Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 16.07.2008

VG Frankfurt: genfer flüchtlingskonvention, unhcr, irak, bundesamt für migration, organisation, ausschluss, verbrechen gegen die menschlichkeit, mitgliedschaft, flüchtlingseigenschaft

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Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 K 325/08.F.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 2 AsylVfG, § 71
AsylVfG, § 60 Abs 1 AufenthG,
§ 60 Abs 5 AufenthG, § 60 Abs
7 AufenthG
Anforderungen an die Erfüllung der Ausschlusstatbestände
des § 60 Abs 8 AufenthG
Leitsatz
1. Ein Folgeantrag i.S. des § 71 Abs. 1 AsylVfG liegt nicht vor, wenn ein Ausländer einen
neuen Asylantrag stellt, nachdem eine ihm gegenüber ursprünglich getroffene positive
asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Statusentscheidung widerrufen worden war.
2. Der Umstand, dass ein Asylbewerber in einem anderen Land trotz früherer
Mitgliedschaft in einer als terroristisch eingestuften Organisation (hier:
Volksmudschaheddin Iran - MEK) unter den Schutz des Mandats des Hohen
Flüchtlingskommisars der Vereinten Nationen gestellt worden war, hat für das nationale
Asylverfahren entscheidungserhebliche Indizwirkung.
3. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gebietet es, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des
jeweiligen Einzelfalles die Ausschlussregelungen des Art. 1 F GFK i.V. mit § 3 Abs. 2 S. 1
Nr. 2 und Nr. 3 AsylVfG jedenfalls dann nicht mehr anzuwenden, wenn von einer
schutzsuchenden Person unter keinen Umständen mehr eine Gefahr ausgeht, etwa weil
zur Überzeugung des UNHCR oder des streitentscheidenden Verwaltungsgerichts
feststeht, dass diese sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt hat.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.
Unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge vom 01.02.2008 wird die Beklagte verpflichtet
a) festzustellen, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1
AufenthG bezogen auf den Iran und den Irak vorliegen, und dem Kläger die
Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie
b) festzustellen, dass die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im Sinne
des § 60 Abs. 5 AufenthG bezogen auf den Iran und die Voraussetzungen für ein
Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG bezogen auf den Irak
vorliegen.
c) Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu einem Drittel und die Beklagte
zu zwei Drittel.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn der jeweilige Kostengläubiger nicht zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der am 05.05.1960 in Teheran geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger.
Er reiste seinen Angaben zufolge am 13.06.1988 auf dem Luftweg von Istanbul
nach Hamburg in die Bundesrepublik Deutschland ein, nachdem er zuvor am
28.05.1988 den Iran auf dem Landwege Richtung Türkei verlassen hatte. Im
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28.05.1988 den Iran auf dem Landwege Richtung Türkei verlassen hatte. Im
Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt gab er an, in der Zeit vom
13.08.1981 bis zum 28.02.1986 wegen seiner Zugehörigkeit zu den
Volksmudschaheddin inhaftiert gewesen zu sein. Im Rahmen des Verfahrens legte
er eine Bestätigung der Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung e. V. vor,
die sich selbst als Sympathisantin der Volksmudschaheddin Iran bezeichnet. Aus
der Bestätigung ergibt sich, dass der Kläger im Iran für die Volksmudschaheddin
(MEK) tätig war und dass er diese politische Betätigung auch nach seiner Einreise
in das Bundesgebiet fortgesetzt habe. Aufgrund dessen sei er von politischer
Verfolgung bedroht.
Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 08.03.1989 wurde der Kläger bestandskräftig als Asylberechtigter i.S. des Art.
16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. anerkannt.
Nachdem das Bundesamt durch US-Sicherheitsbehörden Kenntnis erhalten hatte,
dass sich der Kläger in einem Lager der Volksmudschaheddin im Irak aufhalte,
führte es zunächst eine Anschriftenermittlung durch. Mit Verfügung vom
12.10.2004 wurde ein asylrechtliches Widerrufsverfahren mit dem Aktenzeichen ...-
... eingeleitet. Aufgrund dessen erhielt das Bundesamt von dem Einwohner-
Zentralamt der Freien- und Hansestadt Hamburg mit Schreiben vom 19.10.2004
Kenntnis darüber, dass der Kläger am 16.04.1999 nach unbekannt verzogen sei.
Mit Schreiben vom 26.10.2004, adressiert an den Kläger mit der Angabe
„unbekannten Aufenthalts“, wurde dieser zum beabsichtigten Widerruf der
Asylberechtigung angehört. Dieses Schreiben wurde gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2
Verwaltungszustellungsgesetz öffentlich zugestellt. Ausweislich Blatt 11 der Akte
des Widerrufsverfahrens galt die Zustellung mit dem 22.11.2004 als bewirkt.
