Urteil des VG Freiburg vom 24.06.2015

öffentlich, staatliche beihilfe, juristische person, aeuv

VG Freiburg Urteil vom 24.6.2015, 2 K 588/14
Rundfunkbeiträge für Erst- und Zweitwohnung
Leitsätze
1. Die Rundfunkbeitragsbescheide des SWR lassen mit hinreichender Bestimmtheit
sowohl ihren Aussteller als auch den festgesetzten Beitrag erkennen.
2. Die Erhebung eines Rundfunkbeitrags ist verfassungsrechtlich zulässig (wie Urt. v.
02.04.2014 - 2 K 1446/13 -).
3. Die Erhebung eines Rundfunkbeitrags auch für eine Zweitwohnung verstößt nicht
gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
4. Die Entstehung der Beitragsschuld allein durch die Verwirklichung des gesetzlichen
Tatbestands (§ 2 Abs. 1 RBStV) verstößt nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des
Art. 19 Abs. 4 GG; eines die Schuld konkretisierenden Beitragsbescheides bedarf es
(zunächst) nicht.
5. Der Rundfunkbeitrag ist keine unzulässige Beihilfe i. S. v. Art. 107 ff. AEUV (wie
OBG NRW, Urt. v. 12.03.2015 - 2 A 2423/14 -).
6. Rundfunkbeiträge unterliegen nicht der Umsatzsteuer.
Tenor
Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird
das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von
Rundfunkbeiträgen für seine Erst- und seine Zweitwohnung.
2 Der Kläger ist - gemeinsam mit seiner Ehefrau - Eigentümer und Bewohner eines
Wohnhauses in U. und zugleich Inhaber einer Ferienwohnung in F. Mit den in
seinem Wohnhaus vorhandenen Rundfunkempfangsgeräten war der Kläger seit
den siebziger Jahren bei der damaligen Gebühreneinzugszentrale als privater
Rundfunkteilnehmer gemeldet. Die zusätzlichen Rundfunkempfangsgeräte in der
Ferienwohnung wurden nach deren Anmietung im Jahr 2009 angemeldet. Bis zum
Außerkrafttreten des Rundfunkgebührenstaatsvertrags zum 31.12.2012 zahlte der
Kläger die für die Geräte in beiden Wohnungen anfallenden Rundfunkgebühren
jährlich im Voraus im Lastschriftverfahren.
3 Nach Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zum 01.01.2013 ließ der
„ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ einen jährlichen Rundfunkbeitrag in
Höhe von 431,62 Euro vom Girokonto des Klägers abbuchen. Dieser Betrag wurde
zurückgebucht, nachdem der Kläger der Abbuchung widersprochen und erklärt
hatte, aufgrund der Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des
Rundfunkbeitrags ohne den vorherigen Erlass eines anfechtbaren
Abgabenbescheides nicht mehr zahlen zu wollen. Für die Rückbuchung fielen
beim Beklagten Rückbuchungskosten in Höhe von 3,90 Euro an.
4 Nach weiterem Schriftverkehr setzte der Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2013
gegenüber dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 31.03.2013 eine
Rundfunkbeitragsschuld für zwei Wohnungen in Höhe von 107,88 Euro sowie eine
Kostenforderung in Höhe von 11,90 Euro fest, die sich aus einem
Säumniszuschlag in Höhe von 8,00 Euro und den Rücklastschriftkosten in Höhe
von 3,90 Euro zusammensetzte.
5 Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch erließ der Beklagte unter dem
22.01.2014 einen Widerspruchsbescheid, in welchem der Säumniszuschlag
aufgehoben und der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen wurde. Der
Widerspruchsbescheid wurde am 30.01.2014 zur Post gegeben.
6 Der Kläger hat am 03.03.2014 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben, zu deren
Begründung er im Wesentlichen vorträgt: Die Erhebung eines
wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags stelle eine Abgabenlast dar, die als
kompetenzwidrige Steuer oder als nicht hinreichend gerechtfertigte Sonderabgabe
zu qualifizieren sei. Denn diese der funktionsgerechten Finanzausstattung der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dienende Abgabe werde in Anknüpfung
an eine gleichheits- und sachwidrige Typisierung bei Wohnungs- und
Betriebsstätteninhabern sowie bei Haltern von Kraftfahrzeugen erhoben, die in
keinem erkennbaren Verantwortungszusammenhang zu der hiermit zu sichernden
Rundfunkfreiheit stünden. Unabhängig davon werde er als Zweitwohnungsinhaber
gleichheitswidrig mit einem weiteren Rundfunkbeitrag belastet. Die Rechtfertigung
der Beitragserhebung durch eine zu vermutende höhere Leistungsfähigkeit des
Zweitwohnungsinhabers scheide aus, weil die Rundfunkbeitragspflicht - mit der
Ausnahme der Befreiung für Sozialhilfeempfänger - nicht an das Maß der
Leistungsfähigkeit des Beitragsschuldners anknüpfe. Die Rechtfertigung durch den
Gedanken der Verwaltungsvereinfachung sei nicht gegeben, weil die Feststellung
der Eigenschaft einer Wohnung als Zweitwohnung vor dem Hintergrund der
Vielzahl an bestehenden Zweitwohnungssteuer- oder Kurtaxesatzungen ohne
großen Verwaltungsaufwand erfolgen könne und die Zahl der Zweitwohnungen mit
bundesweit 1,1 Millionen auch nicht so unbedeutend sei, dass die notwendige
zusätzliche Differenzierung bei der Wohnungsinhaberschaft deshalb außer
Betracht bleiben könne. Zu beanstanden sei auch das
Beitragserhebungsverfahren, nach welchem die - zudem in Bezug auf die Fälligkeit
unklar geregelte - Zahlungspflicht entgegen der sonstigen Regel des
Abgabenrechts auch ohne einen Bescheid gegeben sei, der die Beitragsschuld
des Betroffenen konkretisiere und gerichtlich überprüfbar mache. Dies sei deshalb
mit der Garantie des effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, weil die bloße
Nichtzahlung des Rundfunkbeitrags über einen Zeitraum von mehr als sechs
Monaten ab Fälligkeit über § 12 Abs. 1 RBStV eine Ordnungswidrigkeit darstelle
und der Beitragsschuldner selbst keinen Einfluss darauf habe, ob der Beklagte die
gesetzliche Zahlungspflicht über einen Beitragsbescheid durchsetze, gegen den
dem Schuldner dann der vorläufige Rechtsschutz über § 80 Abs. 5 VwGO offen
stehe, oder ob er auf einen solchen Bescheid verzichte und den Schuldner allein
über die Drohung mit dem Bußgeld zur bescheidlosen Zahlung veranlasse, deren
Rechtmäßigkeit dann nicht in einem Rechtsbehelfsverfahren überprüft werden
könne. Die rechtsstaatlichen Defizite im Erhebungsverfahren machten das
gesamte System der Beitragserhebung nichtig, da nicht ausgeschlossen sei, dass
die Bundesländer, hätten sie diese Defizite erkannt, den
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zumindest in dieser Form nicht geschlossen hätten.
Hinsichtlich der Höhe des Rundfunkbeitrags könne er zwar nicht die - politisch als
überhöht angesehene - Finanzierung der Rundfunkleistungen des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks geltend machen, zu beanstanden sei jedoch, dass die
Beiträge nicht die dort bei zutreffender Beurteilung enthaltenen
Umsatzsteueranteile auswiesen. Zwar gehe der Gesetzgeber in seiner Regelung
des § 2 Abs. 3 S. 1 UStG über den Verweis auf die §§ 1 Abs. 1 Nr. 6 und 4 KStG
davon aus, dass die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur
insoweit der Umsatzsteuer unterliege, als diese gewerblich tätig seien, was im
Einklang mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr
1971 für die Erbringung des beitragsfinanzierten Rundfunkprogramms verneint
werde. Diese Freistellung der Rundfunkbeitragsleistungen von der
Umsatzsteuerpflicht sei jedoch durch die geltende Richtlinie 2006/112/EG des
Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem“ (Mehrwertsteuer-
Systemrichtlinie) überholt, die auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr.
282/2011 des Rates zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie
2006/112/EU über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zumindest hinsichtlich
der hier maßgeblichen Regelungen zur Steuerschuldnereigenschaft in den Rang
einer direkt wirkenden Verordnung gehoben worden sei und deshalb unmittelbar
mit Anwendungsvorrang auch vor dem nationalen Verfassungsrecht gelte. Nach
der deshalb allein maßgeblichen Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-
Systemrichtlinie dürften Umsätze, die von öffentlichen Einrichtungen durch
Tätigkeiten erzielt würden, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen,
dann nicht von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen werden, wenn diese
Nichterhebung der Mehrwertsteuer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen
würde. Dies sei hier - unabhängig davon, dass bereits die Einordnung der
Bereitstellung von Rundfunkprogrammen als „Tätigkeit im Rahmen öffentlicher
Gewalt“ zweifelhaft sei - gegeben. Denn anders als im historischen Ausgangspunkt
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit
ermögliche die technische Entwicklung der Sendekapazität durch Kabel, Internet
und Satellit auch privaten Rundfunkveranstaltern die Teilnahme am Rundfunk,
sodass diese zu den bisher allein existierenden öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten in einem Konkurrenzverhältnis stünden. Dieses
Konkurrenzverhältnis sei zum einen auf dem Markt der Werbeleistungen und zum
anderen - publizistisch - auch in Bezug auf die Zuschauer gegeben. Nicht umsonst
stufe die Europäische Kommission die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks über Rundfunkabgaben - europarechtlich - als staatliche Beihilfe ein,
wobei er zusätzlich davon ausgehe, dass durch den Übergang von der Gebühren-
zur Beitragsfinanzierung eine neue Beihilfe vorliege, für die der mit der
Bundesrepublik im April 2007 gefundene Kompromiss nicht mehr gelte und die der
Notifizierungspflicht nach Art 108 Abs. 3 AEUV unterliege. Für einen relevanten
Wettbewerb zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den
privaten Rundfunkveranstaltern spreche auch, dass der Wissenschaftliche Beirat
beim Finanzministerium in seinem Gutachten zu den Aufgaben und der
Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien vom März 2014 insbesondere unter
Berücksichtigung der Konvergenz der Angebote der Rundfunkanstalten und der
Presseunternehmen im Bereich des Internets von einem solchen ausgehe.
