Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 25.04.2002

VG Frankfurt: verordnung, beihilfe, nulla poena sine culpa, rückforderung, treu und glauben, auslagerung, verwaltungsakt, landwirtschaft, ernährung, allgemeiner rechtsgrundsatz

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 5580/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 49a VwVfG, § 10 Abs 3 MOG
(Rückforderung von auf Grund öffentlich-rechtlichen
Vertrages gezahlter wirtschaftlicher Beihilfe durch einen
Verwaltungsakt)
Leitsatz
Eine aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geleistete Beihilfezahlung darf nicht
durch Verwaltungsakt zurückgefordert werden, es sei denn es existiert eine besondere
gesetzliche Grundlage hierfür; § 10 Abs. 3 MOG stellt keine derartige Grundlage dar. Ein
Vorbehalt im Vertrag, eine Rückforderung im Wege des Verwaltungsaktes zu realisieren,
kann die notwendige gesetzliche Grundlage nicht ersetzen, auch nicht über das Institut
des sogenannten Verwaltungsaktes auf Unterwerfung.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 29.12.1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 10.10.2000 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin schloss mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
am 30.12.1998 den Vertrag Nr. 34/04/351 über die Gewährung einer Beihilfe zur
privaten Lagerhaltung von Schweinefleisch gemäß der Verordnung (EG) Nr.
2042/98 sowie der BLE-Bekanntmachung Nr. 98/98/41. Der Vertrag bezog sich auf
die Lagerhaltung von 100 Tonnen frischem oder gekühltem Schweinefleisch
(Vorderteile mit Knochen) mit einer Lagerzeit von vier Monaten. Vor dem
Hintergrund dieses Vertrages stellte die Klägerin eine Sicherheit i. H. v. 15.038,04
DM. Bis zum 28.01.1999 lagerte die Klägerin sodann im Lagerkühlhaus Nordfrost
in Zerbst 93.452,80 kg Schweinefleisch (Vorderteile mit Knochen) ein.
Mit Kontrollbericht Nr. 8 vom 27.05.1999 zum Beihilfevertrag Nr. 34/04/351
bescheinigte ein Prüfer der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, dass
das Fleisch - nach der Lagerbuchhaltung und nach Stichproben - im Kühlhaus noch
vollständig gemäß den Vertragbedingungen lagert und gab als Gewicht im
Bestand 93.452,80 kg netto an.
Mit Antrag/Beihilferechnung vom 21.05.1999 - bei der BLE eingegangen am
23.06.1999 - machte die Klägerin für diese Menge eine Beihilfe i. H. v. 80.356,43
DM geltend und es kam zur telegraphischen überweisung dieses Betrages (Bl. 91
der Behördenakte).
Um den Verfall von Lizenzen vor dem Hintergrund von insgesamt ca. 4.000
Tonnen eingelagerten Schweinefleischs und bereits beantragter Exportlizenzen zu
vermeiden, war es im Mai 1999 zur Unterstellung von 600 Tonnen Fleisch unter
Zollaufsicht und zur überführung in ein Zwischenlager gekommen. Dabei wurden
aus der eingelagerten Partie 351 zum einen 9.973,30 kg und zum anderen 1.550
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aus der eingelagerten Partie 351 zum einen 9.973,30 kg und zum anderen 1.550
kg verwandt. Die entsprechenden Ausfuhranmeldungen der Klägerin datieren vom
21.05.1999 bzw. 25.05.1999 und gingen dem Hauptzollamt Halle, Zollamt Rosslau,
an diesen Tagen zu. über das Hauptzollamt Hamburg-Jonas erhielt die
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Kopien dieser
Ausfuhranmeldungen am 13.08.1999.
Nach erfolgter Anhörung forderte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und
Ernährung mit Bescheid vom 29.12.1999 die gezahlte Beihilfe i. H. v. 80.356,43
DM "mit Wirkung für die Vergangenheit" zurück und erklärte die Sicherheit i. H. v.
