Urteil des VG Freiburg vom 09.07.2007

VG Freiburg (prüfung, antragsteller, gesetzliche grundlage, klausur, verlängerung der frist, verlust, versuch, vorläufiger rechtsschutz, wiederholung, mathematik)

VG Freiburg Beschluß vom 9.7.2007, 1 K 1314/07
vorläufiger Rechtsschutz - zum Erlöschen des Prüfungsanspruchs wegen endgültigen Nichtbestehens
einer Orientierungsprüfung
Leitsätze
Ein Studierender verliert nicht gem.§ 34 Abs. 3 S. 3 LHG seinen Prüfungsanspruch, wenn er sich erstmals im 3.
Fachsemester zu der letzten noch ausstehenden Teilprüfung der Orientierungsprüfung meldet, von dieser Prüfung
aber krankheitsbedingt genehmigt zurücktritt.
Vielmehr kann er diese Prüfung auch noch nach Ende des 3. Fachsemesters (im ersten und letzten Versuch)
nachholen. Eine Wiederholungsmöglichkeit bei Nichtbestehen steht ihm insoweit dann nicht mehr zu.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Klausur des Antragstellers im
Fach Mikroökonomie I vorläufig zu bewerten und ihn im Falle des Bestehens vorläufig weiter so zu behandeln, als
sei sein Prüfungsanspruch im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre nicht endgültig erloschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller war im Wintersemester 2005/06 im 1. Fachsemester an der Universität M. im
Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre immatrikuliert. Studienleistungen hat er in diesem 1. Fachsemester
nicht erbracht.
2
Zum Sommersemester 2006 wechselte er in diesem Studiengang ins 2. Fachsemester zur Antragsgegnerin. In
diesem Semester erbrachte er von den im Rahmen der studienbegleitenden Orientierungsprüfung bis zum Ende
des 2. Fachsemesters insgesamt in vier Fächern zu erbringenden Prüfungsleistungen nur die Prüfungen in den
Fächern „Mathematik II“ und „Makroökonomie I“.
3
Mit Schreiben vom 17.11.2006 wies ihn deshalb der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für Diplom
Volkswirte darauf hin, dass er gem. § 3a der Diplom- und Prüfungsordnung (DPO) bis zum Ende des
2.Fachsemesters nicht alle für die Orientierungsprüfung erforderlichen Prüfungsleistungen erbracht und damit
die Orientierungsprüfung nicht bestanden habe. Zur Wiederholung der Orientierungsprüfung stünden ihm „die
Abschlussklausuren (nicht Wiederholungsklausuren) des Wintersemesters 2006/07 zur Verfügung“. Er möge
beachten, dass sein Prüfungsanspruch bei nicht erfolgreicher Wiederholung der Orientierungsprüfung endgültig
verloren gehe.
4
Im Wintersemester 2006/07, seinem 3.Fachsemester, erbrachte er daraufhin von den für die
Orientierungsprüfung noch ausstehenden zwei Prüfungen ferner die Prüfungsleistung im Fach „Mathematik I“.
5
Zugelassen und angemeldet war er auf seinen Antrag hin außerdem im Wintersemester 2006/07 zur Prüfung in
den Fächern „Mikroökonomie I“ und „Makroökonomie II“. An der Prüfung im Fach „Makroökonomie II“ nahm er
unentschuldigt nicht teil. An der Prüfung im Fach „Mikroökonomie I“ konnte er krankheitsbedingt nicht
teilnehmen. Auf seinen Antrag hin genehmigte ihm die Antragsgegnerin aufgrund einer ärztlichen
Bescheinigung den Rücktritt von dieser Prüfung. „Unter Vorbehalt“ wurde er im Fach „Mikroökonomie I“ zur
„Wiederholungsprüfung“ zugelassen. Seine daraufhin von ihm in diesem Fach geschriebene Klausur hat die
Antragsgegnerin bislang nicht korrigiert und bewertet.
