Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 12.11.2002

VG Frankfurt: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, entlassung, aufschiebende wirkung, anhörung, fürsorgepflicht, interessenabwägung, unterrichtung, zustellung, behörde, polizeidienst

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 G 3608/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 40 Abs 1 PersVG HE, § 62
Abs 2 PersVG HE
Keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
wenn keine ernsthaften Zweifel an der festgestellten
Dienstunfähigkeit begründet werden.
Leitsatz
Formelle und materielle Anforderungen an eine Entlassung wegen
Polizeidienstunfähigkeit.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.883,36 € festgesetzt.
Gründe
Das Begehren des Antragstellers ist als Antrag auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung seines am 24. Mai 2002 erhobenen Widerspruchs gegen
die Entlassungsverfügung des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main vom 19. April
2002 zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, da die
Sofortvollzugsanordnung vom 12. Juni 2002 formell ordnungsgemäß erfolgt ist, der
Widerspruch und eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage wenig Aussicht auf
Erfolg haben und die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
Die Sofortvollzugsanordnung vom 12. Juni 2002 genügt den formellen
Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO, da der Antragsgegner
das aus seiner Sicht gegebene besondere öffentliche Interesse für die
Ausschaltung des Suspensiveffekts im vorliegenden Einzelfall nachvollziehbar
darlegt. Die entsprechenden Gründe lassen erkennen, dass sich der
Antragsgegner der Ausnahmelage einer Sofortvollzugsanordnung hinreichend
bewusst war. Die angeführten Gründe sind auch geeignet, ein besonderes
öffentliches Vollzugsinteresse bereits für den in Aussicht genommenen Tag der
Beendigung des Beamtenverhältnisses zu begründen, wobei es für die formellen
Anforderungen nicht auf die Schlüssigkeit dieser Erwägungen ankommt.
Der Widerspruch ist fristgerecht erfolgt, da die Entlassungsverfügung dem
Bevollmächtigten des Antragstellers am 24. April 2002 gegen
Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, so dass am 24. Mai 2002 die Monatsfrist
des § 70 Abs. 1 VwGO noch gewahrt werden konnte.
Die Entlassungsverfügung begegnet keinen formellen Bedenken. Sie wurde von
der nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b der Verordnung über die Zuständigkeiten in
beamtenrechtlichen Personalangelegenheiten im Geschäftsbereich des
Ministeriums des Innern und für Sport vom 19.12.2000, zuletzt geändert durch VO
vom 11.6.2001 (GVBl. 2001 I S. 290), in Verbindung mit §§ 44, 12 Abs. 1 HBG
zuständigen Stelle, dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main, erlassen und auch
den Bestimmung des VwZG entsprechend förmlich zugestellt. Zudem hatte der
Antragsteller Gelegenheit, sich vor der Maßnahme zu äußern, so dass den
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Antragsteller Gelegenheit, sich vor der Maßnahme zu äußern, so dass den
Anforderungen des § 28 Abs. 1 HVwVfG wie des § 42 Abs. 5 HBG und der
Fürsorgepflicht (§ 92 Abs. 1 HBG) Genüge getan ist. Das Anhörungsschreiben des
Antragsgegners unterrichtete den Antragsteller zudem umfassend über die aus
Sicht der Behörde maßgebenden Entlassungsgründe, so dass sich der
Antragsteller insoweit angemessen verteidigen konnte. Der Antragsgegner hat
zudem eine Entlassungsfrist gewählt, die zwar von § 44 HBG abweicht und zudem
über die nach § 42 Abs. 3 HBG zu wahrenden Fristen hinausgeht. Da sich dies aber
zugunsten des Antragstellers auswirkt, können sich Bedenken gegen die
Entlassung insoweit nicht ergeben, um ihre Aufhebung im Widerspruchsverfahren
erforderlich zu machen.
