Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 14.03.2017

VG Frankfurt(oder ): aufschiebende wirkung, grundstück, öffentliches interesse, verfügung, anwohner, vollziehung, behörde, androhung, eigentum, nummer

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 L 130/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 15 S 1 ImSchG BB
Immissionsschutz: Untersagung des Haltens jeglicher Hunde auf
Dauer in einem allgemeinen Wohngebiet
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des
Antragsgegners, mit dem ihr unter Anordnung des Sofortvollzugs die Haltung von
Hunden auf ihrem Grundstück untersagt wurde.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Wohngrundstücks in xxx, xxx, belegen im
Landkreis xxx. Auf dem Grundstück der Antragstellerin werden seit Jahren ständig Hunde
gehalten, die mindestens seit 2004 Anlass zu Beschwerden der Nachbarn gaben. Die
Nachbarschaft beschwerte sich unter anderem über das Bellen der Tiere zur Tages - und
Nachtzeit, wobei neben der Lautstärke vor allem Stetigkeit und dauerndes Hundegebell
als unzumutbar bezeichnet wurden. Hierauf untersagte der Antragsgegner mit
Anordnung vom 2. November 2005 aus immissionsschutzrechtlichen Gründen der
Antragstellerin die Haltung von mehr als 2 Hunden auf dem Grundstück xxx. Der Antrag
der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 15. November
2005 gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung des Antragsgegners
wiederherzustellen bzw. anzuordnen, blieb erfolglos (Verwaltungsgericht Frankfurt
(Oder), Beschluss vom 30. Dezember 2005, Az.: 7 L 444/05). Auf dem Grundstück der
Antragstellerin befanden sich zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich 16 Hunde, wovon der
Antragstellerin lediglich 3 Hunde gehört haben sollen.
Mit Verfügung vom 16. Januar 2006 setzte der Antragsgegner das in der Anordnung zur
Untersagung der Hundehaltung vom 2. November 2005 angedrohte Zwangsgeld in
Höhe von 3000 € fest und drohte der Antragstellerin ein erneutes Zwangsgeld in Höhe
von 4500 € an, wenn sie der oben genannten Anordnung nicht innerhalb eines Monats
nach Zustellung nachweislich nachkomme. Diese Verfügung wurde bestandskräftig
(Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006). In der Folgezeit bemühte sich die
Antragstellerin, den Bestand an den von ihr gehaltenen Hunden durch Abgabe an
Privatpersonen bzw. Tierheime zu reduzieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.
Februar 2006 wies der Antragsgegner zudem den Widerspruch vom 15. November 2005
gegen die Ordnungsverfügung vom 2. November 2005 zurück. Auch die
Ordnungsverfügung wurde in der Fassung des Widerspruchsbescheides bestandskräftig.
Unter dem 14. März 2006 versicherte die Antragstellerin eidesstattlich, dass sie die
Anordnung vom 2. November 2005 erfüllt habe und sich auf ihrem Grundstück nur noch
die Hunde mit den Namen Arthur und Nero befinden würden. Zugleich erklärte sie, dass
sie die Hunde ihrer Tochter oder andere Hunde nicht mehr aufnehmen werde. Unter
dem 4. April 2006 teilte der Antragsgegner dem Ordnungsamt des Landkreises xxx mit,
dass nach Androhung der Ersatzvornahme die Anordnung am letzten Tag der Frist erfüllt
worden sei. Eine Vorortbegehung am 2. Mai 2007 ergab zufolge eines Schriftsatzes des
Antragsgegners an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin
hingegen, dass sich zwischenzeitlich wieder mehr als 2 Hunde auf dem Grundstück
aufhielten und erneut Beschwerden zu Lärmbelästigungen durch diese Hunde vorlagen.
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Am 19. März 2009 führte der Antragsgegner auf dem Grundstück der Antragstellerin
„aufgrund massiver Beschwerden über Lärmbelästigung durch Hundegebell“ eine
Vorortbegehung durch, wobei auf dem Hof 3 frei laufende Hunde und 2 Hunde in einem
Zwinger festgestellt wurden. Nach weiteren Vorortbegehungen am 18. Juni 2009 und 19.
