Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 22.12.2005

VG Frankfurt(oder ): wirtschaftliches interesse, rechtliches gehör, aufenthaltserlaubnis, aufschiebende wirkung, handelskammer, industrie, geschäftsführender gesellschafter, firma, behörde, markt

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 L 269/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 21 AufenthG, § 80 Abs 5 VwGO
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer
selbstständigen Tätigkeit.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.537,50 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein … Staatsangehöriger, begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen
die Versagung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung
einer selbstständigen Tätigkeit.
Er reiste am 22. Dezember 2005 zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit
einem nationalen Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Dort gründete er
zusammen mit dem Geschäftsführer der … - Deutschen Handelsgesellschaft (MDH), …,
mit Sitz in … auf der Grundlage eines vorgelegten Business-Plans die … GmbH und Co.
KG. Diese Gesellschaft beabsichtigte im wesentlichen, Haushaltsgeräte und Elektronik in
Länder West - und Osteuropas zu liefern; des weiteren sollte Fleisch aus deutscher
Herstellung en Gros in Länder der GUS und Afrikas verkauft werden. Perspektivisch
sollten auf dem Flugplatz … Arzneimittel, Kosmetik, Haushaltstechnik und Elektronik
produziert werden.
Am 19. Dezember 2006 verlängerte der Antragsgegner die bei Einreise erteilte
Aufenthaltserlaubnis bis zum 22. Dezember 2008. Im Rahmen der Bearbeitung dieses
Verlängerungsantrags legte der Antragsteller eine notarielle Urkunde zur
Grundschuldbestellung ohne Brief in Höhe von 200.000 €, den Fragebogen zur
steuerlichen Erfassung bei Gründung einer Kapitalgesellschaft und den
Gesellschaftervertrag der Firma … GmbH vom 15. Mai 2006 vor. Als Art der Tätigkeit war
im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung angegeben: "Im - und Export von Weinen,
Spirituosen, Tabakwaren, Textilien, Lebensmitteln, Baustoffen, Elektronikwaren,
Marketingservice". In der Begründung für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
heißt es ausweislich eines Aktenvermerks: "Die Geschäftsidee wurde erfolgreich
verwirklicht. Investitionen laufen und sind vertraglich geregelt. Herr … agiert jetzt als
Geschäftsführer mit Gehalt" (Bl. 93 VV). Mit notariellem Vertrag vom 13. November
2007 übernahm der Antragsteller den Geschäftsanteil des Mitgesellschafters … und war
sodann alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer.
Gemäß Beschluss der Gesellschafterversammlung und Gewerbeanmeldung vom 11.
Dezember 2008 befand sich die Betriebsstätte der … GmbH nunmehr in der … in ….
Am 19. Dezember 2008 beantragte der Ast. die Verlängerung seiner
Aufenthaltserlaubnis. Unter dem 20. Januar 2009 teilte das Amt … dem Antragsgegner
auf Anfrage mit, dass im örtlich zuständigen Gewerberegister zu keiner Zeit eine …
gewerberechtlich verzeichnet gewesen sei. Von den ehemaligen bzw. jetzigen Betreibern
des Flugplatzes, die eine Erfassung der Gewerbetreibenden wegen Insolvenz
durchgeführt hätten, sei ebenso wenig angezeigt worden, dass die genannte Firma
örtlich ansässig gewesen sei. Der Antragsteller legte im Verwaltungsverfahren eine
Bestätigung der Firma … AG mit Sitz in … vor, wonach er mit einer Investition von bisher
74.000 € Aktionär dieser Firma geworden sei. Insgesamt würden 300.000 € investiert.
Nach einer weiteren Bestätigung einer Firma … AG vom 24. Februar 2009 war der
Antragsteller außerdem mit einer Investition von bisher 20.000 € Aktionär dieser Firma
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Antragsteller außerdem mit einer Investition von bisher 20.000 € Aktionär dieser Firma
geworden. Insgesamt würden 200.000 € investiert. Weiterhin legte der Antragsteller den
Jahresabschluss der Firma … GmbH zum 31. Dezember 2007 vor, der bei
Umsatzerlösen in Höhe von 33.529,41 € einen Gewinn in Höhe von 1661,88 € auswies.