Erbrächten öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und private
Rundfunkveranstalter gleichartige Dienstleistungen, so seien die durch die
fehlende Erhebung von Mehrwertsteuern auf die Rundfunkbeitragseinnahmen der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hervorgerufenen
Wettbewerbsverzerrungen nach der Rechtsprechung des EuGH ohne nähere
Feststellungen allein deshalb anzunehmen, weil mit der Nichterhebung der
Mehrwertsteuern gegen den - der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie zugrunde
liegenden - „Grundsatz der steuerlichen Neutralität“ verstoßen werde. Dies führe
auch zu einer Rechtsverletzung des Beitragszahlers. Denn ohne die Ausweisung
der Mehrwertsteuer in der Rundfunkbeitragszahlung werde den für ihre
Betriebsstätten und -fahrzeuge beitragspflichtigen Unternehmern die sonst nach §
15 UStG gegebene Möglichkeit des Vorsteuerabzugs vorenthalten und diese
damit rechtswidrig endgültig mit der Zahlung auch des Mehrwertsteueranteils am
Rundfunkbeitrag belastet. Die hiermit gegebene Rechtswidrigkeit der
Rundfunkbeitragsfinanzierung schlage dann auch auf die Rechtsposition des
privaten Rundfunkteilnehmers durch, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
Denn auch wenn dieser - wie er selbst - durch die fehlende Erhebung von
Mehrwertsteuern auf die Rundfunkbeiträge in Bezug auf seine eigene Belastung
nicht schlechter stehe als bei einer Erhebung dieser Steuern, so habe die EU-
gleichheitswidrige Behandlung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks über mehrwertsteuerfreie Beiträge und der Finanzierung der privaten
Rundfunkveranstalter über umsatzsteuerpflichtige Werbeeinnahmen
systemübergreifende Bedeutung, die das gesamte Beitragsfinanzierungssystem
erfasse.
7 Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Beitragsbescheid vom
05.07.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2014 insoweit
aufgehoben hat, als dort Rücklastschriftkosten in Höhe von 3,90 Euro festgesetzt
werden, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für
erledigt erklärt.
8 Der Kläger beantragt,
9
den Bescheid des Beklagten vom 05.07.2013 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 22.01.2014 aufzuheben, soweit er nicht erledigt ist.
10 Der Beklagte beantragt,
11 die Klage abzuweisen.
12 Er trägt vor, der angefochtene Beitragsbescheid sei rechtmäßig. Es entspreche der
Rechtsprechung der Verfassungsgerichtshöfe von Rheinland-Pfalz und Bayern
sowie der Kammer und der übrigen Verwaltungsgerichte, dass die
wohnungsbezogenen Rundfunkbeiträge nicht als Steuer zu qualifizieren seien und
deshalb durch den landesrechtlichen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag erhoben
werden könnten. Der Rundfunkbeitrag werde für die Zugangsmöglichkeit des
Zahlungspflichtigen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit nicht - wie eine
Steuer - voraussetzungslos - erhoben. Die Anknüpfung der Beitragspflicht an das
Innehaben einer Wohnung sei eine auch in Hinblick auf den allgemeinen
Gleichheitssatz gerechtfertigte Typisierung, die auf der berechtigten Vermutung
beruhe, dass die Rundfunknutzung typischerweise im Schwerpunkt in der
Wohnung stattfinde und tatsächlich nahezu alle Haushalte über ein
Rundfunkempfangsgerät verfügten, die diesen Empfang auch technisch möglich
machten. Soweit sich der Kläger im Schwerpunkt darauf berufe, dass die
Heranziehung auch der Zweitwohnung zu einem Rundfunkbeitrag eine nicht
gerechtfertigte Gleichbehandlung mit der wohnungsbezogenen
Rundfunkbeitragspflicht für die Hauptwohnung sei, sei dem nicht zu folgen.
Vielmehr sei die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer
Wohnung ohne Unterscheidung von Erst- und Zweitwohnung Folge der
Typisierung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, nach der die Wohnung den
privaten Raum bilde, innerhalb dessen die Möglichkeit des Rundfunkempfangs
regelmäßig im Schwerpunkt in Anspruch genommen werde. Eine weitere
Differenzierung nach der Intensität der Nutzung einer Wohnung könne mit Blick auf
den Verwaltungsaufwand, die Missbrauchsgefahr und den Schutz der
Privatsphäre der Wohnungsinhaber unterbleiben. Dies gelte auch unter
Berücksichtigung der Zweitwohnungssteuersatzungen, die zwar in einer Vielzahl
von Gemeinden, nicht jedoch in allen Kommunen existierten. Im Übrigen könne
man auch davon ausgehen, dass die Mehrbelastung eines Beitragsschuldners,
der mehr als eine Wohnung innehabe, regelmäßig durch eine hiermit
dokumentierte höhere Leistungsfähigkeit gerechtfertigt sei. Schließlich greife auch
das Argument, dass ein Rundfunkteilnehmer nicht an zwei Orten gleichzeitig
Rundfunkprogramme konsumieren könne, nicht durch. Denn abgesehen davon,
dass es für die Beitragspflicht nicht auf die tatsächliche Nutzung und deren
Umfang ankomme, sei es nicht ausgeschlossen, dass in den verschiedenen
Wohnungen gleichzeitig durch unterschiedliche Personen Rundfunkprogramme
empfangen würden. Die verschiedenen Einwendungen des Klägers gegen die
Strukturen des Beitragserhebungsverfahrens seien unerheblich, weil sie auf
Umstände bezogen seien, die die Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Beitragsbescheides nicht berührten. So seien in dem angefochtenen Bescheid
zuletzt weder der Säumniszuschlag noch die Rücklastschriftkosten ausgewiesen,
sodass es auf die Berechtigung des für diese Kosten ursächlichen Verhaltens des
Klägers während des Verwaltungsverfahrens nicht mehr ankomme. Im Übrigen sei
es auch im Bereich des Steuerrechts anerkannt, dass Ansprüche - wie etwa die
Lohnsteuer - durch die bloße Verwirklichung des entsprechenden gesetzlichen
Tatbestands entstünden, ohne dass hier eine Festsetzung durch einen
Verwaltungsakt erforderlich sei. Schließlich werde dem Beitragsschuldner auch
weder der Rechtsschutz insgesamt verweigert noch - entgegen der Grundregelung
des § 80 Abs.5 VwGO - in übermäßiger Weise erschwert. Soweit dem
Beitragsschuldner der Kontostand mitgeteilt werde, liege hierin kein
Verwaltungsakt, sondern ein bloßer Hinweis auf die gesetzlich bestehende
Beitragsschuld. Werde der Rundfunkbeitrag rechtzeitig bezahlt, ergehe zwar weder
ein Festsetzungsbescheid noch ein Hinweis auf die Zahlungspflicht, der
Beitragsschuldner, der von der Rechtswidrigkeit der Beitragspflicht ausgehe,
könne jedoch nach der Zahlung einen Erstattungsantrag stellen und diesen
Anspruch nach Ablehnung der Erstattung gerichtlich im Wege der Leistungsklage
weiterverfolgen. Werde nicht bezahlt, ergehe - bereits im Eigeninteresse der
Rundfunkanstalten, denen nicht verwirklichte Ansprüche als Erträge angerechnet
würden - ein entsprechender Beitragsbescheid, gegen den der Beitragsschuldner
dann - nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens - im Wege
der Anfechtungsklage vorgehen könne. Entgegen der Auffassung des Klägers sei
die Rundfunkbeitragsforderung weiter auch nicht deshalb rechtswidrig, weil
Rundfunkbeiträge der Umsatzsteuerpflicht unterlägen. Denn die
Rundfunkanstalten erfüllten als Anstalten des öffentlichen Rechts einen
gesetzlichen Auftrag und handelten deshalb im Bereich der Rundfunkleistungen
nicht gewerblich. Diese Rechtslage werde auch durch die Mehrwertsteuer-
Systemrichtlinie nicht in Frage gestellt. Denn selbst wenn die Rundfunkanstalten
nach der Regelung des Art. 13 MWStSystRL grundsätzlich als Steuerpflichtige
gelten würden, weil ihre Nichtbehandlung als steuerpflichtig zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führte, wäre die gebührenpflichtige Tätigkeit der
Rundfunkanstalten nach Art 132 Abs. 1 lit. q der MWStSystRL von der
Umsatzsteuerpflicht befreit, weil insoweit eine Tätigkeit mit gewerblichem Charakter
nicht vorliege. Schließlich bestehe auch kein Widerspruch zum Beihilferecht der
Europäischen Union, da es sich bei der Rundfunkfinanzierung über die bisherige -
gerätebezogene - Rundfunkgebühr um eine zulässige bestehende Beihilfe
gehandelt habe und durch die Umstellung auf die Finanzierung durch einen
wohnungsbezogenen - Rundfunkbeitrag keine - europarechtlich relevante -
Änderung des Finanzierungssystems vorgenommen worden sei.
13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des
Verwaltungsvorgangs des Beklagten (1 Heft) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14 1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO
einzustellen.
