Urteil des VG Freiburg vom 25.04.2008

VG Freiburg (aug, betrieb, bezug, praxis, antrag, gaststätte, betreiber, verordnung, ermessensfehler, anordnung)

VG Freiburg Beschluß vom 25.4.2008, 4 K 756/08
Gaststättenrecht: Sperrzeitverkürzung bei Übernahme einer bestehenden Gaststätte
Leitsätze
Die Gaststättenbehörde kann nur dann zu einer Sperrzeitverkürzung verpflichtet werden, wenn ohne
Ermessensfehler keine andere Entscheidung in Betracht käme. Auch in einem Verfahren nach § 123 VwGO kann
der Inhaber einer Gaststätte grundsätzlich nicht mehr erreichen als mit einer Verpflichtungsklage.
Die Praxis der Gaststättenbehörde, auch bei Übernahme bestehender Gaststätten durch einen neuen Betreiber
eine Sperrzeitverkürzung grundsätzlich erst nach einer Zeit der "Bewährung" auszusprechen, begegnet keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Ein Gaststättenbetreiber kann nicht bereits bei Eröffnung seines Betriebs erwarten, dass ihm eine
Sperrzeitverkürzung gewährt wird, und diese Erwartung seinem betriebswirtschaftlichen Konzept zugrunde legen.
Die Regelungen über die Sperrzeit dienen nicht dem Zweck, zur Rentabilität eines Gaststättenbetriebs beizutragen
oder diese zu schaffen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 40.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht
eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch
eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder
wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch
zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese
Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnisseen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende
Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch
(Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses einer einstweiligen Anordnung bedarf
(Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO). Diese
Voraussetzungen liegen hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor. Die
Antragstellerin hat jedenfalls einen erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
2 Rechtsgrundlage für eine (von der Antragstellerin begehrte) Sperrzeitverkürzung sind die §§ 18 GastG und 12
Satz 1 der Verordnung der Landesregierung zur Ausführung des Gaststättengesetzes in der Fassung vom
14.12.2004 (GBl., 895) - GastVO -. Danach kann bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer
örtlicher Verhältnisse für einzelne Betriebe die Sperrzeit verlängert, befristet und widerruflich verkürzt oder
aufgehoben werden.
3 Es spricht Einiges dafür, dass die Tatbestandsseite dieser Vorschriften zumindest in Bezug auf das Vorliegen
besonderer örtlicher Verhältnisse hier erfüllt ist. Doch kann das letztlich dahingestellt bleiben. Denn die von der
Antragstellerin angestrebte Sperrzeitverkürzung steht nach der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung
(lediglich) im Ermessen der Antragsgegnerin. Auch in einem Hauptsacheverfahren könnte die Antragstellerin
deshalb grundsätzlich nur eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag auf Sperrzeitverkürzung,
nicht jedoch einen Anspruch darauf durchsetzen. Eine Ausnahme, das heißt die Bejahung eines Anspruchs,
käme nur dann in Betracht, wenn die von einem Gericht (nach Maßgabe von § 114 VwGO) nur eingeschränkt
überprüfbare Ermessensausübung der Antragsgegnerin fehlerhaft wäre und wenn ohne Ermessensfehler keine
andere Entscheidung als die Stattgabe der beantragten Sperrzeitverkürzung in Betracht käme
(Ermessensreduzierung auf Null). Mehr als mit einer Verpflichtungsklage kann ein Antragsteller aber auch im
Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO grundsätzlich nicht erreichen ( VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 19.11.1987, GewArch 1988, 237 ). Ein solcher Fall einer Ermessensreduzierung auf
Null liegt hier nicht vor; zumindest ist das nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit der
Fall. Es spricht im Gegenteil mehr dafür, dass die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin rechtlich nicht
zu beanstanden ist.