Unter dem 5. März 2009 teilte die Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg in …
dem Antragsgegner auf eine Anfrage mit, "dass auch aus Sicht der Industrie - und
Handelskammer Ostbrandenburg eine erfolgreiche Etablierung des Unternehmens …
GmbH am Markt nicht stattgefunden hat ". Mit Schriftsatz vom 3. April 2009 legte der
Antragsteller einen neuen Business-Plan (Stand: März 2009) für die … GmbH vor.
Danach plant die … GmbH, bereits auf dem Markt befindliche hochwertige dentale
Ausstattungsgüter, Maschinen und Technologien der Zahnbehandlung auf den
osteuropäischen Märkten zu vertreiben. Außerdem sollte die Tätigkeit der Gesellschaft
auf die Produktion von Dachhaut-Elementen ausgedehnt werden. Gemäß der im
Business-Plan angegebenen Personalplanung beschäftigt die Gesellschaft derzeit "nur
notwendigste Fachleute für die gesamte Geschäftsabwicklung. Außer dem
Geschäftsführer sind es noch 6 weitere Mitarbeiter ". Als geschäftsführender
Gesellschafter sollte der Antragsteller für die operative Leitung des Unternehmens und
sein Gedeihen verantwortlich sein. Weiterhin enthielt der Business-Plan Zahlenwerke zur
Investitions- und Umsatzplanung. Auf eine diesbezügliche Anfrage des Antragsgegners
teilte die Industrie - und Handelskammer Ostbrandenburg unter dem 13. Mai 2009 mit,
eine erfolgreiche Etablierung des Unternehmens … GmbH am Markt erscheine nach wie
vor zweifelhaft. Es sei nach dem vorgelegten Unternehmenskonzept nicht klar
erkennbar, durch welche Tätigkeiten sich das Unternehmen am Markt etablieren wolle
und wodurch Umsätze generiert würden. Die betriebswirtschaftlichen Planungen
erschienen im Hinblick auf die überaus positiven Vertragserwartungen unplausibel, die
vorgelegte Skizze eines Businessplans lasse viele Fragen offen. Mithin sei ein
übergeordnetes wirtschaftliches Interesse sowie ein regionales Bedürfnis an der weiteren
wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft nicht ausreichend erkennbar. Ebenso teilte das
Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt … mit Schriftsatz vom 26. Mai 2009 mit, es
könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, ob eine weitere Tätigkeit der
Gesellschaft positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt …
erwarten lasse. Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2009 legte der Antragsteller einen
erneuerten und verbesserten Business-Plan (Stand: Juni 2009) vor, der im wesentlichen
dem ursprünglich vorgelegten Business-Plan (damaliger Stand: März 2009) entspricht
und mit Schriftsatz vom 30. Juni 2009 beantragte er nach Rücknahme des
Verlängerungsantrags die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 21 Abs. 1
Aufenthaltsgesetz -AufenthG.
Unter dem 20. Juli 2009 teilte die Industrie - und Handelskammer Ostbrandenburg
schließlich mit, die vorgelegten Unterlagen des Antragstellers seien zur Einschätzung
eines wirtschaftlichen Erfolges nicht ausreichend. Es sei weiterhin nicht klar erkennbar,
durch welche Tätigkeiten sich das Unternehmen am Markt etablieren wolle und wodurch
Umsätze generiert würden. Eine positive Einschätzung der Tragfähigkeit der zu Grunde
liegenden Geschäftsidee sowie der unternehmerischen Erfahrung des Antragstellers sei
nicht möglich. Auch könne die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital bzw.
Kreditzusagen nicht überprüft werden.