August 2009 untersagte der Antragsgegner der Tochter der Antragstellerin, Frau xxx,
mit Verfügung vom 7. September 2009 die Haltung jeglicher Hunde auf Dauer auf dem
Grundstück der Antragstellerin. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) entsprach mit
Beschluss vom 15. Dezember 2009 (Az. 1 L 308/09) dem Antrag der Frau xxx, die
aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 8. Oktober 2009 wiederherzustellen, da
die dortige Antragstellerin nicht die richtige Adressatin für die Ordnungsverfügung sei;
sie sei zu Unrecht vom Antragsgegner in Anspruch genommen worden. Mit
Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2010 gab der Antragsgegner dem Widerspruch
der Frau xxx gegen die Untersagung der Hundehaltung statt.
Nach Anhörung der Antragstellerin erließ der Antragsgegner unter dem 12. April 2010
unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die streitgegenständliche Verfügung, mit der
der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes die Haltung jeglicher Hunde
auf Dauer auf ihrem Grundstück untersagt wurde (Nr. 1). Des Weiteren sollten alle auf
diesem Grundstück befindlichen Hunde nachweislich bis zum 30. April 2010 an einen
Dritten abgegeben werden (Nr. 2). Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die
Antragstellerin dürfe aufgrund der Anordnung vom 2. November 2005 aus
Lärmschutzgründen auf ihrem Grundstück lediglich 2 Hunde halten. Es lägen vermehrt
Informationen von Anwohnern vor, wonach im Haus regelmäßig Hunde gehalten würden,
die jeweils in Gruppen auf den Hof gelassen würden. Außerdem seien im August und
September 2009 Bellprotokolle geführt worden, aus denen sich ergebe, dass nicht nur
die unmittelbare Nachbarschaft von der Lärmbelästigung beeinträchtigt werde. Es sei
ein Verstoß gegen die Anordnung vom 5. November 2005 festzustellen; daher werde der
Antragstellerin die Haltung von Hunden jeglicher Art auf Dauer auf dem Grundstück xxx
untersagt. In die Entscheidung habe er den Ablauf des bisherigen Verfahrens, die
regelmäßigen Beschwerden von Anwohnern und die Erwiderungen der Antragstellerin
einbezogen. Entscheidend sei, dass sich seit Oktober 2008 die Beschwerden und
Hinweise mehren würden, dass durch das Halten von mehreren Hunden im Wohnhaus
eine erhebliche Lärmbelästigung zu verzeichnen sei.
Die Antragstellerin hat am 30. April 2010 Widerspruch gegen die Verfügung vom 12. April
2010 erhoben und am 3. Mai 2010 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Im Wesentlichen trägt sie vor: Sie halte die angegriffene Verfügung für offenkundig
rechtswidrig. Diese sei insbesondere unverhältnismäßig, da willkürlich, selbst wenn eine
immissionsschutzrechtliche Pflichtverletzung vorliegen würde, da dem Antragsgegner
einfachere und angemessenere Mittel zur Beseitigung der von ihm behaupteten Störung
der öffentlichen Sicherheit zur Verfügung gestanden hätten. Ordnungsrechtliche
Maßnahmen, die zu einer Lärmminimierung führen könnten, ohne zugleich die
Hundehaltung zu verbieten, seien vom Antragsgegner noch nicht einmal erwogen
worden. Mithin sei auch die Verpflichtung der Antragstellerin, die Hunde an einen Dritten
abzugeben, unverhältnismäßig. Die Antragstellerin halte auf ihrem Grundstück lediglich
2 Hunde; soweit sich auf dem Grundstück der Antragstellerin weitere Hunde aufhalten
würden, handele es sich im wesentlichen um die (beiden) Hunde der Tochter der
Antragstellerin, die sie lediglich vorübergehend besuchsweise auf das Grundstück der
Antragstellerin mitbringe. Die Hunde der Antragstellerin würden im übrigen als sehr
wesensfest und ruhig gelten; eine mehr als nur geringfügige Belästigung durch die
Hunde der Antragstellerin habe der Antragsgegner weder festgestellt noch
dokumentiert. Eigene örtliche Feststellungen zu angeblichen Lärmbelästigungen würden
nicht existieren.