Mit Bescheid vom 24.01.2005 wurde die Anerkennung des Klägers als
Asylberechtigter vom 08.03.1989 widerrufen. Zugleich stellte das Bundesamt fest,
dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner wurde
die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet. Der Widerruf wurde
ausdrücklich nicht auf den Wegfall etwaiger politischer Verfolgung, sondern allein
darauf gestützt, dass Umstände eingetreten seien, die die Anwendung des § 60
Abs. 8 AufenthG rechtfertigen würden. Der Kläger erfülle die
Ausschlusstatbestände des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative
3 und 4 AufenthG, da er Mitglied bei den Volksmudschaheddin Iran sei. Auch wenn
ihm über seine Mitgliedschaft in dieser Organisation hinaus keine Straftaten
nachzuweisen seien, sei er jedenfalls aufgrund seiner Stellung als Aktivist im Lager
Ashraf der MEK im Irak für deren Taten verantwortlich. Bei der MEK handele es sich
um die größte, schlagkräftigste und militanteste iranische Oppositionsgruppe, die
seit 1971 immer wieder mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sei. Aus
diesen Gründen sei die dem Kläger zugesprochene Asylberechtigung zu widerrufen
und es bestünden auch nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines
Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG. Auf die ausführliche
Begründung des Bescheids wird Bezug genommen (Seite 12 ff der
Bundesamtsakte 5127477-439). Die Bekanntgabe dieses Bescheides erfolgte
durch öffentliche Zustellung und galt mit dem 10.02.2005 als bewirkt (Blatt 22 der
Widerrufsakte). Mangels Klageerhebung trat dem Bundesamt zufolge
Bestandskraft am 25.02.2005 ein.
Der Kläger traf am 29.01.2008 von Erbil (Nordirak) kommend am Frankfurter
Flughafen ein. Bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle legte er unter anderem
einen von der Freien- und Hansestadt Hamburg ausgestellten Reiseausweis für
Flüchtlinge vor, der zwischenzeitlich abgelaufen war und zudem Radierungen am
Gültigkeitsdatum aufwies. Im Rahmen der Einreisekontrolle stellte der Kläger ein
Asylersuchen. Zur Begründung gab er an, er habe sich nach seiner Anerkennung
als Asylberechtigter von 1989 bis 1999 in Hamburg aufgehalten. Im Jahr 1999 sei
er im Rahmen einer Rekrutierung der Volksmudschaheddin über Jordanien in den
Irak eingereist. Er habe seinerzeit die Absicht gehabt, nach einem dreimonatigen
Aufenthalt wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. Die
Volksmudschaheddin hätten ihn jedoch an einer Rückreise gehindert. Ihm sei
gedroht worden, wenn er nicht im Lager der MEK im Irak bleibe, würde er zunächst
für zwei Jahre inhaftiert und anschließend dem irakischen Geheimdienst übergeben
werden. Im Jahr 2003 sei auf ihn im Irak von iranischen Agenten ein Anschlag
durchgeführt worden, indem auf das Auto geschossen wurde, mit dem der Kläger
unterwegs war. Hierbei sei er verletzt worden.
Nachdem die amerikanischen Streitkräfte im Jahr 2003 in den Irak einmarschiert
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Nachdem die amerikanischen Streitkräfte im Jahr 2003 in den Irak einmarschiert
waren, seien die Mitglieder der Volksmudschaheddin, die sich noch dort aufhielten,
zunächst entwaffnet und in einem Camp untergebracht worden. Vor ca. vier Jahren
und acht Monaten habe er sich dann von den Mudschaheddin getrennt und sei
aufgrund dessen von den US-Streitkräften in einem anderen Camp untergebracht
worden, was er zunächst nicht habe verlassen und er habe von dort auch nicht
telefonieren dürfen. Er sei die ganze Zeit wie ein Gefangener behandelt worden.
Die US-Behörden hätten dann mit UNHCR Kontakt aufgenommen, um zu
bewirken, dass die Angehörigen der Gruppe, zu der er gehörte, einen
Flüchtlingsstatus erhalten. Es habe eine Video-Konferenz stattgefunden, in deren
Verlauf der Kläger vom UNHCR angehört worden sei. Der Kläger legte bei seiner
Befragung einige Dokumente vor. Unter anderem befand sich hierbei eine
gegenüber den zuständigen amerikanischen Streitkräften im Irak abgegebene
Verzichtserklärung, mit der der Kläger sich von der Organisation der iranischen
Volksmudschaheddin ausdrücklich abgewandt hatte. In dieser Verzichtserklärung
heißt es unter anderem:
“Ich H. H., K. ... erkläre wissend, bereitwillig und freiwillig diesem
Verzichtsabkommen mit den U.S.-Streitkräften beizutreten.