6
Mit Bescheid vom 22.03.2007 stellte der Prüfungsausschussvorsitzende fest, der Antragsteller habe die
Orientierungsprüfung im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre „endgültig nicht bestanden“ und damit seinen
Prüfungsanspruch in diesem Studiengang endgültig verloren.
7
Unter Hinweis auf diesen Bescheid exmatrikulierte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom
28.03.2007. Gegen diesen Exmatrikulationsbescheid hat der Antragsteller Klage erhoben (1 K 1019/07).
8
Gegen den Bescheid vom 22.03.2007 über den endgültigen Verlust des Prüfungsanspruchs erhob der
Antragsteller am 05.04.2007 Widerspruch mit der Begründung, er sei ordnungsgemäß von der Teilnahme an der
Klausur im Fach „Mikroökonomie I“ zurückgetreten und bat um Verlängerung der Frist für die Ablegung der
Orientierungsprüfung. Er sei durch den Wechsel an die Universität der Antragsgegnerin im 2.Fachsemester
ohnehin mit seinen Studienleistungen im Hintertreffen gewesen. Er habe sich sicherheitshalber sowohl für
„Makroökonomie II“ als auch für „Mikroökonomie I“ im 3.Fachsemester angemeldet, obwohl er laut
Prüfungsordnung nur noch die Prüfung in einem der beiden Fächer hätte bestehen müssen, um die
Orientierungsprüfung insgesamt erfolgreich zu bestehen. Da die Klausur im Fach „Makroökonomie II“ als
besonders schwierig gelte, habe er sie absichtlich erst zum Nachholtermin im 3.Fachsemester schreiben
wollen, um mehr Zeit zum Lernen zu haben. Es genüge aber, wenn er die Klausur im Fach „Mikroökonomie I“
im Rahmen der ihm aufgrund des krankheitsbedingt gewährten Rücktritts eingeräumten Nachholklausur
bestehe. Da er krank gewesen sei, habe er eine Fristüberschreitung nicht zu vertreten.
9
Mit Schreiben vom 22.05.2007 teilte der Prüfungsausschuss durch seinen Vorsitzenden dem Antragsteller mit,
er habe einstimmig beschlossen, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Antragsteller habe seinen
Prüfungsanspruch endgültig verloren. Das endgültige Nichtbestehen der Orientierungsprüfung beruhe nicht auf
der krankheitsbedingten Nichtteilnahme an der Klausur im Fach „Mikroökonomie I“, sondern auf der vom
Antragsteller zu vertretenden unentschuldigten Nichtteilnahme an der Klausur im Fach „Makroökonomie II“.
Dass er nach bestandener Klausur in „Mikroökonomie I“ und damit nach bestandener Orientierungsprüfung die
Wiederholungsprüfung in „Makroökonomie II“ habe schreiben wollen, sei als falsche Studienplanung eindeutig
von ihm zu vertreten zumal er durch den Bescheid über das erstmalige Nichtbestehen der Orientierungsprüfung
im Sommersemester 2006 die Bedeutung der Abschlussklausuren des Wintersemesters 2006/07 gekannt habe
oder zumindest hätte kennen müssen.
10 Einen Widerspruchsbescheid hat die Antragsgegnerin bisher nicht erlassen.
11 Der Antragsteller hat am 26.06.2007 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht
gestellt.
12 Er trägt vor, er habe im 2. Fachsemester die Prüfungen in „Mathematik II“ und „Makroökonomie I“ und im 3.
Fachsemester in „Mathematik I“ bestanden. Nach § 3a Nr.2a DPO hätte er im 3.Fachsemester also nur noch
die Prüfung in einem weiteren Fach, nämlich entweder in „Mikroökonomie I“ oder wahlweise in „Makroökonomie
II“ bestehen müssen. Dass er sich für „Makroökonomie II“ angemeldet, aber nicht teilgenommen habe, sei
unschädlich, da er darauf gar nicht angewiesen sei. Es genüge, dass er sich für „Mikroökonomie I“ angemeldet
habe. Dass er diese Prüfung nicht bestanden habe, sei nicht von ihm zu vertreten, da er krank gewesen sei
und ihm die Antragsgegnerin deshalb auch den Rücktritt und das Nachholen dieser Klausur genehmigt habe.