Der Antragsgegner habe auch kein konkretes besonderes Interesse an der sofortigen
Vollziehung aufgezeigt.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen Nr. 1 und 2 der
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. April 2010 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er erwidert auf das Vorbringen der Antragstellerin im Wesentlichen: Der Antragsgegner
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Er erwidert auf das Vorbringen der Antragstellerin im Wesentlichen: Der Antragsgegner
sei eingeschritten, da sich viele Anwohner durch die regelmäßigen Lärmbelästigungen
gestört fühlen würden. Gerade in den Nacht - und Abendstunden sei eine erhebliche
Lärmbelästigung zu verzeichnen. Zum Nachweis dieser Lärmbelästigung lägen
aussagekräftige Bellprotokolle vor, die über einen längeren Zeitraum geführt worden
seien. Diese Bellprotokolle seien tatsächlich von den Nachbarn, der Familie xxx, erstellt
worden. Bei der Würdigung der einzelnen Lärmereignisse habe man ihre Eigenart wie
Dauer, Häufigkeit und Tageszeit herangezogen. Dies und insbesondere die
Schutzwürdigkeit der Nachtruhe hätten hier einen Eingriff im Einzelfall notwendig
gemacht. Ein geringeres Mittel als die Untersagung der Hundehaltung auf dem
Grundstück sei nicht ersichtlich. So hätten Androhung und Festsetzung von
Zwangsgeldern in Höhe von bis zu 4500 € im vorangegangenen Verfahren gezeigt, dass
die Antragstellerin nicht willens sei, die Hunde, die nicht in ihrem Eigentum gestanden
haben sollen, freiwillig vom Grundstück zu entfernen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte,
den Vortrag der Beteiligten sowie den vom Antragsgegner eingereichten
Verwaltungsvorgang (1 Ordner) verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die Antragstellerin
trotz ausdrücklicher Ankündigung ihres Prozessbevollmächtigten bis zur
Beschlussfassung der Kammer nicht nachgewiesen hat, dass sie nach ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Sie hat weder Angaben zu ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen noch diese glaubhaft gemacht (vgl. auch
OVG Bautzen, Beschluss vom 14. Dezember 2009 – 1 D 171/09 zitiert nach juris Rdnr.
3). im Übrigen hat die Sache – wie nachfolgend ausgeführt wird – keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg (vgl. § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 114 der
Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende
Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten bzw. kraft
Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen bzw.
anordnen. Inhaltlicher Maßstab der hier gemäß § 80a Abs. 2 und 3 i.V.m. § 80 Abs. 5
Satz 1 VwGO zu treffenden gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren ist eine
umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private
Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das öffentliche Interesse an der
Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber
zunächst dahin vorgenommen, dass Widerspruch und Klage im Einklang mit dem
verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz -
GG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber
entfällt, wenn die Behörde - wie hier - die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO gesondert angeordnet hat. Das Gericht prüft mithin im Falle einer solchen
Anordnung, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse der Antragstellerin, bis zum
Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsakts
verschont zu bleiben. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse
über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung;
allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als bei Gewichtung
des Sofortvollzugsinteresses in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (so die
ständige Rspr. des OVG Berlin-Brandenburg, vgl. z. B. OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 15. September 2006 - OVG 11 S 57.06 – NVwZ 2007, 848 f. zitiert nach
juris Rdnr. 2).
Denn selbst dann, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich
rechtmäßig erweist, vermag dies in den Fällen eines behördlichen Ausschlusses der
aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die
Dringlichkeit seines - vorzeitigen - Vollzugs allein nicht zu begründen. Erforderlich ist
vielmehr das Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses, das über jenes Interesse
hinausgehen muss, das den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigt.