Ich stimme folgendem zu.
a. Ich schwöre der Teilnahme an oder der Unterstützung des Terrorismus ab. Der
Terrorismus ist die gesetzwidrige Anwendung von Gewalt oder Drohung um die
politischen Kampfziele zu fördern.
b. Ich gebe, alle unter meiner Aufsicht und Verantwortung befindlichen
Militärgeräte und Waffen, heraus.
c. Ich kehre von der Gewalt ab und werde keine Waffen widerrechtlich tragen oder
mich an einer feindlichen Handlung beteiligen. f. g. Während meines Aufenthaltes
in diesem Land, dem Irak, werde ich mich den Gesetzen dieses Landes
unterwerfen.
d. Mir ist es bekannt, dass es mir frei steht zu gehen und nach Hause
zurückkehren kann sobald sich die durchführbaren Dispositionsoptionen ergeben.
Mir ist bekannt, dass einige dieser Dispositionsoptionen folgendes beinhalten:
Rückkehr in mein Herkunftsland, Aufnahme in ein drittes Land oder einen Antrag
beim Ministerium für Migration und Vertreibung, um die Fortsetzung meines
Wohnsitzes (Aufenthaltes) im Irak, zu stellen. Während der Weiterverfolgung der
Dispositionsoptionen erkläre ich mich bereit mit den Koalitionsstreitkräften
zusammen zu arbeite. Ich bin mit meinem Verbleib im Camp Ashraf und unter
dem Schutz der Koalitionsstreitkräfte, bis zur Vervollständigung dieser Optionen,
einverstanden. Sollte ich gegen die Bedingungen dieser Verzichtserklärung
verstoßen, könnte ich der strafrechtlichen Verfolgung, der Internierung und der
administrativen Sanktionen unterstehen. Ich verspreche die Auflagen dieses
Verzichtsabkommens gewissenhaft zu erfüllen.“
Darüber hinaus legte der Kläger ein Schreiben des Hochkommissars der Vereinten
Nationen für Flüchtlinge vom 05.05.2006 vor, aus dem sich ergibt, dass der Kläger
unter dem Mandat des UNHCR als Flüchtling anerkannt worden ist. Ferner legte
der Kläger einen vom UNHCR am 05.05.2006 ausgestellten und auf den Namen
des Klägers lautenden Flüchtlingsausweis vor. Schließlich überreichte der Kläger
eine aufenthaltsrechtliche Bescheinigung der Kurdistan Landesregierung des Irak -
Ministerium des Innern -, aus der sich ergibt, dass sich der Kläger vom 23.01.2008
bis 03.02.2008 innerhalb der Kurdistan-Region aufhalten darf. Schließlich verfügte
der Kläger über einen Passersatz in Gestalt eines Laissez-Passer, der vom
irakischen Innenministerium ausgestellt war und eine Gültigkeit vom 01.07.2007
bis 10.01.2008 hatte.
Der Kläger wurde am 30.01.2008 von der Bundespolizei an die Außenstelle des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge am Flughafen Frankfurt am Main
weitergeleitet. Dort stellte er am 31.01.2008 einen Asylantrag.
Der Kläger ist noch am selben Tage zu seinen Asylgründen vom Bundesamt
angehört worden. Hierbei gab der Kläger unter anderem an, er sei, nachdem er
sich im Juni 2004 von den Volksmudschaheddin getrennt habe, von den
amerikanischen Streitkräften im Irak in dem Camp Tipf Ashraf untergebracht
worden. Die jetzt erfolgte Ausreise aus dem Irak hätte eine Gruppe, der er
angehört habe, durch einen Hungerstreik erzwungen. Aufgrund dessen seien für
sie Passierscheine besorgt worden. Er hätte dann gemeinsam mit anderen das
Lager verlassen dürfen und sie seien dann mit einem Auto nach Erbil gebracht
worden. Dort seien sie jedoch - vermutlich von kurdischen Sicherheitskräften -
festgenommen und in ein Gefängnis verbracht worden. Aufgrund einer Intervention
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festgenommen und in ein Gefängnis verbracht worden. Aufgrund einer Intervention
des UNHCR seien sie nach 21 Tagen freigekommen. Nachdem er in Erbil keinen
Kontakt mit deutschen Stellen habe aufnehmen können, sei er am 29.01.2008 von
dort aus nach Frankfurt am Main geflogen. Zu seiner Mitgliedschaft bei den
Volksmudschaheddin gab der Kläger an, er habe bei dieser Organisation keine
besondere Führungsposition innegehabt. Er sei nur einfacher Sympathisant
gewesen, der seinerzeit kämpfen wollte. Während seines Aufenthalts im Irak sei er
jedoch nicht an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt gewesen. Bereits kurz
nach seiner Ankunft im Irak habe er die Volksmudschaheddin verlassen wollen.