Sein Prüfungsanspruch sei also entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht erloschen. Vielmehr habe
er einen Anspruch auf Bewertung der im Fach „Mikroökonomie I“ geschriebenen Klausur und im Bestehensfalle
auch auf weitere Zulassung zum Studium und zur Prüfungsteilnahme.
13 Der Antragsteller beantragt bei sachdienlicher Auslegung seines Antrags,
14
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Klausur im Fach
„Mikroökonomie I“ vorläufig zu bewerten und ihn im Falle des Bestehens vorläufig weiter so zu
behandeln, als sei sein Prüfungsanspruch nicht endgültig erloschen.
15 Die Antragsgegnerin beantragt,
16
den Antrag zurückzuweisen.
17 Sie trägt vor, es sei zwar unstreitig, dass der Antragsteller für das Bestehen der Orientierungsprüfung nur
entweder die Prüfungsleistung im Fach „Makroökonomie II“ oder „Mikroökonomie I“ bestehen müsse. Nach §
3a DPO sei es zwingend geboten, die Orientierungsprüfung bis zum Ende des 2.Fachsemesters abzulegen.
Unstreitig habe der Antragsteller bis zum Ende des 2.Fachsemester nur einen Teil der Orientierungsprüfung,
nämlich nur die Prüfung in den Fächern „Mathematik II“ und „Makroökonomie I“ abgelegt und bestanden, also
die Orientierungsprüfung nicht bestanden. Er hätte daher nach § 3a DPO nur noch die Möglichkeit gehabt, die
noch ausstehenden Prüfungen im 3.Fachsemester „einmal“ zu wiederholen. Das sei ihm unstreitig nicht
gelungen, da er bis zum Ende des 3.Fachsemesters weder in „Mikroökonomie I“ noch in „Makroökonomie II“
die Prüfung bestanden habe. Nur wenn er die Wiederholungsprüfung aus nicht zu vertretenden Gründen nicht
bestanden habe, bestehe die Möglichkeit, über das 3.Fachsemester hinaus die Prüfungsleistung zu
wiederholen. Das sei aber hier nicht der Fall. Alle Gründe, auch eine Erkrankung oder sonstige Gründe, die den
Antragsteller im 3.Fachsemester an der Erbringung der Prüfungsleistung hinderten, seien vom Antragsteller zu
vertreten, da er infolge falscher Studienplanung alles auf eine Karte gesetzt und sich erstmals im letzten
möglichen, nämlich im 3.Fachsemester für die Prüfungen in „Mikroökonomie I“ und „Makroökonomie“
angemeldet habe. Wenn bei diesem, auf eigenes Risiko unternommenen, Versuch etwas schief laufe, und sei
es infolge von Krankheit, gehe der Prüfungsanspruch endgültig verloren. Dass er überhaupt zum
3.Fachsemester zu den noch ausstehenden Prüfungsleistungen zugelassen worden sei, stelle ein bloßes
Entgegenkommen der Antragsgegnerin dar, allerdings mit der genannten Konsequenz eines bei Nichtbestehen
dieser Prüfungen im 3.Fachsemester endgültigen Verlusts des Prüfungsanspruchs.
18 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten sowie auf die beigezogene Gerichtsakte zur Klage gegen die Exmatrikulation (1 K 1019/07) und die