4 Die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung dargelegt, für ihre Ermessensentscheidung sei unter
anderem maßgeblich gewesen, dass sie eine Sperrzeitverkürzung - auch bei Übernahme bestehender
Gaststätten durch einen neuen Betreiber - grundsätzlich erst nach einer Zeit der "Bewährung" von mindestens
drei Monaten gewähre. Schon diese Praxis begegnet nach Auffassung der Kammer keinen durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Dabei ist von Bedeutung, dass die allgemeine Sperrzeit durch eine landesweite
Verordnung festgesetzt ist und dass der Betreiber einer Gaststätte bei der Konzeption seines Betriebs zunächst
von dieser für jedermann geltenden rechtlichen Grundlage auszugehen hat. Er kann nicht bereits von vornherein
erwarten, dass in seinem Fall eine Ausnahme von dieser allgemein geltenden Sperrzeit in Form einer
Sperrzeitverkürzung ausgesprochen wird, und er kann diese Erwartungshaltung seinem betriebswirtschaftlichen
Konzept nicht bereits von Anfang an zugrunde legen und dann unter Hinweis auf die (selbst geschaffenen)
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einen Anspruch auf Schaffung
der notwendigen Existenzvoraussetzungen für seinen Betrieb durch die Behörde ableiten. Hinzu kommt, dass
die Regelungen über die Sperrzeit nicht dem Zweck dienen, zur Rentierlichkeit eines Gaststättenbetriebs
beizutragen oder diese gar erst zu schaffen ( vgl. Metzner, Gaststättengesetz, 6. Aufl. 2002, § 18 RdNrn. 12
und 25 m.w.N. ). Diese für alle Personen, die eine Gaststätte neu eröffnen wollen, geltenden Grundsätze gelten
umso mehr für die Antragstellerin, die einen Betrieb übernommen hat, der erhebliche und vielfältige Störungen
verursacht hat und bei dem die Antragsgegnerin schon vor der Betriebseinstellung angekündigt hatte, dass sie
wegen dieser Störungen die gewährte Sperrzeitverkürzung zu widerrufen gedenke.
5 Die diesbezüglichen Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin erweisen sich aller Voraussicht nach bereits
als rechtmäßig. Aber auch die weiteren zusätzlichen Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin dürften einer
rechtlichen Überprüfung in einem sich anschließenden Hauptsacheverfahren sehr wahrscheinlich standhalten.
So hat die Antragsgegnerin unter anderem schlüssig dargelegt, dass sie durchaus nicht allen Diskotheken in
ihrem Zuständigkeitsbereich eine Sperrzeitverkürzung gewährt, sondern dass sie diese Entscheidung jeweils
unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falls trifft und in vielen Fällen eine
Sperrzeitverkürzung entweder umfassend ablehnt oder nur in geringerem (als dem beantragten) Umfang
ausspricht. Diese Praxis ist unter dem Aspekt des Art. 3 GG nicht zu beanstanden. Ebenso ist die Befürchtung
der Antragsgegnerin, nach Eröffnung des Betriebs der Antragstellerin könnten sich die gleichen unerwünschten
Vorkommnisse wie bei dem Betrieb des Vorgängers wieder einstellen, nicht ganz unbegründet. Denn immerhin
unterscheidet sich das Betriebskonzept der Antragstellerin zumindest aus der Sicht der Kundschaft nicht
wesentlich von dem des Vorgängers ( siehe den der Antragserwiderung beigefügten Ausdruck aus der
Badischen Zeitung ), so dass Vieles dafür spricht, dass durch den (neuen) Betrieb der Antragstellerin die gleiche
Kundschaft angesprochen wird, die für die unliebsamen Vorkommnisse in der Vergangenheit verantwortlich war.
6 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63
Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer veranschlagt die Bedeutung der Sache in diesem Fall
- nach den Angaben der Antragstellerin - mit 80.000 EUR. Im Hinblick auf die Besonderheiten des auf
vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens hält die Kammer die Hälfte dieses Streitwerts für angemessen.