Hiervon habe er jedoch abgesehen, nachdem ihm eine zweijährige Haft bei den
Mudschaheddin und eine daran anschließende achtjährige in irakischen
Gefängnissen angedroht worden war. Er sei zwangsweise bei den
Volksmudschaheddin geblieben, bis die Amerikaner ihn unter ihren Schutz gestellt
hätten. Vor seiner Ausreise in den Irak im Jahre 1999 habe er in Deutschland an
Demonstrationen und Meetings der Volksmudschaheddin teilgenommen. Insoweit
sei er jedoch nur Teilnehmer bzw. Anhänger dieser Organisation, hingegen nicht
deren Mitglied gewesen. Erst im Irak habe er erfahren müssen, wie brutal und
unmenschlich die Volksmudschaheddin in Wirklichkeit seien. Aus diesem Grunde
lehne er diese mittlerweile komplett ab. Gleichwohl sei er im Falle einer Rückkehr in
den Iran wegen seiner früheren Mitgliedschaft bei den Volksmudschaheddin einer
Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Auch in den Irak könne er nicht zurückkehren, da
für ihn die dortige Situation unsicher sei und die Gefahr einer Festnahme und
Inhaftierung bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift
über die Anhörung vom 31.01.2008 Bezug genommen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 01.02.2008
die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab. Zugleich verneinte es das
Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Für den Fall
der Einreise wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland
innerhalb von einer Woche nach erfolgter Einreise zu verlassen und drohte ihm für
den Fall, dass der Kläger die Ausreisefrist nicht einhält, die Abschiebung in den Iran
oder den Irak an. Im Einzelnen führt das Bundesamt zur Begründung an, dass es
sich bei dem vom Kläger gestellten Asylantrag um einen Folgeantrag handele. Die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens seien aber im Falle des Klägers nicht erfüllt. Der Kläger habe im
Rahmen seiner informatorischen Anhörung im Wesentlichen die Tatsachen
wiederholt, die aus seinem Erst- bzw. Widerrufsverfahren bekannt und Anlass für
das Bundesamt gewesen seien, die Asylberechtigung des Klägers wegen des
Vorliegens von Ausschlussgründen nach § 60 Abs. 8 Satz 1 und 2 AufenthG zu
widerrufen bzw. eine negative Feststellung bezüglich des Vorliegens der
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz zu treffen. Im Übrigen würde
der vom Kläger begehrten Anerkennung als Asylberechtigter wie auch der
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft das Vorliegen von Ausschlussgründen
nach § 60 Abs. 8 Satz 1 bzw. Satz 2 entgegenstehen. Darüber hinaus lägen die
Voraussetzungen, um ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
festzustellen, nicht vor. Dem Kläger drohe im Falle seiner Rückkehr in den Iran
keine Gefährdung der von § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geschützten Rechtsgüter.
Seit Ende März 2003 seien nach iranischen Angaben zahlreiche Anhänger der
Volksmudschaheddin aus dem Irak in den Iran zurückgekehrt. Im Jahre 2003 habe
es das Angebot einer Amnestie für rückkehrwillige MEK-Anhänger gegeben. Dieses
gelte jedoch nur für Personen, die nicht in Mordanschläge oder Attentate
verwickelt gewesen seien. Auf dieser Grundlage seien seit Dezember 2004 in
Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz über 500
Personen mit MEK-Vergangenheit auf dem Landweg nach dem Iran zurückgeführt
worden und - soweit bekannt - seitdem nicht von staatlichen Stellen behelligt
worden. Lediglich dem harten Kern von rund 80 MEK-Kadern würden im Iran
Strafverfahren drohen. Da der Kläger jedoch nicht zu diesem „harten Kern“ zähle,
könnten Gefahren wie die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG mit hinreichender
Sicherheit ausgeschlossen werden. Schließlich sei der Kläger auch aufgrund seiner
Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland nicht verfolgungsgefährdet.
Darüber hinaus seien Anhaltspunkte für das Vorliegen eines
Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG vom Kläger nicht vorgetragen
worden und im Übrigen auch nicht ersichtlich. Schließlich lägen auch keine
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG im Hinblick auf den Irak vor.
Mit Bescheid vom 04.02.2008 wurde dem Kläger von der Bundespolizeiinspektion
III Flughafen Frankfurt/Main gemäß 15 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 13 Abs. 1
Schengener Grenzkodex i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Einreise in das
Bundesgebiet verweigert, da er ohne gültiges Visum oder gültigen Aufenthaltstitel
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Bundesgebiet verweigert, da er ohne gültiges Visum oder gültigen Aufenthaltstitel
sei.