15.038,04 DM für verfallen. Die Auslagerung von insgesamt 11.523,30 kg Fleisch
des Vertrages Nr. 34/04/351 sei ohne vorherige Anmeldung gegenüber der
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und daher ohne entsprechende
überwachung und Kontrolle bei der Verwiegung erfolgt. Exportnachweise seien
nicht fristgerecht innerhalb von 30 Tagen vorgelegt worden. Nach Art. 9 Abs. 5 der
Verordnung (EWG) Nr. 3444/90 i. V. m. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2042/98
sowie der Bekanntmachung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Nr. 98/98/41 sei die Beihilfe daher zu versagen und in der genannten Höhe
zurückzuzahlen. Ferner sei die Sicherheit vollständig für verfallen zu erklären.
Mit Schreiben vom 13.01.2000 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2000 wies die Bundesanstalt für
Landwirtschaft und Ernährung den Widerspruch zurück. Der Bescheid vom
29.12.1999 sei rechtmäßig. Gemäß Art. 9 Abs. 5 S. 1 der Verordnung (EWG) Nr.
3444/90 i. V. m. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2042/98 sowie der Nr. 12.3.1 und
12.3.3 der Bekanntmachung der Bundesanstalt Nr. 98/98/41 werde bei
Nichterfüllung der dort genannten Bedingungen für den betreffenden Vertrag keine
Beihilfe gewährt und die Sicherheit für den betreffenden Vertrag verfalle
vollständig. Dies wird näher ausgeführt, worauf Bezug genommen werden kann.
Die Zustellung des Widerspruchsbescheides erfolgte am 12.10.2000.
Mit Schriftsatz vom 13.11.2000, dem Verwaltungsgericht Frankfurt a. M.
zugegangen am 13.11.2000, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben, mit
der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Die Klägerin habe die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EWG)
Nr. 3444/90 eingehalten und die Beklagte rechtzeitig über die vorzeitige
Auslagerung benachrichtigt. Die Lagerhalterin der Klägerin habe Herrn Glaser,
einen Bediensteten der BLE, über die vorzeitige Auslagerung informiert. Es habe
an diesem gelegen, seine Dienststelle hiervon zu unterrichten. Das Wissen und
Verhalten des Bediensteten Glaser sei der Beklagten gemäß § 166 Abs. 1 BGB
analog zuzurechnen.
Der angegriffene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sei aber
bereits deshalb rechtswidrig, da keine wirksame Rechtsgrundlage vorliege bzw. ein
Verschulden der Klägerin als notwendige Voraussetzung für die Rückforderung der
Beihilfe nicht gegeben sei. Art. 9 Abs. 5 S. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3444/90 sei
eine Sanktionsregelung mit Strafcharakter. Diese Norm verstoße gegen den
Grundsatz "nulla poena sine culpa", ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des
Gemeinschaftsrechts, weil diese Sanktionsanordnung ohne
Verschuldensvoraussetzung formuliert sei. Jedenfalls müsse diese Norm
gemeinschaftsrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass ein Verschulden für
die Nichterfüllung der vorzeitigen Benachrichtigung als ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal Voraussetzung für die Anwendung dieser
Verwaltungssanktion in Form der Beihilfeversagung sei. Da die Klägerin bzw. deren
Lagerhalterin nunmehr aber von dem Prüfer der BLE, Herrn Glaser, dahingehend
unterrichtet worden sei, dass eine weitere Benachrichtigung der Beklagten zwei
Tage vor der vorzeitigen Auslagerung nicht erforderlich sei, sei ein Verschulden der
Klägerin am Unterlassen der vorzeitigen Benachrichtigung nicht anzunehmen.
Ferner habe die Klägerin auch von der Richtigkeit des Prüfberichts vom 27.05.1999
ausgehen dürfen, wonach die Partie 351 sich noch vollständig im Kühlhaus befinde.
Die Klägerin treffe auch kein Verschulden daran, dass sie die Beklagte nicht binnen
30 Tagen nach der Auslagerung hierüber informiert habe. Da sie von der
Auslagerung keine Kenntnis gehabt habe, sei ihr eine solche Benachrichtigung
unmöglich gewesen. Auch insoweit habe sie sich auf den Prüfungsbericht vom
27.05.1999 stützen dürfen und habe nicht von anderen Umständen ausgehen
müssen.
