Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 22.03.2006

VG Frankfurt: lebensgemeinschaft, aufenthaltserlaubnis, eidesstattliche erklärung, privates interesse, beendigung, zustellung, eltern, richteramt, sorgerecht, absicht

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 5413/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 6 GG, § 28 Abs 1
AufenthG, § 28 Abs 2
AufenthG, § 4 Abs 3 RuStAG
(Nicht)bestehen einer familiären Beistandsgemeinschaft
bei einem vom Kind getrennt lebenden, ausländischen
Vater.
Leitsatz
1. Bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen hat die
Ausländerbehörde die familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden
Ausländers an Personen zu berücksichtigen, die sich berechtigterweise in Deutschland
aufhalten. Trotz Bestehens hinreichend intensiver Bindungen (Beistandsgemeinschaft)
kann die Beendigung des Aufenthalts mit Art. 6 GG vereinbar sein, wenn es den
beteiligten Familienmitgliedern zumutbar ist, die familiäre Lebensgemeinschaft im
Ausland zu leben.
2. Einem deutschen Staatsangehörigen ist es nicht zumutbar, die familiäre
Lebensgemeinschaft im Ausland zu leben.
3. Andere Gründe, die für eine Beendigung des Aufenthalts des Ausländers sprechen,
können die Vernichtung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen einem
ausländischen Vater und seinem minderjährigen deutschen Kind nicht rechtfertigen.
Das folgt aus Art. 6 Abs. 3 GG, wonach Kinder nur dann von ihren Eltern getrennt
werden dürfen, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn das Kind aus
anderen Gründen zu verwahrlosen droht.
Tenor
Der Bescheid vom 24.10.2005 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die
Aufenthaltserlaubnis des Klägers ab dem 18.06.2004 zu verlängern.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste 1998 illegal in die
Bundesrepublik ein und stellte hier mehrere Asylanträge, der erfolglos blieben.
Nachdem am 25.12.2000 seine Tochter geboren worden war, die nach § 4 Abs. 3
StAG die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und für die er zusammen mit der
Mutter das Sorgerecht besitzt, erteilte ihm die Ausländerbehörde der Stadt
Offenbach, in deren Bezirk er zusammen mit seiner Tochter und deren Mutter
lebte, am 18.06.2003 eine bis zum 18.06.2004 befristete Aufenthaltserlaubnis
zum Zwecke der familiären Lebensgemeinschaft. Am 04.08.2003 zog er (allein)
nach Frankfurt. Am 17.06.2004 beantragte er bei der Beklagten die unbefristete
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. In den Behördenakten befindet sich eine
Erklärung der Kindsmutter vom 26.01.2005, wonach der Kläger sich um die
gemeinsame Tochter kümmere und jeden Tag bei der Familie sei.
Die Beklagte schrieb gleichwohl die inzwischen in Aschaffenburg lebende
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Die Beklagte schrieb gleichwohl die inzwischen in Aschaffenburg lebende
Kindesmutter und das Jugendamt in Aschaffenburg unter dem 28.07.2005 an und
bat um Auskunft, ob der Kläger weiterhin für das Kind sorgt, wie oft er es besucht
und ob er Unterhalt zahlt. Das Jugendamt teilte mit, dass das Kind seit dem
01.06.2005 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalte. Nach
Angaben der Mutter habe der Kläger letztmalig im Mai 2005 Unterhalt gezahlt. Die
Kindesmutter habe ferner mitgeteilt, dass sich der Kläger nur sehr unregelmäßig
um seine Tochter kümmere. Er käme nur gelegentlich zu Besuch, wie es ihm
gerade passe.
Die Mutter teilte ausweislich eines Aktenvermerks mit, dass der Kläger sich
manchmal wochenlang nicht um seine Tochter kümmere. Wenn er sie bei sich
habe, wolle er sie nicht wieder zurückgeben. Er habe sie in den Urlaub mitnehmen
wollen, was, sie, die Mutter, ablehne, weil sie die Entführung in die Türkei fürchte.
