im Platzsharing erteilt wird, und den beklagten Landkreis zu verpflichten, eine
unbeschränkte Pflegeerlaubnis zu erteilen.
10 Der Beklagte beantragt,
11 die Klage abzuweisen.
12 Zur Begründung trägt er vor: Die Klägerin habe im Rahmen der Eignungsüberprüfung mehrfach den Hinweis
erhalten, dass ihr Wohnraum nicht für die Betreuung von mehr als drei gleichzeitig anwesenden Kindern
geeignet sei und ihr daher aus fachlicher Sicht auch keine darüber hinausgehende Pflegeerlaubnis erteilt
werden könne. Auch komme derzeit die Betreuung von Kindern unter drei Jahren im Haushalt der Klägerin
nicht in Betracht, da die hierfür erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen nicht erfüllt seien. Nach einer neuen
Sicherheitscheckliste für Räumlichkeiten in der Kindertagespflege des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend sei für die Betreuung von mehr als zwei gleichzeitig anwesenden Tageskindern
ein Wohnraum von mehr als 60 m² erforderlich. Nach dieser Richtlinie wäre der Wohnraum der Klägerin
lediglich für zwei Tagespflegekinder geeignet, entgegenkommenderweise werde aber eine Ausweitung auf
drei gleichzeitig anwesende Kinder für vertretbar gehalten. Die Zimmer seien nicht gegenseitig einsehbar.
Eine dauerhafte Mitbenutzung des Zimmers der Tochter der Klägerin im Rahmen der Kindertagespflege
kollidiere mit dem Autonomie- und Rückzugsbedürfnis eben dieser. Der Hauptbetreuungsort beschränke sich
auf das 21 m² große Wohn-/Esszimmer. Hausaufgaben, Spielen, Bewegung, Basteln und Malen, Essen und
Trinken, Toben, Ausruhen, Schlafen sowie Rückzug müssten zwangsläufig in diesem Raum stattfinden. Dies
dürfte bereits seine Begrenzung im Spielen finden, da Kinder unterschiedlicher Altersgruppen ganz
unterschiedliche Spielmaterialien benötigten und ein völlig unterschiedliches Spielverhalten praktizierten.
Ferner würden sich durch die Spielsituation und fehlende räumliche Differenzierungsmöglichkeiten massive
Kollisionen mit der Hausaufgaben- und Lernsituation für bereits schulpflichtige Kinder wie auch einem
vorhandenen Schlaf- und Ruhebedürfnis bei jüngeren Kindern ergeben. Auch dürfte eine konzentrierte
Erledigung von Hausaufgaben oder aber sonstiger schulbezogener Förderungen kaum möglich sein, während
andere Tagespflegekinder im selben Zimmer spielten oder sogar herumtobten. Die Verdichtung einer
Betreuung von fünf gleichzeitig anwesenden Tagespflegekindern unterschiedlicher Altersstufen auf einen
Raum von 21 m² werde nach Abwägung aller damit verbundenen Sachverhalte als nicht zur Erfüllung des
Förderauftrages ausreichend gesehen.
13 Mit Bescheid vom 07.06.2016 (VAS 83) wurde der Klägerin die Sondererlaubnis zur Betreuung eines
weiteren, namentlich bezeichneten - mithin eines vierten - gleichzeitig anwesenden Tageskindes erteilt.
14 Mit Beschluss vom 17.11.2016 - 4 K 2466/16 - hat die Kammer einen Antrag der Klägerin, im Wege einer
einstweiligen Anordnung den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Pflegeerlaubnis für die gleichzeitige
Betreuung von bis zu fünf Kindern bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache erteilen, wegen
Vorwegnahme der Hauptsache abgelehnt.
15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten, eines von der Klägerin vorgelegten Fotobuchs über die Örtlichkeiten sowie der dem Gericht
vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe
16 Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der Bescheid des
Beklagten vom 24.09.2015 und dessen Widerspruchsbescheid vom 29.10.2015 ist rechtswidrig, soweit
diese Einschränkungen hinsichtlich der Zahl der betreuten Kinder ab dem vierten Lebensjahr beinhalten.