Die Rückforderung der Beihilfe verstoße ferner gegen das Willkürverbot. Ein solcher
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Die Rückforderung der Beihilfe verstoße ferner gegen das Willkürverbot. Ein solcher
Verstoß sei immer dann gegeben, wenn ein Hoheitsträger einen schutzwürdigen
Vertrauenstatbestand geschaffen habe und durch eine Maßnahme gegen das von
ihm gesetzte Vertrauen verstoße. So verhalte es sich mit den falschen
Informationen seitens eines Beschäftigten der Bundesanstalt für Landwirtschaft
und Ernährung, Herrn Glaser und der späteren Rückforderung der gewährten
Beihilfe.
Die Rückforderung verstoße ferner gegen den Grundsatz von Treu und Glauben
gemäß § 62 VwVfG i. V. m. § 242 BGB analog. Das Verhalten der Beklagten stelle
ein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar.
Da sich aus dem fehlenden Verschulden der Klägerin ein Fall der höheren Gewalt
im Sinne des Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3444/90 ergebe, beruhe der
angegriffene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ferner auf
einem Ermessensfehler in Form des Ermessensnichtgebrauchs. Ein Fall höherer
Gewalt liege vor, da es der Klägerin aus tatsächlichen Gründen unmöglich gewesen
sei, der Ausführung der vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Das als
Rechtsfolge vorgesehene Ermessen habe die Beklagte nicht ausgeübt.
Die Erklärung des vollständigen Subventionsverfalls widerspreche ferner dem
übermaßverbot. Die vorzeitige Auslagerung sei kurz vor Ende der Lagerzeit erfolgt.
Der mit den Verträgen verfolgte Zweck, dem Preisverfall von Schweinefleisch
entgegenzuwirken und die Preise zu stabilisieren, sei somit im vorliegendem Fall
nahezu erreicht gewesen, da die Partie 351 vertragsgemäß bereits mehrere
Monate dem Fleischmarkt entzogen gewesen sei.
Die Beklagte könne auch nicht auf die Kenntnis des Lagerhalters der Klägerin
verweisen. Dessen Kenntnis sei der Klägerin bereits nicht zurechenbar. Selbst
wenn man eine Zurechnung vornehme, so sei festzustellen, dass der Lagerhalter
durch die falsche Information seitens des Bediensteten der Beklagten, Herrn
Glaser, getäuscht worden sei und es könne keinen Unterschied machen, ob eine
derartige Täuschung direkt oder über einen Vertreter geschehe. In beiden Fällen
müsse sich die Beklagte diese falsche Information zurechnen lassen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.12.1999 sowie den Widerspruchsbescheid
vom 10.10.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Beihilfe sei § 10 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 3
MOG. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor. Der Beihilfevertrag Nr.
34/04/351 sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen der Beihilfegewährung lägen
nicht vor. Eine vorherige Anmeldung der vorzeitigen Auslagerung sei nicht erfolgt.
Auch die entsprechenden Exportnachweise seinen nicht nachträglich fristgerecht
innerhalb von 30 Tagen übermittelt worden. Die Lagerhalterin der Klägerin habe
den Bediensteten der Beklagten, Herrn Glaser, über die vorzeitige Auslagerung
nicht informiert. Dies könne jedoch dahinstehen, da die Klägerin jedenfalls ihrer
Verpflichtung, die überwachenden zuständigen Außenstellen und Zentrale der
Beklagten nach dem Muster des Anhangs 5 der Bekanntmachung Nr. 98/98/41
und damit schriftlich zu benachrichtigen, nicht nachgekommen sei.
Die Klägerin könne sich auch nicht etwa gemäß § 10 Abs. 1 MOG i. V. m. § 48 Abs.