Der Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten am 04.02.2008 Klage gegen den
Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
04.02.2008 erhoben. Zugleich hat er einen gegen das Bundespolizeiamt Flughafen
Frankfurt/Main gerichteten Eilantrag mit dem Ziel, ihm die Einreise in das
Bundesgebiet zu gestatten, gestellt. Im Rahmen des Klage- und
Antragsverfahrens hat der Kläger seine Angaben vor dem Bundesamt ergänzt und
zum Teil berichtigt. Ergänzend trägt er vor, eine Rückkehr in den Iran sei ihm nicht
möglich, da dies voraussetze, dass er mit den iranischen Behörden zusammen
arbeite und Informationen über die Volksmudschaheddin liefere. Im Übrigen sei er
im Jahre 2003 durch iranische Agenten angegriffen worden. Ausschlussgründe
nach § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG a.F. bzw. § 3 Abs. 2 AsylVfG n.F. lägen in seiner
Person nicht vor. Darüber hinaus hat der Kläger ein Papier des UNHCR mit dem
Titel „Hintergrundinformationen zu den Aktivitäten von UNHCR bei der Suche nach
einer dauerhaften Lösung für ehemalige Angehörige der Organisation
Volksmudschaheddin Iran im Irak“ vom Dezember 2006, eine aktuelle
Stellungnahme zu dem Verwaltungsstreitverfahren des Klägers vom 06.02.2008
sowie schließlich ein Schreiben des UNHCR an das Verwaltungsgericht
Gelsenkirchen vom 16.09.2005 betreffend Verfolgungsgefahr von Angehörigen der
MEK vorgelegt. In den Hintergrundinformationen des UNHCR vom Dezember 2006
wird auf Seite 10 unter anderem ausgeführt, dass die in der Nähe des Lagers
Ashraf in einem temporären Befragungs- und Schutzzentrum (Temporary
Interview and Protection Facility -TIPF) untergebrachten Personen von UNHCR
einem zweistufigen individuellen Anerkennungsverfahren per Video-Konferenz
unterzogen worden seien. Zwischen dem 20.02. und 05.05.2006 hätten UNHCR-
Mitarbeiter in Genf auf diese Weise 188 Interviews mit Einwohnern des TIPF
durchgeführt, wobei ein besonderes Augenmerk auf eventuell bestehende
Ausschlussgründe gelegt worden sei. Die meisten der Antragsteller hätten
innerhalb der Organisation Volksmudschaheddin Iran nur niedere Ränge begleitet
und seien erst kurze Zeit vor der Übernahme der Kontrolle über das Lager Ashraf
durch die US-amerikanischen Streitkräfte von der Organisation
Volksmudschaheddin Iran rekrutiert worden. Sie seien nicht in Aktivitäten involviert
gewesen, die einen Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der Genfer
Flüchtlingskonvention oder der Obhut von UNHCR im Sinn der Bestimmung des
Art. 1 F GFK rechtfertigen würden. Aus diesem Grunde seien deshalb nahezu 90%
der Antragsteller als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention
anerkannt worden. In seiner Stellungnahme vom 06.02.2008 kommt UNHCR zu
dem Ergebnis, dass sich der Kläger aus Sicht des UNHCR derzeit aus begründeter
Furcht vor Verfolgung außerhalb des Iran aufhält. Auch lägen im Falle des Klägers
keine Ausschlussgründe im Sinne des Art. 1 F GFK vor und es seien auch keine
Beendigungsgründe im Sinne des Art. 1 C GFK gegeben. Schließlich könne dem
Kläger auch eine Rückkehr in den Irak nicht zugemutet werden. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Stellungnahme Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 18.02.2008 wurde der Leiter des Bundespolizeiamtes Flughafen
Frankfurt am Main in dem Verfahren 7 L 324/08.F.A(V) durch Erlass einer
einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Kläger die Einreise in das Bundesgebiet
zu gestatten. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2008 noch einmal
kurz zu seinen Asylgründen befragt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift
verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit
er mit dieser begehrt hatte, das Bundesamt zu verpflichten, ihn als
Asylberechtigten im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG anzuerkennen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Az.: ... vom 01.02.2008 zu
verpflichten, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG
zuzuerkennen, sowie,
festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2-5, Abs. 7
AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt den mit der Klage angegriffenen Bescheid und bekräftigt
ihre Ansicht, dass im Falle des Klägers Ausschlussgründe im Sinne des Art. 1 F
GFK vorliegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der den Kläger
betreffenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit der Kläger in der
mündlichen Verhandlung seine auf die Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne
des Art. 16 a Abs. 1 GG gerichtete Klage zurückgenommen hat.
Die im Übrigen aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und begründet.
Es bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner abschließenden
Entscheidung darüber, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den
Asylantrag des Klägers vom 31.01.2008 zu Recht als Folgeantrag gewertet hat.
Ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlautes des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG
liegt ein Folgeantrag vor, wenn ein Ausländer nach Rücknahme oder
unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag
stellt. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Weder hat der
Kläger einen früheren Asylantrag zurückgenommen noch ist der am 31.01.2008
gestellte Asylantrag nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages
gestellt worden. Dem am 13.06.1988 vom Kläger gestellten ersten Asylantrag gab
das Bundesamt mit Bescheid vom 08.03.1989 statt und erkannte den Kläger als
Asylberechtigten im Sinne des damaligen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG an. Dem lag
die Einschätzung zugrunde, dass der Kläger aufgrund seiner Aktivitäten als
Anhänger der Mudjahedin-e-Khalq Iran (MEK), d.h. der Volksmudschaheddin,
Verfolgungsmaßnahmen im Sinne dieses Grundrechts ausgesetzt war. Allerdings
wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass auch ein neuer Asylantrag, der nach
Erlöschen, Widerruf oder Rücknahme einer Rechtstellung als Asylberechtigter oder
eines nach § 60 Abs. 1 AufenthG Schutzberechtigten gestellt wird, als Folgeantrag
im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG anzusehen sei (vgl. Renner,
Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 71 AsylVfG, Rdnr. 7; Funke-Kaiser, in:GK-
AsylVfG, II § 71 Rdnr. 42.1). Eine solche Auslegung lässt sich jedoch mit dem
eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht vereinbaren.
Dass das Stellen eines weiteren Asylantrages, nachdem eine für den Betroffenen
positive, inzwischen aber widerrufene Statusentscheidung getroffen worden war,
nicht als Folgeantrag gewertet werden kann, ergibt sich auch aus Art. 32 der
Richtlinie 2005/85/EG des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den
Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft
vom 01.12.2005 (Amtsblatt ABl. Nr. L 326/13), wonach die Mitgliedsstaaten im
Falle eines Folgeantrags ein besonderes Verfahren einrichten können. Aus Art. 32
Abs. 2 dieser Richtlinie ergibt sich, dass ein solches besonderes Verfahren
angewandt werden kann, wenn eine Person einen Folgeantrag auf Asyl stellt,
nachdem ihr früherer Antrag zurückgenommen bzw. das Verfahren nicht weiter
betrieben wurde oder nachdem eine Entscheidung über den früheren Antrag
ergangen ist. Dieser Vorschrift liegt jedoch, wie sich auch aus Abs. 3 ergibt,
ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass ein früheres Asylverfahren zu Lasten des
Antragstellers ausgegangen war. Eine solche Auslegung findet ihre Bestätigung
auch in dem Erwägungsgrund Nr. 15 zur genannten Richtlinie. Danach sollen die
Mitgliedsstaaten von der Verpflichtung, ein erneutes Prüfungsverfahren
durchzuführen, entbunden sein, wenn ein Antragsteller einen Folgantrag stellt,
ohne neue Beweise oder Argumente vorzubringen. Ersichtlich sind damit neue
Beweise oder Argumente gemeint, die seinem ursprünglich abgelehnten Antrag
zum Erfolge verhelfen könnten. Im Hinblick darauf spricht vieles dafür, im
vorliegenden Falle den vom Kläger gestellten Asylantrag vom 31.01.2008 nicht als
Folgeantrag im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu werten (in diesem Sinne
auch Hailbronner, § 71 AsylVfG, Rdnr. 23; Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 71
Rdnr. 66).
Einer abschließenden Beantwortung dieser Frage bedarf es jedoch im vorliegenden
Verfahren nicht, da auch im Falle der Annahme, dass der Asylantrag des Klägers
als Folgeantrag zu bewerten ist, diesem stattzugeben ist. Die
Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen vor. Zwar ist dem
Bundesamt für Migration insoweit zuzustimmen, als sich der Kläger nach wie vor
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Bundesamt für Migration insoweit zuzustimmen, als sich der Kläger nach wie vor
auf einer Furcht vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen aufgrund seiner früheren
Zugehörigkeit zu den Volksmudschaheddin beruft. Eine neue Sachlage ist jedoch
insoweit eingetreten, als der Kläger nach Ergehen der ablehnenden Entscheidung
des Bundesamtes mit seinem Bescheid vom 01.02.2008 befürchten muss, in den
Iran oder den Irak abgeschoben zu werden. Insoweit hat der Kläger sowohl in dem
von ihm anhängig gemachten Eilverfahren als auch in dem vorliegend zu
entscheidenden Klageverfahren substantiiert vorgetragen, dass er begründete
Furcht hat, im Falle einer Rückkehr in den Iran oder den Irak dort der Gefahr einer
im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. des Art. 1 Buchstabe A Nr. 2 GFK
flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein. Daher sind die
Zulässigkeitsvoraussetzungen, um ein weiteres Asylverfahren durchzuführen,
spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden
Gericht erfüllt gewesen.
