Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 15.03.2017

VG Frankfurt(oder ): treu und glauben, verordnung, bad, ddr, entschädigung, ständige kommission, staatliches unternehmen, eigentümer, produktion, berechtigung

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 K 15/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 1 InVorG, § 6 Abs 6a
VermG, § 1 Abs 3 VermG
Erlösauskehranspruch; Berechtigung; Stilllegung eines
Unternehmens; schädigende Maßnahmen aufgrund unlauterer
Machenschaften; Rechtswidrigkeit des Enteignungsverfahrens
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung eines Anspruchs auf Erlösauskehr aus
der Veräußerung von Grundstücken, die zu dem ehemaligen Unternehmen A. AG Bad F.
gehörten. Das Alaunwerk wurde nach dem 1. Weltkrieg von dem Berliner Ehepaar B.
erworben. Nach der Auskunft von Günter B. vom 22. November 1973 und der
Darstellung des Ausgleichsamtes Düsseldorf vom 28. Februar 1986 war Heinrich B.
Inhaber von 97,6 % der Aktien. Die übrigen Aktien hielt Frau Martha M. sowie die
Aktiengesellschaft selbst. Die A. AG betrieb ein Unternehmen, dessen Gegenstand der
Ankauf und Betrieb von Ziegelwerken, die Erzeugung von Tonwaren aller Art sowie der
Handel mit solchen Gegenständen war. Wegen der geringen Alaunschürfung war bereits
Ende des 19. Jahrhunderts trotz noch vorhandener ausreichender Alaunvorkommen die
Alaunproduktion eingestellt worden. Vor dem 2. Weltkrieg wurden vorwiegend Bauziegel
hergestellt. Der Geschäftsbetrieb ruhte seit 1941. Die Firma war nicht aufgelöst. Nach
dem 2. Weltkrieg wurde der Wert des Unternehmens mit 158.000,00 DM festgestellt. Die
AG wurde nach 1945 auf die Demontageliste des Landes Brandenburg gesetzt und das
Werk zu Reparationszwecken demontiert. Das Alaunwerk hatte Grundsitz in Bad F. von
34,8 ha. Der Hauptaktionär und Aufsichtsratsvorsitzende der AG, Heinrich B., hatte
seinen Wohnsitz in West-Berlin. Nach Gründung der DDR wurde Herr S. beauftragt, die A.
AG weiter zu führen. Das Unternehmen der A. AG wurde sodann Anfang 1952 gemäß § 6
der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 beschlagnahmt
und der staatlichen Verwaltung der Stadt Bad F. übergeben.
Herr Berthold S. stellte mit Schreiben vom 12. Juli 1953 den Antrag auf Rückgabe des
Firmenvermögens, welchem nicht stattgegeben wurde.
In einer Ratsvorlage vom 5. Juni 1954 wies die Ständige Kommission Industrie und
Handwerk des Bezirkstages Frankfurt (Oder) darauf hin, dass im Bezirk Frankfurt (Oder)
einige Objekte vorhanden seien, die mit wenigen Mitteln zur Erweiterung der Kapazität
insbesondere für die Massenbedarfsproduktion geeignet seien und bis jetzt durch etwas
eigenartiges Improvisieren der Zerstörung preisgegeben worden seien. Bezüglich des
Alaunwerkes Bad F. sei der Eigentümer und Besitzer der Aktien, Herr B., verpflichtet
gewesen, die Aktien in der DDR anzumelden und abzugeben. Des Weiteren sei er
verpflichtet gewesen, nach Art. 24 und 27 der Verfassung die Werterhaltung und
Nutzung der Anlagen zu veranlassen. Nach dem Bericht des ehemaligen Verwalters
Berthold S. sei ein Tonerde- und Alaunvorkommen für reichlich zwei Menschenalter bei
einer Kapazität von 12.000.000 Steinen pro Jahr vorhanden. Nach dem Gesetz zur
Überführung der Bodenschätze- und Kohlenbergbaubetriebe in die Hand des Volkes vom
28. Juni 1947 § 1 Abs. 1 sei das Vorkommen von Alaun meldepflichtig gewesen, weshalb
Bodenschätze und Werk hätten enteignet werden müssen. Gemäß § 3 würden im Falle
der Enteignung nach § 1 alle Anlagen und Betriebseinrichtungen, die zur Gewinnung,
Bearbeitung oder Verarbeitung der in § 1 genannten Bodenschätze bestimmt seien,
auch wenn sie Nebenprodukte produzieren sowie sämtliche wirtschaftliche mit diesen
Werken verbundenen Nebenbetriebe mit ihren Einrichtungen, Werkzeugen, Laboratorien,
Patenten, technischen Zeichnungen, Erfindungen, die für diese Betriebe bestimmt seine,
mitenteignet. Sie gingen mit allen Aktien und Rechten und mit den nach dem 8. Mai
1945 entstanden Verbindlichkeiten auf die Mark Brandenburg über. Eigenartigerweise sei
dieses große Werk nicht in der Liste I des Gesetzes enthalten. Dies könne nur eine
Unterlassungssünde der damaligen Kreisverwaltung sein. Der Betrieb sei demontiert
worden, so dass sich der Eigentümer nicht mehr mit der Ausbeutung der Bodenschätze
beschäftigt habe und auch nicht daran gedacht habe, den Wiederaufbau durchzuführen.
