Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 26.08.2003

VG Frankfurt: versetzung, anerkennung, härtefall, dienstort, sport, vollstreckung, vergleich, erlass, polizei, depression

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 5251/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 29 BG HE
Anspruch auf Versetzung des Beamten wegen eines
Härtefalles
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung eines Härtefalls.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger war ursprünglich als Polizeimeister beim Bundesgrenzschutz tätig. Am
01.02.2001 trat er auf eigenen Wunsch in den Dienst des beklagten Landes und
wurde zum Polizeipräsidium Frankfurt am Main versetzt. Nach Dienstantritt
unterzeichnete er eine nicht datierte Erklärung, dass ihm bekannt sei, eine
grundsätzliche Mindestdienstzeit von 3 Jahren beim Polizeipräsidium Frankfurt am
Main ableisten zu müssen, bevor er im Rahmen einer Versetzung an einen
anderen Personalbewirtschafter abgegeben werden könne. Mit Wirkung vom
01.04.2001 wurde der Kläger zum Polizeiobermeister befördert.
Mit Schreiben vom 11.04.2001 bat der Kläger unter Hinweis auf die Gründung einer
eigenen Familie, die weite Fahrstrecke vom Wohnort zum Dienstort und die
Hilfebedürftigkeit seiner Eltern um Versetzung zur Polizeidirektion Hannover, die
indes nicht zustande kam, da ein Tauschpartner nach Mitteilung der
Bezirksregierung Braunschweig nicht zu finden war.
Mit Schreiben vom 30.07.2001 bat der Kläger unter Beifügung psychologischer
Atteste, ihn nach Kassel zu versetzen. Mit weiterem Schreiben vom 23.08.2001
beantragte der Kläger die Anerkennung eines Härtefalls im Sinne des von ihm in
Bezug genommenen Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für
Sport - Landespolizeipräsidium - vom 16.01.2001 - III A 42 - b 34.1.2 - 06/2000 -.
Der beim Landespolizeipräsidium gebildete Härtefallausschuss entschied auf der
Ausschusssitzung am 17.09.2001, dass der Antrag des Klägers auf Versetzung
unter Anerkennung als Härtefall als unbegründet zurückzuweisen sei. Zur
Begründung teilte der Leitende Polizeiarzt ... mit Schreiben vom 26.09.2001 dem
Hessischen Ministerium des Innern und für Sport mit, in Auswertung der
übersandten Befunde und der Stellungnahme des Klägers werde unter ärztlichem
Blickwinkel festgestellt, dass hier kein primär medizinisches, sondern vielmehr ein
soziales Problem lebensbestimmend für den Kläger sei. Die im psychologischen
Attest aufgeführten Veränderungen seien bei der Art der Notwendigkeit der
Lebensgestaltung nachvollziehbar. Unter ärztlichen Gesichtspunkten werde
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Lebensgestaltung nachvollziehbar. Unter ärztlichen Gesichtspunkten werde
befürwortet, dass der Beamte seine Lebensführung an den beruflichen Vorgaben
ausrichten solle. Nach entsprechender Anweisung durch das Hessische
Ministerium des Innern und für Sport lehnte daraufhin das Polizeipräsidium
Frankfurt am Main mit dieser Begründung den Versetzungsantrag des Klägers
durch Bescheid vom 25.10.2001 ab.
Der Kläger erhob hiergegen am 22.11.2001 Widerspruch, den er unter Vertiefung
seines bisherigen Vorbringens begründete. Seine Frau müsse sich einer
psychotherapeutischen Behandlung unterziehen, was zu Problemen auch bei ihm
selbst geführt habe. Im übrigen wies der Kläger durch ein ärztliches Attest nach,
dass sein Vater an einer Herzerkrankung leide und es darum erforderlich sei, dass
er, der Kläger, seinen Dienst an einer wohnortnahen Dienststelle verrichte. Im
weiteren Verfahren reichte der Kläger noch einen psychologischen Bericht vom
30.12.2001 nach. Darin wird ausgeführt, dass sich die psychische
Belastungssituation des Klägers nach der Geburt einer Tochter am 11.10.2001
sowie der postnatalen Depression der Ehefrau weiter zugespitzt habe. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 30.12.2001 (Bl. 54 f. d.
Verwaltungsvorgangs) Bezug genommen.
Nachdem der Kläger seit dem 10.01.2002 kontinuierlich wegen Erkrankung nicht
zum Dienst erschienen war, veranlasste das beklagte Land eine polizeiärztliche
Dienstfähigkeitsuntersuchung, die am 08.04.2002 durch ... durchgeführt wurde.
Dabei stellte der Polizeiarzt fest, dass der Kläger dienstfähig sei.
Polizeiärztlicherseits sei davon auszugehen, dass keine gesundheitlichen Probleme
vorliegen, die die zu bewertende Dienstfähigkeit betreffen. Die Abgrenzung
sozialer Probleme sei hingegen nicht Bestandteil der ärztlichen Beurteilung, so
dass in diesem Sinne der Kläger ab sofort dienstfähig zu bewerten sei (Bl. 82 f. d.