2 VwVfG auf Vertrauensschutz berufen. Sie habe die Beihilfe vielmehr durch
Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig gewesen seien. Dies wird
näher dargelegt, worauf Bezug genommen werden kann. Der Bedienstete der BLE,
Herr Glaser, habe die Lagerhalterin der Klägerin auch nicht in der von der Klägerin
vorgetragenen Weise falsch informiert und damit einen Vertrauenstatbestand
geschaffen. Selbst wenn diese der Fall sei, stehe dies der Beihilferückforderung
nicht entgegen. Gemäß Art. 9 Abs. 5 S. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3444/90 sei
die Beihilfe im Falle der Nichterfüllung der Bedingung der Benachrichtigung
zwingend nicht zu gewähren. Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3444/90, der den
Fall der höheren Gewalt regele, sei lediglich auf Art. 9 Abs. 6 der Verordnung
anwendbar, nicht aber auf den einschlägigen Art. 9 Abs. 5 der Verordnung. Selbst
wenn Art. 10 der Verordnung nun aber auf den vorliegenden Fall anwendbar sei,
sei jedenfalls kein Fall höherer Gewalt gegeben. Hieran fehle es jedenfalls in
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sei jedenfalls kein Fall höherer Gewalt gegeben. Hieran fehle es jedenfalls in
subjektiver Hinsicht. Von einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer sei nämlich zu
erwarten, dass er Nachforschungen anstelle, ob Informationen eines Bediensteten
der Beklagten auch den Tatsachen entsprächen. Gleiches gelte auch für den
Nachweis der Auslagerung binnen 30 Tagen und den für die Unkenntnis der
Klägerin angeführten Kontrollbericht Nr. 8.
Auch die Erklärung des Kautionsverfalls sei gemäß Art. 9 Abs. 5 S. 3, 2.
Spiegelstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3444/90 rechtmäßig. Auch insoweit sei der
Beklagten keinerlei Ermessen eingeräumt. Auch insoweit finde der
Ausnahmetatbestand der höheren Gewalt in Art. 10 der Verordnung keine
Anwendung.
Die Verordnung verstoße auch nicht etwa gegen Gemeinschaftsrecht und
wesentliche gemeinschaftliche Rechtsgrundsätze. Art. 9 Abs. 5 S. 3, 1.
Spiegelstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3444/90 stelle bereits keine
Sanktionsregelung mit Strafcharakter dar. Sie sei vielmehr eine spezifische
Handhabe für die Verwaltung, die Bestandteil der Beihilferegelung sei und dazu
diene, die ordnungsgemäße Verwaltung der öffentlichen Mittel der Gemeinschaft
sicherzustellen. Der EUGH habe auch in ständiger Rechtssprechung entschieden,
dass der Gemeinschaft auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik die
Befugnis zukomme, Sanktionen einzuführen, die für die wirksame Anwendung der
Regelungen auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik erforderlich seien.
Auch bei Art. 9 Abs. 5 S. 3, 2. Spiegelstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3444/90
handele es sich nicht um eine Sanktion mit Strafcharakter. Diese Regelung diene
wiederum nur der Sicherung der Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen.
Der EUGH habe in ständiger Rechtssprechung ausgeführt, dass eine Kaution nur
die Erfüllung einer freiwillig übernommenen Verpflichtung sichere und deshalb nicht
einer Strafsanktion gleichgestellt werden könne.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den
Inhalt der vorgelegten Behördenakte (1 Leitzordner) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die als Anfechtungsklage statthafte und auch im übrigen zulässige Klage ist
begründet. Der Bescheid der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vom
29.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2000 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Beklagte durfte die gezahlte Beihilfe nicht durch einen Verwaltungsakt
zurückfordern. Eine aufgrund eines Vertrages geleistete Beihilfezahlung darf nicht
durch Verwaltungsakt zurückgefordert werden. Ein solches Vorgehen bedarf
vielmehr einer besonderen gesetzlichen Grundlage (vergl.:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.02.1976, Bundesverwaltungsgerichts-
Entscheidungen Band 50, Seite 171; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom
26.10.1979, Bundesverwaltungsgerichts-Entscheidungen Band 59, Seite 60;
Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 24.01.1992, NVwZ 1992 Seite 769). Dieser
Grundlage bedarf es sowohl im Hinblick auf die materiellrechtliche
Rückzahlungsverpflichtung als auch im Hinblick auf deren formale Durchsetzung
durch Erlass eines Verwaltungsaktes.