Eine Verletzung der in § 8 vorgesehenen Meldepflicht sei mit Strafe belegt. Es sei daher
notwendig, die demokratische Verlässlichkeit wieder herzustellen, da der ehemalige
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notwendig, die demokratische Verlässlichkeit wieder herzustellen, da der ehemalige
Eigentümer nicht den leisesten Versuch gemacht habe, die Ausbeutung der
Bodenschätze im allgemeinen Interesse wieder aufzunehmen. Gemäß § 1 Abs. 2 des
Gesetzes könne die Regierung in Erweiterung der in Abs. 1 gegebenen Vorschriften
Vorkommen in der Mark Brandenburg an Gips, Anhydrit, Kalk einschließlich Wiesenkalk,
Torf und Ton aus Gründen des öffentlichen Wohles enteignen. Im Übrigen seien selbst
bei ausländischen oder gemäß § 6 der Verordnung vom 17. Juli 1952 verwalteten
Vermögenswerten Werterhaltung und Nutzung bei Gefahr der Regresspflicht
durchzuführen, so dass auch in diesem Fall die Verordnung, dass in Privateigentum
keine Investmittel aus dem Staatshaushalt verwendet werden dürften, nicht zutreffe.
Deshalb werde vorgeschlagen, die demokratische Gesetzlichkeit gemäß dem Gesetz
vom 28. Juni 1947 wiederherzustellen und das Werk und die Bodenschätze in die Hand
des Volkes zu überführen. Es bestehe kein Grund, aus irgendwelchen Gründen, sei es die
Unterlassung des Eigentümers und Aktienbesitzers oder der Kreisverwaltung, das
bestehende Gesetz nach längerer Zeit nach Feststellung des wirklichen Sachverhaltes
nicht anzuwenden. Es sei nicht zu verantworten, derartige Bodenschätze bei dem
jetzigen Materialmangel insbesondere in der Baustoffindustrie ungenutzt liegen zu
lassen.
Am 15. Juni 1954 beschloss der Rat des Bezirkes (Beschluss 47/54), die
Eigentumsverhältnisse des Alaunwerkes Bad F. auf der Basis des Gesetzes vom 28. Juni
1947 zu klären und die demokratische Gesetzlichkeit herzustellen, um dieses Werk und
die Bodenschätze in die Hände des Volkes zu überführen und zum Wohl des Volkes zu
nutzen.
Gegen diesen Beschluss erhob die Bezirksstaatsanwaltschaft Einspruch. Ebenso wandte
sich das Ministerium der Finanzen mit Schreiben vom 27. Mai 1957 mit den gleichen
Einwänden gegen den Beschluss vom 15. Juni 1954 an den Rat des Bezirks. Das
Ministerium teilte mit, dass die Auffassung des Rates des Bezirkes auf einer falschen
Auslegung des Gesetzes vom 28. Juni 1947 beruhe. Man habe übersehen, dass § 1 Abs.
2 eine so weitgehende Enteignung nicht ermögliche. Nach dieser Vorschrift könne immer
nur der Umfang der zu enteignenden Bodenschätze erweitert werden, nicht aber die mit
diesen Bodenschätzen im Zusammenhang stehenden Produktionsstätten. Dies ergebe
sich aus § 3 Abs. 2 des Gesetzes. Danach blieben die Rechte und Interessen der mit der
Ausbeutung von Bodenschätzen beschäftigten Betriebe von dem Gesetz unberührt,
wenn sie nicht in der Liste zu dem Gesetz enthalten seien. Dies bedeute, dass Betriebe,
die wie im vorliegenden Fall nicht in der Liste enthalten seien, auch nicht von der
Bestimmung des § 1 Abs. 2 erfasst werden könnten. Deshalb verstoße der Beschluss
gegen das Gesetz. Die Möglichkeit einer befriedenden Lösung werde nach wie vor in der
bereits vorgeschlagenen Inanspruchnahme des Grundstücks (nach dem Aufbaugesetz)
gesehen. Das Ministerium der Justiz sei ebenfalls zur Stellungnahme aufgefordert
worden.
Mit Beschluss vom 18. Juli 1955 wies der Rat des Bezirkes den Einspruch des
Bezirksstaatsanwaltes gegen den Beschluss 47/54 zurück. Zur Begründung hieß es im
Wesentlichen: Im Fall des Alaunwerkes Bad F. sei der Eigentümer seiner gesetzlich
vorgeschriebenen Meldepflicht nicht nachgekommen, weshalb der Betrieb in
gesetzwidriger Weise aus der Liste I herausgehalten worden sei. Der Ratsbeschluss
47/54 habe die Aufgabe gehabt, diese Gesetzesverletzung zu beseitigen und den
gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen. Im Hinblick auf die Gesetzesverletzung
habe der Rat des Bezirkes sich bei seiner Beschlussfassung nicht auf § 3 Abs. 2 des
Gesetzes gestützt, weil dadurch die Gesetzesverletzung wesentlich unterstützt worden
wäre. Vielmehr beabsichtigte der Rat des Bezirkes unter Berufung auf § 1 Abs. 1 i.V.m. §
2 Abs. 1 die demokratische Gesetzlichkeit wiederherzustellen. Dies werde nicht für eine
Verletzung der Gesetzlichkeit gehalten. Vielmehr sei der Rat des Bezirkes der
Auffassung, dass eine Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz ein Vertuschen der
Verletzung der demokratischen Gesetzlichkeit und in diesem Zusammenhang eine
unrechtmäßige Verausgabung staatlicher Mittel bedeuten würde. Andere Begründungen
würden einer rechtlichen Grundlage entbehren.