Mit Bescheid vom 10. August 2009 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 AufenthG ab und forderte den
Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 17. September 2009 freiwillig
zu verlassen. Für den Fall, dass er nicht freiwillig ausreise, drohte der Antragsgegner ihm
die Abschiebung in sein Heimatland … an. Zur Begründung führte der Antragsgegner im
wesentlichen aus, die Erteilungsvoraussetzungen nach § 21 Abs. 1 AufenthG seien nicht
ausreichend gegeben. Eine positive Einschätzung der von ihm beabsichtigten
selbstständigen Tätigkeit sei nicht möglich gewesen und die Gesamtbeurteilung seiner
Geschäftsidee falle negativ aus. Ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse sowie ein
regionales Bedürfnis an seiner wirtschaftlichen Tätigkeit seien nicht ausreichend
erkennbar. Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch vom 26. August 2009 wies der
Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2009 als unbegründet
zurück.
Mit dem am 11. September 2009 erhobenen Antrag begehrt der Antragsteller
vorläufigen Rechtsschutz. Er meint, die Behörde habe im Verwaltungsverfahren den
Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt. Denn der Antragsgegner
habe durch vorzeitige Herausgabe des Widerspruchsbescheides die Frist zur
Begründung des Widerspruchs willkürlich verkürzt.
Im Übrigen habe der Antragsgegner die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
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Im Übrigen habe der Antragsgegner die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
ermessensfehlerhaft verweigert, weil die Behörde den Sachverhalt trotz
Aufklärungsbedarfs nicht hinreichend erforscht habe. So habe es auf Seiten der
Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg Klärungsbedarf hinsichtlich des
eingereichten Businessplans gegeben.
Der Antragsgegner tritt dem entgegen und trägt vor, der Antragsteller habe im Rahmen
des Verwaltungsverfahrens ausreichend Gelegenheit gehabt, umfassend zur Sache
vorzutragen. Im Übrigen verweist er auf die angefochtenen Bescheide.
II.
Mit seinem sinngemäßen und zufolge § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –
zulässigen Antrag,
die aufschiebende Wirkung seiner am 11. September 2009 erhobenen
Anfechtungsklage (5 K 869/09) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10.
August 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 2. September 2009 anzuordnen,
kann der Antragsteller nicht durchdringen.
Die Versagung der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis und die
Abschiebungsandrohung in dem angefochtenen Bescheid des Antragsgegners vom 10.
August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. September 2009 sind
voraussichtlich rechtmäßig, so dass dem öffentlichen Interesse an der sofortigen
Vollziehung dieser Verfügungen Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers an der
vorläufigen Beibehaltung des bestehenden Zustandes einzuräumen ist.
Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers ist die aufschiebende Wirkung der o.g.
Anfechtungsklage nicht bereits wegen einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, etwa
von § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG, anzuordnen. Der Antragsteller meint,
der Antragsgegner habe durch vorzeitige Herausgabe des Widerspruchsbescheides die
Frist zur Begründung des Widerspruchs willkürlich verkürzt und ihm dadurch nicht
ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Zufolge § 70 VwGO ist der Widerspruch
innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt
gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die
den Verwaltungsakt erlassen hat. Eine Begründung des Widerspruchs ist gesetzlich nicht
vorgeschrieben (Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 70 Rn. 12);
demzufolge gibt es auch keine gesetzliche Begründungsfrist. Allerdings ist dem
Widerspruchsführer gemäß § 28 VwVfG Gelegenheit zu geben, sich zu den für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Mit Schriftsatz vom 26. August 2009,
eingegangen beim Antragsgegner am 28. August 2009, hat der Antragsteller gem. § 69
VwGO den Widerspruch erhoben und diesen zugleich begründet, ohne weiteren
ergänzenden Sachvortrag zum fristgerecht erhobenen Widerspruch anzukündigen. Nach
alledem erscheint die Widerspruchsentscheidung des Antragsgegners vom 02.
September 2009 mit Blick auf den vom Antragsteller behaupteten Gehörsverstoß als
rechtlich unbedenklich, da die Behörde nicht erkennen konnte, dass der
Widerspruchsführer und Antragsteller seinen Widerspruch ergänzend begründen wollte.