Dass der Kläger jedenfalls im Falle einer Rückkehr in den Iran erneut Opfer einer
Verfolgungshandlung sein könnte, wird in dem Bescheid des Bundesamtes vom
01.02.2008 nicht grundsätzlich bestritten, aber letzten Endes im Ergebnis
offengelassen, da nach Ansicht des Bundesamtes in seiner Person
Ausschlussgründe im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 1 und 2 AufenthG a.F. bzw. des §
3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F. vorliegen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG ist ein
Ausländer nicht Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge, wenn er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder
ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der
Internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen
bezüglich dieser Verbrechen zu treffen. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylVfG ist ein
Ausländer nicht Flüchtling nach Abs. 1, wenn er vor seiner Aufnahme als Flüchtling
eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebietes begangen
hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich
politische Ziele verfolgt wurden. Schließlich bestimmt § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylVfG,
dass ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, wenn er den Zielen
und Grundsätzen der Vereinten Nation zuwidergehandelt hat. Zwar wurde in dem
mit der Klage angegriffenen Ablehnungsbescheid vom 01.02.2008 pauschal auf
das Vorliegen der Ausschlussgründe des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG Bezug
genommen. Demgegenüber hat sich das Bundesamt in dem den Kläger
betreffenden Eilverfahren 7 L 324/08.F.A(V) schriftsätzlich dahingehend
eingelassen, dass der Kläger die Voraussetzungen der Ausschlußtatbestände des
§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AsylVfG erfülle. Dies ergebe sich aus dessen
(früherer) Mitgliedschaft bei den Volksmudschaheddin (MEK) bzw. aufgrund seiner
(früheren) Aktivitäten für diese Organisation.
Die frühere Betätigung für die MEK kann jedoch nicht zum Ausschluss des Klägers
von einer Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 60 Abs. 1 AufenthG führen.
Dem steht bereits der Umstand entgegen, dass der Kläger von dem Hohen
Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) in Kenntnis seiner früheren
Betätigungen für die MEK am 05.05.2006 als Flüchtling unter dem Mandat des
UNHCR ) registriert worden ist (Blatt 60 der Bundesamtsakte 5299229-439.
Allerdings geht das erkennende Gericht mit dem Bundesverwaltungsgericht
(Beschluss vom 03.11.2006 - 1 B 30/06, Buchholz 402.242, § 60 Abs. 1 AufenthG
Nr. 27) und dem OVG Lüneburg (Urteil vom 07.12.2005 - 11 LB 193/04) sowie dem
OVG Münster (Beschluss vom 27.09.2006 - 8 A 1363/05.A, NVwZ 2007, Seite 481)
davon aus, dass allein eine Registrierung einer Person durch den UNHCR als
Mandatsflüchtling keineswegs zwangsläufig zu der Annahme berechtigt, dass
dieser die Rechtstellung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention
genießt. Zwar geht UNHCR in ständiger Praxis davon aus, dass eine Person
gleichzeitig ein Mandatsflüchtling und auch ein Flüchtling im Sinne der Genfer
Flüchtlingskonvention bzw. des Protokolls von 1967 sein kann. Andererseits kann
aber danach ein Flüchtling auch nur als Mandatsflüchtling registriert sein, ohne
zugleich als ein Flüchtling im Sinne des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls
von 1967 zu gelten. Demzufolge beinhaltet allein die bloße Registrierung einer
Person als Mandats-Flüchtling nicht auch zwangsläufig deren Rechtstellung als
Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Protokolls von 1967
(vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft, Genf Dezember 2003, Seite 6; vgl. auch OVG Lüneburg,
Urteil vom 07.12.2005 - 11 LB 193/04, sowie OVG Münster, Beschluss vom
27.09.2006 - 8 A 1363/05.A, NVwZ 2007, Seite 481). Entfaltet somit eine UNHCR-
Mandatsanerkennung keine unmittelbare Bindungswirkung für eine im nationalen
Asylverfahren zu treffende Entscheidung über ein Schutzbegehren, so kommt ihr
gleichwohl eine starke Indizwirkung zu (vgl. OVG Lüneburg a. a. O. und OVG
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gleichwohl eine starke Indizwirkung zu (vgl. OVG Lüneburg a. a. O. und OVG
Münster a. a. O. sowie z. B. Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 9 Rdnr. 12). Es
bedarf somit besonderer Umstände, um dieser Indizwirkung ihre
entscheidungserhebliche Bedeutung zu nehmen.
Im Falle des Klägers ist es in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung,
dass er nach einer zeitaufwändigen Video-Befragung durch UNHCR und in Kenntnis
der vorangegangenen Aktivitäten innerhalb der MEK gleichwohl unter den Schutz
des Mandats des Flüchtlingshochkommissars genommen worden ist.