Am 6. Dezember 1955 beschloss der Bezirkstag die Enteignung des Werkes gemäß § 1
Abs. 2 i.V.m. § 4 des Gesetzes vom 28. Juni 1947. Es sei eine Entschädigungssumme
festzusetzen und die Entschädigung in Naturalersatz für die 28 ha Grund und Boden zu
überprüfen. Die Produktion solle im Jahr 1957 beginnen. Die Alaunschürfung sei zwar
Ende des 19. Jahrhunderts wegen mangelnder Rentabilität eingestellt worden, obwohl
noch ein Alaunvorkommen für mehrere Menschenalter vorhanden sei. Nach dem
Bodenschatzgesetz hätte das Vorkommen von Alaun gemeldet werden müssen. Da das
Werk ab 1945 demontiert worden sei und vorher ausschließlich der Herstellung von
Bauziegeln gedient habe, hätten der Eigentümer und der Verwalter die Meldung
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Bauziegeln gedient habe, hätten der Eigentümer und der Verwalter die Meldung
unterlassen. Deshalb sei die Enteignung des Werkes verhindert worden. Erst nach dem
Erlass des Bodenschatzgesetzes, nachdem die Liste der zu meldenden Betriebe
abgeschlossen worden sei, habe der Eigentümer versucht, Kredite für den Wiederaufbau
des Werkes zu erhalten, was mangels ausreichender Sicherung abgelehnt worden sei. In
einer Rücksprache mit dem Justizminister und dem Generalstaatsanwalt sei ein
gangbarer Weg erarbeitet worden. Demnach sei die Anwendung des
Bodenschatzgesetzes gemäß § 1 Abs. 2 und § 4 möglich.
Dieser Beschluss ermöglichte den Beginn von investiven Maßnahmen.
Ausweislich des Rechtsträgernachweises vom 11. April 1956 wurde der Rat des Kreises
Bad F. mit Wirkung vom 1. Januar 1956 zum Rechtsträger der in Volkseigentum
überführten A. AG, eingetragen in den Grundbüchern Bad F., Blatt 600, 1468 über
248.014 qm und Band 46 Blatt 1541 über 64.152 qm bestimmt. Dementsprechend
wurde am 23. April 1956 Eigentum des Volkes in die genannten Grundbücher
eingetragen.
Zwecks Fortführung der Produktion (Dachziegelsteine und Bauziegel) erfolgte
ausweislich des Rechtsträgernachweises vom 17. Juni 1957 ein Rechtsträgerwechsel auf
den VEB (K) Z. Bad F.
Die Feststellung einer Entschädigung und deren Zahlung erfolgten nicht.
Die Produktion wurde 1969 eingestellt. Die Betriebsgrundstücke wurden verschiedenen
neuen Rechtsträgern zugeordnet.
Im Jahr 1990 waren die Grundstücke Flur 17, Flurstücke 12, 13, 16, 17, 18, 20, 21, 22, 23,
24, 25, 26, 28/1, 29, 30, 34, 35, 36, Flur 18, Flurstücke 410, 412, 405, 406 auf den VEB V.
eingetragen. Dieser Betrieb wurde 1990 aufgrund des Treuhandgesetzes in die Z. GmbH
umgewandelt. Das Treuhandunternehmen sollte privatisiert werden.
Mit Schreiben vom 2. August 1990 machte Günter B. vermögensrechtliche Ansprüche in
Rechtsnachfolge nach Emilie B. und Heinrich B. zum ehemaligen Unternehmen A. AG
einschließlich Grundvermögen geltend.
Im Zuge der geplanten Privatisierung des Treuhandunternehmens wurde der Betriebsteil
Alt-G. im August 1992 veräußert. Für das Hauptunternehmen in Bad F. führten die
Privatisierungsverhandlungen bis 1992 nicht zu handfesten Ergebnissen. Vor diesem
Hintergrund und angesichts der defizitären Produktion der GmbH beschloss die
Gesellschafterversammlung mit Beschluss vom 28. September 1992 die Auflösung der
Z. GmbH zum 30. September 1992. Indessen entschloss sich der Investor Gesellschaft
für G. mbH (...), das Unternehmen der Z. GmbH i.L. fortzuführen, in das Unternehmen
12.000.000 DM zu investieren sowie 30 Vollzeitarbeitsplätze zu sichern. Mit
Gesellschafterbeschluss vom 6. April 1993 wurde alsdann die Liquidation der
Gesellschaft beendet und deren Fortführung beschlossen. Des Weiteren wurde am 6.
April 1993 ein auf die Privatisierung nebst Investitionen gerichteter Unternehmens- und
Anteilskaufvertrag abgeschlossen, der durch den Investitionsvorrangbescheid der
Treuhandanstalt vom 2. Juli 1993 abgesichert wurde. Ausweislich des
Investitionsvorrangbescheides hatte sich demnach die G. GmbH zur Fortführung des
Unternehmens Z. GmbH i.L. verpflichtet. Infolge dessen wurde die Z. GmbH mit den
genannten Grundstücken an die G. GmbH veräußert. Nach dem Verkauf wurde das
Unternehmen zur Ziegelproduktion ausgebaut.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2001 stellte der Beklagte die Berechtigte der A. AG i.L.
fest und sprach der Antragstellerin einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses gegen die
Klägerin bezüglich der genannten Grundstücke zu. Des Weiteren wurde festgestellt, dass
der Antragstellerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung zustehe, auf den
die Erlösauskehr voll anzurechnen sei.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Geltungsbereich des Vermögensgesetzes
eröffnet sei, da die A. AG entschädigungslos in Volkseigentum überführt worden und die
Anwendbarkeit des Gesetzes nicht durch § 1 Abs. 8 a VermG ausgeschlossen sei. Die
Antragstellerin sei von einer Maßnahme gemäß § 1 Abs. 1 a VermG betroffen gewesen,
da eine Entschädigung für die Enteignung des Unternehmens nicht gezahlt worden sei.
