Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 15.03.2017

VG Frankfurt(oder ): unwirksamkeit der kündigung, eigene mittel, stadt, behinderung, hort, abweisung, vollstreckung, bindungswirkung, zivilprozessordnung, ermessen

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
6. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 K 434/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 85 SGB 9
Restitutionsklage gegen die arbeitsgerichtliche Abweisung einer
Kündigungsschutzklage
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn
nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten erteilte Zustimmung zu einer
ordentlichen Änderungskündigung.
Der im Jahr 1958 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung
von 50. Er war seit dem 6. März 1989 bei der Stadt Frankfurt (Oder) als Hausmeister
beschäftigt, und zwar zuletzt im Hort der Förderschule für Sprachauffällige in Frankfurt
(Oder).
Am 27. August 2000 schloss der Beigeladene mit der Stadt Frankfurt (Oder) einen
"Vertrag zur Übergabe einer kommunalen Kindertagesstätte in freie Trägerschaft".
Danach übertrug die Stadt Frankfurt (Oder) dem Beigeladenen gemäß § 613a BGB die
Betreibung des Hortes der Förderschule für Sprachauffällig sowie des Hortes der 2.
Gesamtschule mit Wirkung ab dem 1. September 2002. Das in den genannten
Einrichtungen zum Zeitpunkt der Übernahme beschäftigte pädagogische und technische
Personal wurde auf den Beigeladenen übergeleitet. Die Finanzierung der Einrichtung
sollte durch die Stadt Frankfurt (Oder) auf der Grundlage des § 16 KitaG sowie der
Kindertagesstätten-, Betriebskosten- und Nachweisverordnung (KitaBKNV) erfolgen.
Dabei wurde ferner geregelt, dass die Stadt Frankfurt (Oder) Kosten für
Personalüberhang sowie für Verwaltungs- und Rechtsschutzmehraufwendungen bis zur
Wirksamkeit von notwendigen betriebsbedingten Kündigungen ebenfalls übernimmt,
allerdings längstens bis nach Ablauf der Wirkungsfrist des § 613a BGB.
Unter dem 27. August 2002 schloss der Beigeladene mit dem Kläger einen
Arbeitsvertrag, wonach der Kläger ab dem 1. September 2002 auf unbefristete Zeit als
Hausmeister mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 95% der tariflichen Regelarbeitszeit
(d. h. seinerzeit 38 Wochenstunden) beschäftigt wurde.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2004 beantragte der Beigeladene beim Beklagten die
Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung des Klägers. Zur
Begründung führte er an, die Stadt Frankfurt (Oder) habe im Zuschussbescheid zur
Festsetzung des Betriebskostenzuschusses 2002 ausgeführt, dass die Besetzung der
Hausmeisterstelle mit 0,95 der tariflichen Regelarbeitszeit im Vergleich zu anderen Kitas
freier Träger zu hoch besetzt sei und die Kosten für diese Stelle nur noch im Zeitraum
der Bindungswirkung des § 613a BGB zuschussfähig seien; danach sei die Stelle nur
noch mit 0,45 der tariflichen Regelarbeitszeit zuschussfähig. Es sei daher beabsichtigt,
eine betriebliche Änderungskündigung auszusprechen und die Wochenarbeitsstunden
des Klägers auf 18 Stunden zu reduzieren. Eigene Mittel zur Bezahlung der
Hausmeisterstelle im bisherigen Umfang bestünden nicht, so dass die
Änderungskündigung unabwendbar sei. Eine Sozialauswahl sei nicht zu treffen, da der
Kläger der einzige Hausmeister im Geschäftsbereich "Niederlassung Brandenburg" sei.
Freie Arbeitsplätze als Hausmeister seien weder in diesem Betrieb noch in den sonstigen
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Freie Arbeitsplätze als Hausmeister seien weder in diesem Betrieb noch in den sonstigen
Betrieben des Beigeladenen vorhanden.