Auf Grund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und
gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die angegriffenen
Anordnungen Nummern 1 und 2 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sind,
darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 VwGO für die unter Nummer 4 der Ordnungsverfügung angeordnete sofortige
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Nr. 4 VwGO für die unter Nummer 4 der Ordnungsverfügung angeordnete sofortige
Vollziehung besteht und die Begründung der Vollziehungsanordnung den (formalen)
Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht, indem sie einzelfallbezogen auf
nicht mehr hinnehmbare Lärmbelästigungen für die Anwohner im Zusammenhang mit
der Hundehaltung verweist.
Rechtsgrundlage für die Untersagung des Haltens „jeglicher Hunde auf Dauer“ auf dem
Grundstück xxx in xxx (vgl. Nummer 1 der streitgegenständlichen Verfügung), sowie für
das Gebot, die auf dem Grundstück befindlichen Hunde bis zum 30. April 2010 an Dritte
abzugeben (vgl. Nummer 2 der Verfügung), ist § 15 Satz 1 des
Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG). Danach kann die zuständige Behörde im
Einzelfall die Beseitigung von Zuständen anordnen, die unter anderem den Vorschriften
des Landesimmissionsschutzgesetzes und damit insbesondere der Vorschrift des § 3
Abs. 2 Satz 1 LImSchG widersprechen. Dieser Vorschrift zufolge sind Tiere so zu halten,
dass niemand durch die Immissionen, die durch sie hervorgerufen werden, mehr als nur
geringfügig belästigt wird. Lautes Hundegebell ist eine (Geräusch-)Immission im Sinne
diese Vorschrift, da es sich um „Lärm“ handelt und auf einen normal lärmempfindlichen
Menschen belästigend wirkt. Belästigungen sind Beeinträchtigungen des körperlichen
Wohlbefindens, die noch keine Gesundheitsschäden bewirken. Lautes Hundegebell ist
bereits aufgrund seiner Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch dazu geeignet,
das körperliche und seelische Wohlbefinden eines verständigen Durchschnittsmenschen
zu beeinträchtigen. Belästigungen sind erheblich, also nicht mehr geringfügig, wenn sie
das übliche und zumutbare Maß übersteigen; dies richtet sich nach Stärke, Häufigkeit
und Dauer des Lärms sowie nach dem konkreten Zeitpunkt der Lärmimmission sowie
deren Ortsüblichkeit. Nach der Rechtsprechung sowohl der Zivil- als auch der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, der sich die Kammer anschließt, ist es bei
Geräuschbelästigungen, die von einer Tierhaltung ausgehen, für die Annahme einer
„erheblichen“ Belästigung nicht erforderlich, dass diese die Immissionsrichtwerte
überschreiten, die für die Bestimmung der Erheblichkeit von Geräuscheinwirkungen
durch Anlagen in Regelwerken wie z.B. der TA-Lärm festgelegt sind; dies gilt
insbesondere bei Störungen der Nachtruhe (vgl. m. w. N. VG München, Urteil vom 06.
Oktober 2009 – M 22 K 08.6241 – zitiert nach juris Rdnr. 21).