Das Kind frage immer nach dem Vater, weil er sie mit Geschenken locke. Sie, die
Mutter, habe kürzlich die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Seitdem
interessiere sich der Kläger wieder mehr für sie. Er wolle sich aber nur seinen
Aufenthalt sichern. Hierauf hörte die Beklagte den Kläger zu der Absicht der
Ablehnung des Verlängerungsantrages schriftlich an.
Der Kläger ließ vortragen, dass er sich regelmäßig um seine Tochter kümmere. Er
zahle auch wieder Unterhalt, nachdem er erneut Arbeit gefunden habe. Dem ließ
er eine Eidesstattliche Erklärung beifügen, aus der hervorgeht, dass er seine
Tochter jeden Tag anrufe, jedes Wochenende von Freitag bis Sonntag zu sich
nehme und auch öfter während der Woche besuche. Er habe auch die Wohnung
seiner Exfreundin und der Tochter eingerichtet. Die Unterhaltszahlungen habe er
vorübergehend nicht erbringen können, weil er sich selbständig gemacht habe,
aber keine ausreichenden Einkünfte erzielt habe.
Mit Verfügung vom 24.10.2005 lehnte die Beklagte die Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis ab. Die unbefristete Verlängerung scheitere schon daran,
dass die gesetzlichen Wartezeiten nicht erfüllt seien. Die befristete Verlängerung
komme nicht in betracht, weil der Aufenthaltszweck entfallen sei. Der Kläger lebe
nicht mit seiner Tochter in einer Beistandsgemeinschaft, sondern besuche sie nur
gelegentlich. Dies ergäbe sich aus den Auskünften der Mutter und des
Jugendamtes der Stadt Aschaffenburg. Mit einem ergänzenden Schreiben vom
15.11.2005, zugestellt am 18.11.2005, berichtigte sie die dem Bescheid
beigefügte Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass unmittelbar die Klage
zulässig sei. Am 16.12.2005 hat der Kläger Klage erhoben, die er jedoch nicht
begründete.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung vom 24.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem
Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und den
Inhalt der vorgelegten Behördenakte. Die Kammer hat den Rechtsstreit mit
Beschluss vom 01.02.2006 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Das Gericht hat neben der Gerichtsakte einen Ordner Behördenakten zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Das Gericht hat Beweis
erhoben über die Behauptung des Klägers, dass er in einer Beistandsgemeinschaft
mit seiner Tochter Z. lebe, durch Vernehmung der Frau XY als Zeugin. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom heutigen
Tage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere bedurfte es keines Vorverfahrens. Dieses ist
nach § 16a Abs. 1 HAGVwGO in Verbindung mit Nr. 3.8 der Anlage zu § 16a seit
Inkrafttreten des Gesetzes vom 17.10.2005 (GVBl. I S. 674) am 27.10.2005 in
Entscheidungen im Aufenthaltsrecht abgeschafft. Ein Ausnahmetatbestand ist
nicht gegeben. insbesondere hat der Kläger keinen Anspruch nach dem Beschluss
Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates (Amtliche
Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit 1981 S. 4).
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Die Klage ist auch rechtzeitig erhoben worden. Die Monatsfrist des § 74 Abs. 1
Satz 2 VwGO begann erst mit Zustellung der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung
am 18.11.2005 an zu laufen. Der Kläger hat die Klage vor dem 18.12.2005
erhoben.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf befristete
Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG.
