Urteil des VG Freiburg vom 28.07.2014

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VG Freiburg Beschluß vom 28.7.2014, 4 K 1554/14
Verwaltungsrechtsweg: Durchsuchung einer Wohnung im Zusammenhang mit
einer Sicherstellung oder einer Verwaltungsvollstreckung im Rahmen des
Waffenrechts
Leitsätze
Für die richterliche Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung im Zusammenhang
mit einer Sicherstellung oder einer Verwaltungsvollstreckung im Rahmen des
Waffenrechts ist - mangels einer abdrängenden Sonderzuweisung - in Baden-
Württemberg nicht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, sondern gemäß §
40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
Rechtsgrundlage für eine Durchsuchungsanordnung zum Zweck der (sofortigen)
Sicherstellung von Waffen nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG ist die spezielle
(bundesrechtliche) Ermächtigungsgrundlage in § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG. Danach
kommt es in diesen Fällen auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine
Durchsuchungsanordnung nach den §§ 5 und 6 LVwVG nicht an.
Die waffenrechtliche Sicherstellung ist eine waffenrechtliche Grundverfügung (bzw.
Standardmaßnahme), mit der der Waffenbesitzer verpflichtet wird, die Waffen
herauszugeben. Sie ist (noch) keine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung,
sondern nur Grundlage einer ggf. erforderlichen Vollstreckung nach Maßgabe des
(Landes )Verwaltungsvollstreckungsgesetzes.
Tenor
Die Durchsuchung der Wohnräume des Antragsgegners im Anwesen ...-Straße ..., ...
L., einschließlich sämtlicher Nebenräume zum Zweck der Sicherstellung der im
Bescheid der Antragstellerin vom 20.06.2014 unter Nr. 2 näher beschriebenen
Waffen, das heißt eines Dolches und eines Samurai-Schwerts, wird angeordnet. Dem
von der Antragstellerin mit der Sicherstellung beauftragten Bediensteten wird gestattet,
verschlossene Haus- und Zimmertüren zu öffnen.
Diese Durchsuchungsanordnung tritt spätestens am 30.10.2014 außer Kraft.
Die Antragstellerin wird mit der Zustellung dieses Beschlusses vor Beginn der
Durchsuchung im Wege der Amtshilfe beauftragt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1 Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume
des Antragsgegners ist zulässig und begründet.
2 Für die richterliche Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung im
Zusammenhang mit einer Sicherstellung oder einer Verwaltungsvollstreckung im
Rahmen des Waffenrechts ist in Baden-Württemberg nicht der Rechtsweg zu den
ordentlichen Gerichten eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art (vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom
06.03.2002 - 6 K 368/02 -, juris; im Erg. ebenso VG Freiburg, Beschluss vom
02.06.2008 - 1 K 590/08 -, juris, und VG Sigmaringen, Beschluss vom 24.02.2005 -
7 K 301/05 -, juris; zur vergleichbaren Rechtslage in Bayern: OLG München,
Beschluss vom 04.09.2012, NVwZ-RR 2013, 78, m.w.N. auch zur Rspr. des Bayer.
VGH; anders zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen: OLG Hamm, Beschluss vom
10.08.2010, NVwZ-RR 2010, 921), für die das Landesrecht keine
Sonderzuweisung enthält. Namentlich liegt eine Sonderzuweisung nach den §§ 40
Abs. 1 Satz 2 VwGO und 31 Abs. 5 PolG nicht vor, weil es hier nicht um eine
Durchsuchung nach § 31 PolG geht.
3 Rechtsgrundlage für die von der Antragstellerin beantragte
Durchsuchungsanordnung ist hier die spezielle (bundesrechtliche)
Ermächtigungsgrundlage in § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG (siehe hierzu VG
Sigmaringen, Beschluss vom 24.02.2005, a.a.O.). Nach dieser Vorschrift kann die
zuständige Behörde Erlaubnisurkunden sowie die in den Absätzen 2 und 3 (des §
46 WaffG) bezeichneten Waffen oder Munition sofort sicherstellen - 1. - in Fällen
eines vollziehbaren Verbots nach § 41 Abs. 1 oder 2 WaffG oder - 2. - soweit
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder Munition
missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden
sollen. Zu diesem Zweck sind die Beauftragten der zuständigen Behörde
berechtigt, die Wohnung des Betroffenen zu betreten und diese nach Urkunden,
Waffen oder Munition zu durchsuchen; Durchsuchungen dürfen nur durch den
Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die zuständige Behörde angeordnet
werden; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) wird
insoweit eingeschränkt. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine
aufschiebende Wirkung.