15 2. Soweit über die Klage in der Sache zu entscheiden war, ist diese zulässig,
jedoch nicht begründet. Der Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom
05.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2014 und der
prozessualen Erklärung zur Festsetzung der Rücklastschriftkosten ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 2.1. Der Beitragsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 5 Satz 1 des
Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV), der über das Zustimmungsgesetz zum
Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung
medienrechtlicher Vorschriften vom 18.10.2011 (GBl. 2011, 477) in den Rang
eines formellen Landesgesetzes erhoben wurde. Hiernach setzt der Beklagte als
für den Wohnort des Klägers zuständige Landesrundfunkanstalt rückständige
Rundfunkbeiträge fest.
17 2.1.1. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig.
18 Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich dem angefochtenen
Beitragsbescheid mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, dass die
Rundfunkbeiträge von der beklagten Rundfunkanstalt und nicht vom
„Beitragsservice ARD, ZDF und Deutschlandradio“ festgesetzt worden sind. Dies
ergibt sich daraus, dass der Beklagte im Kopf des Bescheides genannt ist und
diesen auch mit seiner Bezeichnung im Verfügungstext beendet. Hieran ändert
auch die zusätzliche Nennung des „Beitragsservice ARD, ZDF Deutschlandradio“
auf dem Bescheid mit den Kontaktadressen für Nachfragen und als zusätzlicher
Adressat der Widerspruchseinlegung nichts. Denn nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV
ist ausdrücklich bestimmt, dass jede Landesrundfunkanstalt - und damit auch der
Beklagte - die ihr zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und
Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen
öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-
rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahrnimmt. Das bedeutet, dass trotz
dieser Bündelung von verwaltender und unterstützender Zuarbeit in einer
gemeinsamen Stelle jede einzelne Landesrundfunkanstalt zuständig und
verantwortlich bleibt. Die gemeinsame Stelle ist damit letztlich Teil des Beklagten
(BayVerfGH, Entsch. v. 15.05.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 -, juris Rn. 147).
19 Entgegen der Auffassung des Klägers ist der angefochtene Beitragsbescheid auch
in seinem Tenor hinreichend bestimmt. Es lässt sich ihm nach dem Wortlaut klar
entnehmen, dass rückständige Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom
01.01.2013 bis 31.03.2013 in Höhe von 107,88 Euro festgesetzt werden, zu denen
ursprünglich noch 11,90 Euro Säumnisgebühren und Rücklastschriftkosten
hinzuzurechnen waren. Diese Festsetzung wird auch nicht durch den zur
Erläuterung angefügten „Kontoauszug“ in Frage gestellt. Denn dieser spiegelt die
tatsächlichen Buchungsvorgängen des Beklagten gegenüber dem Kläger wider
und ist damit zumindest unter Berücksichtigung seines Empfängerhorizonts
nachvollziehbar (zur Maßgeblichkeit des objektiven Empfängerhorizonts bei der
Auslegung von Bescheiden vgl. BVerwG, Urt. v. 16.10.2013 - 8 C 21/12 -,
BVerwGE 148, 146). So weist der Kontoauszug zunächst die vom Kläger als
verfahrenswidrig gerügte Rundfunkbeitragsforderung für seine Haupt- und seine
Ferienwohnung im Voraus für das gesamte Jahr 2013 sowie die entsprechende
Forderungsberichtigung durch eine Gutschrift von ¾ des Jahresbetrags aus, deren
Saldo dann die Höhe der für das erste Viertel des Jahres 2013 festgesetzten
Beitragsforderung ergibt.
20 Der hiernach durch Auslegung des Beitragsbescheides hinreichend klaren
Festsetzung der Beitragsschuld steht nicht entgegen, dass der Kläger im Vorfeld
dieser Festsetzung unter dem 03.05.2013 ein Schreiben des „Beitragsservice
ARD, ZDF Deutschlandradio“ erhalten hat, mit dem er auf die Fälligkeit seiner
Rundfunkbeiträge zum 15.05.2013 hingewiesen und zur Zahlung eines Betrages
in Höhe von 219,66 Euro aufgefordert worden war. Denn der Beitragsbescheid
weist hierzu zur Information und „unabhängig von dem (für das erste Quartal 2013)
festgesetzten Beitrag“ darauf hin, dass sich die Beitragsschuld aufgrund der
bescheidunabhängigen Verpflichtung zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen für den
Zeitraum von April 2013 bis Juni 2013 um einen weiteren Betrag in Höhe von
107,88 Euro und einen zum 05.07.2013 entstandenen Säumniszuschlag in Höhe
von 8,00 Euro auf insgesamt 227,66 Euro erhöht habe. Eine rechtlich relevante
Unklarheit darüber, ob die vom Kläger im August 2013 erfolgte Zahlung in Höhe
von 119,78 Euro (nicht wie der Kläger angibt: 219,66 Euro) „auch die mit dem
Bescheid festgesetzte Forderung“ erfasse, besteht insoweit nicht. Vielmehr ist die
Erfüllungswirkung dieser Zahlung nach Maßgabe der - normativ bestimmten -
Verrechnungsregelung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 RBStV i.V.m. § 13 der Satzung des
Beklagten über das Verfahren zur Leistung von Rundfunkbeiträgen vom
03.12.2012 (GBl 2012, 717) zu bestimmen (zur Rechtmäßigkeit der
satzungsrechtlichen Abänderung des Leistungsbestimmungsrecht des Schuldners
nach § 366 Abs. 1 BGB bzw. § 225 Abs. 1 AO in der vergleichbaren Regelung des
§ 4 Abs. 7 RGebStV i.V.m. § 7 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur
Leistung der Rundfunkgebühren i.d.F. v. 17.06.1998 vgl. OVG Bln-Bdbg, Beschl. v.
19.03.2012 - OVG 11 N 27.10 -, juris; OVG NRW, Urt. v. 29.04.2008 - 19 A 1863/06
-, DVBl 2008, 1068; OVG Bln, Urt. v. 19.11.1996 – 8 B 117.96 -, juris).
21 2.1.2. Der Beitragsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.
22 Der Kläger war für den Zeitraum von Januar bis einschließlich März 2013 mit den
für diesen Zeitraum festgesetzten Rundfunkbeiträgen in Höhe von 107,88 Euro im
Rückstand, nachdem er dem Einzug des entsprechenden Betrags durch den
Beklagten ausdrücklich widersprochen und so die Rücklastschrift des bereits
abgebuchten Betrages veranlasst hatte. Dabei war der Kläger als volljähriger
Inhaber zweier Wohnungen im melderechtlichen Sinne nach § 2 Abs. 1 und 2
RBStV auch zu Recht als Schuldner jeweils zweier Rundfunkbeiträge in Anspruch
genommen worden. Die Höhe des für den Dreimonatszeitraum festgesetzten
Rundfunkbeitrags ergibt sich aus § 8 des - ebenfalls im Rang eines formellen
Landesgesetzes geltenden - Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags, der die Höhe
des Rundfunkbeitrags - für den maßgeblichen Zeitraum - auf monatlich 17,28 Euro
bestimmt hatte. Die Fälligkeit der Beitragsforderung für die Monate Januar, Februar
und März trat nach § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV zum 15.02.2013 ein.
23 2.2. Die Kammer muss ihrer Entscheidung die genannten Normen des
Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zugrunde legen, ohne zuvor über Art. 100 Abs. 1
GG i.V.m. § 80 BVerfGG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Vereinbarkeit der Regelung des § 2 Abs. 1 RBStV mit den Regelungen des
Grundgesetzes einzuholen. Denn die Kammer konnte unter Auseinandersetzung
mit den jeweils einschlägigen Rechtsauffassungen in Literatur und
Rechtsprechung nicht die hierfür notwendige Überzeugung von der
Unvereinbarkeit der Regelung zur Erhebung eines wohnungsbezogenen
Rundfunkbeitrags mit den Vorschriften des Grundgesetzes gewinnen.
24 2.2.1. So sind zum einen bislang weder in der landesverfassungsgerichtlichen
Judikatur (Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Entsch. v. 13.05.2014- VGH B
35/12 -, juris; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entsch. v. 15.05.2014 - Vf. 8-
VII-12, Vf. 24-VII-12 -, juris) noch in der sonstigen verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der
Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zum wohnungsbezogenen
Rundfunkbeitrag geäußert worden (vgl. hierzu zuletzt etwa OVG NRW, Urt. v.
12.03.2015 - 2 A 2423/14 -, DVBl 2015, 705 ff; VG Düsseldorf, Urt. v. 03.03.2015 -
27 K 9590/13 -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 10.12.2014 - 14 K 395/14 -; VG Minden,
Urt. v. 19.11.2014 - 11 K 3920/13 -, VG Arnsberg, Urt. v. 20.10.2014 - 8 K 3353/13
-; VG Köln, Urt. v. 16.10.2014 - 6 K 7041/13 -; VG Stuttgart, Urt. v. 01.10.2014 - 3 K
4897/13 -; VG Greifswald, Urt. 12.08.2014 - 2 A 621/13 -; VG Hamburg, Urt. v.
17.07.2014 - 3 K 5371/13 -; VG Osnabrück, Urt. v. 01.04.2014 - 1 A 182/13 -; VG
Bremen, Urt. v. 20.12.2013 - 2 K 605/13 - sowie VG Potsdam, Urt. v. 18.12.2013 -
VG 11 K 2724/13 -, alle jew. juris).
25 2.2.2. Zum anderen hat die Kammer überzeugende Einwendungen gegen die
Grundgesetzmäßigkeit des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags auch nicht
aufgrund einer eigenen und umfassenden Prüfung formulieren können. Insoweit
verweist die Kammer in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO auf
ihr - einen vergleichbaren Sachverhalt betreffendes - Urteil vom 02.04.2014 - 2 K
1446/13 -, welches den Beteiligten bekannt ist. Hiernach ist der
wohnungsbezogene Rundfunkbeitrag nicht als Steuererhebung im Sinne des Art.