Der Antragsgegner hat auch die maßgebenden Vorschriften zur Beteiligung der
Frauenbeauftragten nach § 18 Abs. 1 HGlG und des Personalrats nach § 77 Abs. 1
Nr. 1 lit. h HPVG eingehalten. Die Frauenbeauftragte und der Personalrat wurden
zeitgleich über die aus Sicht der Behörde maßgebenden Entlassungsgründe
unterrichtet, indem ihnen das an den Antragsteller gerichtete Anhörungsschreiben
vom 4. März 2002 zugeleitet wurde. Die Frauenbeauftragte hat die Kenntnisnahme
bestätigt und in der Folgezeit keine weitere Äußerung abgegeben. Dies genügt den
Anforderungen einer Mitwirkung nach § 18 Abs. 3 S. 1 HGlG, da die Einholung ihrer
Zustimmung nicht erforderlich ist und die Mitwirkung bereits dann erfolgreich
durchgeführt worden ist, wenn die Frauenbeauftragten nach vollständiger
Unterrichtung über den maßgebenden Sachverhalt und die im Hinblick darauf
geplante Maßnahme Gelegenheit hatte, sich innerhalb der Frist des § 18 Abs. 3 S.
1 HGlG zu äußern.
Der Personalrat beim Polizeipräsidium hat der Maßnahme am 20. März 2002 nach
Erörterung ausdrücklich zugestimmt und damit nach § 69 Abs. 1 S. 1 HPVG den
Weg frei gemacht, seitens der Dienststelle die angekündigte Maßnahme zu
vollziehen.
Fraglich kann allenfalls sein, ob die Frauenbeauftragte und der Personalrat
entsprechend den Erfordernissen in § 18 Abs. 3 S. 1 HGlG bzw. § 62 Abs. 2 S. 1, 2
HPVG vollständig unterrichtet wurden. Die Unterrichtung erfolgte nämlich
zeitgleich mit der Anhörung des Antragstellers, ohne deren mögliches Ergebnis
abzuwarten. In der Rechtsprechung vor allem des Bundesarbeitsgerichts ist
insoweit geklärt, dass zum notwendigen Umfang einer Unterrichtung seitens der
Dienststelle auch alle diejenigen Umstände gehören, die einer Kündigung, hier also
einer Entlassung entgegenstehen können und damit auch ein zu beteiligendes
Organ in die Lage versetzen können, einer gleichwohl beabsichtigten Maßnahme
zu widersprechen (BAG, Urt. 21.6.2001 - 2 AZR 30/00 - PersR 2002, 261 = ZTR
2002, 45; 17.2.2000 - 2 AZR 913/98 - NZA 2000, 761, 762 f.; LAG Köln Urt.
5.6.2000 - 1(11) Sa 1545/99 - PersR 2001, 224). Das vom Antragsgegner hier
gewählte Verfahren war vom Ansatz her nicht geeignet, eine ordnungsgemäße
Berücksichtigung derjenigen Aspekte im Beteiligungsverfahren zu gewährleisten,
die vom Antragsteller womöglich im Rahmen der gebotenen Anhörung (§ 28 Abs. 1
HVwVfG, § 42 Abs. 5 HBG, § 92 Abs. 1 HBG) noch vorgebracht werden. Vorliegend
hat sich diese fehlerhafte Verfahrensgestaltung aber nicht zu Lasten des
Antragstellers ausgewirkt. Dieser hat nämlich im Rahmen seiner Antwort auf das
Anhörungsschreiben mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. März 2002
keine wirklich neuen Umstände in das Entlassungsverfahren eingeführt.
Die familiäre Lage war bereits Gegenstand der Würdigung im Anhörungsschreiben
des Antragsgegners vom 4. März 2002. Gleiches gilt für die Schwierigkeiten, die
sich aus dem von Frankfurt am Main sehr weit entfernt liegenden Wohnort des
Antragstellers und seiner Familie ergeben. Auch ist der Antragsgegner bereits in
seinem Anhörungsschreiben von der dauerhaften Polizeidienstunfähigkeit des
Antragstellers aufgrund polizeiärztlicher Untersuchung ausgegangen und hat sich
dort auch mit der bis dahin bekannten gegenteiligen Auffassung des Antragstellers
auseinandergesetzt, diese damit zugleich der Frauenbeauftragten und dem
Personalrat bekannt gegeben. Diese konnten damit ohne eigene Nachforschungen
die den Antragsteller möglicherweise begünstigenden Aspekte erkennen und bei
Bedarf auch abweichend vom Antragsgegner würdigen.