Insoweit wird die Klägerin auch in ihren Rechten verletzt (113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat
Anspruch auf Erteilung einer Kindertagespflegeerlaubnis für bis zu fünf Kinder (und drei Sharing-Plätze) ab
dem vierten Lebensjahr (§ 113 Abs. 5 VwGO).
17 Nach § 43 Abs. 1 SGB VIII bedarf eine Person, die - wie hier - ein Kind oder mehrere Kinder außerhalb des
Haushalts des Erziehungsberechtigten während eines Teils des Tages und mehr als 15 Stunden wöchentlich
gegen Entgelt länger als drei Monate betreuen will, der Erlaubnis. Nach § 43 Abs. 2 SGB VIII ist die Erlaubnis
zur Kindertagespflege zu erteilen, wenn die Person für die Kindertagespflege geeignet ist. Geeignet sind
Personen, die sich durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit
Erziehungsberechtigten und anderen Tagespflegepersonen auszeichnen und über kindgerechte
Räumlichkeiten verfügen.
18 Die Klägerin ist unstreitig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VIII sowohl hinsichtlich ihrer Person, Ausbildung als
auch grundsätzlich hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten geeignet. Sie hat damit - auch
das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis.
19 Eine Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ermächtigt regelmäßig zur Betreuung
von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern. § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII formuliert insoweit
ein Regel-Ausnahmeverhältnis in der Weise, dass - im Hinblick auf eine Einschränkung der sich aus Art. 12
Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Berufsfreiheit der Betreuungsperson und auch zur Sicherung eines
hinreichenden Angebots an Betreuungsplätzen - eine Beschränkung auf weniger als fünf Kinder nur im
besonderen Einzelfall möglich ist, wenn ein sachlicher Grund dafür vorliegt und die Einschränkung
verhältnismäßig ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.02.2013 - 12 A 56/13 -, juris, Rdnr. 23 ff.; VG
Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2012 - 19 K 959/11 -, juris, Rdnr. 37 ff.).
20 § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII sieht zwar vor, dass im Einzelfall die Erlaubnis für eine geringere Zahl von
Kindern erteilt werden kann. Ein derartiger Einzelfall liegt jedoch bei der Klägerin nicht vor. Eine
Einschränkung der Zahl der Kinder ist zulässig, wenn sachliche Gründe bestehen und die Einschränkung
verhältnismäßig ist. Ob ein Grund von der Behörde zu Recht herangezogen wird, unterliegt dabei voller
verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Denn ebenso wie bei der grundsätzlichen Entscheidung über die
Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege handelt es sich auch bei der Entscheidung über die Erteilung
einer Erlaubnis, die (nur) zur Kindertagespflege von weniger als fünf gleichzeitig anwesenden fremden
Kindern befugt, um eine gebundene Maßnahme; sie ist nicht in das Ermessen der zuständigen Behörde
gestellt (OVG NRW, Beschluss vom 25.02.2013 - 12 A 56/13 -, juris, Rdnrn. 2, 11, 29).
21 Schon vom Ansatz her kann sich aus der Sicherheitscheckliste für Räumlichkeiten in der Kindertagespflege
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend keine zwingende Einschränkung
hinsichtlich der Zahl der zu betreuenden Kinder ergeben. Dabei handelt es sich zunächst nur um fachliche
Empfehlungen, denen keine (rechts-)gestaltende Wirkung zukommt. Insbesondere im Hinblick auf die
bundesrechtlich geregelte Zahl der Kinder, die eine Tagespflegeperson betreuen darf, kommt die generelle
verbindliche Festlegung eines anderen, wenn auch fachlich empfohlenen Betreuungsschlüssels nicht in
Betracht (vgl. zu Empfehlungen der Deutschen Liga für das Kind und der Bundesarbeitsgemeinschaft der
Landesjugendämter VG München, Urteil vom 27.10.2010 - M 18 K 10.446 -, juris, Rdnr. 19; vgl. so auch
DIJuF Rechtsgutachten vom 14.10.2015, Das Jugendamt 2016, 20; vgl. Urteil der Kammer vom 16.12.2016 -
4 K 1913/14 -). Im Übrigen stellt die Sicherheitscheckliste aber auch schon nach ihrem Wortlaut nicht allein
auf eine etwaige Mindestgröße einer Wohnung ab. Sie besagt in ihrem Punkt „Die Größe der Wohnung
entspricht der Anzahl der zu betreuenden Kinder“ (vgl. Sicherheitscheckliste S. 3, GAS 93 [97]) vielmehr,
dass bei einer gleichzeitigen Betreuung von mehr als zwei gleichzeitig anwesenden Tageskindern der
Wohnraum 60 m² oder größer oder mindestens in drei Räume aufgeteilt sein sollte; Letzteres ist aber bei
der Klägerin grundsätzlich der Fall. Des Weiteren führt sie aus: „Meist ist nicht die Größe selber, sondern die
Aufteilung und die Nutzbarkeit der Wohnung wichtig: ausreichend Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten,
ausreichend Platz für Spiel und Bewegung“.