105 GG anzusehen, die dann aufgrund einer fehlenden Möglichkeit der Zuordnung
zu einer der in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten außerhalb der
entsprechenden Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder
stünde. Ebenso wenig stellt er eine besondere (nichtörtliche) Verbrauchs- oder
Aufwandssteuer dar, die durch eine entsprechende abschließende Regelung des
Bundes zu dieser Steuerart dem Steuerfindungsrecht der Länder entzogen wäre.
Der nach § 2 Abs. 1 RBStV erhobene (wohnungsbezogene) Rundfunkbeitrag ist,
im Gegenteil, eine nichtsteuerliche Abgabe, deren Erhebung damit in die
allgemeine Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Sachregelung des
Rundfunks fällt. Denn diese Abgabe wird beim Wohnungsinhaber nach dem
Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung als Gegenleistung für die
typischerweise innerhalb der Wohnung genutzte Möglichkeit erhoben, die
Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu empfangen. Bei der Erhebung
und Bemessung des Rundfunkbeitrags nach § 2 Abs. 1 RBStV sind auch nicht die
Anforderungen missachtet worden, die sich allgemein aus der Begrenzungs- und
Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung nach Art. 104a ff. GG
ergeben. Die Erhebung eines Rundfunkbeitrags ist durch die
Finanzierungsgarantie zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besonders
sachlich gerechtfertigt und dient nicht, wie die Erhebung von Steuern, der
Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen
Gemeinwesens. Über die Rundfunkbeiträge wird die finanzielle Vorsorge dafür
getroffen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein quotenunabhängiges
Programm anbieten kann, das den im Rahmen der dualen Rundfunkordnung allein
über die privaten Rundfunkanbieter nicht gewährleisteten, verfassungsrechtlichen
Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht und das
sich gleichzeitig einer möglichen Einflussnahme des Haushaltsgesetzgebers auf
das Programm bei der Zuweisung der Finanzmittel weitgehend entzieht. Hinzu
kommt die Rechtfertigung der Beitragserhebung durch die Ausgleichsfunktion der
Rundfunkabgabe, die auf den (zumindest potentiellen) Vorteil der Möglichkeit des
Beitragsschuldners zur individuellen Nutzung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunkangebots bezogen ist. Die tatbestandliche Anknüpfung der
Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung beruht auf der sachgerechten
Erwägung, dass das Programmangebot den Rundfunks zwar grundsätzlich von
jedem und überall im Sendegebiet empfangen werden kann, dass aber die
Nutzung vornehmlich in der Wohnung erfolgt. Soweit die Weite des Kreises der
Abgabenpflichtigen unter dem Gesichtspunkt der Annäherung der
Rundfunkfinanzierung an eine - grundsätzlich der Steuerfinanzierung vorbehaltene
- Gemeinlast problematisch erscheint, ist dem entgegenzuhalten, dass sich das
Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwar grundsätzlich an die
Allgemeinheit richtet, eine Steuerfinanzierung dieses Angebots jedoch im Hinblick
auf die Budgetbindung von Steuereinnahmen und die damit gegebene Nähe der
Mittelzuweisung an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an die politische
Entscheidungsgewalt des Haushaltsgesetzgebers zur verfassungsrechtlich
geforderten Staatsferne der Rundfunkfinanzierung in Widerspruch tritt. Insofern
schließen die für den Bereich der Rundfunkfinanzierung bestehenden strukturellen
Besonderheiten eine missbräuchliche Umgehung der sonst über die
Finanzverfassung gezogenen Grenzen der nichtsteuerlichen Finanzierung von
Staatsaufgaben sowohl in Bezug auf den Grundsatz der Vollständigkeit des
Haushalts als auch in Hinblick auf die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen
aus.
26 Die nach § 2 Abs. 1 RBStV für den privaten Bereich getroffene Regelung der
gesamtschuldnerischen Haftung aller volljährigen Wohnungsinhaber auf eine
wohnungsbezogene Rundfunkgebühr ist weiter auch mit dem allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Denn die hierin liegende
Anknüpfung der Beitragspflicht an die Typisierung einer Nutzung des öffentlich-
rechtlichen Rundfunkprogramms durch die in einer Wohnung zusammenlebenden
Personen ist trotz der in der Lebenswirklichkeit anzutreffenden Verschiedenheit der
tatsächlichen Rundfunknutzung sachlich hinreichend gerechtfertigt. Es ist
angesichts des dem Gesetzgeber gerade bei der Erhebung einer Abgabe in einem
Massenverfahren eingeräumten weiten Gestaltungsraums nicht zu beanstanden,
dass die Abgabenpflicht weder nach dem tatsächlichen Willen des Einzelnen zur
Nutzung des Rundfunkprogramms noch nach der Art der Rundfunknutzung
differenziert. Vielmehr stellt es eine plausible und realitätsgerechte Erwägung dar,
wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die mit dem Merkmal der Wohnung
umfasste Personengruppe eines Haushalts, etwa eine Familie oder eine
Wohngemeinschaft, hinsichtlich der Rundfunknutzung oder -nutzungsmöglichkeit
eine Gemeinschaft bildet, in der sich die unterschiedlichen Nutzungsarten und -
gewohnheiten ausgleichen. Gleichzeitig beugt die Typisierung gleichheitswidrigen
Erhebungsdefiziten oder Umgehungen der Beitragspflicht vor, wie sie durch
weitere Differenzierungen zwangsläufig hervorgerufen würden und nach dem
bisherigen Modell der Anknüpfung an das Bereithalten eines Empfangsgeräts im
großen Maße hervorgerufen wurden. Sie verhindert damit eine Benachteiligung der
Rechtstreuen und dient einer größeren Abgabengerechtigkeit.
27 2.2.3. Soweit der Kläger über die vorgenannten Aspekte hinaus weitere
Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der - ihn betreffenden -
Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags erhebt, greifen diese nicht durch:
28 2.2.3.1. So verstößt die Erhebung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags in
§ 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 RBStV nicht deshalb gegen das Grundrecht auf
Gleichbehandlung in Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Regelung nicht zwischen Haupt-
und Zweitwohnungen unterscheidet, sondern für jede Wohnung je ein
Rundfunkbeitrag anfällt.
29 Die Erhebung eines Rundfunkbeitrags für jede vom Beitragspflichtigen selbst
bewohnte Wohnung folgt zunächst unmittelbar aus der - sachlich für sich
gerechtfertigten - Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer
Wohnung als der abgeschlossenen Raumeinheit, in der - bei typisierender
realitätsgerechter Betrachtung - der beitragspflichtige Nutzungsvorteil der
Rundfunkempfangsmöglichkeit regelmäßig und im Schwerpunkt abgerufen wird.
Diese typisierende gesetzliche Annahme, dass der Rundfunkempfang
typischerweise in einer Wohnung stattfindet, die damit einen geeigneten
Anknüpfungspunkt für die auf die Nutzungsmöglichkeit bezogene
Beitragserhebung darstellt, trifft auch für Zweitwohnungen grundsätzlich zu. So
wenig es hierbei auf die tatsächliche Nutzung oder den Grad der
Nutzungsintensität ankommt, so wenig war der Gesetzgeber des
Rundfunkbeitragsstaatsvertrags verpflichtet, von der an die Anzahl der vom
Beitragspflichtigen bewohnten Wohnungen anknüpfenden Vervielfachung der
Beitragsschuld abzusehen oder diese etwa nach der Nutzungsintensität der
Wohnungen abzustufen (vgl. BayVerfGH, Entsch. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a.,
DVBl 2014, 848 juris Rn. 116; OVG NRW, Urt. v. 12.03.2015 - 2 A 2423/14 -, juris
Rn 115 ff; VG Hamburg, Urt. v. 17.07.2014 - 3 K 5371/13 -, juris Rn 46 ff, a. A.
Korioth / Koemm, DStR 2013, S. 833, 837 – Befreiung für Zweitwohnungen ist
vorzusehen). Zwar hätte der Gesetzgeber eine solche Regelung treffen können.
Dies hätte dann jedoch die Ermittlung erfordert, welche von mehreren Wohnungen
eines Beitragsschuldners von diesem als Haupt- und welche als Zweitwohnung
genutzt wird. Dabei hätte er - wie der Beklagte zutreffend ausführt - nicht in allen
Fällen auf eine entsprechende Einstufung von Zweitwohnungen etwa über
Kurtaxe- oder Zweitwohnungssteuerbescheide der jeweiligen Kommunen
zurückgreifen können. Denn solche Regelungswerke bestehen nicht
flächendeckend in allen Gemeinden. Ein erhöhter Ermittlungsaufwand wäre aber
auch dann gegeben gewesen, wenn der Rundfunkbeitrag - unabhängig von der
Anzahl der selbst bewohnten Wohnungen und der Einstufung derselben als Erst-
oder Zweitwohnung - von jedem Wohnungsinhaber nur einmal gefordert werden
würde. Denn in einem solchen Fall bleibt die erhöhte Gefahr bestehen, dass die
Beitragspflicht durch unzutreffende oder unvollständige Angaben wie etwa durch
die unzutreffende Ausweisung einer Wohnung als Zweitwohnung eines
Familienmitglieds umgangen würde.