Dementsprechend kann die Haltung von Hunden auf einem Grundstück auf eine
bestimmte Anzahl von Tieren beschränkt oder sogar gänzlich untersagt werden, wenn
entgegen § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG Immissionen, hier durch Hundegebell,
hervorgerufen werden, die andere mehr als nur geringfügig belästigen. Mehr als nur eine
geringfügige Belästigung stellt für Anwohner eines allgemeinen Wohngebietes das
wiederholte Bellen einer Vielzahl von Hunden über einen nicht nur unerheblichen
Zeitraum während eines Tages dar, wenn die Haltung von Hunden für das betreffende
Gebiet nicht typisch ist. Denn die Lärmemissionen, die vom Gebell einer Vielzahl von
Hunden ausgehen, übersteigen nach ihrer Intensität, Häufigkeit und Dauer das Gebell
von einem bzw. zwei Hunden, weil Hunde Rudeltiere sind und es in der Regel nicht beim
Gebell eines einzelnen Hundes bleibt, wenn nur ein einziges Tier zu bellen beginnt (VG
Frankfurt (Oder) Beschluss vom 30. Dezember 2005 – 7 L 444/05, Seite 3 des
Beschlussabdrucks). Allerdings gehört die Haltung von Hunden in einem üblichen
Rahmen grundsätzlich zu einer wohngebietstypischen Freizeitnutzung; gelegentliches
Hundegebell einzelner Hunde haben Anwohner hinzunehmen, soweit die
Geringfügigkeitsschwelle nicht überschritten wird (vgl. die Ausführungen in VG Frankfurt
(Oder) a.a.O.). Anders verhält es sich, wenn mehrere Hunde auf einem Wohngrundstück
gehalten werden und diese regelmäßig z. B. zur Nachtzeit bellen, aber auch dann, wenn
sich die Hundehaltung innerhalb einer wohngebietstypischen Freizeitnutzung hält, die
von den Hunden bzw. dem Hund ausgehende Lärmbelästigung jedoch nicht mehr nur
geringfügig belästigend wirkt. So verhält es sich hier. Nach der bestandskräftigen
Anordnung des Antragsgegners vom 02. November 2005 wurde das Halten von mehr
als zwei Hunden auf dem Grundstück der Antragstellerin untersagt. Am 19. März 2009
führte der Antragsgegner auf dem Grundstück der Antragstellerin „aufgrund massiver
Beschwerden über Lärmbelästigung durch Hundegebell „eine Vorortbegehung durch,
wobei auf dem Hof 3 frei laufende Hunde und 2 Hunde in einem Zwinger festgestellt
wurden. Diesen Feststellungen des Antragsgegners ist die Antragstellerin nur insoweit
entgegengetreten, als es sich bei den Hunden außerhalb des Zwingers um
„Besuchshunde“ (der Tochter) gehandelt haben soll, die angeblich nicht ständig auf dem
Grundstück der Antragstellerin gehalten werden. Die Ordnungsbehörde kann in einem
solchen Fall nach Ermessen zum einen die Haltung einer solchen Anzahl von Hunden,
die über eine wohngebietstypische Nutzung hinausgeht, unterbinden, wenn Anwohner
durch das Gebell einer Vielzahl von Hunden nicht nur unerheblich gestört werden. Das
Interesse des Hundehalters tritt gegenüber dem gesetzlich geschützten Bedürfnis der
Anwohner auf Wohn- und Nachtruhe zurück. Dem trägt grundsätzlich bereits die o.g.
bestandskräftige Anordnung vom 02. November 2005 Rechnung. Zur Überzeugung der
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bestandskräftige Anordnung vom 02. November 2005 Rechnung. Zur Überzeugung der
Kammer kann das Interesse des Hundehalters gegenüber dem gesetzlich geschützten
Bedürfnis der Anwohner auf Wohnruhe aber auch soweit zurücktreten, dass selbst die
Haltung einer Anzahl von Hunden, die einer wohngebietstypischen Nutzung entspricht,
ermessensfehlerfrei gänzlich untersagt werden darf.