22 Diese Kriterien entsprechen auch der Rechtslage. Nach Ziff. 1.2.d) der auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 1
des Kindertagesbetreuungsgesetzes - KiTaG - vom 19.03.2009 (GBl. S. 161) erlassenen
Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport zur Kindertagespflege vom 12.12.2013
(GABl. 2013, S. 650) kann eine Einschränkung im Hinblick auf das Wohl der Kinder insbesondere dann
erfolgen, wenn die Räume nur für die Betreuung einer geringeren Zahl von Kindern geeignet sind. Dies
kann zwar grundsätzlich einen sachlichen Grund für eine Einschränkung darstellen (vgl. VG München, Urteil
vom 27.10.2010 - M 18 K 10.446 -, juris, Rdnr. 19). Ob dieser von der Behörde zu Recht herangezogen
wird, unterliegt dabei allerdings voller verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Dass eine
Dreizimmerwohnung mit einer Fläche im Falle der Klägerin von 72 m² allein schon wegen der Größe nicht
geeignet ist, stellt demnach bereits vom Ansatz her keinen tauglichen Maßstab dar (vgl. eine Beschränkung
verneinend bei 86 m² VG Ansbach, Urteil vom 05.05.2011 - AN 14 K 10.02588 -, juris, Rdnr. 29 f.;
verneinend bei 76 m² VG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2012 - 19 K 959/11 -, juris, Rdnr. 45).
23 Nach diesen Maßstäben ist zur Überzeugung der Kammer eine Beschränkung der Zahl der durch die Klägerin
gleichzeitig betreuten Kinder durch den Beklagten hier sachlich nicht gerechtfertigt.
24 Der Beklagte stellt insoweit im Wesentlichen zunächst darauf ab, dass die Zimmer in der Wohnung der
Klägerin nicht gegenseitig einsehbar seien. Dies ist zwar zutreffend, wird aber im gewissen Umfang
sicherlich in jeder Mehrzimmerwohnung der Fall sein. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Plans
(GAS 199) besteht im Übrigen aber jedenfalls auch von der Diele aus die Möglichkeit, sämtliche Zimmer ohne
größeren Aufwand einzusehen.
25 Nicht zu folgen vermag die Kammer auch dem Vorbringen, dass eine dauerhafte Mitbenutzung des Zimmers
der Tochter der Klägerin im Rahmen der Kindertagespflege mit dem Autonomie- und Rückzugsbedürfnis eben
dieser kollidiere, so dass sich der Hauptbetreuungsort sich (lediglich) auf das 21 m² große Wohn-/Esszimmer
beschränke, und dass die Verdichtung einer Betreuung von fünf gleichzeitig anwesenden Tagespflegekindern
unterschiedlicher Altersstufen auf einen Raum von 21 m² nach Abwägung aller damit verbundenen
Sachverhalte nicht zur Erfüllung des Förderauftrages ausreichend sei. Denn die Klägerin hat hinsichtlich der
zur Verfügung stehenden Fläche dargelegt, dass ihre Tochter derzeit die achte Klasse einer Schule besuche,
um 07.15 Uhr das Haus verlasse und auch an zwei Wochentagen nachmittags die Schule besuche. Das erste
Betreuungskind komme ab 12.30 Uhr zu Hausaufgaben und Essen, das zweite und dritte Kind kämen
zeitlich gestaffelt später, das vierte Kind komme nach Schulende erst kurz vor 16.00 Uhr. Das letzte Kind
gehe regelmäßig um 17.00 Uhr; bei Spätschicht der Eltern auch mal später und werde dann von der Klägerin
nach Hause gebracht. Die Klägerin hat des Weiteren in der mündlichen Verhandlung überzeugend
ausgeführt, dass eine gleichzeitige Anwesenheit von derzeit vier Kindern selten sei, diese seien höchstens
einmal eine Stunde zusammen. Dass diese Überschneidungen zeitlich eher den Ausnahmefall darstellen
dürften, lässt sich insoweit auch nach einer vorliegenden Übersicht Platzsharing (VAS 79 f.) nachvollziehen.