Allerdings hat der Bevollmächtigte des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom
22. März 2002 geltend gemacht, der Antragsteller sei gesundet und nach der
Auffassung der ihn behandelnden Privatärztin auch vollschichtig arbeitsfähig. Der
frühere Erschöpfungszustand sei vollständig überwunden. Eine nähere
Zukunftsprognose enthält die privatärztliche Stellungnahme vom 22. März 2002
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Zukunftsprognose enthält die privatärztliche Stellungnahme vom 22. März 2002
allerdings nicht. Der Antragsgegner hat diese Stellungnahme daraufhin der für den
Antragsteller bislang schon verantwortlichen Polizeiärztin zugeleitet. Diese hat in
ihrer Stellungnahme vom 3. April 2002 keinen Anlass für eine Änderung ihrer
bisherigen Auffassung gesehen und den Antragsteller nach wie vor als dauerhaft
polizeidienstunfähig eingestuft. Sie hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass
sich der Gesundheitszustand des Antragstellers nach einer fast einjährigen
Arbeitspause gebessert habe. Dennoch sei unter Berücksichtigung der damaligen
heftigen psychischen Dekompensation bei Auftreten erneuter
Belastungssituationen im privaten oder polizeilichen Bereich mit einem Rezidiv zu
rechnen. Damit hat die Polizeiärztin, auf deren Urteil es für die Feststellung der
Polizeidienstunfähigkeit nach § 193 Abs. 1 HBG maßgeblich ankommt, an ihrer
ursprünglichen Auffassung vom Januar 2002 mit nachvollziehbaren und auch
überzeugenden Gründen festgehalten.
Folglich ist durch das Vorbringen des Antragstellers in seiner Anhörung vor der
Entlassung und die damit einhergehende Einreichung der privatärztlichen
Stellungnahme vom 22. März 2002 noch keine so wesentliche Änderung des
Sachverhalts eingetreten, dass sich daraus die Notwendigkeit einer erneuten und
erweiterten Unterrichtung der Frauenbeauftragten und des Personalrats ergab.
Grundlage der Entlassungsentscheidung ist nach wie vor in erster Linie die
Annahme der Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers in Übereinstimmung mit
einer entsprechenden polizeiärztlichen Aussage. Dies war vor der Anhörung des
Antragstellers ebenso der Fall wie danach. Dabei muss hier auch berücksichtigt
werden, dass der Personalrat seine Zustimmung gerade damit begründet hat, er
habe sich in der Anhörung die polizeiärztlich festgestellte Polizeidienstunfähigkeit
versichern lassen. Damit hat er vor diesem Hintergrund klar zu erkennen gegeben,
bei Fortbestand dieser Annahme keine Alternative zur Entlassung zu sehen. Damit
ist allerdings zugleich eine gewisse Begrenzung der möglichen Entlassungsgründe
eingetreten, die sich aber nur dann zugunsten des Antragstellers hätte auswirken
können, wenn dieser mit seiner Stellungnahme auf das Anhörungsschreiben völlig
neue ihn begünstigende Aspekte vorgebracht hätte. Dies war jedoch gerade nicht
der Fall, zumal sich die im Schriftsatz vom 22. März 2002 aufgestellte Behauptung
dem Grunde nach bereits im Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom
28. Januar findet. Zuvor hatte sich die Polizeiärztin in ihrer Stellungnahme vom 24.
Januar 2002 mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Behauptung der
vollschichtigen Einsatzfähigkeit des Antragstellers im Hinblick auf die besonderen
Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes zu bewerten sei. Dort wird auch
ausgeführt, die den Antragsteller behandelnde Ärztin rechne für den Fall einer
Rückkehr an den früheren Arbeitsplatz in Frankfurt am Main mit einer erneuten
psychischen Dekompensation, was eine heimatnahe Verwendung nahelege.