dazu vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
19 Der gem. § 123 Abs.1 S.2 VwGO zulässige Antrag ist begründet.
20 Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§
123 Abs.3, § 920 Abs.2 ZPO).
21 Eine Fortsetzung des Studiums erst nach einem rechtskräftigen erfolgreichen Abschluss des
Hauptsacheverfahrens würde für den Antragsteller einen nicht unerheblichen Verlust an Prüfungsvorbereitung
bedeuten und auch einen Zeitverlust zur Folge haben, der ihm im Hinblick auf die auch von einem zügigen
Studienabschluss abhängigen späteren Berufschancen unzumutbar wäre (vgl. Zimmerling/Brehm,
Prüfungsrecht, 2.Aufl.2001, Rdnr.660, 663, 666; für eine großzügige Bejahung des Anordnungsgrundes im
Prüfungsrecht auch BVerfG, Beschl. v. 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 -, DVBl.1995, 1069 = NVwZ 1995, 1197
und BVerwG, Beschl. v. 11.04.1996 - 6 B 13.96 = NVwZ 1997, 502). Der Antragsteller hat zudem von der
Antragsgegnerin unbestritten vorgetragen, bis 12.07.2007 müsse er sich zu einer ggf. notwendigen Nachholung
der Prüfung melden. Eine Eilbedürftigkeit seines Antrags ist daher zu bejahen.
22 Dem Anordnungsgrund steht auch nicht entgegen, dass aktuell die Frist des § 3 a Abs.1 DPO (Diplom- und
Prüfungsordnung der Antragsgegnerin für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre v. 14.02.2000 zuletzt
geändert am 09.10.2006) für eine endgültige Ablegung der Orientierungsprüfung bis Ende des dritten
Fachsemesters bereits überschritten ist, weil das Sommersemester 2007 bereits das 4.Fachsemester des
Klägers darstellt, denn im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren wäre diese Fristüberschreitung als
„nicht zu vertreten“ zu qualifizieren (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 21.05.2001- 1 K 631/01 -VENSA und
vom 14.06.2006 - 1 K 918/06). Ganz abgesehen davon geht es im vorliegenden Streit materiellrechtlich unter
anderem gerade auch um die Auslegung dieser Vorschrift.
23 Das aus dem Begriff der „einstweiligen“ Anordnung abzuleitende Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache
steht der Zulässigkeit des vorliegenden Antrags ebenfalls nicht entgegen. Der Antragsteller begehrt lediglich
eine „vorläufige“ Bewertung seiner Klausur und vorläufige weitere Behandlung als sei sein Prüfungsanspruch
nicht erloschen. Vollendete Tatsachen werden dadurch nicht geschaffen, weil bei einem Unterliegen des
Antragstellers in der Hauptsache feststünde, dass der Prüfungsanspruch von vornherein erloschen war, und
der Antragsteller somit das Risiko trägt, die Prüfungsleistung bzw. auch etwaige künftige weitere
Prüfungsleistungen vergeblich erbracht zu haben (vgl. BVerwG, Urt.v.15.12.1993 - 6 C 20.92 -, NJW
1994,1601; siehe auch Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rdnr.652).
24 Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch auf vorläufige Bewertung seiner Klausur und auf
vorläufige weitere Behandlung als sei sein Prüfungsanspruch nicht endgültig erloschen glaubhaft gemacht.
25 Aller Voraussicht nach wird nämlich sein Widerspruch Erfolg haben, den er am 05.04.2007 gegen den Bescheid
der Antragsgegnerin vom 22.03.2007 eingelegt hat, mit dem diese festgestellt hat, sein Prüfungsanspruch sei
wegen endgültigen Nichtbestehens der Orientierungsprüfung endgültig erloschen.
26 Diese Feststellung wird nämlich entgegen der anderslautenden Auslegungspraxis der Antragsgegnerin nicht
von §§ 3a Abs.1 DPO gedeckt, der wiederum seine gesetzliche Grundlage in der inhaltsgleichen Vorschrift des
§ 34 Abs.3 LHG findet.
27 Nach § 3a Abs.1 S.1 DPO ist eine Orientierungsprüfung bis zum Ende des 2.Fachsemesters abzulegen. Diese
umfasst Prüfungsleistungen in insgesamt vier Fächern ( § 3a Abs.2 a) und b) DPO). Die Vorschrift hält sich
damit im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs.3 S.1 LHG, die den Universitäten
aufgibt, eine Orientierungsprüfung bis zum Endes des 2.Fachsemsters im Umfang von mindestens einer
Prüfungsleistung zu verlangen.