Im Übrigen kann eine evtl. versäumte Anhörung des Antragstellers im
Verwaltungsverfahren gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG (i. V. mit § 1 Abs. 1
Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg) bis zum Abschluss der letzten
Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
Die Kammer vermag bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein
möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen Anspruch des
Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 AufenthG erkennen. In
der Sache hat die Behörde gemessen an dem hier anzuwendenden Prüfungsmaßstab
das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 AufenthG
zutreffend verneint. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer eine
Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn
ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes regionales Bedürfnis
besteht (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die
Wirtschaft erwarten lässt (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) und die Finanzierung der
Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist (§ 21 Abs. 1
Nr. 3 AufenthG). Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 1 und 2 sind nach Satz 2 der
Vorschrift in der Regel gegeben, wenn mindestens 250.000,-- € investiert und fünf
Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Übrigen richtet sich die Beurteilung der
Voraussetzungen nach Satz 1 insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde
liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der
Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und
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Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und
Ausbildungssituation und dem Beitrag für Innovation und Forschung (Satz 3 der
Bestimmung). Bei der Prüfung sind die für den Ort der geplanten Tätigkeit fachkundigen
Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen
Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligen.
Bei den in § 21 Abs. 1 Satz 1 - 3 AufenthG normierten Voraussetzungen für die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit handelt es sich
um gerichtlich vollständig überprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe auf der
Tatbestandsseite der Vorschrift, die ggf. das behördliche Ermessen für die Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis eröffnen (ebenso HambOVG, Beschl. v. 29. Januar 2008 - 3 Bs
196/07 zitiert nach juris).
Die Voraussetzungen des Regelfalls nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sind offensichtlich
nicht gegeben. Diese Vorschrift begründet eine Regelvermutung dafür, dass die
Voraussetzungen der o. g. Nr. 1 und Nr. 2 gegeben sind, wenn mindestens 250.000,--€
investiert und mindestens fünf Arbeitsplätze damit geschaffen werden (Hailbronner,
AuslR, § 21 AufenthG, Rn. 9). Dabei beruht diese Erteilungsvoraussetzung - was für die
Erteilungsvoraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG ebenso gilt wie
für die Erteilungsvoraussetzungen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG - auf einer
fachlichen Prognose über die Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit des Ausländers,
die wiederum auf einer tragfähigen Planung gründen muss. Dafür spricht die im
Zusammenhang mit dem Regelfall maßgebliche Erkenntnis, dass einem Ausländer die
Umsetzung seiner Geschäftsidee in dem hier geforderten Maße kaum möglich und
zumutbar ist, wenn er sich nicht bereits während der Gründungs - und Aufbauphase
erlaubt im Bundesgebiet aufhalten darf (VGH Mannheim, Beschl. vom 17. März 2008 -
11 S 2353/07 in: NVWZ – RR 2008, 646, zit. nach juris Rn. 9).
Allein auf der Basis der vom Antragsteller gemachten Angaben kann indes nicht
hinreichend sicher prognostiziert werden, dass der Antragsteller tatsächlich > 250.000 €
investieren wird und (mindestens) fünf Arbeitsplätze schaffen wird. Denn derzeit beruhen
die vom Antragsteller vorgetragenen Investitionsabsichten offensichtlich nicht auf einer
tragfähigen Planungsgrundlage. Soweit der Antragsteller im Jahr 2009 421.000,--€, im
Jahr 2010 460.000,--€ und im Jahre 2011 60.000,--€ - insgesamt also 941.000,--€ -
investieren will, legt der vorgelegte Businessplan nicht substantiiert und nachvollziehbar
dar, wie der Antragsteller das erforderliche Kapital (Eigenkapital, Kreditzusagen?)