4 Die Voraussetzungen dieser Norm liegen hier vor. Die Verfügung unter Nummer 1.
im Bescheid der Antragstellerin vom 20.06.2014 stellt ein Besitz- und
Erwerbsverbot im Sinne von § 41 Abs. 1 WaffG dar. Dieses Besitz- und
Erwerbsverbot ist auch vollziehbar und zwar sowohl deshalb, weil die
Antragstellerin unter Nummer 3. des zuvor genannten Bescheids den Sofortvollzug
angeordnet hat, als auch voraussichtlich deshalb, weil der Antragsgegner nach
dem Inhalt der der Kammer vorliegenden Akten gegen den Bescheid der
Antragstellerin vom 20.06.2014, dem eine ordnungsgemäße
Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, innerhalb eines Monats seit seiner
Zustellung - laut Postzustellungsurkunde am 21.06.2014 - keinen Widerspruch
erhoben hat und dieser Bescheid damit voraussichtlich bestandskräftig geworden
ist.
5 Danach durfte die Antragstellerin gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG die zuvor
genannten Waffen, das heißt den unter Nummer 2. des Bescheids der
Antragstellerin näher bezeichneten Dolch und das Samurai-Schwert, beim
Antragsgegner, wie im Bescheid vom 20.06.2014 unter Nummer 3. geschehen,
nach Ablauf der ihm bis zum 08.07.2014 gesetzten Frist sicherstellen. Die
waffenrechtliche Sicherstellung ist eine waffenrechtliche Grundverfügung (bzw.
Standardmaßnahme), mit der der Waffenbesitzer verpflichtet wird, die Waffen
herauszugeben. Sie ist (noch) keine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung,
sondern nur Grundlage einer ggf. erforderlichen Vollstreckung nach Maßgabe des
(Landes-)Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (vgl. hierzu VG Freiburg, Beschluss
vom 02.06.2008, a.a.O.). Auch diese Sicherstellung ist gemäß § 46 Abs. 4 Satz 3
WaffG (kraft Gesetzes) sofort vollziehbar (siehe hierzu Beschluss der Kammer vom
14.06.2012 - 4 K 914/12 -, juris, und VG Freiburg, Beschluss vom 02.06.2008,
a.a.O., jew. m.w.N.).
6 Die von der Antragstellerin beantragte Durchsuchung der Räume des
Antragsgegners ist geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig.
Nach den aktenkundigen Vorgängen vom 08.01.2014, vom 04.04.2014 und vom
13.05.2014 ist ernsthaft zu befürchten, dass der psychisch offensichtlich nicht
unerheblich beeinträchtigte Antragsgegner sich selbst oder andere mit den sich
noch in seinem Besitz befindlichen Waffen, dem Dolch und dem Samurai-Schwert,
gefährdet. Im Hinblick darauf erscheint eine Durchsuchung der Wohn- und
sonstigen Räume des Antragsgegners zum Zweck der Sicherstellung dieser
Waffen verhältnismäßig. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der
Zweck der Sicherstellung, das heißt die Herausgabe der oben genannten Waffen,
bereits erreicht wäre oder sich gezeigt hätte, dass er durch eine Sicherstellung
nicht erreicht werden kann. Denn offensichtlich ist der Antragsgegner noch im
Besitz dieser Waffen.
7 Angesichts der speziellen Regelungen in § 46 Abs. 4 WaffG kommt es auf das
Vorliegen der Voraussetzungen für eine Durchsuchungsanordnung nach den §§ 5
und 6 LVwVG hier nicht an.
8 Die Wirksamkeit der Durchsuchungsanordnung ist zeitlich zu befristen (BVerfG,
Beschluss vom 27.05.1997, NJW 1997, 2165). Dabei erscheint eine Befristung bis
zum 30.10.2014 erforderlich, aber auch ausreichend.
9 Von einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass der
Durchsuchungsanordnung war hier abzusehen, um den Zweck der Durchsuchung
nicht zu gefährden. Die Beauftragung der Antragstellerin mit der Zustellung dieses
Beschlusses beruht auf § 14 VwGO (VG Freiburg, Beschluss vom 02.06.2008,
a.a.O., m.w.N.).
10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.