Mit Bescheid vom 20. September 2004 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Eine
Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um mehr als die Hälfte beeinträchtige den
Kläger erheblich in seiner sozialen Situation, der Teilzeitarbeitsplatz sei nicht
angemessen und könne nach den Angaben des Beigeladenen zudem nicht als gesichert
angesehen werden. Auf den Widerspruch des Beigeladenen vom 29. September 2004
hin erteilte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2005 die beantragte
Zustimmung zur ordentlichen Änderungskündigung. Im Rahmen der
Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Finanzierung der
Kindertagesstätten (Hort der 2. Gesamtschule, Hort der Sprachheilschule) in Form eines
zweckgebundenen Zuschusses erfolge und die Stadt Frankfurt (Oder) nach Auslaufen
der Bindungswirkung des § 613a BGB die Hausmeisterstelle nur noch mit 0,45 der
tariflichen Regelarbeitszeit für zuschussfähig halte. Nach Überzeugung des
Widerspruchsausschusses sei der Beigeladene dringend auf die genannten Zuschüsse
angewiesen und verfüge nicht über eigene Haushaltsmittel, um die Hausmeisterstelle
auf dem bisherigen Stundenniveau beibehalten zu können. Eine willkürliche
Stundenreduzierung sei nicht erkennbar, auch ein Zusammenhang zwischen der
beabsichtigten Änderungskündigung und der Behinderung könne nicht festgestellt
werden.
Der Beigeladene kündigte daraufhin mit Schreiben vom 29. März 2005 das
Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. September 2005 und bot ihm zugleich den
Abschluss eines geänderten Arbeitsvertrages mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2005 und
einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 45 % der tariflichen Regelarbeitszeit (18
Wochenarbeitsstunden) an. Nachfolgend haben der Kläger und der Beigeladene einen
entsprechend geänderten Arbeitsvertrag unterzeichnet.
Der Kläger hat am 22. April 2005 Klage erhoben und trägt zur Begründung im
Wesentlichen vor: Es werde bestritten, dass eine Änderungskündigung geplant oder
erforderlich sei. Ferner werde bestritten, dass betriebsbedingte Gründe hierfür vorlägen
und es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für ihn gebe. Die Kündigung würde für ihn
aufgrund seiner Behinderung und seines Lebensalters eine unzumutbare Härte
bedeuten.
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10. März 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage bestehe nicht. Die Änderungskündigung sei
wirksam geworden, der Kläger habe das Änderungsangebot vorbehaltlos angenommen
und keine Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Das vorliegende Klageverfahren könne
daher nicht dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen
wieder fortgesetzt werde. Im Übrigen sei der angefochtene Widerspruchsbescheid auch
materiell rechtmäßig. Das Integrationsamt dürfe einer Änderungskündigung nur dann
die Zustimmung versagen, wenn typisch schwerbehindertenrechtliche Belange von
Bedeutung seien, die arbeitsrechtliche Zulässigkeit sei nicht zu prüfen. Die hier erfolgte
Stundenreduzierung stehe aber in keinem Zusammenhang mit der Behinderung des
Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten ergänzend
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die erhobene Anfechtungsklage ist bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt - worauf das
Gericht ihn zur Vermeidung unnötiger Kosten bereits in der Terminsladung hingewiesen
hat - das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, weil ein Klageerfolg seine Rechtsstellung
nicht verbessern würde. Zwar räumen die Arbeitsgerichte für den Fall der nachträglichen
Aufhebung des Zustimmungsbescheides die Möglichkeit einer Restitutionsklage gemäß
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Aufhebung des Zustimmungsbescheides die Möglichkeit einer Restitutionsklage gemäß
§ 580 Nr. 6 Zivilprozessordnung - ZPO - gegen die arbeitsgerichtliche Abweisung einer
Kündigungsschutzklage ein (vgl. etwa Bundesarbeitsgericht - BAG -, Urteil vom 17. Juni
1998 - 2 AZR 519/97 -, Juris). Da vom Kläger gegen die ausgesprochene
Änderungskündigung aber keine solche Kündigungsschutzklage erhoben wurde, hätte er
selbst bei einer Aufhebung des Zustimmungsbescheides keine Möglichkeit mehr, die
Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen (ebenso VG München, Urteil vom 29.
September 2006 - M 6a K 05.2217 -, Juris).
Darüber hinaus fehlt es auch an der Begründetheit der Klage. Der angegriffene Bescheid
ist eindeutig rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Anhaltspunkte dafür, dass die
ausgesprochene Änderungskündigung im Zusammenhang mit der Behinderung des
Klägers stand, sind weder vorgetragen worden noch sonst ansatzweise ersichtlich. Damit
war das dem Beklagten nach § 85 SGB IX eingeräumte Ermessen dahingehend auf Null
reduziert, dass er die Zustimmung zur ordentlichen Änderungskündigung des Klägers zu
erteilen hatte. Die Prüfung arbeitsrechtlicher Fragen wäre allein Sache der
Arbeitsgerichte gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene
durch die Stellung eines eigenen Antrags ein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3
VwGO), entspricht es der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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