aufbringen will und kann. Zwar hat der Antragsteller (u.a.) einen angeblichen
Kontoauszug der ukrainischen „Raiffeisenbank Aval“ in Kopie vorgelegt, der ein
Guthaben zugunsten des Antragstellers i. H. von 287.000,--US$ nachweisen soll (Bl. 201,
242 VV); allein der vorgelegte Kontoauszug, der nicht durch eine objektive
Gewährsauskunft z. B. der Delegation der Deutschen Wirtschaft in der …
(Auslandshandelskammer) gestützt wird, ist indes ohne Aussagekraft. Dies gilt auch für
die übrigen Eigenangaben des Antragstellers zu angeblich in seinem Eigentum
stehenden, werthaltigen Immobilien in …, … und …, … (Bl. 185, 186 VV). Dass es sich
bei der im Businessplan der … GmbH (Finanzteil) enthaltenen Aufstellung zu
Investitionen und Umsätzen nach dem derzeitigen Erkenntnisstand vielmehr um eine
unrealistische und durch nichts belegte Finanzplanung handelt, wird auch durch die
bisherigen geschäftlichen Aktivitäten der … GmbH indiziert. So beliefen sich die
Umsatzerlöse der … GmbH zum 31. Dezember 2007 ausweislich des vorgelegten
Jahresabschlusses auf lediglich 33.529,41 € bei einem ausgewiesenen Gewinn i. H. von
1.661,88 €. Dass die … GmbH nunmehr ab 2009 in den folgenden drei Jahren
Investitionen in einer Gesamthöhe von 941.000,--€ vornehmen und gleichzeitig Umsätze
i. H. von 200.000,-- € in 2009, 300.000,-- € in 2010 und sogar 390.000,-- € in 2011
erreichen kann, bedarf nach alledem einer substantiellen Nachweisführung -
insbesondere hinsichtlich des einzusetzenden Kapitals -durch den Antragsteller, um die
künftige Geschäftsentwicklung hinreichend sicher zu prognostizieren. An dieser
substantiellen Nachweisführung fehlt es bisher, worauf die beteiligte Industrie- und
Handelskammer Ostbrandenburg zu Recht hingewiesen hat (vgl. Stellungnahme vom
20. Juli 2009, Bl.310 VV).
Auch die kumulativen Anforderungen an die Schaffung von Arbeitsplätzen werden nicht
erfüllt. Zwar setzt der Regelfall des § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht voraus, dass die
dort genannten fünf Arbeitsplätze bereits im Zeitpunkt der Erteilung des
Aufenthaltstitels geschaffen worden sein müssen. Vielmehr reicht es auch hier aus, dass
auf der Grundlage einer tragfähigen Planung hinreichend sicher prognostiziert werden
kann, dass dies innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach der Aufnahme der erst
über die Aufenthaltserlaubnis ermöglichten selbständigen Tätigkeit geschieht. (VGH
Mannheim a.a.O. und Beschluss vom 17. März 2009 - 11 S 448/09 in: InfAuslR 2009, 277
ff. zitiert nach juris Rn. 7). Die im Businessplan enthaltene „Personalplanung“ lässt indes
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ff. zitiert nach juris Rn. 7). Die im Businessplan enthaltene „Personalplanung“ lässt indes
nur erkennen, dass „notwendigste Fachleute für die gesamte
Geschäftsentwicklung...außerhalb der Geschäftsführer sind es noch 6 weitere
Mitarbeiter“ beschäftigt werden. Ob es sich hierbei um Stellen für Vollzeitbeschäftigte
handelt, geht aus dem insoweit wiederum substanzlosen Businessplan nicht hervor. Dies
ist aber angesichts der hohen Anforderungen, die § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit stellt,
von entscheidungserheblicher Bedeutung. Danach reicht nicht schon jedweder, etwa mit
der Schaffung von so genannten Minijobs verbundener und entsprechend geringfügiger
tatsächlicher Beschäftigungseffekt zur Begründung eines übergeordneten
wirtschaftlichen Interesses an der selbständigen Tätigkeit eines Ausländers im
Bundesgebiet sowie der Erwartung einer positiven Auswirkung dieser Tätigkeit auf die
Wirtschaft aus (vgl. VGH Mannheim, Beschl. vom 17. März 2008 - 11 S 2353/07 a.a.O.
Rn. 11). Vielmehr würde die im Regelfall des § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zugrunde
liegende Annahme, dass mit der Schaffung von fünf Arbeitsplätzen ein hinreichend
positiver Effekt auf die Beschäftigungssituation verbunden ist, bei der Berücksichtigung
von Teilzeitarbeitsplätzen und Arbeitsplätzen für geringfügig Beschäftigte im Einzelfall
stark relativiert.