Eine gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist nicht
existent. Diese kann insbesondere nicht etwa dem Artikel 9 Abs. 5 der VO (EWG)
Nr. 3444/90 der Kommission vom 27.11.1990 mit Durchführungsbestimmungen
betreffend die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von
Schweinefleisch entnommen werden. In dieser Norm ist geregelt, dass in
bestimmten Fällen, in denen die vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten
werden, für den betreffenden Vertrag keine Beihilfe gewährt wird, doch befindet
sich hierin - bereits nach dem Wortlaut - keine Ermächtigungsgrundlage für eine
Rückforderung. Auch im übrigen sind keine gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften
erkennbar, die als Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung dienen könnten.
Es verbleibt deshalb bei der aus Art. 10 des EG-Vertrages resultierenden
Maßgabe, dass es Sache der Mitgliedsstaaten ist, in ihrem Hoheitsgebiet für die
Durchführung der Gemeinschaftsregeln zu sorgen und sie hierbei nach den
formellen und materiellen Bestimmungen ihres nationalen Rechts vorgehen,
soweit das Gemeinschaftsrecht einschließlich der allgemeinen Grundsätze hierfür
keine gemeinsamen Vorschriften enthält (vgl. Urt. des EUGH v. 21.09.1983,
Rechtssache 205-215/82, NJW 1984 S. 2024).
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Als derartige nationale Ermächtigungsgrundlage nicht in Frage kommt vorliegend §
8 Abs. 2 Satz 1, der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen für die private
Lagerhaltung von Fleisch und Fleischerzeugnissen von Schweinen, Rindern und
Schafen vom 15.03.1978 (Bundesgesetzblatt I 1978, S. 411). Danach waren zu
Unrecht empfangene Beihilfebeträge an die Bundesanstalt zurückzuzahlen. Diese
Norm wurde durch Artikel 1 Nr. 5 der Verordnung vom 07.05.1991
(Bundesgesetzblatt I 1991, S. 1094) aufgehoben.
Als Ermächtigungsgrundlage gleichfalls nicht in Frage kommt § 10 Abs. 1 des
Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) in der
Fassung des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher
Vorschriften vom 02.05.1996 (Bundesgesetzblatt 1996 I, S. 656). Danach sind
rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der § 6 u. 8, auch nach dem
sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 u. § 49 a Abs.
1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden. § 10
Abs. 1 Satz 1, erster Halbsatz MOG sowie der Verweis auf den anzuwendenden §
48 Abs. 2 bis 4 VwVfG betrifft die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden
Verwaltungsakts. Der Verweis auf § 49 a Abs. 1 S. 1 VwVfG betrifft die
Rückforderung und danach sind, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die
Vergangenheit zurück genommen worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu
erstatten. Diese Norm begründet somit eine Pflicht zur Erstattung von Leistungen,
die auf der Grundlage eines Verwaltungsaktes erbracht worden sind, der zunächst
ihren Rechtsgrund darstellt; dieser Verwaltungsakt muss aufgrund einer
Rücknahme (oder aufgrund eines vorliegend nicht einschlägigen Widerrufs oder
infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung) unwirksam geworden sein. Der
Eintritt eines der drei Gründe für die Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes wird als
Tatbestandsmerkmal des Erstattungsanspruches vorausgesetzt (vergl. Knack,
VwVfG, 6 Auflage, § 49 a, Rand Nr. 5). Eine analoge Anwendung des § 49 a VwVfG
auf tatbestandlich nicht erfasste Konstellationen scheidet schon unter dem
Gesichtspunkt einer Regelungslücke, jedenfalls aber an der erforderlichen
Planwidrigkeit einer evtl. Lücke aus (vergl. Stelkens/Bonk, VwVfG, 7 Auflage § 49 a,
Rand Nr. 9.- Suerbaum, Verwaltungsarchiv 1999, Seite 361, 376). Dies gilt auch im
Rahmen der Anwendung des § 10 Abs. 1 MOG i. V. m. § 49 a Abs. 1 S. 1 VwVfG.