Nach dem weiteren Vortrag der Klägerin sei ihre Tochter selbständig, mache ihre Hausaufgaben auch mal am
Abend und fühle sich wohl mit den Kindern. Insoweit erscheint eine Mitnutzung des Zimmers der Tochter
der Klägerin im Rahmen der Betreuungstätigkeit der Klägerin durchaus möglich, da die Tochter aufgrund
ihres Schulbesuchs einerseits schon vom Ansatz her nur zeitweilig anwesend ist und sich diese andererseits
im Falle ihrer Anwesenheit, welche sich auch nur zeitweilig mit der Anwesenheit von gleich mehreren
Tageskindern überschneiden dürfte, durch die Anwesenheit der Kinder auch in ihrem Zimmer jedenfalls
derzeit ersichtlich nicht gestört fühlt.
26 Vor dem Hintergrund, dass auf dieser Grundlage ein Betrieb mit vier gleichzeitig anwesenden Tageskindern
aktuell problemlos verläuft, ist nicht ersichtlich, weshalb dies bei fünf Kindern nicht auch möglich sein sollte,
wenn diese die Tagespflege wie bisher organisiert. Die Kammer traut der Klägerin dies auch deshalb zu weil
sie schon seit 2011 in der Kinderbetreuung an einer Schule tätig ist und dort in einem Raum 20 Kinder
betreut, sie demnach über reichlich Betreuungserfahrung verfügen dürfte.
27 Zusammenfassend ergibt sich daher für das Gericht die Überzeugung, dass die Klägerin eine für fünf
Tagespflegekinder ausreichende Wohnfläche zur Verfügung hat und diese Fläche entsprechend dem Konzept
der Klägerin auch kindgerecht zur Verfügung steht. Da sich keine Anhaltspunkte ergeben und der Beklagte
Entsprechendes auch nicht vorgetragen hat, dass die von der Klägerin geübte Praxis ihres Umgangs mit den
Tagespflegekindern gegen Kriterien verstößt, die in § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII genannt sind, ist es
dem Beklagten auch nicht gestattet, eigene, andere pädagogische Vorstellungen unmittelbar über eine
Beschränkung der Erlaubnis im Hinblick auf die Anzahl der zu betreuenden gleichzeitig anwesenden,
fremden Kinder im Sinne des § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII durchzusetzen.
28 Die Kammer teilt allerdings die Einschätzung des Beklagten, dass derzeit die Betreuung von Kindern unter
drei Jahren im Haushalt der Klägerin nicht in Betracht kommt, da die hierfür erforderlichen
Sicherheitsvorkehrungen noch nicht erfüllt sind. Insoweit fehlt es insbesondere auch nach den Lichtbildern
in dem von der Klägerin vorgelegten Fotobuch an Fenstersicherungen und auch an einem Herdschutzgitter
in der Küche. Diese Einrichtungen sind aber gerade bei kleineren Kindern erforderlich. Insoweit war die
Klage daher abzuweisen.
29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 188
Satz 2 VwGO).
30 Es besteht kein Anlass, das Urteil wegen der Kostenentscheidung gem. § 167 Abs. 2 VwGO für vorläufig
vollstreckbar zu erklären.
31 Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO für eine Zulassung der Berufung durch das
Verwaltungsgericht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO sind nicht gegeben.