Danach ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen
eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der
Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Unstreitig hat die
Tochter des Klägers Z. die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie lebt zusammen mit
ihrer Mutter in Aschaffenburg. Unstreitig steht die Personensorge den Eltern des
Kindes gemeinsam zu. Die Erteilung einer Niederlassungsfreiheit nach § 28 Abs. 2
AufenthG kommt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in Betracht, weil der Kläger die
Aufenthaltserlaubnis erstmals am 18.06.2003 erhalten hat und seitdem noch
keine drei Jahre besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis ist deshalb nach § 28 Abs. 2 Satz
2 AufenthG zu verlängern, weil, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, die familiäre
Lebensgemeinschaft nach wie vor besteht, d.h. der Kläger die Personensorge auch
ausübt und mit seinem Kind in einer Beistandsgemeinschaft lebt. Nach den
verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie sie das Bundesverfassungsgericht
grundlegend in seiner Senatsentscheidung vom 31.08.1999 (2 BvR 1523/99 -
InfAuslR 2000, 67) dargelegt hat, ist die Ausländerbehörde auf Grund der
Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet, bei der Entscheidung über
aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiäre Bindung des den Aufenthalt
begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet
aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zu beachten. Es ist
grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite
die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind und auf der anderen Seite auch
die sonstigen Umstände des Einzelfalls. Solche Umstände können etwa darin
liegen, dass es den beteiligten Familienmitgliedern zumutbar ist, die familiäre
Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen. Das scheidet allerdings aus, wenn es
um die familiäre Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Staatsbürger geht. Ist
es dem Kind eines Ausländers aus rechtlichen Gründen nicht zumutbar, im
Ausland zu leben, dann können andere Gesichtspunkte, die für eine Beendigung
des Aufenthaltes des Ausländers sprechen, keine Berücksichtigung finden, weil in
einem solchen Falle die Beendigung des Aufenthaltes des Ausländers zu einer
Trennung des Kindes von einem Elternteil führen würde. Das aber ist aus rein
ausländerrechtlichen Gründen nicht zulässig, weil mit Art. 6 GG unvereinbar. Aus
Art. 6 Abs. 3 GG ergibt sich nämlich, dass sorgebedürftige Kinder nicht von der
Familie, d.h. von ihren Eltern, getrennt werden dürfen. Das ist nur dann
verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder
wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Eine
weitergehende Einschränkung des Rechts auf die Wahrung der familiären
Lebensgemeinschaft lässt Art. 6 GG nicht zu. Allerdings steht die Beziehung
zwischen Elternteil und Kind nur dann unter dem Schutz des Art. 6 GG, wenn es
sich um eine echte Beistandsgemeinschaft handelt, d. h., wenn der Elternteil auch
tatsächlich in fürsorgender Weise beständigen Umgang mit dem Kind pflegt. Eine
solche Beistandsgemeinschaft lässt sich nach den Feststellungen des
Bundesverfassungsgerichts nicht allein mit einem Verweis auf die Möglichkeit der
Betreuung durch den anderen Elternteil verneinen. Es kommt in diesem
Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich
erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden kann. Bei einer
Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des
Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird,
sondern der Vater - allein oder gemeinsam mit der Mutter - wesentliche elterliche
Betreuungsleistungen erbringen kann, die eine Beistandsgemeinschaft begründen,
welche unter dem Schutz des Art. 6 GG steht. Der Schutz der familiären
Beistandsgemeinschaft stellt dabei, wie das Bundesverfassungsgericht ebenfalls
festgestellt hat, nicht bloß ein privates Interesse des jeweiligen Elternteiles dar,
sondern einen öffentlichen Belang.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es für das Gericht zweifelsfrei fest,
dass zwischen dem Kläger und seiner deutschen Tochter eine echte
Beistandsgemeinschaft besteht. Die Zeugin ist die Mutter des Kindes. Sie hat sehr
detailliert und folgerichtig die Beziehungen zwischen ihrer Tochter und dem Vater
beschrieben. Diese Beziehung ist durchaus auch durch Krisen gekennzeichnet
gewesen, die daraus entstanden sind, dass der Vater wohl öfters sehr jähzornig
gewesen, die daraus entstanden sind, dass der Vater wohl öfters sehr jähzornig
reagiert, allerdings nie gegenüber dem Kind, wohl aber gegenüber anderen
Erwachsenen, sei es gegenüber seiner früheren Lebensgefährtin oder sei es
gegenüber seiner Mutter, bei der er jetzt lebt. Solche Zornesausbrüche haben
seine Tochter, wenn sie sie miterleben musste, sehr erschreckt und dazu geführt,
dass das Kind zeitweise den persönlichen Kontakt mit dem Vater verweigert hat.
Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass Vater und Tochter nicht in einer
familiären Beistandsgemeinschaft verbunden sind. Der Kläger hat vielmehr auch in
solchen Krisenzeiten nie den Kontakt mit der Tochter abgebrochen, sondern sich
telefonisch immer darum bemüht, wieder eine ungetrübte Kommunikation mit
dem Kind herzustellen. Das ist ihm bisher auch immer gelungen. So hat die
Zeugin berichtet, dass die Tochter, nachdem sie Zornesausbrüche des Vaters
während des Besuchs in seiner Wohnung miterlebt hatte, im vergangenen Jahr
etwa zwei Monate lang den persönlichen Kontakt mit dem Vater abgelehnt hat.
Nicht zuletzt durch Bemühungen der Großmutter und großzügigen Geschenken ist
es ihm jedoch gelungen, dafür zu sorgen, dass die Tochter in diesem Jahr wieder
zweimal das Wochenende beim Vater verbracht und höchst zufrieden und - wie die
Zeugin es ausgedrückt hat - strahlend - zu ihr zurückgekehrt ist. Die Zeugin hat
auch berichtet, dass der Kläger aktiv an der Erziehung der Tochter teilnimmt. So
will er immer darüber unterrichtet werden, welche Kurse im Rahmen der Angebote
des Kindergartens das Kind besucht. Er äußert dazu auch eigene Ansichten und
diskutiert alternative Möglichkeiten mit der Kindesmutter. Die Zeugin hat in
diesem Zusammenhang zwar auch deutlich gemacht, dass sie dies gelegentlich
als lästig oder wenig realitätsnah erlebt, - so wenn der Kläger etwa Kurse nahe
legt, die sie sich finanziell nicht leisten kann. Meinungsverschiedenheiten zwischen
den Erziehungsberechtigten sind aber normal und wecken keine Zweifel daran,
dass beide Elternteile ihre Pflicht zu elterlichen Sorge aktiv wahrnehmen. Dass der
erzieherische Einfluss zwischen den Elternteilen gleichwohl unterschiedlich ist,
ergibt sich schon aus dem Umstand, dass das Kind den Alltag bei der Mutter
erlebt und nur an den Wochenenden den Vater sieht. Solche Ungleichgewichte
sind ebenfalls kein Indiz gegen das Bestehen einer Beistandsgemeinschaft. Soweit
die Zeugin sich sehr kritisch zu anderen Eigenschaften des Klägers geäußert hat,
steht auch das dem Bestehen einer Beistandsgemeinschaft nicht entgegen. Das
gilt etwa für den Umstand, dass sein Umgang mit Geld nicht den von großer
Verantwortlichkeit und Bedächtigkeit geprägten Vorstellungen der Zeugin
entspricht. Auch der Umstand, dass der Kläger Termine zum Abholen und
Zurückbringen des Kindes häufig nicht pünktlich einhält, steht einer
Beistandsgemeinschaft nicht entgegen, sondern spricht, wie die Zeugin selbst es
sieht, nur für objektiv bestehende Schwierigkeiten, die sich aus der Distanz der
Wohnorte ergeben. Möglicherweise mag es auch am Sinn für Pünktlichkeit
mangeln, was bei vielen Menschen der Fall ist, ohne dass sie deshalb schlechte
Eltern sind. Auch der Umstand, dass der Kläger seine Unterhaltszahlungen nicht
zu Anfang des Monats leistet, sondern erst am Ende, und die Zeugin damit in
finanzielle Not bringt, bedeutet nicht, dass er zu seinem Kind keine familiäre
Lebensgemeinschaft pflegt. Nicht jedes kritikwürdige Verhalten im Hinblick auf das
eigene Kind rechtfertigt schon den Schluss, es bestünde keine echte familiäre
Lebensgemeinschaft. Schließlich spricht auch die von der Zeugin geäußerte
Absicht, das alleinige Sorgerecht für sich beantragen zu wollen oder jedenfalls mit
dem Gedanken zu spielen, in keiner Weise gegen den Kläger. Die Zeugin hat, nach
den Gründen für diese Absicht befragt, zunächst rein praktische Gründe genannt,
nämlich dass sie dann nicht für jede Entscheidung die formelle, möglicherweise
auch schriftliche Zustimmung des Klägers brauche. Dann verwies sie auch auf die
Meinungsverschiedenheiten in Erziehungsfragen, die aber offensichtlich nicht so
gravierend sind, dass eine effektive Erziehung des Kindes unmöglich wird. Beide
Motive sprechen eher dafür, dass die Zeugin mit dem Gedanken spielt, dem Vater