Die A. AG i.L. sei Berechtigte gemäß §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 a VermG. Der Berechtigten
stehe grundsätzlich ein Anspruch gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG zu, da das
geschädigte Unternehmen 1969 endgültig stillgelegt worden sei und nicht wieder
aufgenommen werden könne. Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Auskehr des
Erlöses gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 3 VermG, § 16 Abs. 1 InVorG wegen der Veräußerung
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Erlöses gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 3 VermG, § 16 Abs. 1 InVorG wegen der Veräußerung
der im Eigentum der Z. GmbH stehenden Unternehmenstrümmer zu. Der
Ausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 1 d VermG greife nicht ein, weil sich das Unternehmen
der Z. GmbH bei Verkauf in Liquidation befunden habe. Gläubigeransprüche gemäß § 6
Abs. 6 a Satz 2 VermG seien nicht geltend gemacht und vom Beklagten auch nicht
ermittelt worden.
Die Klägerin hat am 3. Januar 2002 die vorliegende Klage erhoben.
Sie trägt vor: Der Anspruch auf Erlösauskehr bestehe nicht, denn die in Rede stehenden
Grundstücke hätten keiner schädigenden Maßnahme unterlegen. Eine
entschädigungslose Enteignung gemäß § 1 Abs. 1 a VermG liege nicht vor. Denn die
Enteignung nach dem Bodenschätzegesetz 1947 habe ausdrücklich eine Entschädigung
vorgesehen, worauf in dem zugrunde liegenden Beschluss ausdrücklich hingewiesen
worden sei. Dass die Entschädigung letztlich nicht festgesetzt bzw. ausgezahlt worden
sei, sei unerheblich. In solchen Fällen sei das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz
einschlägig.
Die entschädigungslose Enteignung der Bodenschätze sei hingegen unerheblich, da
Bodenschätze keine Vermögenswerte gemäß § 2 Abs. 2 VermG darstellen würden.
Die Enteignung stelle auch keine unlautere Machenschaft dar, selbst wenn das
Bodenschätzegesetz 1947 falsch angewandt worden sei. Denn an dem transparenten
Enteignungsverfahren seien alle maßgeblichen staatlichen Stellen beteiligt gewesen.
Ersichtlich habe die zuständige Stelle, der Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder), die
Enteignung nicht willkürlich vornehmen, sondern auf eine gesetzliche Grundlage stellen
wollen. Dass andere staatliche Stellen dessen Auffassung nicht geteilt hätten, könne
nicht zu der Annahme führen, dass deshalb eine manipulative Enteignung vorgelegen
habe. Vielmehr lasse die zwischen den staatlichen Stellen geführte Auseinandersetzung
erkennen, dass die anvisierte Enteignung keinesfalls offenkundig nicht auf das
Bodenschätzegesetz 1947 hätte gestützt werden können. Der Rat des Bezirkes habe die
Enteignung ersichtlich als Nacherfassung des Bodenschätzegesetz 1947 betrieben,
welches weiter gegolten habe. Der Vollzug der Enteignung der Bergwerksbetriebe sei
darin angelegt und in Art. 25 der Verfassung der DDR angeordnet worden.
Des Weiteren bestehe kein Anspruch auf Erlösauskehr, weil die Grundstücke im
Zeitpunkt der Veräußerung betriebsnotwendig gewesen seien und gemäß § 5 Abs. 1 d
VermG nicht hätten zurückgegeben werden können. Die vorübergehende Liquidation des
Unternehmensträgers Z. GmbH sei unerheblich.
Falls dennoch ein Erlösauskehranspruch bestehe, habe sie - die Klägerin - Anspruch auf
Zahlung vorrangiger Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG in Höhe von
953.925,57 Euro gegenüber der Antragstellerin.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2001 aufzuheben, soweit die
Berechtigung und der Erlösauskehranspruch der Antragstellerin festgestellt und sie in
Ziffer 2 zur Auskehr des Erlöses verpflichtet wird,
hilfsweise,
soweit der festgestellte Erlösauskehranspruch gegen sie besteht, den Beklagten unter
Aufhebung von Ziffer 4 des Bescheides vom 14. Dezember 2001 zu verpflichten, einen
Anspruch ihrerseits auf Zahlung von vorrangigen Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 6 a
Satz 2 VermG in Höhe von 953.925,57 Euro festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor: Neben einer schädigenden Maßnahme gemäß § 1 Absatz 1 a VermG liege
auch eine solche gemäß § 1 Abs. 3 VermG vor. Denn wie bereits die höchsten deutschen
Stellen im damaligen Enteignungsverfahren festgestellt hätten, sei eine Enteignung auf
der Grundlage des Bodenschätzegesetzes 1947 nicht möglich gewesen, weil der Betrieb
nicht in der Anlage des Gesetzes aufgeführt gewesen sei. Den staatlichen Stellen sei
auch bekannt gewesen, dass eine Enteignung nach den Vorschriften dieses Gesetzes
unmöglich gewesen sei. Dennoch hätten sie das Unternehmen einschließlich des
Grundbesitzes auf der Grundlage dieses Gesetzes in Volkseigentum überführt, weil die
Verstaatlichung des Unternehmens bezweckt gewesen sei.
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Durch die erfolgte investive Veräußerung sei der Restitutionsanspruch untergegangen.