30 An der hiermit gegebenen Rechtfertigung der Gleichbehandlung aller Wohnungen
als Anknüpfungspunkt für die Erhebung eines Rundfunkbeitrags ist - anders als
nach der Ansicht des Klägers - auch vor dem Hintergrund der vom Kläger zitierten
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zweitwohnungssteuer (Beschl.
v. 15.01.2014 - 1 BvR 1656/09 -, BVerfGE 135, 126 ff) festzuhalten. Zwar hat das
Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung bestätigt, dass eine ungleiche
steuerliche Belastung nicht allein durch den Finanzbedarf des Staates oder eine
knappe Haushaltslage gerechtfertigt werden kann und eine Rechtfertigung durch
Belange der Verwaltungsvereinfachung nur insoweit zulässig ist, als die Vorteile
der Vereinfachung in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlich
ungleichen Wirkung einer Abgabenerhebung stehen müssen (a.a.O. juris Rn 73
und 78 f). Diese Rechtsprechung betrifft jedoch ausdrücklich den Bereich der
Besteuerung, der - anders als die hier gegebene Rundfunkbeitragsregelung - im
Grundsatz dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit
verpflichtet ist und von dem im konkreten Fall - ebenfalls anders als bei der
Erhebung eines Rundfunkbeitrags für jede vom Beitragspflichtigen bewohnte
Wohnung - über degressive (statt lineare oder progressive) Steuersätze über
Zweitwohnungen abgewichen worden war (sinkender prozentualer Steuersatz bei
steigendem jährlichen Mietaufwand).
31 2.2.3.2 Soweit der Kläger die Vereinbarkeit des allgemeinen Verfahrens zur
Erhebung der Rundfunkbeiträge ohne jeweils erforderlichen Bescheid mit dem
Rechtsstaatsprinzip und der Garantie des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19
Abs. 4 GG bezweifelt, braucht die Kammer dem schon deshalb nicht
nachzugehen, weil der Kläger gegen einen förmlichen Bescheid vorgeht, mit dem
seine Rundfunkbeitragspflicht festgesetzt worden ist.
32 Unabhängig davon kann ein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19
Abs. 4 GG - entgegen der Auffassung des Klägers - aber auch nicht darin gesehen
werden, dass die Rundfunkbeitragsschuld allein durch die Verwirklichung des
gesetzlichen Tatbestands etwa des § 2 Abs. 1 RBStV entsteht und (zunächst)
gegenüber dem Beitragsschuldner geltend gemacht wird, ohne dass insoweit ein
die Beitragsschuld konkretisierender Abgabenbescheid ergangen wäre. Denn
abgesehen davon, dass ein solcher - dann rechtsbehelfsfähiger - Bescheid nach §
10 Abs. 5 RBStV dann erlassen wird, wenn der Beitragsschuldner seiner
gesetzlichen Zahlungspflicht nicht nachkommt und Vollstreckungsmaßnahmen nur
auf der Grundlage dieses Bescheides vorgenommen werden können, stellt es
keine rundfunkbeitragsrechtliche, sondern eine spezifisch verwaltungsprozessuale
Problemstellung dar, ob die Frage einer allein gesetzlich ausgestalteten
Beitragspflicht über die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO der Klärung
durch die Verwaltungsgerichte zugänglich ist oder ob angesichts der Subsidiarität
der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO der Erlass eines konkretisierenden
Beitragsbescheides abgewartet werden muss, dessen Rechtmäßigkeit dann -
nach erfolglosem Widerspruch - im Wege der Anfechtungsklage durch die Gerichte
geprüft werden kann. Insoweit ist maßgeblich, ob die Anfechtungsklage gegen
einen Beitragsbescheid eine gegenüber der Feststellungsklage zur
Rundfunkbeitragspflicht sachnähere oder effektivere Klageart darstellt
(Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 43 Rn 28), was für den Bereich des
Rundfunkbeitrags in der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Einzelnen streitig ist (für die
Zulässigkeit der Feststellungsklage etwa VG Bremen, Urt. v. 20.12.2013 - 2 K
570/13 -; VG Potsdam, Urt. v. 30.07.2013 - 11 K 1090/13 -; ablehnend VG
Würzburg, Urt. v. 19.05.2014 - W 3 K 14.43 -; für den Sonderfall des bereits
erlassenen Beitragsbescheids auch VG Freiburg, Urt. v. 02.04.2014 - 2 K 1446/13
-; alle jew. juris). Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang sinngemäß geltend
macht, dass der Rechtsschutz durch die gesetzgeberische Entscheidung zur
Begründung einer bescheidunabhängigen Beitragspflicht für die Zeit vor Erlass
eines Beitragsbescheides weniger rechtsschutzintensiv sei, als dies im Rahmen
der Anfechtung eines belastenden Beitragsbescheides der Fall wäre, kann hieraus
ebenfalls kein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG
abgeleitet werden. Denn abgesehen davon, dass einem Beitragsschuldner auch
im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen belastenden
Beitragsbescheides die Initiativ- und Darlegungslast auferlegt ist und die vorläufige
Zahlungspflicht regelmäßig nur bei ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit
des Beitragsbescheids entfällt (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 3 VwGO; zur
insoweit vergleichbaren strukturellen Konvergenz zur vorläufigen Abwehr von
Belastungen über § 123 VwGO vgl. Jakobs, VBlBW 1990, 446, 449 f) und die
Erleichterungen des vorläufigen Rechtsschutzes über § 80 VwGO vorwiegend
dem - bei bloß gesetzlicher Beitragspflicht nicht gegebenen - Umstand der
Titelfunktion des Verwaltungsakts geschuldet sind, kommt es von Verfassung
wegen nicht darauf an, über welche konkrete Sicherungstechnik der Hauptsache-
und der vorläufige Rechtsschutz ausgestaltet sind, sondern allein darauf, ob das
vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Rechtsschutzsystem in der konkreten
Anwendung durch die Gerichte den notwendigen effektiven Rechtsschutz im
Ergebnis gewährleistet (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 01.10.2008 - 1 BvR 2466/08 -,
NVwZ 2009, 240; Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, 70 f).
Insofern wären vom Kläger ausgemachte Defizite im Bereich des vorläufigen
Rechtsschutzes gegen bescheidlose Belastungen vorrangig gegenüber den die
Verfahrensordnungen anwendenden Gerichten geltend zu machen (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 20.02.1998 - 1 BvR 661/94 -, BVerfGE 97, 298, 315).
33 Soweit der Kläger die Unklarheit der gesetzlich bestimmten Fälligkeit der
Beitragsschuld rügt, die in § 7 Abs 1 S. 1 RBStV anders bestimmt werde als in § 7
Abs 3 S 2 RBStV, kann hieraus eine rechtsstaatswidrige Unbestimmtheit der
Erhebungsregelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, die zudem so
wesentlich sein müsste, dass sie das gesamte Beitragsfinanzierungssystem
erfasst, schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil ein widerspruchsfreier
Zusammenhang der Regelungen der Abs. 1 und 3 des § 7 RBStV ohne weiteres
durch entsprechende Auslegung hergestellt werden kann. Hierauf hat der Beklagte
zu Recht hingewiesen.
34 2.3. Schließlich verstößt der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag auch nicht gegen
europarechtliche Vorgaben.
35 2.3.1. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers stellt der Rundfunkbeitrag
keine unzulässige Beihilfe i.S.d. Art. 107 ff. AEUV dar.
36 Hierzu hat das OVG NRW in seinem Urteil vom 12.03.2015 - 2 A 2423/14 -, DVBl
2015, 705, 706, juris Rn 36 ff ausgeführt:
37 „Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes
bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich
welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder
Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit
dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten
beeinträchtigen. Die Kommission überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den
Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen (Art. 108 Abs. 1
Satz 1 AEUV). Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist
zur Äußerung gesetzt hat, dass eine von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln
gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 AEUV unvereinbar ist oder
dass sie missbräuchlich angewandt wird, so beschließt sie auf der Grundlage von
Art. 108 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV, dass der betreffende Staat sie binnen einer von ihr
bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat. Die Kommission wird von
jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig
unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann (Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV). Ist sie
der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Art. 107 AEUV mit dem
Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Art. 108 Abs. 2
AEUV vorgesehene Verfahren ein (Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV). Der betreffende
Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die
Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat (Art. 108 Abs. 3 Satz 3
AEUV). Näheres - u. a. zur Unterscheidung zwischen "bestehenden Beihilfen" und
"neuen Beihilfen" bestimmt die Durchführungsverordnung VO (EG) Nr. 659/99. Art.
1 c) der VO (EG) Nr. 659/99 definiert "neue Beihilfen" als alle Beihilfen, also
Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind,
einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen. Nach Maßgabe von Art. 2 Abs.
1 VO (EG) Nr. 659/99 sind neue Beihilfen gegenüber der Kommission
anmeldungspflichtig. Art. 3 VO (EG) Nr. 659/99 unterwirft anmeldungspflichtige
neue Beihilfen einem Durchführungsverbot. Diese dürfen nicht eingeführt werden,
bevor die Kommission eine Genehmigungsentscheidung erlassen hat oder die
Beihilfe als genehmigt gilt. Demgegenüber unterliegen bestehende
Beihilferegelungen i.S.v. Art. 1 b) VO (EG) Nr. 659/99 dem Überprüfungsverfahren
der Art. 17 ff. VO (EG) Nr. 659/99. Gelangt die Kommission im Zuge eines
derartigen Verfahrens zu dem Schluss, dass die bestehende Beihilferegelung mit
dem gemeinsamen Markt nicht oder nicht mehr vereinbar ist, so schlägt sie dem
betreffenden Mitgliedstaat gemäß Art. 18 VO (EG) Nr. 659/99 zweckdienliche
Maßnahmen vor, die etwa auf die inhaltliche Änderung der Beihilferegelung oder
auf deren Abschaffung gerichtet sein können.
38 Davon ausgehend widerspricht der ab dem 1. Januar 2013 gemäß §§ 2 ff. RBStV
für den privaten Bereich und nach §§ 5 f. RBStV im nicht privaten Bereich
erhobene Rundfunkbeitrag nicht dem Regelungsregime der Art. 107 ff. AEUV
i.V.m. der VO (EG) Nr. 659/99.
