Urteil des VG Freiburg vom 29.01.2014

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VG Freiburg Urteil vom 29.1.2014, 2 K 79/13
Personenkreis des § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, er sei rechtlich gehindert, als
Nachrücker Mitglied des Kreistags zu werden.
2 Der 1955 geborene Kläger ist Verwaltungsmitarbeiter am Empfang (Pforte) im „...
Klinikum“ in ..., einem Eigenbetrieb des ... Kreises. Bei der Wahl zum Kreistag des
Ortenaukreises im Jahr 2009 hatte er für die Partei „...“ zunächst ohne Erfolg
kandidiert, war aber nach dem Ergebnis der Wahl als zweiter Nachrücker
vorgesehen. Dieser Fall trat im September 2012 nach dem Tod des
Mandatsinhabers der Partei und Ablehnung der Mandatsausübung durch den
Nächstberufenen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 5 LKrO ein.
3 Nach Anhörung des Klägers erließ der Beklagte unter dem 23.10.2012 folgende
Verfügung: „Der Kreistag des ... Kreises hat in seiner Sitzung vom 23.10.2012
festgestellt, dass bei Ihnen ein Hinderungsgrund nach § 24 Abs. 1 Nr. 1a der
Landkreisordnung (LKrO) vorliegt und Sie somit nicht in den Kreistag des ...
Kreises nachrücken können“. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger
als Pförtner beim ... Klinikum ... Arbeitnehmer des Landkreises sei; dies sei ein
Hinderungsgrund nach § 24 Abs. 1 Nr. 1a LKrO. Zwar gelte der Hinderungsgrund
nach § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO nicht für Arbeitnehmer, die überwiegend körperliche
Arbeit leisteten. Der Kläger, der als Pförtner für die Telefonvermittlung des ganzen
Hauses zuständig und Anlauf- und Auskunftsstelle für Besucher und Patienten sei,
das Kassenbuch der Pforte führe, Telefonabrechnungen der Patienten erstelle
sowie Zeitungen und Post in die Postfächer verteile, verrichte aber keine
überwiegend körperliche Arbeit. Der Aufgabenschwerpunkt liege eindeutig bei den
Tätigkeiten „Telefonvermittlung und -auskunft sowie Anlauf-/Auskunftsstelle für
Besucher und Patienten“ (über 70 %). Alle anderen Tätigkeiten seien von der
zeitlichen Inanspruchnahme deutlich untergeordnet.
4 Hiergegen legte der Kläger am 16.11.2012 Widerspruch ein und betonte,
überwiegend körperliche Arbeit zu verrichten. Ungeachtet dessen verstoße § 24
LKrO aber auch gegen Art. 137 GG.
5 Mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 18.12.2012 wurde der Widerspruch
zurückgewiesen. Zur Begründung wurden die bisherigen Ausführungen zur Frage,
ob der Kläger Arbeitnehmer sei, der überwiegend körperliche Arbeit verrichte,
wiederholt und vertieft. Im Übrigen wurde ausgeführt, dass die Beschränkung des
§ 24 LKrO durch Art. 137 GG gedeckt sei.
6 Der Kläger hat am 17.01.2013 Klage erhoben. § 24 LKrO verstoße gegen Art. 137
Abs. 1 GG. Das passive Wahlrecht werde durch § 24 LKrO unverhältnismäßig und
verfassungswidrig eingeschränkt. Es sei auch § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO zu
berücksichtigen, wonach der Hinderungsgrund des § 24 Abs. 1 Nr. 1a LKrO nicht
gelte, wenn der Arbeitnehmer eine überwiegend körperliche Arbeit ausübe. Eine
solche Differenzierung dürfte als sachgerecht anzusehen sein, da Arbeitern -
anders als Angestellten - keine Entscheidungsbefugnisse zustünden. Sie stünden
zwar im Dienst der Exekutivgewalt, übten aber keine leistungsbezogene
Verantwortung aus, weshalb mit Blick auf Art. 137 Abs. 1 GG von der
Verhinderung einer Gefahrensituation für die Gewaltenteilung auszugehen sei. Er
sei als Pförtner der Gruppe der Arbeitnehmer zuzuordnen, die überwiegend
körperliche Arbeit leisteten. Unter „Verrichten“ seien in der Regel die sichtbaren
Bewegungen einer Arbeitsperson bei der Ausübung einer Tätigkeit zu verstehen.