Zum Zeitpunkt der Veräußerung habe auch kein Ausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 1 d
VermG vorgelegen, weil sich erst zum Zeitpunkt des Kaufvertrages das in Liquidation
befindliche Unternehmen verkauft habe. Denn spätestens mit dem Beschluss zur
Liquidation entfalle der Ausschlussgrund. Der Ausschlussgrund lebe auch nicht wieder
auf, wenn tatsächlich die Fortsetzung des Unternehmens beschlossen werde. Denn es
handele sich um ein neues lebendes Unternehmen. Insofern scheitere die Anwendung
des § 5 VermG für dieses Unternehmen an § 5 Abs. 2 VermG.
Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG habe die Klägerin im
Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht.
Die Beigeladene trägt vor: Sie sei die Erbin des verstorbenen Günter B., der als
Rechtsnachfolger der ehemaligen Aktionäre der A. AG die vermögensrechtlichen
Ansprüche angemeldet habe. Durch seine Anmeldung sei das Quorum gemäß § 6 Abs. 1
a Satz 2 VermG erfüllt gewesen mit der Folge, dass die A. AG als in Auflösung
fortbestehe. Diese sei demnach vermögensrechtlich Berechtigte gemäß § 6 Abs. 1 a
VermG.
Die vermögensrechtliche Berechtigung der A. AG i.L. sei mit dem Bescheid des
Beklagten vom 14. Dezember 2001 unter Ziffer 1 des Tenors bestandskräftig festgestellt
worden. Die Klägerin habe die ursprünglich gegen den gesamten Bescheid erhobene
Klage bezüglich des Tenorpunkts 1 zurückgenommen. Die Klägerin könne infolge dessen
nicht mehr mit ihrem Einwand gehört werden, dass die A. AG keiner schädigenden
Maßnahme im Sinne des § 1 VermG unterlegen habe.
Abgesehen davon lägen jedenfalls die Voraussetzungen einer machtmissbräuchlichen
Entziehung gemäß § 1 Abs. 3 VermG vor. Denn nach dem Bodenschätzegesetz 1947
seien nur die Unternehmen per Gesetz enteignet worden, die in der Anlage zum Gesetz
aufgeführt gewesen seien, wozu unstreitig die A. AG nicht gehört habe. Eine
Nacherfassung sei nach dem Bodenschätzegesetz 1947 nicht vorgesehen gewesen.
Darüber hinaus wären von § 3 des Bodenschätzegesetzes 1947 ohnehin nur Betriebe
betroffen gewesen, die mit der Verarbeitung von in § 1 des Gesetzes genannten
Bodenschätzen befasst gewesen seien. Die Alaunproduktion am Standort in Bad F. sei
bereits Ende des 19. Jahrhunderts eingestellt worden. Das Unternehmen selbst habe
seine Produktion auf Tonindustrie und die Herstellung von Bauziegeln umgestellt. Die
Enteignung der A. AG sei demnach ganz offensichtlich nicht unter die Voraussetzungen
des Bodenschätzegesetzes 1947 gefallen, worauf mehrere staatliche Stellen
ausdrücklich seinerzeit hingewiesen hätten.
Darüber hinaus hätten die staatlichen Organe die Verordnung über die
Inanspruchnahme von Grundstücken für bergbauliche Zwecke vom 6. Dezember 1951
nicht berücksichtigt (Blatt 168 der Akte). Die Verordnung habe vorgesehen, dass eine
Inanspruchnahme von Grundstücken nur dann möglich sei, wenn die Benutzung des
fremden Grundstücks für den Betrieb des Bergbaus notwendig sei. Eine
Inanspruchnahme von Unternehmen sei in der Verordnung nicht vorgesehen gewesen.
Weder sei die von der Verordnung vorgegebene Verfahrensweise eingehalten worden
noch habe überhaupt die Notwendigkeit des Betriebes bzw. der Grundstücke für den
Bergbaubetrieb begründet werden können. Vielmehr sei das Bodenschätzegesetz 1947
von den staatlichen Organen lediglich als formale Rechtsgrundlage vorgeschoben
worden, um die A. AG zu einem gänzlich anderen Zweck zu enteignen. Ziel der
staatlichen Stellen sei es dabei gewesen, das Werk in die staatliche Produktion zu
integrieren und Ziegelsteine für den Bedarf des Bezirkes Frankfurt (Oder) zu
produzieren, was ausdrücklich aus dem Beschluss des Bezirkstages vom 6. Dezember
1955 hervorgehe. Offensichtlich habe es keine anderweitige rechtliche Möglichkeit
gegeben, die A. AG in Volkseigentum zu überführen.
Die Enteignung des Unternehmens sei aber auch aus dem Grund erfolgt, weil sich die
Aktionäre in West-Berlin aufgehalten hätten. Der Antrag von Berthold S. vom 12. Juli
1953 auf Freigabe der A. AG habe offensichtlich dazu geführt, dass die staatlichen
Stellen verzweifelt nach einer Rechtsgrundlage für eine Enteignung des Unternehmens
gesucht hätten, um eine Freigabe an die westdeutschen Inhaber zu verhindern. Denn
aus dem Schreiben der Abteilung staatliches Eigentum an die Deutsche Investitionsbank
vom 6. Januar 1954 ergebe sich, dass seinerzeit klar gewesen sei, dass aufgrund der
staatlichen Verwaltung nach § 6 der Verordnung vom 17. Juli 1952 eine Überführung des
Betriebes in Volkseigentum nicht in Frage gekommen sei. Dennoch sei die Enteignung
des Werkes angestrebt worden. Somit hätten die staatlichen Stellen einerseits das Ziel
verfolgt, den Einfluss westdeutscher Unternehmer auf den Betrieb zu verhindern und
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verfolgt, den Einfluss westdeutscher Unternehmer auf den Betrieb zu verhindern und
andererseits den Betrieb der eigenen staatlichen Produktion einzuverleiben, weshalb die
Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG erfüllt seien.