Gemessen an diesen Anforderungen ist die Personalplanung des Antragstellers auch im
aktualisierten Businessplan (Stand: Juni 2009) zum einen völlig vage; zum anderen kann
mit Blick auf die angeblich schon geschaffenen sechs Arbeitsplätze in der GmbH ein
hinreichend positiver Effekt auf die Beschäftigungssituation in der Region derzeit nicht
prognostiziert werden. So hat der Antragsteller im Verwaltungsverfahren Abrechnungen
der Brutto - Netto - Bezüge der von ihm beschäftigten „Fachleute“ der … GmbH
vorgelegt, denen zufolge 5 Mitarbeiter lediglich so genannte Minijobs innehaben und
Brutto-Gehälter in Höhe von 200 bis 420 € erhalten. Die Tätigkeit des Antragstellers
selbst muss bei der Ermittlung der geschaffenen Arbeitsplätze außer Betracht bleiben.
Denn der Regelfall des § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG knüpft mit dem Erfordernis der
Schaffung von mindestens fünf Arbeitsplätzen an die damit grundsätzlich verbundenen
positiven Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation an, und es wäre widersprüchlich,
wenn der erwartete Beschäftigungseffekt dadurch relativiert werden könnte, dass der
Ausländer, der das Aufenthaltsrecht erwerben möchte, eine der von ihm zu schaffenden
Arbeitsstellen selbst besetzt (VGH Mannheim, Beschluss vom 17. März 2009 - 11 S
448/09 - a.a.O. Rn. 7). Die nach dem Businessplan beabsichtigte Einstellung von drei
weiteren Mitarbeitern im Jahr 2010 kann ohnehin nicht hinreichend sicher prognostiziert
werden.
Liegt nach alledem ein Regelbeispiel gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG offensichtlich
nicht vor, müssen die in § 21 Abs. 1 Nr. 1-3 AufenthG niedergelegten
Erteilungsvoraussetzungen kumulativ erfüllt sein, um das ausländerbehördliche
Ermessen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Selbständige zu eröffnen
(Hailbronner, AuslR, § 21 AufenthG, Rn. 5). Dabei sind bei der Prüfung von § 21 Abs. 1
Satz 1 und 3 AufenthG die in Satz 2 für den Regelfall normierten Anforderungen mit in
den Blick zu nehmen und ein strenger Maßstab anzulegen (HambOVG, Beschl. v. 29.
Januar 2008 - 3 Bs 196/07 - a.a.O. Rn. 25).
Denn schon die für das Vorliegen eines Regelfalls gemachten Vorgaben gemäß § 21
Abs. 1 Satz 2 AufenthG lassen erkennen, dass nicht jedes an sich förderungsfähige oder
-würdige Vorhaben die Zuwanderung von Selbstständigen rechtfertigen soll. Erwünscht
sind vielmehr Betriebe und Unternehmen, die durch Investitionen und zusätzliche
Arbeitsplätze ein übergeordnetes Interesse befriedigen und der Wirtschaft besonders
nützen. Somit kann Ausländern wegen einer beabsichtigten selbstständigen
Erwerbstätigkeit regelmäßig nur dann die Zuwanderung erlaubt werden, wenn ihr
Vorhaben, soweit es nicht die Voraussetzungen des Regelfalls erfüllt, doch in ähnlicher
Weise, wenn auch nicht in gleichem Umfang, den dortigen Anforderungen an
Investitionen und Arbeitsplätze genügt. Im Übrigen gilt: Je weniger die Voraussetzungen
des Regelfalls nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erfüllt sind, desto bedeutender muss
das übergeordnete wirtschaftliche Interesse oder das besondere regionale Bedürfnis an
der betreffenden selbstständigen Tätigkeit des Ausländers sein, um dennoch die
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu diesem Zweck in Betracht ziehen zu können.