Für seine Tätigkeit ergebe sich daraus: Telefonhörer abheben und auflegen, Briefe
befördern, Briefe sortieren, Pakete heben und legen, verschiedene Tastaturen
drücken, technische Anlagen bedienen usw. Hierbei handele es sich um
körperliche Tätigkeiten im eigentlichen Sinne, denn er benötige hierfür seine
Hände. Das Ergebnis eines Testbogens von der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin
zeige im Übrigen, dass es sich bei seiner Tätigkeit um eine körperliche
Beanspruchung handele.
7 Der Kläger beantragt,
8
den Bescheid des beklagten Landkreises vom 23.10.2012 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 18.12.2012 aufzuheben.
9 Der Beklagte beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11 Zur Begründung führt er aus, der Kreistag sei oberstes Kontrollorgan des
Landkreises und damit auch des Eigenbetriebes. Ziel des Art. 137 GG sei es
gerade zu verhindern, dass die Kontrolleure der Verwaltung durch
Personalunionen sich selbst kontrollierten.
12 Die Verfassungsmäßigkeit des § 24 LKrO a. F. sei rechtlich geklärt. § 24 LKrO n. F.
verwende im Vergleich zur alten Fassung nunmehr die neue Bezeichnung
Arbeitnehmer. Damit habe der Gesetzgeber keine Rechtsänderung herbeiführen
wollen, sondern lediglich redaktionell auf das neue Tarifrecht vom 01.10.2005
reagiert, bei dem die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern
weggefallen sei. Die Bezeichnung „Angestellte des öffentlichen Dienstes“ in Art.
137 Abs. 1 GG sei nicht verfassungsrechtlich determiniert mit der Folge, dass für
die Begriffsbestimmung die Konkretisierungen des öffentlichen Dienstrechtes
maßgeblich seien. Aufgrund der Änderungen im öffentlichen Dienstrecht sei als
Reaktion des Landesgesetzgebers folgerichtig der neue Satz 2 eingefügt worden,
um die Norm verfassungskonform mit Art. 137 GG zu gestalten.
13 Dass der Kläger nicht überwiegend körperlich arbeite, ergebe sich aus der
Tätigkeitsbeschreibung. Desweiteren sei anzuführen, dass in der noch geltenden
Anlage 1a zum BAT Verwaltungsmitarbeiter am Empfang (Pförtner) bei
Kommunalen Verwaltungen und Betrieben in Verwaltungsbehörden mit starkem
Publikumsverkehr, die in größerem Umfange Auskünfte zu erteilen hätten, für
welche die Kenntnis der Zuständigkeit nicht nur der Dienststelle, bei der sie
beschäftigt seien, erforderlich sei, im Angestelltenverhältnis geführt würden. Diese
Beschreibung treffe in Umfang und Art auf die Tätigkeiten der
Verwaltungsmitarbeiter am Empfang in den Dienstgebäuden des Ortenaukreises
zu. Dass der Kläger nicht überwiegend körperlich arbeite, könne auch wie folgt
verdeutlicht werden: Das Bundessozialgericht habe bezüglich des Berufsbildes
des Verwaltungsmitarbeiters am Empfang (Pförtner) dargelegt, dass zu
unterscheiden sei, ob lediglich einfache Pförtnertätigkeiten oder „qualifizierte“
Tätigkeiten vorlägen. Ein Versicherter mit dem bisherigen Beruf des Facharbeiters
dürfe auf die Tätigkeit eines sogenannten „gehobenen“ oder „qualifizierten“
Pförtners, d. h. der eines Pförtners, der über die übliche Pförtnertätigkeit hinaus in
nicht unerheblichem Umfang mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt werde oder
Fernsprechvermittlungsdienst mit mehr als einem Amtsanschluss leiste, verwiesen
werden. Der gehobene Pförtner übe in einem größeren Betrieb auch regelmäßig
eine wichtige Funktion aus, die oft eine längere Einarbeitung, Einübung und
Bewährung voraussetze. Außer erheblichen beruflichen Kenntnissen und
Fertigkeiten habe der gehobene Pförtner über Autorität, Gewandtheit und sicheres