Vorliegend ist nun aber ein durch Rücknahme unwirksam gewordener
Verwaltungsakt nicht erkennbar. Der Erhalt der Beihilfe erfolgte auf
"Antrag/Beihilferechnung" vom 21.05.1999 im Wege der überweisung (vergl. Blatt
91 der Behördenakte) und stellt somit offensichtlich eine Realhandlung dar. Ob der
überwiesene Betrag um 236,49 DM verglichen mit dem beantragten Betrag
gekürzt wurde (vergl. Bl. 90 der Behördenakte) ist unklar, zumal der
Rückforderungsbescheid den Gesamtbetrag der Beihilferechnung betrifft, kann
aber auch offenbleiben. Hieraus kann jedenfalls aber nicht der Schluss gezogen
werden, dass der laut Vertrag vorgenommenen Zahlungsanweisung
gewissermaßen ein stillschweigender Bewilligungsbescheid vorausgegangen ist. In
Ziffer 13.1 der in dem geschlossenen Beihilfevertrag in Bezug genommenen
Bekanntmachung Nr. 98/98/41 vom 21.09.1998 (Bundesanzeiger Nr. 180 vom
25.09.1998) heißt es, dass die Beihilfe gezahlt wird, wenn die Voraussetzungen für
die Beihilfegewährung von dem Vertragspartner erfüllt worden sind. Die Ziffer 13
selbst lautet: "Auszahlung der Beihilfe, Rechnung". Auch dies spricht für einen
Realakt. Konsequenterweise wird in dem angefochtenen Bescheid vom 29.12.1999
sodann auch nur eine Rückforderung der gezahlten Beihilfe und nicht etwa die
Rücknahme einer Beihilfegewährung ausgesprochen.
Als Ermächtigungsgrundlage gleichfalls nicht in Frage kommt § 10 Abs. 3 MOG.
Danach werden zu erstattende Beträge durch Bescheid festgesetzt. Diese Norm
entspricht in ihrer Kernaussage dem § 49 a Abs. 1 Satz 2 VwVfG (der in § 10 Abs. 1
S. 1, 2. Halbsatz nicht in Bezug genommen wird!) und setzt bereits von seinem
Wortlaut her ("zu erstattende Beträge") eine anderweitige
Rückforderungsgrundlage voraus. Nach Wortlaut und Systematik dieser Norm
innerhalb des § 10 MOG kommt nach Auffassung der erkennenden Kammer eine
Anwendung dieser Norm zudem nur im Bereich eines subordinationsrechtlichen
Verhältnisses in Frage, setzt also voraus, dass zuvor die Aufhebung oder das
Unwirksamwerden eines Verwaltungsaktes erfolgt ist oder etwa seitens der
zuständigen Behörde durch das Institut des vorläufigen Verwaltungsaktes
vorgegangen wurde. Dieser Sichtweise steht auch nicht etwa entgegen, wie die
Beklagte meint, dass § 10 Abs. 3 MOG die Aufhebung des § 8 Abs. 2 Satz 1 der VO
über die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Fleisch und
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über die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Fleisch und
Fleischerzeugnissen von Schweinen und Rindern (sowie vergleichbarer Vorschriften
in anderen Verordnungen) habe ersetzen wollen. Während es zur Aufhebung des §
8 Abs. 2 Satz 1 der genannten Verordnung im Jahre 1991 kam, existierte § 10 Abs.
3 MOG bereits in der Neufassung des Gesetzes zur Durchführung der
gemeinsamen Marktorganisationen vom 27.08.1986 (Bundesgesetzblatt 1986 I,
Seite 1397). Auch der HessVGH (Urteil vom 06.03.1996, Az. 8 UE 3223/94) geht
davon aus, dass das MOG für einen Rückforderungsbescheid allein keine
Rechtsgrundlage bietet, "da es in § 10 Abs. 3 lediglich bestimmt, dass zu
erstattende Beträge durch Bescheid festgesetzt werden, das heißt nur die Form
bestimmt, wie der Erstattungsbetrag eingefordert werden soll".