Nach dem Bodenschätzegesetz hätte jedenfalls nicht das gesamte Aktiv- und
Anlagevermögen der A. enteignet werden dürfen. Dazu hätten auch Grundstücke
gehört, die mit Bodenschätzen bzw. deren Gewinnung und Verarbeitung nichts zu tun
gehabt hätten. Wie sich aus den Nutzungsangaben des Rechtsträgernachweises vom
17. Juni 1957 zu den einzelnen Grundstücken ergebe, habe sich ein
Bodenschatzvorkommen nur auf einer Teilfläche von 12.500 qm befunden. Die übrigen
Grundstücke seien weder damals noch heute zum Abbau von Bodenschätzen genutzt
worden. Damit liege eine "überschießende" Enteignung vor.
Ob sich die Behörden dem äußeren Anschein nach um ein korrektes Verfahren unter
Beachtung der Verfahrensvorschriften bemüht hätten, sei demnach unbeachtlich.
Dem Erlösauskehranspruch stehe auch nicht der Ausschlussgrund nach § 5 Abs. 1 d
VermG entgegen, da sich das später veräußerte Unternehmen in Liquidation mit dem
Ziel der Auflösung befunden habe. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift
zum Stichtag 29. September 1990 werde im Übrigen ausdrücklich bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die
vorgelegen haben und - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2001, Ziffer 2, ist rechtswidrig und
verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Zahlung des Veräußerungserlöses ist § 16 Abs.
1 InVorG. Danach kann der Berechtigte von dem Verfügungsberechtigten die Zahlung
eines Geldbetrages in Höhe aller auf den von ihm zu beanspruchenden Vermögenswert
entfallenden Geldleistungen aus dem Vertrag, zumindest aber den Verkehrswert
verlangen, wenn dem Verfügungsberechtigten infolge seiner Veräußerung die
Rückübertragung des Vermögenswertes nicht möglich ist. Berechtigter ist gemäß § 2
Abs. 1 VermG derjenige, dessen Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 betroffen
sind, sowie seine Rechtsnachfolger.
Die Beigeladene ist nicht Berechtigte, da die Vermögenswerte ihrer Rechtsvorgänger
keiner schädigenden Maßnahme gem. § 1 VermG unterlagen.
Der Beklagte hat entgegen der Auffassung der Beigeladenen in dem angefochtenen
Bescheid unter Ziffer 1 nicht die Berechtigung der A. AG i.L. bestandskräftig festgestellt
mit der Folge, dass das Vorliegen einer schädigenden Maßnahme nicht mehr zu
überprüfen wäre. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 11. November 2002 klargestellt,
dass sich die Klage nicht auf die Ziffer 1 des Tenors des Bescheides beziehe, weil die
dort aufgeführten Flurstücke nicht in ihrer Verfügungsbefugnis stünden. Mit Schriftsatz
vom 23. März 2004 hat sie sodann den aktuellen Klageantrag gestellt. Dem Schriftsatz
vom 11. November 2002 lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin die Feststellung
der grundsätzlichen Berechtigung der Beigeladenen in Bezug auf die in Ziffer 2 des
Bescheides erwähnten Flurstücke nicht anfechten wollte bzw. insoweit eine
Teilrücknahme der Klage erklärt hat.
Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die
Anwendbarkeit von § 6 VermG lag keine Schädigung eines Unternehmens vor, weil der
Betrieb des Alaunwerks bereits seit 1941 ruhte und im Übrigen das Werk 1945
demontiert wurde. Bei der Frage, wann die Stilllegung eines Unternehmens eintritt,
kommt es darauf an, ob der geflohene bzw. abwesende Unternehmer Arbeitnehmer
beschäftigte, die das Unternehmen nach der Flucht bis zur schädigenden Maßnahme
fortführten oder Familienangehörige das Unternehmen fortführten (Bernhardt in:
Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 6 Rdnr. 42; BVerwG,
Beschluss vom 27.7. 1993 - 7 B 15.93). Beides war nicht der Fall. Somit war das
Unternehmen im Zeitpunkt der hier zu überprüfenden möglichen schädigenden
Maßnahme im Jahr 1955 bereits stillgelegt, auch wenn der Unternehmensträger, die Fa.
A., rechtlich noch bestand. Die Wiederaufnahme der Ziegelproduktion erfolgte durch ein
anderes, staatliches Unternehmen.
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Auch die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides bezeichneten Grundstücke
unterlagen keiner schädigenden Maßnahme gem. § 1 VermG.
Eine entschädigungslose Enteignung gemäß § 1 Abs. 1 a VermG lag nicht vor. Denn
diese Vorschrift erfasst grundsätzlich nur solche Enteignungen, deren besonderer
Unrechtsgehalt darin liegt, dass bereits nach den einschlägigen Vorschriften der DDR zu
bestimmten Enteignungsmaßnahmen eine Entschädigung generell ausgeschlossen war
(BVerwG, Urteil vom 24. März 1994, 7 C 11.93, VIZ 1994, 293). Dies ist jedoch vorliegend
nicht der Fall, weil nach dem Enteignungsbeschluss vom 6. Dezember 1995 ausdrücklich
eine Entschädigung gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 28. Juni 1947 vorgesehen war.