Auftreten sowie über besondere Zuverlässigkeit zu verfügen. Diese
Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Kläger, der laut
seinem Arbeitsvertrag vom 23.05.1977 als Angestellter eingestellt worden sei,
habe seit 1977 als Krankenpfleger gearbeitet. Er habe im August 1981 die
Stationsleitung übernommen, und sie aufgrund seiner Freistellung als Personalrat
ab Februar 1996 wieder aufgegeben. Seither habe er wieder als Krankenpfleger
gearbeitet. Im März 2009 habe seine Arbeitsunfähigkeit begonnen; er sei nach §
38 TVÖD leistungsgemindert und könne nur noch leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten ausüben. Beim Arbeitsgericht habe man auf seine Klage auf
Beschäftigung an einem leidensgerechten Arbeitsplatz einen Vergleich
abgeschlossen. Dem Kläger sei danach die Tätigkeit an der Pforte zugewiesen
worden.
14 Die Kammer hat mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17.12.2012
- 2 S 2299/12 - den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit der Anordnung des Sofortvollzugs
versehene Feststellung des Kreistags vom 23.10.2012 abgelehnt. Die dagegen
eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 19.03.2013 - 1 S 75/13 - zurückgewiesen.
15 Dem Gericht liegen die Akten des Beklagten (2 Hefte), die Akten des Verfahrens
des vorläufigen Rechtsschutzes - 2 K 2299/12 - und die Gerichtsakten des
Hauptsacheverfahrens vor. Auf den Inhalt dieser Akten und die gewechselten
Schriftsätze wird wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
I.
16 Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber nicht begründet.
17 Die Verfügung des beklagten Landkreises vom 23.10.2012 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 18.12.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger
nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat zu Recht
festgestellt, dass beim Kläger ein Hinderungsgrund nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a,
Satz 2 LKrO besteht (Ziffer 1.). Auch ist § 24 LKrO mit der grundgesetzlichen
Ermächtigungsnorm des Art. 137 Abs. 1 GG vereinbar (Ziffer 2.).
18 1. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a LKrO besagt, dass Arbeitnehmer des Landkreises
nicht Kreisräte sein können. Gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO findet Satz 1 auf die
Arbeitnehmer, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten, keine Anwendung.
19 Der Kläger ist als Pförtner im ... Klinikum in ..., einem Eigenbetrieb des Beklagten,
aufgrund eines Dienstvertrages nach §§ 611 ff. BGB beschäftigt und steht in einem
gewissen Grad in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Landkreis (vgl.
VGH Bad.-WÜrtt. Beschluss vom 19.03.2013 - 1 S 75/13 -, juris; VGH Bad.-Württ.,
Urteil vom 01.04.1982 - 1 S 1485/81 -, VBlBW 1983, 80; Beschluss vom
07.05.1996 - 1 S 2988/95 -, juris). Damit ist er im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1a LKrO Arbeitnehmer des Landkreises.
20 Entgegen der Auffassung des Klägers ist er nicht dem Personenkreis des § 24
Abs. 1 Satz 2 LKrO zuzurechnen. Denn die ihm obliegenden Arbeiten sind nicht
überwiegend körperlicher Art, vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO. Die Abgrenzung
zwischen den Arbeitnehmern, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten, und
den übrigen Arbeitnehmern ist nach den herkömmlichen Grundsätzen des
bürgerlichen Rechts und des Arbeitsrechts - wie sie im Bereich der Differenzierung
zwischen Arbeitern und Angestellten entwickelt wurden - vorzunehmen.