Die Entlassung rechtfertigt sich daher schon aus § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HBG.
Danach muss ein dienstunfähiger Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er
dienstunfähig ist, wobei für Polizeivollzugsbeamte wie den Antragsteller die
Polizeidienstunfähigkeit (§ 193 Abs. 1 HBG) maßgebend ist. Dem Dienstherrn
steht in diesem Fall kein Ermessen zu, sofern die Entlassung nicht nach § 40 Abs.
1 S. 2 HBG vermieden werden kann.
Die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers steht zur Überzeugung der Kammer
aufgrund der polizeiärztlichen Stellungnahme vom 3. April 2002 zweifelsfrei fest.
Ziff. 11 der Polizeidienstvorschrift gibt eindeutig zu erkennen, dass ein
Polizeivollzugsbeamter nicht - mehr - polizeidienstfähig ist, wenn erhebliche
psychische Störungen eintreten, die zur Beeinträchtigung der persönlichen
Belastbarkeit des Polizeibeamten führen und ihn damit gerade in stressbehafteten
Einsatzlagen unfähig machen, in vollem Umfang (§ 69 S. 1 HBG) seinen Dienst zu
verrichten. Der Antragsteller war fast ein Jahr dem aktiven Dienst ferngeblieben,
was allein nach § 51 Abs. 1 S. 2 HBG schon zur Annahme der Dienstunfähigkeit
ausreicht. Zwar hat sich der Antragsgegner nicht ausdrücklich auf diese
Beweiserleichterung bezogen. Sie indiziert jedoch die besondere Schwere der
Erkrankung des Antragstellers. Da sich an den äußeren Rahmenbedingungen
nichts ändern würde, müsste der Antragsteller wieder Polizeidienst in Frankfurt am
Main oder einen beliebigen anderen Ort Hessens leisten (§ 29 Abs. 1 HBG), ist
auch die Prognose der Polizeiärztin in vollem Umfang gerechtfertigt, wonach es bei
einer Wiederholung der früheren Situation zum Wiedereintritt der psychischen
Dekompensation kommen wird. Der Antragsteller wohnt nach wie sehr weit vom
Dienstort entfernt, was nach § 87 Abs. 1 HBG allein zu seinen Lasten geht. Zudem
hat er sich den erheblichen finanziellen Belastungen eines Hauskaufs ausgesetzt
und trägt sich offenbar nicht einmal ansatzweise mit dem Gedanken, diese
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und trägt sich offenbar nicht einmal ansatzweise mit dem Gedanken, diese
permanente Anforderung an seine Psyche in Wegfall zu bringen. Auch befindet sich
seine Frau nach wie vor im Studium ohne eigenes Einkommen, die Kinder müssen
betreut werden. Damit sind alle bislang schon stressfördernden Faktoren
unverändert voll wirksam. Der Dienstherr wie die Polizeiärztin durften und mussten
dies für ihre Prognose in Rechnung stellen. Sie konnten und mussten daher zu
dem Schluss kommen, die psychische Ausstattung des Antragstellers genüge in
Kombination mit diesen Umgebungsfaktoren nicht den besonderen
Anforderungen, die an Polizeivollzugsbeamte im Hinblick auf ihre spezifischen
Aufgaben zu stellen sind.
Der Antragsteller bringt insoweit weder in seiner Anhörung vor der Entlassung noch
im Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren Tatsachen vor, die geeignet wären, die
Annahme der dauerhaften Polizeidienstunfähigkeit auch nur in Zweifel zu ziehen.