Dass die Entschädigung letztlich nicht festgesetzt bzw. ausgezahlt wurde, ist
unerheblich. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass die Beigeladene eine
entsprechende Forderung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz geltend zu
machen hätte.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG (unlautere Machenschaften) liegen ebenfalls
nicht vor.
Danach betrifft das Vermögensgesetz auch Ansprüche an Vermögenswerten, die auf
Grund unlauterer Machenschaften, z.B. durch Machtmissbrauch, Korruption, Nötigung
oder Täuschung von Seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter, erworben
wurden. Unlautere Machenschaften in diesem Sinne sind nur bei Vorgängen gegeben, in
denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die
Rechtsordnung der DDR zielgerichtet auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde,
nicht aber, wenn bei dem Erwerbsvorgang - gemessen an den in der DDR gültigen
Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen "alles mit
rechten Dingen zugegangen ist" (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1994 - 7 C 41.93 -, VIZ
1994, 601, 602; Urteil vom 31. August 1995 - 7 C 39.94 -, VIZ 1995, 708, 709). Die
Vorschrift erfasst vor allem zwei Fallgruppen.
Zum einen handelt es sich um Sachverhalte, bei denen die staatlichen Organe ein den
gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als
Enteignungszweck nur vorgeschoben haben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen
Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen.
Die zweite Gruppe betrifft Enteignungen, bei denen die eine unlautere Machenschaft
begründende Manipulation nicht in der Verschleierung des wahren Enteignungszwecks,
sondern darin liegt, dass der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme
offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, der Enteignungsbeschluss
also nur den äußeren Schein einer gesetzmäßigen Vermögensentziehung begründen
sollte.
Die einfache Rechtswidrigkeit des Enteignungsaktes unterhalb der Schwelle der
Willkürlichkeit reicht indes für die Bejahung eines solchen Tatbestandes nicht aus. Denn
die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG will keinen Anspruch auf Rückübertragung von
Vermögenswerten allein deswegen gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden
Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht eingehalten worden sind (BVerwG, Urteil
vom 28. Juli 1994, VIZ 1994, S. 601, 602). Wurden bei dem Enteignungsverfahren
Verfahrensfehler begangen, so ist für die Frage, ob nur eine einfache Rechtswidrigkeit
oder aber Willkür vorliegt, Offenkundigkeit und Schwere der Rechtsverletzung von
Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 27. September 2001 - 8 B 214.01).
Gegen ein manipulatives sittlich vorwerfbares Vorgehen spricht vorliegend bereits die
Beteiligung diverser staatlicher Stellen am Enteignungsverfahren. Der Rat des Bezirkes
hat sich den Einwänden des Bezirksstaatsanwaltes und des Ministeriums der Finanzen
auseinandergesetzt und ist nach Konsultation des Justizministeriums und des
Generalstaatsanwaltes zu der Überzeugung gelangt, dass im vorliegenden Fall eine
Enteignung nach dem Gesetz vom 28. Juni 1947 möglich war. Maßgeblich war dabei die
Überlegung, dass sich der Eigentümer nicht auf § 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 28. Juni
1947 berufen könne, weil er entgegen der in § 1 vorgesehenen gesetzlichen Meldepflicht
das Alaunvorkommen nicht gemeldet habe, weshalb der Betrieb auch nicht auf die Liste
I gesetzt worden sei. Der Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder) hielt somit die Berufung auf §
3 Abs. 2 des Gesetzes für rechtsmissbräuchlich und damit eine nachträgliche
Enteignung der Flächen nach dem Bodenschätzegesetz 1947 für möglich. Der Gedanke
des Rechtsmissbrauchs bzw. die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB
galten seit jeher auch im bundesdeutschen Recht. Anzumerken ist des Weiteren, dass
im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes vom 28. Juni 1947 kein mit der Ausbeutung von
Alaun bzw. Ton beschäftigter Betrieb mehr vorhanden war, weshalb schon aus diesem
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Alaun bzw. Ton beschäftigter Betrieb mehr vorhanden war, weshalb schon aus diesem
Grund § 3 Abs. 2 nicht einschlägig war, was wiederum für die Zulässigkeit einer
nachträglichen Erfassung spricht. Der Rat des Bezirkes stützte sich ausdrücklich auf § 1
Abs. 2 und § 4 des Gesetzes. Gemäß § 1 Abs. 2 konnte die Regierung danach in
Erweiterung der in Abs. 1 gegebenen Vorschriften unter anderem Vorkommen an Ton
aus Gründen des öffentlichen Wohls enteignen. Das Vorkommen von Tonerde neben
Alaun wird in der Ratsvorlage der Ständigen Kommission Industrie und Handwerks des
Bezirkstages Frankfurt (Oder) vom 5. Juni 1954 ausdrücklich erwähnt. Nach dieser
Vorschrift ist die Enteignung des Tonvorkommens selbst möglich. Die Enteignung der
Grundstücke zur Erschließung der Bodenschätze regelt § 4 Abs. 2 des Gesetzes.
Die Kammer vermag dem Einwand der Beigeladenen, es liege eine "überschießende"
Enteignung vor, weil nur ein geringer Anteil von 12500 qm ein Alaun- bzw.