Überwiegend mechanische und manuelle Tätigkeiten werden danach den
Arbeitern zugeordnet. Büromäßig oder kaufmännisch - auch ohne Vorbildung - zu
erledigende Arbeiten, sind Kriterien, die für geistige Tätigkeiten sprechen, und die
daher den Angestellten ausmachen (vgl. Faiß, Landkreisordnung für Baden-
Württemberg, Stand April 2012, § 24 Ziffer1; vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom
01.04.1982, a,a.O. und Beschluss vom 07.05.1996, a.a.O., zu § 24 LKrO a.F. bzw.
§ 29 GemO a.F.).
21 Diesen Maßgaben zufolge liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers nicht im
Bereich der körperlichen Arbeit. Der Kläger ist unter anderem zuständig für die
Telefonvermittlung des ganzen Klinikums, er ist Anlauf- und Auskunftsstelle für
Besucher und Patienten, er ist zuständig für die Führung des Kassenbuchs der
Pforte, er erledigt die Telefonabrechnungen der Patienten und verwaltet bzw. gibt
die Rufempfänger aus. Angesichts des starken Publikumsverkehrs im Klinikum
sind außerdem besondere Kenntnisse der Zuständigkeiten innerhalb (und
gegebenenfalls auch außerhalb) der Beschäftigungsstelle erforderlich. Dies alles
sind geistige - büromäßige - Tätigkeiten, die nach der Verkehrsanschauung nichts
mit dem „einfachen“ Pförtner „an der Schranke“ gemein haben. Demgegenüber ist
eine überwiegend körperliche Arbeit nicht etwa schon deshalb anzunehmen sein,
weil der Kläger außerdem für die Verteilung und das (Vor)Sortieren von Briefen
und Zeitungen zuständig ist und im Rahmen seiner Tätigkeit bei der
Entgegennahme und dem Versand von Paketen diese auch heben und tragen
muss (vgl. bereits VG Freiburg, Beschluss vom 17.12.2012 - 2 K 2299/12 -; VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 19.03.2012 - 1 S 75/13 -, juris). Auch wenn geistige
Arbeit oft mit manuellen Tätigkeiten einhergeht, kann daraus allein nicht der
Schluss gezogen werden, es liege eine körperliche Arbeit vor. Dies gilt vorliegend
gerade für die Bedienung des Telefons bzw. der technischen Anlagen (u.a.
Telefonanlage). Die vom Kläger vorgenommene isolierte Betrachtung einzelner
vorgeschalteter Hilfstätigkeiten zur Erledigung der eigentlichen Aufgabe
„Telefonvermittlung“ ist dabei nicht geeignet, seine Tätigkeit insgesamt als
überwiegend körperliche Arbeit einzustufen (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom
17.12.2012, a.a.O. und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.03.2013, a.a.O.),
zumal er auch im Klageverfahren keine durchgreifenden Gesichtspunkte dargelegt
hat, aus welchen Umständen die aufgeführten Arbeiten des Beförderns von
Briefen und Hebens von Paketen oder das (An)heben des Telefonhörers den
Schwerpunkt seiner Tätigkeit ausmachende Arbeiten sind. Dies gilt auch, soweit er
unter Berufung auf einen von ihm vorgelegten Test von der Bundesanstalt für
Arbeitsmedizin vorträgt, dass er bei seiner Tätigkeit körperlich beansprucht werde.
Der entsprechende Test ist für die Beantwortung der Frage, ob eine Person
überwiegend körperliche oder geistige Tätigkeiten verrichtet, ungeeignet. Er zielt
vielmehr arbeitsmedizinisch darauf ab, die Belastung des Muskel-Skelett-Systems
mit Blick auf Fehlhaltungen (beispielsweise am Schreibtisch) oder
Falschbelastungen (beispielsweise bei der Computerarbeit) zu untersuchen, um
aus arbeitsmedizinischer Sicht Verbesserungen vorzunehmen. Eine
arbeitsrechtliche Qualifizierung der übertragenen Aufgaben als überwiegend
körperlich oder geistig erfolgt damit nicht.
22 2. Die auf der grundgesetzlichen Ermächtigungsnorm des Art. 137 Abs. 1 GG (vgl.
VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.05.1996 - 1 S 2988/95 -, juris zur
Verfassungsmäßigkeit des § 24 LKrO a.F. mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom
04.04.1978 - 2 BvR 1108/77 -, juris) beruhende Beschränkung des passiven
Wahlrechts in § 24 LKrO steht mit dieser in Einklang. Insbesondere begegnet es
keinen Bedenken, soweit § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO auf das Kriterium der
körperlichen Arbeit abstellt und dadurch im Hinblick auf die begrenzte
Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG, die Inkompatibilitätsregelungen für Arbeiter
nicht zulässt, die herkömmliche - typisierende - Unterscheidung zwischen
Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienstrecht nachzeichnet (vgl. LT-
Drucks. 14/4002, S. 49, 64).
23 Art. 137 Abs. 1 GG bestimmt, dass die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des
öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im
Bund, in den Ländern und den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden
kann.Sinn und Zweck von Art. 137 GG ist es, die Trennung zwischen Exekutive
und Legislative zu verwirklichen und aufrechtzuerhalten und damit zu verhindern,
dass durch Personalunion die Kontrolleure der Verwaltung sich selbst
kontrollieren, insofern sie zugleich Aufgaben und Verantwortung innerhalb der
Verwaltung wahrnehmen (BVerfG, Beschluss vom 21.01.1975 - 2 BvR 193/74 -,
juris). So soll der Gefahr von Entscheidungskonflikten und Verfilzungen
entgegengewirkt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21.01.1975, a.a.O. und
vom 05.06.1998 - 2 BvL 2/97 - BVerfGE 98, 145; BVerwG, Beschluss vom
26.08.2004 - 2 B 31.04 - Buchholz 11 Art. 137 GG Nr. 2; VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 19.03.2013 - 1 S 75/13 -, juris).
24 Bei der Bestimmung der von der Inkompatibilität betroffenen beruflichen Stellungen
ist dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Insbesondere
kann er die Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG durch generalisierende
Tatbestände ausschöpfen, die an die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktlage
anknüpfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.06.1998, a.a.O.; BVerfG, Beschl. v.
06.10.1981 - 2 BvR 384/81 - BVerfGE 58, 177; BVerwG, Urt. v. 29.07.2002 - 8 C
22.01 - BVerwGE 117, 11). Angesichts der Schwierigkeiten, eine genaue Grenze
festzulegen zwischen solchen Funktionsträgern, deren Tätigkeit sie in den
bezeichneten Interessenkonflikt bringen kann, und solchen, deren Tätigkeit sie
nicht diesem Konflikt aussetzt, ist es dem Gesetzgeber dabei sogar überlassen, in
seiner Regelung bis an die äußerste Grenze der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1
GG zu gehen (so BVerfG, Urteil vom 05.11.1975, a.a.O.). Der Gesetzgeber hat
mithin einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn er von der ihm durch Art. 137
Abs. 1 GG eingeräumten Ermächtigung nicht durch eine diese ausschöpfende
Inkompatibilitätsregelung Gebrauch macht, stattdessen differenzierend vorgeht
und bestimmte Personengruppen von der Unvereinbarkeit von "Amt" und Mandat
ausnimmt. Gleichwohl darf er dabei aber keine willkürlichen oder systemwidrigen
Unterscheidungen treffen (vgl. StGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.07.1981 - GR 2/80 -
VBlBW 1981, 348; OVG Berlin, Urt. v. 18.11.2003 - 4 B 7.03 - juris; insgesamt:
VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.03.2013, a.a.O.).