aus Gründen der Bequemlichkeit das Sorgerecht entziehen zu lassen. Soweit die
Klägerin fürchtet, der Kläger könne die Tochter in die Türkei entführen oder
gewaltsam zu sich nehmen, falls die Klägerin eine neue Lebenspartnerschaft
eingeht, spricht auch das nicht gegen eine Beistandsgemeinschaft. Dem Kläger
geht es dabei nämlich gerade darum, die Gemeinschaft mit seiner Tochter eher zu
intensivieren, als darum, sie zu vernachlässigen. Natürlich wäre die Entführung der
Tochter ein krimineller Akt, der u.U. auch den Entzug des Sorge- und
Umgangsrechts für den Kläger zur Folge haben kann. Allein die Tatsache, dass er
gelegentlich schon solche Gedanken geäußert hat, rechtfertigt es aber nicht, ihm
gewissermaßen schon vorbeugend den Umgang mit seinem Kind zu nehmen. Im
Übrigen scheinen die Entführungsphantasien des Klägers, so wie die Zeugin sie
geschildert hat, im Zusammenhang mit der befürchteten Beendigung seines
Aufenthaltes in Deutschland gestanden zu haben. Es fällt ihm offenbar schwer,
sich ein Leben getrennt von seinem Kind vorzustellen. Das spricht aber gerade für
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sich ein Leben getrennt von seinem Kind vorzustellen. Das spricht aber gerade für
eine innige Beziehung zwischen Vater und Tochter und nicht dagegen.
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung schließlich die
Nichtexistenz einer Beistandsgemeinschaft mit dem Umstand begründen wollte,
dass der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, zu der er nicht
persönlich geladen war, vermag das Gericht solchen Spekulationen nicht zu folgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Berufungszulassungsgründe des § 124
Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO).
Sonstiger Langtext
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung nur zu, wenn sie vom
Hessischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung
ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Antrag ist bei dem
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Adalbertstr. 44-4860486 Frankfurt am Main
zu stellen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe
darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Berufung ist nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des
Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe
des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser
Abweichung beruht, oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender
Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung
beruhen kann.
Die Begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit dem Antrag erfolgt, bei dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof Brüder-Grimm-Platz 1-334117 Kassel
einzureichen.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt oder
Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt eingelegt werden.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch
Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im
höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit
Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen
kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören,
vertreten lassen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 13 GKG).
Rechtmittelbelehrung
Gegen die Festsetzung des Streitwerts steht den Beteiligten die Beschwerde zu,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 Euro übersteigt.
Die Beschwerde ist bei dem
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Adalbertstraße 44 - 48 60486 Frankfurt am
Main
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
einzulegen.
Sie ist nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der
Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat,
zulässig.
Soweit der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt
wird, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Streitwertfestsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.