39 Die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mussten der Kommission
jedenfalls nicht als beabsichtigte neue Beihilfe mit Durchführungsverbot gemäß
Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV vorab gemeldet werden. Die Anmeldungspflicht
betrifft - wie gesagt - nur neue Beihilfen, die damit einem präventiven Verbot mit
Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden. Bestehende Beihilfen werden
hingegen gemäß Art. 108 Abs. 1 AEUV lediglich in Zusammenarbeit mit den
Mitgliedstaaten fortlaufend überprüft. Sie unterfallen einer repressiven Kontrolle.
Die Kommission ist aber bereits bei einer Überprüfung der früheren
Gebührenfinanzierung mit Entscheidung vom 24. April 2007 - Az. K(2007) 1761 -
zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei den Finanzierungsregelungen für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine bestehende staatliche Beihilfe handele
und dass die Bedenken in Bezug auf die Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen
Markt durch die von Deutschland im Rahmen des Überprüfungsverfahrens
eingegangenen Verpflichtungen ausgeräumt seien. Es deutet nichts darauf hin,
dass die Änderungen des Finanzierungssystems durch den 15.
Rundfunkänderungsstaatsvertrag nunmehr als Umwandlung in eine neue Beihilfe
zu werten wären. Durch die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags
werden weder die Art des Vorteils oder die Finanzierungsquelle noch das Ziel der
Beihilfe, der Kreis der Begünstigten oder deren Tätigkeitsbereiche aus
europarechtlicher Sicht wesentlich verändert. Europarechtlich gesehen ist der
Übergang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag kein Systemwechsel,
der vor seinem Vollzug eine Prüfung durch die EU-Kommission erfordern würde.
Auch mit Blick auf eventuell zu erwartende Mehreinnahmen aus dem
Rundfunkbeitrag ist keine gegenüber dem früheren Gebührensystem beachtliche
Änderung zu erkennen. Es ist durch § 3 Abs. 2 Satz 3 des
Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (RFinStV) abgesichert, dass keine
Mehreinnahmen erzielt werden, die den extern geprüften und ermittelten
Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Dauer überschreiten.“
40 Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen, die auch sonst von der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (BayVfGH, Entsch. v. 15.05.2014 - Vf. 8-
VII-12, Vf. 24-VII-12 -, DVBl 2014, 848 = juris Rn. 89 f.; VG Stuttgart, Urt. v. 01.10.
2014 - 3 K 4897/13 -, juris Rn. 25 f.; VG Hamburg, Urt. v. 17.07.2014 - 3 K 5371/13
-, juris Rn. 65 ff.; zur Vereinbarkeit des Rundfunkgebührenrechts mit dem
europäischen Beihilferecht: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.05.2008 - 2 S 2163/06 -,
juris Rn. 28 ff) und Teilen der Literatur (vgl. etwa Trute/Broemel, MMR-Beilage
11/2012, 1, 15 Fn. 149; Fehling, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes
Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl 2013, Kap. „Medien- und Informationsrecht“, S.
1053 ff; Rn. 30 f) geteilt werden, an und macht sich diese zu eigen. Nur ergänzend
weist die Kammer darauf hin, dass die Bedenken der EU-Kommission in Bezug auf
den Beihilfecharakter der ehemaligen Rundfunkgebühr vor allem auf die
Finanzierung der damaligen Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten bezogen waren, deren Zulässigkeit in der Folge der
Beanstandung entsprechend präzisiert und eingegrenzt worden waren (vgl. Europ.
Komm., Schreiben vom 24.04.2007 in der Sache Staatliche Beihilfe E 3/2005 (ex-
CP 2/2003 u.a.) - Deutschland, K (2007) 1761 endg.).
41 Nach dem Vorstehenden kommt es für die Kammer nicht in Betracht, dem
Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV die Frage der Vereinbarkeit des
Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit dem Beihilferecht der Europäischen Union im
Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen.
42 2.3.2. Schließlich können auch die Einwendungen des Klägers zur
Umsatzsteuerpflicht der Rundfunkbeiträge und einer hieraus folgenden
Rechtswidrigkeit ihrer Erhebung nicht überzeugen. Denn zum einen unterliegen
die Einnahmen der Rundfunkanstalten aus den Rundfunkbeitragszahlungen des
Klägers oder anderer Beitragsschuldner nicht der Mehrwertsteuerpflicht und zum
anderen könnte der Kläger aus einem - unterstellten - Verstoß der
Rundfunkanstalten im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerpflicht ihrer
Einnahmen nicht die Rechtswidrigkeit der Beitragszahlung als solcher ableiten.
43 2.3.2.1. Nach dem Grundsatz des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der
Umsatzsteuer die Umsätze für die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein
Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Hierunter fallen die Einnahmen der Rundfunkanstalten aus den
Rundfunkbeitragszahlungen nicht. Zwar dürfte sich die „Bereitstellung eines
empfangbaren Rundfunkprogramms“ als „Dienstleistung“ bzw. „sonstige Leistung“
im Sinne des Umsatzsteuerrechts darstellen, wobei es nach der ausdrücklichen
Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG insoweit unerheblich ist, dass der
Beklagte das Rundfunkprogramm aufgrund eines gesetzlichen Programmauftrags
bereitstellt. Auch ergibt sich unmittelbar aus dem Beitragscharakter der
Rundfunkbeiträge, dass diese als Gegenleistung und damit als „Entgelt“ für die
Bereitstellung des Rundfunkprogramms bezahlt werden. Allerdings ist die
Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms durch den Beklagten
keine Leistung, die dieser als „Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens
ausführt“. Denn der Beklagte übt insoweit keine gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit aus, die ihn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG zum „Unternehmer“ im Sinne
des Umsatzsteuergesetzes machen würde. Dies ergibt sich zwar nicht bereits aus
der - aus der Zweckbestimmung des Rundfunkbeitrags nach § 1 RBStV und den
Regelungen der §§ 12 ff RStV zur Festlegung der notwendigen Finanzausstattung
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie zu deren Deckung durch den
Rundfunkbeitrag abzuleitenden - fehlenden Gewinnerzielungsabsicht des
Beklagten bei der Bereitstellung des Rundfunkprogramms. Denn das Fehlen einer
Gewinnerzielungsabsicht ist für die Bestimmung einer Tätigkeit als gewerblich
nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG unerheblich. Die Herausnahme der Bereitstellung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Bereich der unternehmerischen und
damit hinsichtlich der hierdurch erzielten Umsätze umsatzsteuerpflichtigen
„gewerblichen Tätigkeiten“ ergibt sich jedoch aus der gesetzlichen Regelung des
Abs. 3 Satz 1, nach welcher juristische Personen des öffentlichen Rechts (hierzu §
1 Abs. 1 des SWR-Staatsvertrags) nur im Rahmen ihrer Betriebe nach § 1 Abs. 1
Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG gewerblich oder beruflich tätig sind, was - ungeachtet der
auch insoweit gegebenen Unbeachtlichkeit einer fehlenden
Gewinnerzielungsabsicht - nach § 4 Abs. 5 KStG bei Betrieben, die überwiegend
der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), nicht der Fall ist.
Dabei teilt die Kammer die in der verfassungs- und finanzgerichtlichen
Rechtsprechung einhellige Auffassung, dass die Bereitstellung des
Rundfunkprogramms durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die
Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Regelung darstellt (BVerfG, Entsch.
v. 27.07.1971 - 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 -, BVerfGE 31, 314; Beschl. v.
26.10.2005 - 1 BvR 396/98 -, BVerfGE 114, 371 juris Rn. 68; BFH, Urt. v.
10.12.2009 - XI R 62/06 -, BFHE 228, 447 juris Rn. 19).
44 Entgegen der Auffassung des Klägers steht diese Zuordnung der Bereitstellung
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur nichtumsatzsteuerpflichtigen „Ausübung
öffentlicher Gewalt“ im Einklang mit der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.
November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - MWSt-SystRL -
(ABl. L 347, 1 ff), deren Regelungen bei der Auslegung des Umsatzsteuergesetzes
mit Anwendungsvorrang auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht zu
beachten sind (zur Anwendung der MWSt-SystRL im nationalen Recht vgl. EuGH,
Urt. v. 10.09.2002 - C-141/00 -, , Slg 2002, I-6833; Urt. v. 14.12.2000 - C-
446/98 -, , Slg. 2000, I-11435; BFH, Beschl. v. 19.03.2014 - XI
B 126/13 -, juris Rn. 16 mwN; Urt. v. 28.05.2013 - XI R 35/11 -, BFHE 242, 250).
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der zu dieser Richtlinie ergangenen
Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur
Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 077, 1) in der Fassung der VO (EU)
Nr. 967/2012 des Rates vom 9. Oktober 2012 (ABl. L 290, 1) und Nr. 1042/2013
des Rates vom 7. Oktober 2013 (ABl. L 284, 1).
45 Die Herausnahme der Tätigkeiten, die juristische Personen des öffentlichen
Rechts „in Ausübung der öffentlichen Gewalt“ vornehmen, aus der
Mehrwertsteuerpflicht findet ihre unionsrechtliche Entsprechung in Art. 13 Abs. 1
Satz 1 MWSt-SystRL. Hiernach gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige
Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die
Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen „im Rahmen der
öffentlichen Gewalt“ obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen
Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben
erheben. Dabei ist eine Tätigkeit „im Rahmen öffentlicher Gewalt“ dann gegeben,
wenn die juristische Person (Einrichtung) des öffentlichen Rechts im Rahmen einer
öffentlich-rechtlichen Sonderregelung und nicht unter den gleichen rechtlichen
Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer tätig ist (vgl. EuGH, Urt. v.