25 Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs des Angestellten des öffentlichen Dienstes
im Sinne des Art. 137 Abs. 1 GG ist dabei zunächst festzuhalten, dass es keinen in
allen Rechtsgebieten übereinstimmenden Begriff des Angestellten des öffentlichen
Dienstes gibt (so BVerfG, Beschluss vom 21.01.1975 - 2 BvR 193/74 -, juris;
BVerfG, Beschluss vom 04.04.1978 - 2 BvR 1108/77 -, juris). Für Art. 137 Abs. 1
GG ergibt sich die Bedeutung und Reichweite des Begriffs des Angestellten des
öffentlichen Dienstes aus der ratio der Vorschrift (BVerfG, Beschluss vom
21.01.1975, a.a.O.). Welche Personen danach als Angestellte des öffentlichen
Dienstes anzusehen sind, ist demnach nach herkömmlichen Gesichtspunkten
unter besonderer Berücksichtigung der Zweckrichtung des Art. 137 Abs. 1 GG zu
bestimmen. Hieraus folgt, dass die Zuordnung von allgemeinen, dem
Angestelltenverhältnis immanenten, zugleich aber auch für den öffentlichen Dienst
charakteristischen Merkmalen abhängt, und dass gerade diese Eigenart des
Dienstverhältnisses im Hinblick auf die Verwirklichung des Verfassungsprinzips
der Trennung der Gewalten die Möglichkeit einer Unvereinbarkeitsregelung fordert
(BVerfG, Beschluss vom 04.04.1978, a.a.O.).
26 Zwar könnte aus dem Umstand, dass die im einfachen Recht und den
tatsächlichen Verhältnissen vorhandene Unterscheidung zwischen Angestellten
und Arbeitern, von der der Verfassungsgeber 1949 ausgegangen ist, seit
geraumer Zeit erheblich an Bedeutung verloren hat (vgl. BVerfG, Beschl. v.
30.05.1990 - 1 BvL 2/83 - BVerfGE 82, 126, zu unterschiedlichen
Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte), gefolgert werden, dass auch für
die Auslegung des Art. 137 GG diese (frühere) Unterscheidung aufzugeben ist und
dass der Kreis der Personen, für die nach Art. 137 Abs. 1 GG
Inkompatibilitätsbestimmungen erlassen werden dürfen, an Hand der
Wahrscheinlichkeit eines drohenden Interessenkonflikts zwischen Tätigkeit und
Mandat zu bestimmen ist (so Masing, in: Dreier, Komm. z. GG, 2. Aufl., 2008, Art.
137 Rdnr. 11; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.03.2013,
a.a.O.). So ist nämlich die Einordnung als Arbeiter oder Angestellter heute im
Arbeitsrecht praktisch ohne Relevanz, zudem stellen die gestiegenen
Anforderungen an Tätigkeiten von (vormals) Arbeitern in Frage, ob die körperliche
oder geistige Prägung der Arbeit noch ein geeignetes Abgrenzungskriterium ist
(vgl. nur Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl., § 611 BGB Rdnr.
104). Auch eine tarifrechtliche Unterscheidung zwischen Arbeitern und
Angestellten nach Maßgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses erfolgt mit dem
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 01.10.2005 nicht mehr (vgl. Masing, in:
Dreier, GG, 2. Aufl., Bd. III, Art. 137 Rdnr. 11; eingehende Darstellung der
Problematik: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.03.2013, a.a.O.).
27 Einer solchen Auslegung steht aber der Wortlaut des Art. 137 Abs. 1 GG, der
ausdrücklich nur Angestellte des öffentlichen Dienstes erfasst, entgegen. Über
diesen Wortlaut dergestalt hinwegzugehen, dass nicht die Einordnung einer
Person als Angestellter des öffentlichen Dienstes, sondern der Grad der
Wahrscheinlichkeit eines Interessenkonfliktes darüber entscheidet, ob diese
Person einer Inkompatibilitätsregelung unterworfen werden kann, ist auch mit der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren.
Dieses führte in seinem Beschluss vom 04.04.1978 (a.a.O.) aus, dass in der
Aufzählung des Art. 137 Abs. 1 GG die Arbeiter des öffentlichen Dienstes fehlten,
obgleich sich auch hier - besonders im gemeindlichen Bereich - häufig
Fallgestaltungen ergeben würden, die an sich eine Beschränkung der Wählbarkeit
als sachgerecht ausweisen würden. Jedoch habe der Verfassungsgeber bewusst
zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert und so zu erkennen gegeben,
welche Gesichtspunkte innerhalb des öffentlichen Dienstes die Auslösung der
Regelungsbefugnis rechtfertigen und in welchen Grenzen in Auslegung des Art.