Unstreitig hält die Antragstellerin auf ihrem Grundstück mindestens zwei Hunde, deren
Gebell die Anwohner in der Nachbarschaft mehr als nur geringfügig belästigt. Es spricht
weiter vieles dafür, dass sich darüber hinaus noch weitere Hunde auf dem Grundstück
der Antragstellerin aufhalten; so wurden – augenscheinlich durch die Nachbarin Fr. xxx –
10 Hunde auf dem Grundstück der Antragstellerin festgestellt (Bl. 308 VV). Aktenkundig
sind vom Grundstück der Antragstellerin ausgehende Lärmbelästigungen durch
Hundegebell wie folgt:
Es spricht angesichts der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Beschwerden und
Feststellungen nicht nur von der Nachbarin Fr. xxx in der xxx, sondern weiterer Bewohner
aus der nächsten Nachbarschaft vieles dafür, dass die Feststellungen des
Antragsgegners zu dem Hundegebell auf dem Grundstück der Antragstellerin für den
Zeitraum ab 2007 zutreffend sind, wonach die Hunde auf dem Grundstück der
Antragstellerin häufig über mehrere Stunden täglich und zur Nachtzeit mit einer hohen
Lärmintensität bellen (s. tabellarische Aufstellung). Die Kammer bemerkt hierzu, dass
zum Beweis der Lärmstörungen durch Hundegebell Aufzeichnungen des belästigten
Nachbarn als Beweismittel ausreichend sind (genauso VG Stade, Urteil vom 03. August
1989 - 1 A 188/88 – zitiert nach juris). Danach geht die Kammer davon aus, dass die
Hunde auf dem Grundstück der Antragstellerin täglich stundenlang bellen. Die Kammer
brauchte hierzu keinen Augenschein von der Örtlichkeit einzunehmen. Sie konnte sich
aufgrund der Vielzahl der wiederholten Nachbarbeschwerden, der Aufzeichnungen der
beklagten Behörde jedenfalls bei summarischer Prüfung eine Überzeugung dazu bilden,
ob das Bellen der Hunde der Antragstellerin in einem allgemeinen Wohngebiet die Wohn-
und Nachtruhe stört (zur gerichtlichen Sachaufklärungspflicht bei Hundegebell BVerwG,
Beschluss vom 20. Dezember 1991 – 7 B 165/91, NVwZ 1993, 268). Diese
Belästigungen sind auch erheblich, also nicht mehr geringfügig, da sie das übliche und
zumutbare Maß übersteigen; nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach
den konkreten Zeitpunkten der Lärmimmissionen kann nicht mehr von einer
Ortsüblichkeit ausgegangen werden. Die Erheblichkeit der Lärmstörung durch
Hundegebell entfällt dabei nicht deshalb, weil sich – so wie hier – im Wesentlichen und
hauptsächlich besonders eine Nachbarin bei der Behörde über die Lärmstörungen
beklagt hat (vgl. VG Stade a.a.O.).
Die vom Antragsgegner angestellten Ermessenserwägungen sind im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Um eine gerichtliche Überprüfung der
Ermessensentscheidung vornehmen zu können, muss diese grundsätzlich im
Verwaltungsverfahren, spätestens aber in dem Widerspruchsbescheid begründet
werden. Mithin könnten Ermessenserwägungen sogar noch bis zum Erlass des
Widerspruchsbescheides nachgeholt werden. Der Antragsgegner hielt die
streitgegenständliche Anordnung im Zeitpunkt ihres Ergehens - auf diesen Zeitpunkt ist
für die rechtliche Beurteilung der vorliegenden immissionsschutzrechtlichen Anordnung
abzustellen – sinngemäß und zu Recht für erforderlich, um weitere erhebliche
Belästigungen durch Hundegebell zu unterbinden bzw. zu verhüten. Soweit er diese
Erwägungen zur Notwendigkeit eines Eingriffs im Einzelfall in der Antragserwiderung vom
18. Mai 2010 ergänzt hat, erscheint dies im Hinblick auf § 114 S. 2 VwGO als
unbedenklich.