Sonstige gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen sind nicht erkennbar.
Eine Ermächtigungsgrundlage ergibt sich aber auch nicht etwa aus Ziffer 18.1 der
im Beihilfevertrag in Bezug genommenen Bekanntmachung der BLE vom
25.09.1998 wo es heißt: "Sofern während oder nach Abwicklung des Vertrages
Unregelmäßigkeiten festgestellt werden, setzt die BLE die abgelehnten,
zurückzuzahlenden und/oder für verfallen zu erklärenden Beträge durch Bescheid
fest". Hieraus lässt sich nicht schließen, dass hier eine Art von Verwaltungsakt auf
Unterwerfung zustande gekommen ist, der für den Fall der Nichterfüllung von
Verpflichtungen des Einlagerers ein einseitig hoheitliches Vorgehen der Beklagten
gestattet. Begibt sich die Behörde auf die Ebene der Gleichbehandlung, so ist sie
an dieser Handlungsform auch festzuhalten, es sei denn, ein Vorgehen durch
Verwaltungsakt ist - wie bereits ausgeführt - durch eine ausdrückliche normative
Regelung gedeckt. Wenn es nun aber in Ziffer 6.4 der in dem Beihilfevertrag in
Bezug genommenen Bekanntmachung vom 25.09.1998 heißt, dass "der
Vertragspartner" verpflichtet ist, mit Abschluss des Beihilfevertrages
entsprechende Einlagerungsverpflichtungen zu erfüllen und während der
vertraglichen Lagerzeit zu lagern, so wird das vertragliche Verhältnis klar
erkennbar und es widerspricht der Wahl des entsprechenden Verwaltungshandels
mit Vertrag, wenn innerhalb dieses Vertrages wiederum Vertragsverletzungen
Anlass geben sollen, subordinationsrechtlich tätig zu werden. Dies gilt umso mehr,
als es der Behörde freisteht, das für diesen Bereich vorgesehene Instrumentarium
der Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung gemäß § 61 VwVfG nutzbar zu
machen.
Ein Erstattungsanspruch der Beklagten erweist sich auch nicht etwa als die
Kehrseite des Leistungsanspruchs. Da der Leistungsanspruch hier vertraglich
begründet und dementsprechend auch kein Bewilligungsbescheid erlassen worden
ist, hat der Erstattungsanspruch als Kehrseite des Leistungsanspruchs seine
Grundlage ebenfalls im Vertrag.
Nichts anderes gilt letztendlich auch für die in Bescheid vom 29.12.1999 unter
Ziffer 2. verfügte Sicherheitsverfallerklärung. Auch insoweit dürfen durch Vertrag
begründete Pflichten nicht durch den Erlass von Verwaltungsakten durchgesetzt
werden. Dieser Grundsatz greift nur dann nicht ein, wenn der beteiligte Träger
hoheitlicher Gewalt durch eine besondere gesetzliche Grundlage zum Erlass eines
Verwaltungsaktes ermächtigt ist (vgl. Urt. des BVerwG v. 03.08.1989, NJW 1990 S.
1435). Eine solche besondere gesetzliche Grundlage, in der der BLE das Recht
eingeräumt wäre, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Voraussetzungen
eines Verfalls der Kaution vorliegen oder nicht, ist nicht erkennbar. Zwar tritt der
Verfall der Sicherheit gem. Artikel 9 Abs. 5 der VO (EWG) Nr. 3444/90 beim
Vorliegen bestimmter tatbestandlichter Voraussetzungen von Gesetzes wegen
ein, so dass es "lediglich" noch eines feststellenden Verwaltungsaktes bedarf, doch
erweist sich diese Feststellung für die Klägerin jedenfalls auch als belastende
Maßnahme und die Feststellung wurde zum Anknüpfungspunkt für weitere
Maßnahmen, vorliegend für die Inanspruchnahme der gestellten Bürgschaft. Die
früher für eine derartige Feststellung existierende Norm des § 3 Abs. 2 S. 2 der
FleischbeihilfeVO vom 15.03.1978 (a.a.O.), ist gleichfalls mittlerweile aufgehoben.
Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.