Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 15.03.2017

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 K 1617/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 19 Satz 2 EinigVtr, § 1
VermG, § 30 VermG, § 1 Abs 1
VwRehaG, § 154 Abs 1 VwGO
Erstattung von Grundsteuern für den Zeitraum 01. Januar 1979
bis 31. Dezember 1991
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitgegenstand des Verfahrens ist die Erstattung von Grundsteuern für den Zeitraum
01. Januar 1979 bis 31. Dezember 1991.
Der Stiefvater des Klägers, ..., erwarb 1927 in der Gemeinde ... das Grundstück I. W. 1,
mit einer Fläche von insgesamt 12.330 m². Die Gemeinde ... gehört heute zur Gemeinde
... und das Grundstück, I. W. 1, besteht aus den Flurstücken 198/1, 198/2, 199/1, 199/2
der Flur 7 Gemarkung ... und den Flurstücken 10 und 11 der Flur 7 Gemarkung ....
Seit 1953 unterlag das Grundstück der staatlichen Verwaltung gemäß § 6 der
Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952, weil der Eigentümer
seinen Aufenthalt nicht in der ehemaligen DDR hatte. Als staatlicher Verwalter wurde die
Gemeinde ... eingesetzt.
Das seinerzeit vom Vater des Klägers errichtete Einfamilienhaus befand sich auf dem
heutigen Flurstück 198/2, das der Rat des Kreises ... am 24. Juli 1978 in Anspruch nahm
und in Volkseigentum überführte. Aus diesem Anlass stellte die Abteilung Finanzen,
Referat Steuern, den Einheitswert durch Wertfortschreibung mit Bescheid vom 29.
Dezember 1978 in Höhe von 10.900 Mark fest; den Grundsteuermessbetrag setzte man
mit Wirkung ab dem 01. Januar 1979 auf 109,00 M fest. Im Adressenfeld dieses
Bescheides hieß es "Herrn ... z.H. Rat der Gemeinde ... ...". ... war bereits am 28. Mai
1970 verstorben. Die veranlagte Grundsteuer in Höhe von 327,00 M (ab 01. Juli 1990 327
DM) pro Jahr buchte die Abteilung Finanzen beim Rat des Kreises von dem für ... bei der
Staatsbank der DDR eingerichteten Ausländersperrkonto ab. Bis 31. Dezember 1991
beliefen sich die Abbuchungen auf insgesamt 2.469,75 DM.
Das Grundbuchamt trug den Kläger am 17. August 1992 im Grundbuch von ... auf
Grundbuchblatt 429 und auf Grundbuchblatt 828 des Grundbuches von ... als
Eigentümer ein. Die staatliche Verwaltung der Flächen endete gem. § 11 a Abs. 1
Vermögensgesetz (VermG) am 31. Dezember 1992.
Mit Schreiben vom 25. April 1997 beantragte der Kläger, ihm unter Aufhebung des
Einheitswert- und Gemeindesteuerbescheides vom 29. Dezember 1978 die für den
Zeitraum 01. Januar 1979 bis 31. Dezember 1991 gezahlten Grundsteuern zu erstatten.
Anspruchsgrundlage sei Art. 19 Satz 2 des Einigungsvertrages i. V. m. dem Erlass des
Bundesministeriums der Finanzen vom 08. August 1991. Der angefochtene
Verwaltungsakt sei anlässlich der Enteignung eines Teilstücks des Grundstücks erlassen
worden. Gleichwohl der restliche Teil besiedelt wurde, seien von ihm die Grundsteuern bis
einschließlich 1991 eingefordert und auch bezahlt worden. Dem habe allerdings ein
unwirksamer, weil einem Toten bekannt gegebener, Verwaltungsakt zu Grunde gelegen.
Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 29. April 1998 die Aufhebung der Bescheide ab
und stellte zugleich fest, dass der Einheitswertbescheid gemäß § 125 Abs. 5
Abgabenordnung nichtig sei. Eine Aufhebung des nichtigen Bescheides komme nicht in
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Abgabenordnung nichtig sei. Eine Aufhebung des nichtigen Bescheides komme nicht in
Betracht.
Den dagegen mit Schreiben vom 19. Mai 1998 erhobenen Einspruch wies die
Rechtsbehelfsstelle des Finanzamtes ... zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16. September 1998 beim Finanzgericht des Landes
Brandenburg Klage erhoben, welches die Streitsache durch Beschluss vom 15. Juni 2000
gemäß § 17 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz an das Verwaltungsgericht Frankfurt
(Oder) verwiesen hat. Der Kläger macht geltend, durch einen von DDR-Behörden
erlassenen Willkürakt in seinen Rechten verletzt zu sein, dieser Hoheitsakt sei
aufzuheben und die auf dessen Grundlage eingezogene Steuer zu erstatten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. April 1998 und der
Einspruchsentscheidung vom 18. August 1998 zu verurteilen, 1.262,76 Euro nebst 0,5
vom Hundert Zinsen pro Monat ab Rechtshängigkeit der Klage an ihn zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint ergänzend, für die Rückerstattung von Grundsteuern nicht zuständig zu sein,
weil diese von den Gemeinden erhoben und somit auch allenfalls von diesen
zurückgefordert werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
(2 Bände) und die Verwaltungsvorgänge (3 Bände) Bezug genommen, die zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg, sie ist jedenfalls unbegründet.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht
eingezogener Grundsteuern, weil es dem Beklagten hierfür an der Passivlegitimation
fehlt.