Es fehlt jede nähere Auseinandersetzung mit den polizeiärztlichen Feststellungen
vom 3. April 2002. Der Wunsch nach einem Sachverständigengutachten verkennt,
dass die Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit nach § 193 Abs. 1 HBG vorrangig
eine Aufgabe von Amts- oder Polizeiärzten ist, denen von Gesetzes wegen eine
besondere Vertrautheit mit den besonderen Arbeitsbedingungen von
Polizeibeamten attestiert wird. Die Kammer hat auch keinen Zweifel, dass die hier
tätige Polizeiärztin mit diesen besonderen Dienstbedingungen vertraut ist und sie
deutlich besser kennt als die den Antragsteller behandelnde Privatärztin. Im
Widerspruchs- oder Klageverfahren wird es daher nach gegenwärtigem Sachstand
keiner Beweisaufnahme durch ein Sachverständigengutachten bedürfen, da der
Verlauf der früheren Erkrankung von der Polizeiärztin zur Grundlage ihrer Prognose
gemacht worden ist. Noch im Januar 2002 hat sie im übrigen zutreffend darauf
hingewiesen, dass gerade die unveränderten persönlichen, familiären
Rahmenbedingungen eine erhebliche Mitverantwortung für die
Polizeidienstunfähigkeit tragen. Was sich daran bis zum Zeitpunkt der Zustellung
der Entlassungsverfügung geändert haben sollte, ist nicht erkennbar. Danach
eingetretene Veränderungen sind ohnehin bedeutungslos.
Der Antragsgegner hat auch die nach § 40 Abs. 1 S. 2 HBG in Verbindung mit § 51
Abs. 3 HBG erforderliche Prüfung angestellt, ob der Antragsteller anderweitig in
einer Laufbahn verwendet werden kann, für die eine normale
Beamtendienstfähigkeit ausreicht. Diese Prüfung hat jedoch im Hinblick auf die
gegenwärtige Stellensituation zu keinem positiven Ergebnis für den Antragsteller
geführt. Insbesondere kommt eine Verwendung bei der allgemeinen
Landesverwaltung des Landrats des Landkreises Kassel nicht in Betracht, wie sich
aus dem Schreiben dieser Behörde vom 22. November 2001 ergibt. Der
Antragsteller hat die entsprechende Feststellung im Entlassungsbescheid auch
nicht angegriffen. Da der Antragsteller in seiner Probezeit als Polizeibeamter auch
keine herausragenden Leistungen erzielt hatte, erscheint es im Hinblick auf § 193
Abs. 2 HBG auch wenig wahrscheinlich, dass sich bei sonstiger näherer
Nachprüfung etwas ergeben könnte, was eine Weiterbeschäftigung des
Antragstellers im gehobenen Dienst ungeachtet der für andere Tätigkeiten als den
Polizeidienst fehlenden Laufbahnbefähigung auch nur möglich erscheinen lassen
könnte. Der Antragsteller hat eben durch den Polizeidienst keine zusätzlichen
persönlichen oder fachlichen Erfahrungen der Art und des Ausmaßes erwerben
können, wie sie eine Verwendung im allgemeinen Verwaltungsdienst aufgrund von
Berufserfahrung vielleicht rechtfertigen könnten.
Der Antragsgegner hat schließlich die nach § 55 HBG erforderliche Prüfung
angestellt und mit vertretbaren Erwägungen eine Zurruhesetzung
ausgeschlossen. Die rechtlichen Ausführung im Entlassungsbescheid sind nicht zu
beanstanden, die Ermessenserwägungen halten den Anforderungen des 40
HVwVfG und des § 114 VwGO stand.
Schließlich hat der Antragsgegner auch die oberste Dienstbehörde in den
Entscheidungsprozess einbezogen, wie es sowohl im Rahmen von § 55 HBG wie
auch von § 56 Abs. 1 HBG vorgesehen ist. Zwar wäre die Einschaltung der
obersten Dienstbehörde von Rechts wegen nur geboten gewesen, wenn sich der
Antragsgegner zur Versetzung in den Ruhestand entschlossen hätte. Das
zuständige Ministerium hat dem Vorgehen des Polizeipräsidiums Frankfurt am
Main jedoch mit Erlass vom 5. Februar 2002 ausdrücklich denjenigen Weg
gewiesen, der jetzt auch behördlicherseits beschritten wurde. Folglich wurde auch
den insoweit möglicherweise zu erwägenden Verfahrensanforderungen Genüge
getan. In diesem Erlass wird zudem deutlich gemacht, dass keine sonstigen
Verwendungsmöglichkeiten für den Antragsteller gesehen werden. Auch dies
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Verwendungsmöglichkeiten für den Antragsteller gesehen werden. Auch dies
genügt den Anforderungen, die an die Ermessens- und Organisationserwägungen
nach § 51 Abs. 3 HBG in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 2 HBG jedenfalls im
vorliegenden Fall zu stellen sind.
Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob die Entlassung zusätzlich auf § 42
Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HBG gestützt werden kann. Die Entlassung aufgrund des § 40
HBG ist vorrangig.
Die Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Soweit es um die
womöglich angestrebte vorläufige Rückkehr in den Dienst geht, folgt dies schon
aus der unverändert fortbestehenden Polizeidienstunfähigkeit, zumal sich im
Eilverfahren nichts ergeben hat, was auf eine wirklich wesentliche Änderung nach
der Zustellung der Entlassungsverfügung hindeutet. Aber auch hinsichtlich der
ebenfalls möglichen auf die Fortzahlung der Bezüge beschränkten
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung liegen die dafür erforderlichen
Voraussetzungen nicht vor. Zwar ist insoweit die nachwirkende Fürsorgepflicht (§
92 Abs. 1 HBG) zu beachten, wie das BVerfG entschieden hat, worauf der
Bevollmächtigte des Antragstellers im Ansatz zutreffend hinweist. Dieser hat
jedoch nicht näher vorgetragen, welche erheblichen und zumutbaren
Anstrengungen seit der Zustellung der Entlassungsverfügung unternommen
wurden, sich einen Arbeitsplatz zu verschaffen. Dafür wird sich der Antragsteller
auch darauf verweisen lassen müssen, ggf. in eine Gegend umzuziehen, in der es
leichter als in Nordhessen ist, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Zudem hat der
Antragsteller sich in einem Ausmaß finanzielle Belastungen auferlegt, dass es der
Kammer gegenwärtig nicht nachvollziehbar ist, wie diese Belastungen aus dem
derzeitigen Einkommen überhaupt finanziert werden. Der Antragsgegner hat die
mangelnde Genauigkeit des Antragstellervortrags insoweit zutreffend
beanstandet, ohne dass daraufhin eine Konkretisierung erfolgt wäre. Folglich muss
bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden, dass der Antragsteller im Falle
einer auch nur teilweisen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines
Widerspruchs Bezüge erhielte, die er aller Voraussicht nach als rechtsgrundlos
erhaltene Leistungen nach Maßgabe des § 12 BBesG mit dem für ihn negativen
Abschluss des Widerspruchs- oder Klageverfahrens zurückzahlen müsste, ohne
dass für diese Rückzahlung beim Antragsteller eine hinreichende finanzielle
Grundlage erkennbar ist. Zudem hat der Antragsgegner schon mit der Gewährung
einer großzügigen Entlassungsfrist qualifiziert die Interessen des Antragstellers
berücksichtigt und damit für sich die Fürsorgepflicht konkretisiert. Diese
Ermessensentscheidung darf die Kammer nicht außer Acht lassen, ebenso wenig
die gesetzliche Regelung der nachwirkenden Fürsorgepflicht in § 47 BeamtVG.
Damit fehlt es an den erforderlichen Voraussetzungen, im Wege der
Interessenabwägung auch nur teilweise die aufschiebende Wirkung des vom
Antragsteller erhobenen Widerspruchs anzuordnen.
Da der Antragsteller unterliegt, hat er nach § 154 Abs. 1 VwGO die
Verfahrenskosten zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 , § 13 Abs. 4 GKG. Der
Hauptsachestreitwert (Endgrundgehalt A9 x 6,5 = 2.425.65 € x 6,5) ist im Hinblick
auf die Vorläufigkeit der Entscheidung auf die Hälfte zu vermindern.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.