Im Bescheid selbst hat der Antragsgegner ausgeführt, er habe in seine Entscheidung
den Ablauf des bisherigen Verfahrens, die regelmäßigen Beschwerden von Anwohnern
und die Erwiderungen der Antragstellerin einbezogen. Mithin liegt auch kein
Ermessensdefizit vor. Vielmehr hat der Antragsgegner die öffentlichen Interessen an der
Einhaltung der Wohn- und Nachtruhe dem Interesse der Antragstellerin am Belassen
ihrer Hunde gegenübergestellt und den weit überwiegenden öffentlichen Interessen
zutreffend den Vorzug gegeben. Dem Antragsgegner waren keine Umstände bekannt
geworden oder von der Antragstellerin mitgeteilt worden, die eine grundsätzliche
Änderung der Sachlage hätten annehmen lassen; eine derartige Änderung war
insbesondere nach den Einlassungen der Antragstellerin, die - sinngemäß verstanden -
etwaige von ihren Hunden ausgehende Belästigungen grundsätzlich in Abrede gestellt
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etwaige von ihren Hunden ausgehende Belästigungen grundsätzlich in Abrede gestellt
hat (z.B. mit der Behauptung, ihre Hunde seien von den Nachbarn oder Kindern gereizt
worden), nicht zu erwarten.
Die angeordnete Entfernung der Hunde vom Grundstück ist auch eine geeignete
Maßnahme, einen den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG entsprechenden
Zustand wiederherzustellen.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin widerspricht die streitgegenständliche
Verfügung nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Wohnruhe der
Anwohner, welches durch das Gebell von mindestens zwei bis zu 10 Hunden
beeinträchtigt wird, schützenswerter ist als das Interesse der Antragstellerin an der
Hundehaltung auf ihrem Grundstück, zumal die „Besuchshunde“ noch nicht einmal in
ihrem Eigentum stehen und somit fremde Hunde sind. Das Einschreiten des
Antragsgegners nach langen Monaten des erfolglosen Zuwartens und unergiebigem
Schriftwechsel mit der Antragstellerin bzw. deren Tochter erscheint nach alledem als
ermessensgerecht. Auf eine „freiwillige“ Beseitigung der Zustände durch die
Antragstellerin konnte und musste der Antragsgegner mit Blick auf das Verhalten der
Antragstellerin – auch in der Vergangenheit - nicht mehr warten. Wenn die
Antragstellerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, als weniger einschneidende
Maßnahme hätte der Antragsgegner die Durchsetzung der Ordnungsverfügung vom 02.
November 2005 betreiben können, verkennt sie, dass der Antragsgegner diese
Ordnungsverfügung nach Festsetzung eines Zwangsgeldes und Androhung der
Ersatzvornahme durch die Antragstellerin als erfüllt angesehen hat. Die
streitgegenständlichen Immissionen durch Hundegebell sind danach nicht die Folge
eines behördlichen „Vollzugsdefizits“ sondern allein den aktuellen Versäumnissen der
Antragstellerin anzulasten, die jedenfalls die Hunde, die nicht in ihrem Eigentum
standen, nicht von ihrem Wohngrundstück entfernt hat. Diese muss sich - auch und
gerade mit Blick auf die von ihr selbst gehaltenen Hunde - vielmehr fragen lassen,
warum sie nicht von sich aus alle Vorkehrungen getroffen hat, um mehr als nur
geringfügige Lärmbelastungen durch Hundegebell auszuschließen.
Die ursprüngliche Fristsetzung war angemessen, weil die Antragstellerin seit Erhalt der
Verfügung einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen hatte, die Hunde vom Grundstück
zu entfernen. Im Übrigen dürfte es nunmehr auch an einem Rechtsschutzbedürfnis im
Hinblick auf Nr. 2 der streitgegenständlichen Verfügung fehlen, da die gesetzte Frist
(fruchtlos) abgelaufen ist und es einer erneuten Fristsetzung durch den Antragsgegner
bedarf.
Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 VwGO an einer sofortigen Befolgung der Anordnungen und einer sofortigen
Unterbindung der durch das Hundegebell hervorgerufenen regelmäßigen und nicht nur
kurzfristigen erheblichen Lärmbelästigungen, durch die sich nachweislich mehrere
Nachbarn erheblich belästigt fühlen (genauso VG Frankfurt (Oder) a.a.O., S. 5 des
Beschlussabdrucks).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes. Maßgebend ist für die Nummern 1 und 2 der
Ordnungsverfügung ist der halbe Auffangwert (2.500,00 €).
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