Maßgeblich sind dabei nicht die eigenen unternehmerischen Interessen des Ausländers,
sondern die inländischen Interessen oder Bedürfnisse an der betreffenden Tätigkeit des
Ausländers in Deutschland bzw. in der jeweiligen Region (so VGH Mannheim, Beschluss
vom 17. März 2009 – 11 S 448/09 a.a.O. Rn. 8; Hailbronner, AuslR, § 21 AufenthG Rn. 8).
Daran gemessen ergibt sich nicht, dass die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers
die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt. Es kann weder festgestellt
werden, dass ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes
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werden, dass ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes
regionales Bedürfnis an der Tätigkeit des Antragstellers besteht. Noch lässt die
beabsichtigte Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten; ebensowenig
ist die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage
gesichert. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll, wenn
kein Regelfall vorliegt, insbesondere anhand der in Satz 3 angeführten Kriterien erfolgen.
Bei der insoweit erforderlichen Gesamtschau ergibt sich, dass die Regelvoraussetzungen
vom Antragsteller deutlich verfehlt werden, ohne dass dies durch eine Übererfüllung
anderer relevanter Kriterien kompensiert würde: Der Antragsteller verfügt – wie bereits
dargelegt – nicht über ein tragfähiges Geschäftskonzept. Er hat - wenn überhaupt - nur
unbedeutende unternehmerische Erfahrungen nachgewiesen. Zur … GmbH
Neuhardenberg teilte der Landkreis … auf Nachfrage des Antragsgegners mit Schriftsatz
vom 27. Januar 2009 allerdings mit, es gäbe „keine Hinweise auf eine...gewerbliche
Tätigkeit“. Positive Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation sind
angesichts des geringen Personaleinsatzes und dem vorwiegend geplanten bzw.
tatsächlichen Einsatz sog. Minijobs auch nicht zu erwarten. Schließlich ist nicht
ersichtlich, dass die geplante selbstständige Tätigkeit – also der Vertrieb von dentaler
CAD/CAM-Technologie und die geplante Produktion von Dachhautelementen - nach dem
vorgelegten Geschäftskonzept einen Beitrag für Innovation und Forschung leisten
könnte. Auch die Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg vermochte in ihren
Stellungnahmen vom 05. März 2009, 13. Mai 2009 und vom 20. Juli 2009 ein
übergeordnetes wirtschaftliches Interesse sowie ein regionales Bedürfnis an der weiteren
wirtschaftlichen Tätigkeit nicht zu erblicken. Es liege lediglich die Skizze eines
Unternehmenskonzeptes vor, die betriebswirtschaftlichen Planungen seien im Hinblick
auf die überaus positiven Ertragserwartungen unplausibel (Stellungnahme vom 13. Mai
2009, Bl. 260 VV); es sei weiter nicht klar erkennbar, durch welche Tätigkeiten sich das
Unternehmen am Markt etablieren wolle und wodurch Umsätze generiert würden
(Stellungnahme vom 20. Juli 2009, Bl. 310, 311 VV). Die Finanzierung der Umsetzung
durch Eigenkapital bzw. Kreditzusagen seien ebenso nicht überprüfbar. Dass die
Behörde der Stellungnahme der fachkundigen Industrie- und Handelskammer letztlich
gefolgt ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die in ihren Stellungnahmen
geäußerten Bedenken treffen tatsächlich und zur Überzeugung der Kammer zu (s.o.). Im
Übrigen hat es der Antragsteller versäumt, die Gelegenheit einer persönlichen
Konsultation zur Qualifizierung bzw. Erläuterung der Geschäftsplanungen wahrzunehmen
und bereits vereinbarte Termine bei der Industrie- und Handelskammer abgesagt.
Die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung beruht auf § 59
AufenthG; die Bearbeitungsgebühr für den Ablehnungsbescheid findet ihre
Rechtsgrundlage in § 49 Abs. 2 Aufenthaltsverordnung – AufenthV; die
Widerspruchsgebühr wurde rechtlich bedenkenfrei nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV
erhoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2 und 3, 53 Abs. 2 Nr.
2 Gerichtskostengesetz. Der danach zugrunde zu legende Regelstreitwert sowie die
Bearbeitungsgebühren waren im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Begehrens zu
halbieren.
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