Die Passivlegitimation als Ausprägung der Sachlegitimation setzt im Falle eines
Leistungsbegehrens voraus, dass die vom Kläger begehrte Leistung nach materiellem
Recht überhaupt von dem Beklagten gefordert werden kann (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO,
15. Aufl., Vorb. zu § 40 Rdnr. 28).
Daran fehlt es hier. Das vom Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemachte
Begehren findet im materiellen Recht keine Stütze. Der Sache nach leitet der Kläger die
begehrte Erstattung von Grundsteuern aus der Rechtsstaatswidrigkeit des
zugrundeliegenden Bescheides des Rates des Kreises ... vom 29. Dezember 1978 ab.
Mit der erstrebten Aufhebung des Verwaltungsaktes soll der Rechtsgrund und mit
diesem die Legitimation für das Behaltendürfen beseitigt werden. Im Hinblick hierauf
nimmt der Kläger Bezug auf Art. 19 Satz 2 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990
(BGBl. II S. 889), wo geregelt ist, dass von DDR-Behörden erlassene Verwaltungsakte
aufgehoben werden können, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar
sind. Selbst wenn man aber mit dem Kläger davon ausginge, dass es sich bei dem
Einheitswert- und Gemeindesteuerbescheid vom 29. Dezember 1978 tatsächlich um die
Grundlage der Steuererhebung handelt - eine Festsetzung der seinerzeit abgebuchten
Grundsteuer i.H.v. 327,00 Mark enthält er nämlich nicht - und dass er wegen der
Adressierung an den bereits verstorbenen Herrn ... mit rechtsstaatlichen Grundsätzen
unvereinbar ist, fehlte es gleichwohl an einer rechtlichen Grundlage für das
Erstattungsbegehren des Klägers. Denn weder dem Art. 19 Satz 2 Einigungsvertrag
noch dem vom Kläger darüber hinaus zitierten Erlass des Bundesministers der Finanzen
(IV A 5 - S 0350 - 22/91) vom 08. August 1991 (Bundessteuerblatt 1991 Teil I S. 793 f.)
lässt sich entnehmen, dass eine aufgrund des aufgehobenen DDR-Verwaltungsaktes
vorgenommene Leistung oder sonstige Vermögensverfügung rückabgewickelt bzw. ein
zugefügter Vermögensschaden entschädigt werden soll. Art. 19 Satz 2 Einigungsvertrag
enthält somit zwar eine kassatorische Ermächtigung, die für das klägerische Begehren
erforderliche Leistungsbefugnis enthält er aber gerade nicht. Hierbei handelt es sich
nicht etwa um eine Regelungslücke, sondern um den Ausgangspunkt für das weitere
Tätigwerden des Gesetzgebers. Für das Gebiet der sogenannten "offenen
Vermögensfragen" hat der Gesetzgeber das Vermögensgesetz nebst
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Vermögensfragen" hat der Gesetzgeber das Vermögensgesetz nebst
Entschädigungsgesetz bzw. Ausgleichsleistungsgesetz geschaffen. Im Übrigen gilt für
hoheitliches Handeln von DDR-Behörden das Verwaltungsrechtliche
Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG). Diese Gesetze und die mit ihnen getroffenen
Rückerstattungs- und Ausgleichsleistungsregelungen sind abschließend (vgl. Niehaus in
Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG-Kommentar, Rdnr. 5 zu § 1
VermG m.w.N.). Auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen, für die das
Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz nicht gilt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG)
findet das Vermögensgesetz nebst der dazu erlassenen Entschädigungsgesetze
Anwendung.
Für den hier zu entscheidenden Fall folgt daraus, dass dem Kläger eine sein Klageziel
verwirklichende Anspruchsgrundlage nur im Vermögensgesetz zur Verfügung steht.
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 VermG ist
demnach, dass der Zugriff auf das für das Grundstück bei der Staatsbank der DDR
geführte Sperrkonto als eine schädigende Maßnahme i.S.d. § 1 VermG zu werten wäre.
Nähme man dies - etwa mit Blick auf § 1 Abs. 3 VermG - an, wäre eine Rückübertragung
der Kontoforderung gegen die Staatsbank gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG von der Natur
der Sache her unmöglich und deshalb ausgeschlossen, weil die abgebuchte Grundsteuer
in den Staatshaushalt der DDR abgeführt wurde (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 30. Mai
1996 Az.: 7 C 9/95, zitiert nach juris). Der dem Kläger dann dem Grunde nach
zustehende Entschädigungsanspruch würde sich nach dem Entschädigungsgesetz
richteten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG).
Grundlegende Voraussetzung für einen solchen Entschädigungsanspruch ist aber die
rechtzeitige Anmeldung gem. §§ 30 Abs. 1, 30a Abs. 1 VermG und zwar bei der
zuständigen Behörde, hier dem Landrat des Landkreises ..., Amt zur Regelung offener
Vermögensfragen. Dem mit der vorliegenden Klage in den Blick genommenen Beklagten
fehlt es demnach in jedem Falle an der erforderlichen Sachlegitimation.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708
Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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