28 Nach § 3a Abs.1 S.2 DPO können die Prüfungsleistungen einmal in dem drauffolgenden Semester wiederholt
werden. Werden sie bis spätestens zum Ende des 3.Fachsemester nicht erbracht, verliert der Prüfling seinen
Prüfungsanspruch, es sei denn, diese Fristüberschreitung ist nicht zu vertreten (§ 3a Abs.1 S.3 DPO). Diese
scharf in die Rechte des Prüflings einschneidende Sanktion für das Überschreiten der auf das Ende des
3.Fachsemesters gelegten endgültigen Prüfungsfrist findet in § 34 Abs.3 S.2, 3 LHG ihre nach Art.12 Abs.1
GG erforderliche gesetzliche Grundlage. Sie ist nur deshalb mit Art.12 GG vereinbar, weil sie im Falle der nicht
zu vertretenden Fristüberschreitung die Sanktion des Verlusts des Prüfungsanspruchs entfallen lässt (vgl. zur
Verfassungskonformität von Regelungen über den Verlust des Prüfungsanspruchs bei Überschreiten
bestimmter Fristen und zum Vertretenmüssen der Fristüberschreitung als Voraussetzung einer Sanktion VGH
Bad.-Württ., Urt. v. 07.07.1980 - 9 S 111/79 -, DÖV 1981, 84 und Nds.OVG, Urt. v. 20.12.1994 - 10 L 1179/92 -
, juris = Nds VB. 1995, 135 sowie OVG NRW, Urt. v. 25.01.1978 - XVI A 1957/77 -, DÖV 1979, 418; siehe
dazu auch Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. 2001, Rdnr. 157).
29 Dem Wortlaut des § 3a Abs.1 S.2 DPO (§ 34 Abs.3 S.2 LHG) lässt sich entnehmen, dass nur eine einmalige,
also erste und zugleich letzte Wiederholungsmöglichkeit gegeben ist, wie sie verfassungsrechtlich für den Fall
des Nichtbestehens einer Prüfung geboten ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.03.1989 - 1 BvR 1033/82 -, BVerfGE
80, 1 = NVwZ 1989, 850; siehe dazu auch Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rdnr.25 -29) und dass diese
Wiederholung nach nicht bestandenem erstem Versuch spätestens bis zum Ende des 3.Fachsemester
stattgefunden haben muss. Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich hingegen nicht zwingend entnehmen, dass
im 3.Fachsemester überhaupt nur Prüfungen in Form der Wiederholungsprüfung abgelegt werden können, wie
dies die Antragsgegnerin offenbar vertritt. Zwar spricht § 3 a Abs.1 S.1 DPO (§ 34 Abs.3 S.1 LHG) in der Tat
davon, dass die Orientierungsprüfung bis Ende des 2.Fachsemesters „abzulegen ist“, jedoch knüpft § 3a Abs.3
S.3 DPO (§ 34 Abs.3 S.3 LHG) den Verlust des Prüfungsanspruchs allein und pauschal daran, dass „die
Prüfungsleistung“ (als solche) nicht bis spätestens Ende des 3.Fachsemesters erbracht wurde, differenziert
also nicht danach, ob die Prüfungsleistung im ersten Versuch oder erst in der Wiederholung erbracht wurde.
Daraus ergibt sich, dass bis spätestens zum Ende des 3.Fachsemesters die Prüfungsleistung im ersten
Versuch oder aber im Wiederholungsfall erbracht sein muss. Aus dem Zusatz, dass dies nicht gilt, wenn die
Überschreitung der Prüfungsfrist am Endes des 3.Fachsemsesters nicht zu vertreten ist, folgt ferner, dass
nach dem 3.Fachsemester grundsätzlich keine Wiederholungsmöglichkeiten mehr eröffnet sind, sondern nur
noch ausnahmsweise Prüfungen stattfinden können, die der Nachholung einer Prüfung dienen, zu der der
Prüfling ordnungsgemäß angemeldet und zugelassen war, von der er aber aus Gründen, die er nicht zu
vertreten hatte, genehmigt zurückgetreten ist, oder zu der ihn die Hochschule zulassen muss, weil ein
Prüfungsmangel vorlag, der einen Anspruch auf erneute Zulassung zur Prüfung gibt.