14.12.2000 - C-446/98 -, , BFH, Urt. v. 02.09.2010 - V R 23/09 -
, BFH/NV 2011, 458 mwN). Maßgeblich sind hierfür die im nationalen Recht
vorgesehenen Ausübungsmodalitäten; unerheblich hingegen Gegenstand oder
Zielsetzung der Tätigkeit (EuGH, Urt. v. 14.12.2000 - C-446/98 -,
Pública>, a.a.O.). Es ist daher ohne Belang, ob die juristische Person des
öffentlichen Rechts durch ihre Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnimmt, die ihr
aus Gründen des Gemeinwohls und unabhängig von jedem unternehmerischen
oder geschäftlichen Ziel durch Gesetz zugewiesen sind (EuGH, Urt. v. 29.10.2009
- C-246/08 - , Slg 2009, I-10605; BFH, Urt. v. 15.04.2010 -
V R 10/09 -; BFHE 229, 416).
46 Nach diesen Grundsätzen ist die Bereitstellung des Rundfunk- und
Fernsehprogrammes durch den Beklagten auch nach der
Mehrwertsteuersystemrichtlinie als eine mehrwertsteuerfreie Tätigkeit im Rahmen
der öffentlichen Gewalt anzusehen, sodass die Behandlung des Beklagten als
hinsichtlich der hierfür erbrachten Rundfunkbeiträge Nichtsteuerpflichtiger mit dem
Unionsrecht in Einklang steht. Denn der Beklagte stellt sein Rundfunkprogramm
nach Maßgabe spezifischer öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen bereit, die sich
wie vor allem die §§ 11 ff RStV und §§ 3 ff SWR-Staatsvertrag auf die Zielsetzung
des Angebots und die Grundsätze der Ausgestaltung der Programme, die
Möglichkeiten und Grenzen der Werbung und anderer wirtschaftlicher
Betätigungen, die im öffentlichen Interesse bestehende Bereitstellung von
Sendezeit an Dritte und die spezifische Ausgestaltung und Kontrolle der Erfüllung
des Programmauftrags insbesondere durch einen pluralistisch besetzten
Rundfunkrat beziehen und damit den verfassungsrechtlichen Funktionsauftrag der
Bereitstellung eines von außerpublizistischen Zwecken politischer oder
wirtschaftlicher Art unbeeinflussten und gegenständlich und meinungsmäßig
vielfaltigen Rundfunkprogramms ausgestalten (BVerfG, Urt. v. 25.03.2014 – 1 BvF
1/11 u.a. – NVwZ 2014, 867, 869; Urt. v. 11.09.2007 - 1 BvR 2270/05 u.a. -,
BVerfGE 119, 181, 214 ff.; näher zum spezifischen Funktionsauftrag des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks vgl. Fehling in: Ehlers/Fehling/Pünder, a.a.O., S. 1053 ff;
Rn. 53 ff). Insofern wird der Beklagte bei der Bereitstellung seines
Rundfunkprogramms unter anderen rechtlichen Bedingungen tätig als ein privater
Rundfunkanbieter. Dies wird auch auf der Ebenen der Europäischen Union
anerkannt, wenn in dem unter dem Vertrag von Lissabon fortgeschriebenen
Amsterdamer „Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den
Mitgliedstaaten“ (ABl C 340, 100) der Bestand und die bedarfsgerechte
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seinem spezifischen
Funktionsauftrag als Angelegenheit der Mitgliedstaaten im Grundsatz anerkannt
werden (vgl. die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften
über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl 2009 C 257,
1).
47 Von der damit fehlenden Verpflichtung des Beklagten, von den als Gegenleistung
für die Bereitstellung eines Rundfunkprogramms der Grundversorgung
vereinnahmten Rundfunkbeiträgen Umsatzsteuern zu entrichten, sind entgegen
der Auffassung des Klägers keine unionsrechtlich begründeten Ausnahmen
gegeben.
48 Zwar gelten die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die ihre Aufgaben im
Rahmen der öffentlichen Gewalt erfüllen, nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 MWSt-SystRL
für die hierbei bewirkten Umsätze ausnahmsweise doch als steuerpflichtig, sofern
die Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger zu größeren Wettbewerbsverzerrungen
führen würde. Diese Voraussetzung ist jedoch im Fall des Beklagten nicht
gegeben, und zwar auch dann nicht, wenn man - mit dem Kläger - nicht nur den
wirtschaftlichen Wettbewerb des Beklagten mit den privatrechtlich organisierten
Rundfunkveranstaltern oder gar den Presseunternehmen ins Auge fasst, sondern
auch den publizistischen Wettbewerb im Bereich der Meinungsbildung. Denn
selbst wenn hier - was auf der Grundlage der besonderen Ausgestaltung des
dualen Rundfunksystems, in welchem die Bereitstellung der notwendigen
Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Voraussetzung für
ein Tätigwerden auch privater kommerzieller Rundfunkveranstalter mit ihrem
ökonomisch bedingt notwendig geringeren Vielfaltsstandards schon im Ansatz
problematisch erscheint - „Wettbewerbsverzerrungen“ gegeben wären, so
beruhten diese jedenfalls nicht auf der Behandlung des Beklagten als
„Nichtsteuerpflichtigen“, sondern vor allem darauf, dass dessen Leistungen -
überwiegend - über einen bedarfsorientiert bestimmten Rundfunkbeitrag finanziert
werden, der - für den Fall der Umsatzsteuerpflicht dieser Beitragseinnahmen -
unter Anrechnung der dann andererseits auch gegebenen Möglichkeiten des
Vorsteuerabzugs (hierzu insb. EuGH, Urt. v. 04.06.2009 - C-102/08 - , Slg.
2009, I-4629) entsprechend erhöht werden müsste.
49 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem - vom Kläger angeführten -
Grundsatz, dass Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der Anwendung der
Mehrwertsteuer-SystemRL ohne konkreten Nachweis immer bereits dann
anzunehmen seien, wenn der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines
Steuersystems gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoße. Denn
ein solcher Verstoß liegt hier nicht vor.
50 Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, gleichartige und deshalb
miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der
Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (EuGH, Urt. v. 08.06.2006 - C-
106/05 -, , Slg. 2006 I-05123; Urt. v. 01.12.2005 - C-394/04, C-395/04 -
, Slg. 2005, I-10373; Urt. v. 23.10.2003 C-109/02, Slg. 2003, I-12691).
Dabei reicht es für die Feststellung einer Verletzung des Grundsatzes, dass zwei
aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die
dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der
Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Eine zusätzliche Feststellung,
dass die betreffende Dienstleistungen tatsächlich in einem Wettbewerbsverhältnis
zueinander stehen oder dass der Wettbewerb wegen dieser Ungleichbehandlung
verzerrt ist, ist darüber hinaus nicht erforderlich (hierzu Schlussanträge des
Generalanwalts Ján Mazák vom 19.07.2012 C-174/11, juris mit Verweis auf EuGH,
Urt. v. 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10, UR 2012, 104).
51 Hier scheidet ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität schon
deshalb aus, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk des Beklagten mit seinem
Grundversorgungsauftrag der Befriedigung anderer Bedürfnisse des Konsumenten
dient als dies beim Programmangebot eines privaten Rundfunkveranstalters der
Fall ist. So hat der Gesetzgeber mit seinen Regelungen zum
Rundfunkstaatsvertrag seinen in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Auftrag zur
Gewährleistung der Rundfunkfreiheit und zur Sicherstellung einer möglichst breiten
und vollständigen Darstellung der vielfältig bestehenden Meinungen durch ein
Nebeneinander des öffentlich-rechtlichen Rundfunk und des privaten Rundfunks in
einer dualen Rundfunkordnung umgesetzt. Dabei hat er dem öffentlich-rechtlichen
Rundfunk die Aufgabe zugewiesen, als Gegengewicht zu den privaten
Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen
Entscheidungsrationalität als der der marktwirtschaftlichen Anreize folgt und damit
eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. So soll die inhaltliche
Meinungs- und Programmvielfalt sichergestellt werden, wie sie allein über den
freien Markt nicht gewährleistet werden kann. Damit werden - auch aus der Sicht
des objektivierten Rundfunkprogrammempfängers - durch den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk andere Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse erfüllt,
als dies über das Angebot der privaten Rundfunkveranstalter der Fall ist. Denn
auch wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinem Programmauftrag nicht auf
eine Mindestversorgung oder auf ein Ausfüllen von Lücken und Nischen, die von
privaten Anbietern nicht abgedeckt werden, beschränkt ist, sondern - zur
Sicherung der Akzeptanz seiner Programme im Ganzen - auch Angebote und
Formate wie massenattraktive Unterhaltungs- und Sportbeiträge erfasst, die in
ähnlicher oder gleicher Form auch im privaten Rundfunk gesendet werden oder
werden könnten, so bleibt diese Sicherstellungsfunktion, die auch eine kulturelle
Verantwortung umfasst und zudem innovative Impulse der Programmentwicklung
und -gestaltung ermöglicht, doch ein zentraler Aspekt des Nebeneinander von
privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten, der es dem Konsumenten
ermöglicht, neben möglicherweise nach Inhalt, Umfang und Meinungsspektrum nur
beschränkten privaten Rundfunkangeboten auf ein Angebot zurückzugreifen, das
insoweit einen - für eine demokratische Gesellschaft wesentlichen - Informations-
und Bildungsauftrag erfüllt (zum spezifischen Funktionsauftrag des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks vgl. zuletzt BVerfG, Urt. v. 25.03.2014 - 1 BvF 1/11 und 4/11
-, BVerfGE 136, 9 Rn. 36 f). Dies wird auch in dem - vom Kläger angeführten -
Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen
„Öffentlich-rechtliche Medienabgabe - Aufgabe und Finanzierung“ vom 03/2014
nicht in Abrede gestellt. Vielmehr wird dort vor dem Hintergrund technologischer
Entwicklungen, die den Marktzugang von privaten Rundfunkveranstaltern
erleichtern, und den damit veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
sowie unter Außerachtlassung der Programmbindung durch ein attraktives
Gesamtprogramm eine stärkere Beschränkung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks auf solche Lücken im Programmangebot vorgeschlagen, die im
Wettbewerb der Privaten untereinander nicht gefüllt werden.