Verwaltungsvorgangs). Zur gleichen Zeit befasste das beklagte Land erneut den
Härtefallausschuss mit dem Versetzungsgesuch des Klägers. In der
Ausschusssitzung am 09.04.2002 wies der Ausschuss den Antrag des Klägers auf
Anerkennung als Härtefall wiederum zurück, da auch die Auswertung der neuerlich
vorgelegten Befunde sowie des explorativen Gesprächs am 08.04.2002 keinen
Grund erkennen lasse, die Härtefallregelung im vorliegenden Fall unter ärztlichen
Gesichtspunkten zur Anwendung kommen zu lassen. Die durch die ärztlichen und
psychologischen Atteste bescheinigten Befunde beschrieben eine Situation, die -
wenn behandlungsbedürftig - behandelbar sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 30.10.2002 wies das Polizeipräsidium Frankfurt
am Main den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Entscheidung des
Härtefallausschusses und die von Leitendem Polizeiarzt ... für die Entscheidung
gegebene Begründung zurück. Der Kläger habe die seine Familie belastende
Situation freiwillig selbst herbeigeführt. Eine schwerwiegende Erkrankung, die sich
nur durch seine Versetzung an einen heimatnahen Dienstort lösen lasse, sei
weder in Bezug auf ihn selbst noch in Bezug auf seine Ehefrau dargelegt. Die
belastende Lebenssituation reiche für die Anerkennung eines Härtefalls nicht aus.
Auch aus dienstlichen Gründen sei eine Versetzung nicht möglich. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid (Bl. 108-111 d.
Verwaltungsvorgangs) Bezug genommen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem
Bevollmächtigten des Klägers am 04.11.2002 zugestellt.
Der Kläger hat am 04.12.2002 Klage erhoben, die er unter Vertiefung seines
Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren begründet. Er legt ärztliche
Bescheinigungen vom 05.12. und 14.12.2002 vor, in denen ein langjähriges
Migräneleiden sowie eine durch die psychische Belastung erhöhte
Migränehäufigkeit und eine depressive Symptomatik bei der Ehefrau des Klägers,
auch bedingt durch die längeren Abwesenheitszeiten des Klägers, attestiert
werden. Die Chancen einer erfolgreichen Therapie könnten nur durch dauerhafte
Nähe des Partners verbessert werden. Auch beim Kläger hätten sich mittlerweile
gesundheitliche Beeinträchtigungen eingestellt. Im übrigen rügt der Kläger, seine
Dienstfähigkeit sei aktuell, d. h. vor Erlass des Widerspruchsbescheids, nicht
hinreichend untersucht worden, und der Leitende Polizeiarzt ... habe sich bei seiner
Bewertung Kompetenzen eines Fachpsychologen angemaßt, weshalb das Erfahren
auch an einem Verfahrensfehler leide. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 30.12.2002, 03.03., 26.03.
und 09.04.2003 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des
Polizeipräsidiums Frankfurt vom 25.10.2001 und des Widerspruchsbescheids der
selben Behörde vom 30.10.2002 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom
30.7.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Das
dem Dienstherrn zustehende Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Die
Erkrankung des Vaters sei für die Beurteilung des Antrags des Klägers unerheblich;
die Erkrankung der Ehefrau sei nicht "schwerwiegend", wie es der Härtefallerlass
indes voraussetze. Der Kläger könne seine Probleme dadurch beheben, dass er
seinen Wohnsitz in der Nähe des Dienstortes nimmt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter allein
einverstanden erklärt und in der mündlichen Verhandlung am 30.07.2003
zunächst einen Vergleich unter Widerrufsvorbehalt geschlossen; für den Fall des
Widerrufs haben sie auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung
verzichtet. Mit Schriftsatz vom 13.08.2003 hat das beklagte Land den Vergleich
widerrufen.
Ein gehefteter Verwaltungsvorgang sowie die den Kläger betreffende Personalakte
- Unterordner B - wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die genannten Unterlagen
sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Berichterstatter allein (§ 87
a Abs. 2, 3 VwGO) und im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben, da die
Ablehnung des Versetzungsantrags des Klägers unter Anerkennung eines
Härtefalls durch das beklagte Land rechtmäßig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch
auf erneute Entscheidung über sein Begehren (§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).
Zur Begründung kann zunächst vollinhaltlich auf die zutreffenden Ausführungen
des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main im Widerspruchsbescheid Bezug
genommen und hier von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe
abgesehen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Berichterstatter folgt diesen
Ausführungen. Danach ist das beklagte Land zu Recht zu der Einschätzung
gelangt, dass die vom Kläger angeführten Umstände seinen Versetzungsantrag
unter Berufung auf den Härtefallerlass nicht tragen können.