30 Diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck des § 34 Abs.3 LHG, der mit der Einführung der
Orientierungsprüfung die Studierenden zu einem raschen und zielstrebigen Studium anhalten will und
insbesondere vermeiden will, dass diese erst im Rahmen einer Zwischenprüfung oder der Vordiplomprüfung
erkennen, das falsche Fach gewählt zu haben, wodurch ihnen zwei bis drei wertvolle Jahre verlorengehen, in
denen sie zudem die Ausbildungskapazitäten der Hochschule belasten (vgl. zur Orientierungsprüfung Haug,
Das Hochschulrecht in Bad.-Württ., 2001, Rdnr.707 unter Verweis auf die amtl. Begründung zur
Vorgängervorschrift § 51 Abs.4 UG a.F.. [LT-Drucks. 12/4404, S.247, 248: “Den Studierenden soll möglichst
frühzeitig eine Überprüfung ihres gewählten Studienfachs ermöglicht werden. … Damit der Verlust an
Studienzeit möglichst gering bleibt, gibt es nur eine Wiederholung, die spätestens im 3. Semester
abgeschlossen sein muss“] ).
31 Dieser Zweck wird nicht dadurch tangiert, dass ein Studierender, wie hier der Antragsteller, sich erstmals im
3.Fachsemester zu einer Teilprüfung der Orientierungsprüfung anmeldet, die er bis spätestens zum Ende des
3.Fachsemesters erbracht haben muss. Denn in diesem Fall gibt es für ihn dann, wenn er diese Prüfung nicht
besteht, anders als für den Studierenden, der die Prüfung schon einmal im ersten oder zweiten Fachsemester
abgelegt, aber nicht bestanden hat, keine Wiederholungsmöglichkeit mehr. Vielmehr stehen ihm nach dem
eindeutigen Inhalt der genannten Vorschriften für Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen allein das
2. und 3.Fachsemester zur Verfügung, nicht hingegen auch noch weitere darüber hinausgehende Semester.
Das ist mit dem Grundsatz, dass die Gewährung zumindest einer Wiederholungsmöglichkeit im Regelfall
verfassungsrechtlich nach Art.12 Abs.1 GG geboten ist, ohne weiteres zu vereinbaren, denn den Verlust dieser
Wiederholungsmöglichkeit hat der Betreffende selbst zu vertreten, weil er sein Studium so geplant hat, dass er
die Prüfung überhaupt erstmals im 3.Fachsemester ablegt und damit sehenden Auges auf die
Wiederholungsmöglichkeit verzichtet, die er bei erstmaliger Anmeldung und einem Nichtbestehen der Prüfung
im 2.Fachsemester dann immerhin noch im 3.Fachsemester wahrnehmen könnte (zum Vertretenmüssen im
Prüfungsrecht bei falscher Studienplanung vgl. VG Würzburg, Urt. v. 07.07.2006 - W 2 K 05.672 -, Juris; siehe
auch VG Ansbach, Beschl. v. 16.07.2004 - AN 2 E 04.01267 -, Juris). In diesem Verlust der einzigen
Wiederholungsmöglichkeit besteht die Sanktion für eine derartige unzureichende Planung des Studiums.
32 Hingegen wird es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht von § 3a Abs.1 S.3 DPO (§ 34 Abs.3 S.3
LHG) gedeckt, als Sanktion dafür, dass ein Studierender sich erstmals im 3.Fachsemester zu einer Teilprüfung
der Orientierungsprüfung anmeldet, den Verlust des Prüfungsanspruchs auch dann anzunehmen, wenn der
Studierende aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen, wie hier der damaligen Erkrankung des Antragstellers,
an dieser Prüfung schon gar nicht teilnehmen kann, sondern von ihr mit Genehmigung der Hochschule
zurücktritt. Denn § 3a S.3 DPO und § 34 Abs.3 S.3 LHG regeln eindeutig, dass der Verlust des
Prüfungsanspruchs dann nicht eintritt, wenn das Überschreiten der endgültigen Prüfungsfrist zum Ende des
3.Fachsemesters nicht vom Studierenden zu vertreten ist.