Tonvorkommen aufweise und die Enteignung der übrigen Flächen nicht erforderlich
gewesen sei, nicht zu folgen. Zum einen lässt sich dies den Nutzungsangaben in der
Anlage zum Rechtsträgernachweis vom 17. Juni 1957 nicht entnehmen. Dort wird das
Flurstück 36 mit einer Größe von 12500 qm mit "Tongrube" bezeichnet. Dies bedeutet
jedoch nur, dass zum damaligen Zeitpunkt offenbar auf dieser Fläche Ton abgebaut bzw.
gefördert wurde. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass es auf den anderen
Flächen keinen Ton bzw. kein Alaun gab, auch wenn die übrigen Flächen den Angaben
zufolge zum damaligen Zeitpunkt anderweitig genutzt wurden. Des Weiteren erfasste
das Bodenschätzegesetz 1947 nicht nur die Flächen, in denen die Bodenschätze selbst
enthalten waren, sondern auch die zur Erschließung erforderlichen Grundstücke. Den
Altunterlagen lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass den damaligen Behörden
bewusst gewesen wäre, dass einzelne Flächen ersichtlich nicht zur Erschließung von Ton
oder Alaun erforderlich gewesen sind, zumal der Rechtsträgernachweis mit der genauen
Angabe der jeweiligen Nutzungsarten erst im Jahr 1957, also erst zwei Jahre nach der
Enteignung, erstellt wurde. Es ist nicht davon auszugehen, dass zur damaligen Zeit bei
den Enteignungen nach dem Bodenschätzegesetz 1947 detailgenaue Überprüfungen
erfolgten, ob eventuell einzelne Flächen, etwa eine Grünfläche oder Holzung, nicht zur
Erschließung von Bodenschätzen erforderlich waren. Die damaligen Behörden gingen
vielmehr - zu Recht - davon aus, dass die A. AG auf die Liste I gesetzt und das gesamte
Areal enteignet worden wäre, wenn die Meldepflicht gem. § 1 Ziffer 3, § 8 des Gesetzes
erfüllt worden wäre. Dass vorliegend nur allenfalls eine Teilenteignung - von 12500 qm -
zulässig gewesen wäre, musste sich den damaligen Behörden somit nicht aufdrängen.
Zum anderen gingen die damaligen Behörden laut der Ratsvorlage vom 5. Juni 1954 und
dem Beschluss vom 6. Dezember 1955 von einem Ton- und Alaunvorkommen für
mehrere Menschenalter aus, so dass - wenn nicht kurzfristig - jedenfalls mittel- bis
langfristig neben der Tongewinnung eine Alaunförderung wieder in Betracht kam und
dafür auch die zur Erschließung erforderlichen Grundstücke zur Verfügung stehen
mussten.
Es liegt auch kein Verstoß gegen die Verordnung über die Inanspruchnahme von
Grundstücken für bergbauliche Zwecke vom 6. Dezember 1951 vor. § 1 der Verordnung
regelt, dass ein Grundstückseigentümer verpflichtet ist, einem Bergbautreibenden das
Eigentum an dem Grundstück zu übertragen, auf bestimmte Zeit zu überlassen oder
eine Dienstbarkeit darin einzuräumen, wenn für den Betrieb des Bergbaus die
Benutzung eines fremden Grundstücks zum Grubenbauen, zu Halden, Gebäuden,
Maschinen und Anlagen, Wegen oder Schienenwegen, Arbeits- oder Lagerungsplätzen,
Aufbereitungsanstalten, Teichen, Wasserläufen oder sonst notwendig ist. Denn wenn
man die Auffassung vertritt, dass die damaligen staatlichen Stellen das Gesetz vom 28.
Juni 1947 nicht in unlauterer Weise zur Enteignung des gesamten Areals herangezogen
haben, bedurfte es aus damaliger Sicht nicht des Rückgriffs auf die Verordnung vom 6.
Dezember 1951, welche im Übrigen nur für den Fall zugeschnitten ist, dass die
Benutzung einzelner fremden Grundstücke für den bestehenden Betrieb des Bergbaus
erforderlich war. Vorliegend wurde jedoch das gesamte Areal enteignet, auf dem sich
sowohl Alaun als auch Tonerde befanden. Den damaligen Stellen kam es zunächst
offenbar mehr auf die vorhandene Tonerde an als auf das Alaunvorkommen. Ob es zur
Förderung des Tons einer bergbaulichen Arbeitsweise bedurfte, erscheint zudem
zweifelhaft.
Auch der Umstand, dass die Grundstücke zunächst der staatlichen Verwaltung
unterlagen, hinderte nicht ihre Enteignung. In Ziffer 13.8.1. Satz 2 des § 6-Handbuchs für
die örtlichen Staatsorgane zu § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten
vom 17.07.1952 heißt es, dass vom jeweiligen Bedarfsträger oder
Investitionsauftraggeber die Inanspruchnahme auf der Grundlage der entsprechenden
Rechtsgrundlage beim zuständigen Staatsorgan zu beantragen ist.
Lässt sich demnach ein bewusster Rechtsverstoß der damaligen Behörden - nur dann
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Lässt sich demnach ein bewusster Rechtsverstoß der damaligen Behörden - nur dann
wären unlautere Machenschaften zu bejahen - nicht feststellen, ist auch die Einholung
eines Sachverständigengutachtens zu der Frage des Vorkommens von Ton und Alaun
bzw. die Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten entbehrlich.
Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass die Enteignung der streitigen
Grundstücke offenkundig nicht vom Bodenschätzegesetz vom 28. Juni 1947 gedeckt war.
Allenfalls liegt eine rechtswidrige, aber keine willkürliche Gesetzesanwendung vor.
Da somit bereits mangels Berechtigung der Beigeladenen ein Erlösauskehranspruch
ausscheidet, brauchte die Kammer das Vorliegen eines Ausschlussgrundes gem. § 5
Abs. 1 d) VermG nicht mehr zu prüfen.
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