137 Abs. 1 GG Angestellten, die durch ihr Dienstverhältnis in einer Beziehung zur
öffentlichen Hand mit der dadurch erhöhten Gefahr von Interessenkonflikten
stehen, eine Wählbarkeitsbeschränkung auferlegt werden kann (BVerfG,
Beschluss vom 04.04.1978, a.a.O.). An diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben
kann aber die Aufgabe der Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten
im einfachen Recht nichts ändern. Denn das einfache Gesetzesrecht kann zwar
für die Auslegung einer Verfassungsbestimmung herangezogen werden und
bestimmte Hinweise liefern, allerdings kann das Verfassungsrecht aus
normhierarchischen Gründen nicht ausschließlich nach Maßgabe des einfachen
Rechts interpretiert werden (v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangold/Klein/Starck,
Komm. z. GG, 6. Aufl., 2010, Art. 137 Rdnr. 20). Schließlich geht auch das
Bundesverfassungsgericht nicht davon aus, dass sämtliche Unterschiede
zwischen den beiden Gruppen - Arbeiter und Angestellte - aufgehoben sind. Es
hat lediglich festgestellt, dass diese Unterschiede nicht gewichtig genug seien,
dass daran beispielsweise unterschiedliche Kündigungsfristen geknüpft werden
könnten (v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Komm. z. GG, 6.
Aufl., 2010, Art. 137 Rdnr. 20). Auch die Kammer vermag nicht festzustellen, dass
trotz einer Nivellierung der Unterschiede zwischen Angestellten im öffentlichen
Dienst und herkömmlich weiter so genannten Arbeitern eine Unterscheidung nach
körperlichen Merkmalen der Arbeitsleistung nicht mehr möglich ist und es einen
„überwiegend körperlich arbeitenden“ Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht
mehr gibt. Der Austausch dieses mit Art. 137 Abs. 1 GG übereinstimmenden
Abgrenzungsmerkmals gegen dasjenige eines Interessenkonfliktes führt hingegen
zur Abkehr vor der jetzigen typisierenden Regelung und zu einer kaum
praktikablen Einzelfallprüfung, die typisierenden Merkmalen nur schwer zugänglich
ist. Die darin liegenden Unsicherheiten werden darüber hinaus noch dadurch
verstärkt, dass auch die Kriterien für die Annahme einer ausreichenden
Wahrscheinlichkeit eines Interessenkonflikts nicht hinreichend bestimmt sind.
28 Aus diesen Erwägungen heraus, vor allem aber im Interesse der Normenklarheit,
ist daher aus Sicht der Kammer im Rahmen des Art. 137 Abs. 1 GG - ungeachtet
der Änderungen im einfachen Recht - an der herkömmlichen - typisierenden -
Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienstrecht
festzuhalten (so Butzer, in: Epping/Hillgruber, Komm. z. GG, 2009, Art. 137 Rdnr. 9;
vgl. auch zum sog. „staatsrechtlichen Angestelltenbegriff“: Stober/Lackner, in:
Bonner Komm. z. GG, Stand: 161. Ergänzungslieferung, Mai 2013, Art. 137 Rdnrn.
322 und 325; v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Komm. z. GG,
6. Aufl., 2010, Art. 137 Rdnr. 20 f.). Durch die Ausnahmeregelung in § 24 Abs. 1
Satz 2 LKrO an Hand des Kriteriums der „Verrichtung überwiegend körperlicher
Arbeit“ wird damit der von Verfassungs wegen zulässigen beschränkten
Wählbarkeit von Angestellten, nicht aber der der Arbeiter, in nicht zu
beanstandender Weise Rechnung getragen (vgl. auch Stober/Lackner, in: Bonner
Komm. z. GG, Stand: 161. Ergänzungslieferung, Mai 2013, Art. 137 Rdnr. 325;
ebenso v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Komm. z. GG, 6.
Aufl., 2010, Art. 137 Rdnr. 21).
29 Der Beklagte ist folglich zu Recht vom Vorliegen eines Hinderungsgrundes nach §
24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a LKrO ausgegangen.
II.
30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
31 Die Berufung wird gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
zugelassen, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 24 LKrO mit Art. 137 GG
grundsätzliche Bedeutung hat.