33 Es lässt sich insofern auch nicht argumentieren, dieses Überschreiten der Prüfungsfristen beruhe zwar nicht
auf der selbstverständlich nicht zu vertretenden Erkrankung, wohl aber darauf, dass der Studierende es infolge
seiner falschen Studienplanung so weit habe kommen lassen und daher vertreten müsse, dass er dann, wenn
er erstmals im 3.Fachsemester die Prüfung antrete, diese aber infolge Krankheit nicht ablegen könne, mit der
Ableistung der Prüfung in einem Nachholtermin dann notwendigerweise das Endes des 3.Fachsemesters
überschreiten müsse. Das ergibt sich schon aus der Kontrollüberlegung, dass § 3a Abs.3 S.3 DPO und § 34
Abs.3 S.3 LHG einem Studierenden, der die Prüfungsleistung (nachdem er sie im 1. oder 2. Fachsemester in
einem ersten Versuch nicht bestanden hat) nunmehr in der Wiederholung im 3.Fachsemester aus nicht zu
vertretenden Gründen (z.B. Krankheit) gar nicht ablegen kann, ohne weiteres zubilligen, diese
Wiederholungsprüfung dann eben auch noch nach dem Ende des 3.Fachsemesters abzulegen. Hätte der
Studierende also, statt sich erstmals im 3.Fachsemester zur Prüfung anzumelden, sich bereits im ersten oder
zweiten Fachsemester zu dieser Prüfung angemeldet, an dieser aber unentschuldigt nicht teilgenommen und
sie damit nicht bestanden, so stünde ihm diese einmalige Wiederholungsmöglichkeit im 3.Fachsemester selbst
nach der Auffassung der Antragsgegnerin unproblematisch auch insoweit zu, als er bei nicht zu vertretendem
Rücktritt von dieser Wiederholungsprüfung nun diese Wiederholungsprüfung auch noch nach Ende des
3.Fachsemesters nachholen darf. Ein Unterschied zum Fall des Antragstellers, der auf einen ersten Versuch
im 1.oder 2.Fachsemester bereits ganz verzichtet hat und sich erstmals im 3.Fachsemester zur Prüfung
meldet, die er nach dem oben Gesagten im Falle des Nichtbestehens nicht mehr wiederholen kann und die sich
deshalb der Sache nach für ihn wie eine erste und letzte Wiederholungsprüfung darstellt, besteht insofern also
nicht.
34 Die Antragsgegnerin verkennt mit ihrer Argumentation insoweit den Unterschied zwischen dem Fall des
Nichtbestehens der Wiederholungsprüfung bzw. der damit gleichzusetzenden erstmals im 3.Fachsemester im
ersten Versuch angetretenen Prüfung, für den es in beiden Varianten laut § 3a Abs.1 S.2 DPO (§ 34 Abs.3 S.2
LHG) keine (zweite bzw. erstmalige) Wiederholungsmöglichkeit mehr gibt, und dem davon zu
unterscheidenden, hier vorliegenden Fall, dass der Prüfling zu einer solche Prüfung im 3.Fachsemester zwar
angemeldet und zugelassen war, aber davon genehmigt zurückgetreten ist, sie also nicht etwa infolge
unzureichender Leistung oder unentschuldigten Fernbleibens „nicht bestanden“ hat und infolgedessen auch
nicht ihrer Wiederholung nach einem erfolglosen ersten Versuch bedarf, sondern sie nur nachzuholen hat,
sobald der von ihm nicht zu vertretende Rücktrittsgrund entfallen ist.
35 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs.3, 52 Abs.1 GKG i.V.m. Teil II der Ziff.18.3 des
Streitwertkatalogs (VBlBW 2004, 467 - Auffangwert von 5.000,-- Euro für Zwischenprüfungsstreit). Da eine
Vorwegnahme der Hauptsache nicht vorliegt, war der Streitwert wegen des nur vorläufigen Charakters des
Beschlusses zu halbieren.