52 Selbst wenn man jedoch - für sich betrachtet - von einem Verstoß gegen den
Grundsatz der steuerlichen Neutralität ausgehen würde, so kommt diesem für die
hier relevante Frage der Rechtmäßigkeit der Mehrwertsteuerfreiheit der Einnahmen
des Beklagten aus den Rundfunkbeitragszahlungen keine rechtliche Bedeutung
zu. Denn die Frage der Zuordnung einer Tätigkeit einer juristischen Person zur
mehrwertsteuerfreien Aufgabenerfüllung im Rahmen der öffentlichen Gewalt ist in
Art. 13 Abs. 1 MWSt-SystRL speziell und unabhängig vom Grundsatz der
steuerlichen Neutralität geregelt, wobei hier gerade nicht an die Bedürfniserfüllung
aus der Sicht des Leistungsempfängers, sondern an die spezifische Ausgestaltung
der Leistungserbringung durch die juristische Person des öffentlichen Rechts
angeknüpft wird und eine Abweichung von der Nichtbesteuerung nur bei Vorliegen
der anderenfalls eintretenden „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ erfolgen soll.
Dementsprechend kann - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht aus
dem Umstand, dass bei der Prüfung des - hier nicht anwendbaren - Grundsatzes
der steuerlichen Neutralität auf die Feststellung eines Wettbewerbsverhältnisses
oder gar der Verzerrung eines solchen verzichtet wird (hierzu Schlussanträge des
Generalanwalts Ján Mazák vom 19.07.2012 C-174/11, juris mit Verweis auf EuGH,
Urt. v. 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10, UR 2012, 104), abgeleitet werden, dass
eine unterschiedliche Besteuerung gleichartiger oder ähnlicher Leistungen
juristischer Personen des öffentlichen Rechts einerseits und der Privaten
andererseits stets zu ohne weiteres zu unterstellenden „größeren
Wettbewerbsverzerrungen“ im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 MWSt-SystRL
führen würde.
53 Schließlich ist der Beklagte mit seinen Rundfunkbeitragseinnahmen auch nicht
nach Art. 13 Abs. 1 Satz 3 MWSt-SystRL umsatzsteuerpflichtig. Hiernach gelten
die Einrichtungen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die in Anhang I genannten
Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten
nicht unbedeutend ist. Solche in Nr. 13 zum Anhang I zur MWSt-SystRL
genannten Tätigkeiten sind die „der Rundfunk- und Fernsehanstalten, sofern sie
nicht nach Artikel 132 Absatz 1 lit. q steuerbefreit sind“. Da Artikel 132 Absatz 1 lit.
q MWSt-SystRL die Steuerbefreiung auf die Umsätze erstreckt, die aus den
Tätigkeiten öffentlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten „ohne gewerblichen
Charakter“ erzielt werden, sind nach Art. 13 Abs. 1 Satz 3 MWSt-SystRL alle
Tätigkeiten des Beklagten mit „gewerblichen Charakter“ als umsatzsteuerpflichtig
anzusehen, sofern sie nicht nur unbedeutend sind. Eine solche Tätigkeit mit
„gewerblichem Charakter“ bildet die Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunkprogramms durch den Beklagten jedoch - entgegen der
Rechtsauffassung des Klägers - gerade nicht. Dabei kann offen gelassen werden,
ob der Begriff der „Tätigkeit mit gewerblichem Charakter“ in Anlehnung an den
allgemeinen Begriff des „Gewerbes“, wie er etwa der Gewerbeordnung zugrunde
liegt (vgl Kahl in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 68. Ergänzungslieferung
August 2014 § 1 Rn 3), auch auf die Gewinnerzielungsabsicht des Unternehmers
bezogen sein muss oder ob in Anknüpfung an die spezifisch
umsatzsteuerrechtliche Begrifflichkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG nur auf
die Einnahmenerzielungsabsicht abzustellen ist. Denn jedenfalls muss die hier
allein maßgebliche beitragsfinanzierte Erfüllung des Funktionsauftrags durch die
Bereitstellung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms der
Grundversorgung als eine Tätigkeit des Beklagten „ohne gewerblichen Charakter“
angesehen werden, da anderenfalls die ausdrücklich in Art. 132 Abs. 1 lit. q MWSt-
SystRL in Anerkennung der hiermit gegebenen Tätigkeit im Dienst des
Gemeinwohls geregelte Steuerbefreiung ebenso leerliefe wie die Herausnahme
dieser „im Rahmen der öffentlichen Gewalt“ erfüllten Tätigkeit nach Art. 13 Abs. 1
Satz 1 MWSt-SystRL.
54 Ist die nach Maßgabe des nationalen Rechts über § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. §
4 Abs. 5 KStG erfolgte Behandlung der Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunkangebots durch den Beklagten als nichtumsatzsteuerpflichtige
nichtgewerbliche „Ausübung hoheitlicher Gewalt“ nach dem Vorstehenden über
Art. 13 Abs. 1 Satz 1 MWSt-SytRL auch unionsrechtlich abgesichert, so kann die
Kammer offen lassen, ob dieses Ergebnis auch über Absatz 2 des Art. 13 MWSt-
SystRL gerechtfertigt ist, nach welchem die Mitgliedstaaten die Tätigkeiten von
Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Tätigkeiten behandeln können, die ihnen
im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, die u.a. nach Artikel 132 von der
Mehrwertsteuer befreit sind. Hierfür spricht, dass Art. 132 Abs. 1 lit q MWSt-SystRL
die Steuerbefreiung ausdrücklich auf Umsätze erstreckt, die aus den Tätigkeiten
öffentlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten ohne gewerblichem Charakter folgen,
womit die Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebots erfasst wäre.
Allerdings weist der Kläger insoweit zu Recht auf die Rechtsprechung des EuGH
(Urt. v. 04.06.2009 - C-102/08 -, , Slg. 2009, I-4629) zu der (insoweit)
wortgleichen Regelung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 und 4 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. 1977 L 145,
1) - 6. Mehrwertsteuerrichtlinie - hin, nach der eine solche Zuweisung einer
steuerbefreiten Tätigkeit zum Bereich der nichtsteuerpflichtigen Tätigkeit einer
Einrichtung des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt eine
ausdrückliche nationalrechtliche Regelung voraussetzte.
55 2.3.2.2. Schließlich kann die Kammer auch nicht der Argumentation des Klägers
folgen, dass ein - zu unterstellender - Verstoß gegen die Mehrwertsteuerpflicht der
Rundfunkbeiträge zu einer Rechtsverletzung des Beitragszahlers führe. Denn
auch wenn einem Unternehmer, der den Rundfunkbeitrag nach § 5 RBStV für
seine Betriebstätte(n) zahlt, bei fehlender Ausweisung des Mehrwertsteueranteils
an der Beitragszahlung die ihm sonst nach § 15 UStG gegebene Möglichkeit des
Vorsteuerabzugs vorenthalten und er rechtswidrig endgültig mit der Zahlung auch
des Mehrwertsteueranteils am Rundfunkbeitrag belastet bliebe, so hätte die hiermit
gegebene Teilrechtswidrigkeit seiner Belastung keine derart systemübergreifende
Bedeutung, dass deshalb das gesamte Finanzierungssystem des
Rundfunkbeitragsstaatsvertrags obsolet würde und deshalb auch die
Beitragspflicht des Privaten rechtswidrig würde, der durch die fehlende Erhebung
von Mehrwertsteuern auf die von ihm an den Beklagten geleisteten
Rundfunkbeitragszahlungen in Bezug auf seine eigene Belastung nicht schlechter
stünde als bei einer Erhebung dieser Steuern (vgl. hierzu BVerfG, Urt. v.
17.12.2014 - 2 BvL 21/12 -, juris, Leitsatz 1).
56 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die in
Bezug auf den streitig zu entscheidenden Teil der Klage aus § 154 Abs. 1 VwGO
gegebene Kostenlast des unterlegenen Klägers überwiegt die hinsichtlich des in
der Hauptsache erledigten Teils der Klage nach § 161 Abs. 2 VwGO grundsätzlich
beim Beklagten liegende Kostenlast so deutlich, dass die Kammer dem Kläger die
Kostenlast nach Ermessen für das gesamte Verfahren zuweist. Die Kammer sieht
gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für
vorläufig vollstreckbar zu erklären.
57 Die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124a Abs. 1 Satz 1; 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO. Die mit der Rechtssache aufgeworfene Frage der Einordnung des
Rundfunkbeitrags in das finanzverfassungsrechtliche Kompetenzgefüge des
Grundgesetzes und der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie bedarf aufgrund der
Vielzahl der von dieser Frage betroffenen Rechtsanwendungsfälle einer
rechtseinheitlichen Klärung und hat deshalb grundsätzliche Bedeutung.
58 Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, ist diese Entscheidung unanfechtbar
(§§ 92 Abs. 3 Satz 2 analog, 158 Abs. 2 VwGO). Dies gilt auch dann, wenn - wie
hier - bei einer Teilerledigung der Hauptsache die in analoger Anwendung des §
92 Abs. 3 Satz 1 VwGO und nach § 161 Abs. 2 und 3 VwGO gebotene
Entscheidung nicht durch Beschluss, sondern in dem Urteil erfolgt, in dem im
Übrigen zur Sache entschieden wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.8.1998 - 4 B 75/98
- NVwZ-RR 1999, 407).
59
Beschluss
60 Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG (i.d.F.
d. Bek. v. 27.02.2014, BGBl. I S. 154) auf
323,64 Euro
festgesetzt.