Das beklagte Land hat diese Einschätzung unter Berücksichtigung sämtlicher vom
Kläger vorgelegter ärztlicher Befundberichte und Atteste sowohl hinsichtlich seines
als auch des Gesundheitszustands seiner Ehefrau, aller weiteren
entscheidungserheblichen Umstände und insbesondere auch der Ergebnisse einer
aktuellen ärztlichen Untersuchung durch den Leitenden Polizeiarzt ... am
08.04.2002 gewonnen, so dass insbesondere das Verfahren, in dem über den
Antrag des Klägers entschieden wurde, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Das
Gericht folgt auch nicht der Einschätzung des Klägers, der Leitende Polizeiarzt ...
habe sich fachpsychologische Kenntnisse angemaßt. Auch insoweit leidet das
Verfahren nicht an einem Rechtsfehler. Herr ... hat in seinem Schreiben vom
26.09.2001 ausgeführt, dass die in dem seinerzeit vorliegenden psychologischen
Attest aufgeführten Veränderungen bei der Art der Notwendigkeit der
Lebensgestaltung des Klägers nachvollziehbar erscheinen; er hat folglich die
Feststellungen in diesem Attest nicht in Abrede gestellt. Wenn er dessen
ungeachtet zu der Einschätzung gelangt ist, dass im Fall des Klägers nicht primär
ein medizinisches sondern vielmehr ein soziales Problem lebensbestimmend sei,
liegt darin keine Anmaßung fachpsychologischer Kenntnisse, über die er nicht
verfügte. Vielmehr ist darin eine zusammenfassende polizeiärztliche Bewertung
der vom Kläger vorgetragenen - zum Teil durch ein psychologisches Attest
substantiierten - Umstände zu sehen, die besondere psychologische
Fachkenntnisse nicht voraussetzte, sondern zu den üblichen Aufgaben eines
Polizeiarztes gehört. Auch die mit Schreiben vom 11.04.2002 gegebene
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Polizeiarztes gehört. Auch die mit Schreiben vom 11.04.2002 gegebene
Begründung zu der erneuten Ablehnung des Antrags des Klägers durch den
Härtefallausschuss lässt nicht erkennen, dass sich der Verfasser, ..., fachärztliche
Kenntnisse angemaßt hätte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass
die dem Dienstherrn obliegende Entscheidung über das Vorliegen der
Voraussetzungen des bereits erwähnten Härtefallerlasses vom 16.01.2001
(Polizei-Nachrichtenblatt I S. 83) rechtlichen Bedenken begegnen könnte.
Im Hinblick darauf kam angesichts des Umstands, dass sich das beklagte Land bei
der Entscheidung über auf den Härtefallerlass gestützte Versetzungsanträge von
Polizeibeamten in seiner ständigen Praxis durch die Anwendung des Erlasses
rechtlich gebunden hat, eine Anerkennung des Klägers als Härtefall im Sinne
dieses Erlasses nicht in Betracht.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das beklagte Land auf der Grundlage der in
diesem Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 05.12. und
14.12.2002 gehalten wäre, diese Einschätzung zu revidieren, da diese
Bescheinigungen lediglich bereits bekannte Umstände beschreiben, die sich durch
den Zeitablauf zwar augenscheinlich verstärkt haben, die indes nicht zwingend die
Notwendigkeit der Versetzung des Klägers an eine heimatnahe Dienststelle
belegen können. Zu Recht hat das beklagte Land im Widerspruchsbescheid darauf
hingewiesen, dass sich die gesundheitlichen Probleme in der Familie des Klägers,
die durch diese Atteste bestätigt werden, auch dadurch lösen lassen, dass der
Kläger mit seiner Familie in der Nähe seiner Dienststelle seinen Wohnsitz nimmt.
Folglich ist nach wie vor eine der durch den Erlass vorgegebenen Voraussetzungen
für die Anerkennung als Härtefall nicht erfüllt; denn die gesundheitlichen Probleme
in der Familie des Klägers lassen sich auch durch eine andere Maßnahme als die
Versetzung des Klägers lösen. Unter diesen Umständen liegt ein Härtefall nach Nr.
1 des Erlasses nicht vor. Dem vom Kläger geltend gemachten Umstand, dass es
ihm aus familiären und vertraglichen Gründen nicht möglich sei, das elterliche
Haus und damit seinen jetzigen Wohnort aufzugeben, kann insofern keine
maßgebende rechtliche Bedeutung zukommen. Zu Recht hat das beklagte Land
im Widerspruchsbescheid diesbezüglich darauf hingewiesen, dass der Kläger diese
Lebensverhältnisse bereits vor Antritt seines Diensts beim beklagten Land in
eigener Verantwortung gestaltet, gleichwohl aber seine Versetzung in den Dienst
des beklagten Landes und an seinen jetzigen Dienstort begehrt und dort auch
seinen Dienst aufgenommen hat, wohl wissend, dass eine Versetzung frühestens
nach Ablauf einer Mindestverweildauer von drei Jahren werde in Betracht kommen
können.
Auch im übrigen sind Rechts- und Ermessensfehler nicht ersichtlich. Insbesondere
ist nicht zu beanstanden, dass das beklagte Land auch aus dienstlichen Gründen
keine Möglichkeit sieht, dem Antrag des Klägers zu entsprechen.
Da der Kläger unterliegt, sind ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, § 154
Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.