Im Rahmen der Prüfung einer Unterschutzstellung von Angehörigen der MEK, die
sich im Lager Ashraf im Irak aufgehalten hatten, hat UNHCR sein besonderes
Augenmerk auf die Frage gerichtet, ob im je konkreten individuellen Fall Gründe
gegeben sind, die zu einem Ausschluss von der Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GFK bzw. zur Nichtzuerkennung
der Mandatsstellung aufgrund des UNHCR-Status führen (vgl. UNHCR,
Hintergrundinformationen zu den Aktivitäten von UNHCR bei der Suche nach einer
dauerhaften Lösung für ehemalige Angehörige der Organisation
Volksmudschaheddin Iran im Irak, Dezember 2006, Seite 5 = Blatt 73 der
Gerichtsakte 7 L 324/08.F.A(V)). Diese Prüfung erstreckte sich darauf, so genannte
„bewaffnete Elemente“ vom Flüchtlingsschutz auszuschließen. Hierzu hat UNHCR
ausgeführt, dass im Interesse der Wahrung des Zivilcharakters des Asyls gemäß
Beschluss des UNHCR-Exekutiv-Komitees Nr. 94 (beschlossen auf der 53. Sitzung
im Jahre 2003) zunächst grundsätzlich solche Personen vom Anwendungsbereich
der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Schutz durch UNHCR ausgeschlossen
sind, deren Verhalten eine potentielle Gefahr für andere Schutzsuchende
darstellen kann. Dies betreffe insbesondere bewaffnete Elemente. Um diesen
Gefahren wirksam zu begegnen, setzt ausweislich der genannten
Hintergrundinformationen die Einbeziehung ehemaliger Kämpfer in den Schutz
durch den UNHCR und die Genfer Flüchtlingskonvention voraus, dass die
betroffenen Personen tatsächlich vollständig entwaffnet sind und sich ernstlich und
auf Dauer vom bewaffneten Kampf losgesagt haben (Seite 6 der
Hintergrundinformationen). Darüber hinaus hat UNHCR eine Prüfung
vorgenommen, ob bei den im Lager Ashraf sich aufhaltenden Personen
Ausschlussgründe auf der Grundlage von Art. 1 D, Art. 1 E oder Art. 1 F GFK
vorliegen. Zu den Prüfkriterien bezüglich des im vorliegenden Fall allein
entscheidungserheblichen Art. 1 F GFK führt UNHCR in seinen
Hintergrundinformationen (Seite 7 ff.) unter anderem aus:
„Wegen der Beteiligung von Mitgliedern der MEK/NLA an bewaffneten Übergriffen
gegen den iranischen Staat kommt der sorgfältigen Prüfung der in Art. 1 F (GFK)
geregelten Ausschlussgründe in Bezug auf diese Personen eine besondere
Bedeutung zu, wobei sich UNHCR grundsätzlich an den nachfolgend dargestellten
Grundsätzen orientiert:
Die in Art. 1 F GFK niedergelegten Ausschlussklauseln sind Ausdruck der
Überlegung , dass bestimmte Verbrechen so schwerwiegend sind, dass die Täter
keinen internationalen Flüchtlingsschutz verdienen. Ihr Hauptzweck ist es, den
Urhebern solcher schwerwiegender Verbrechen auch bei Vorliegen der übrigen
Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung den internationalen
Flüchtlingsschutz zu versagen und sicherzustellen, dass solche Personen die
Institution des Asyls nicht dazu missbrauchen können, einer gerichtlichen
Verantwortung für ihrer Taten zu entgehen.
Werden zeitlich vor der Flüchtlingsanerkennung ausgeführte Handlungen, die von
vornherein zum Ausschluss des Betroffenen hätten führen müssen, erst nach der
Anerkennungsentscheidung bekannt, so rechtfertigt dies die spätere Aberkennung
der Flüchtlingseigenschaft. Ebenso kann die Verwirklichung eines der
Ausschlusstatbestände des Art. 1 F (a) und (c) GFK nach der Anerkennung als
Flüchtling dazu führen, dass der Flüchtlingsstatus widerrufen wird. Wird dagegen
dem Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat zur Last gelegt, die nach der
Aufnahme im Zufluchtsstaat begangen wurde, kommt nicht ein Ausschluss des
Flüchtlingsstatus, wohl aber unter den Voraussetzungen des Art. 33 Ab bs. 2 GFK
ein Verlust des Refoulementschutzes in Betracht.
Da der Ausschluss aus dem internationalen Flüchtlingsschutz für die betroffene
Person gravierende Folgen haben kann, muss andererseits sichergestellt werden,
dass die entsprechenden Klauseln stets restriktiv und unter Beachtung sämtlicher
relevanter Umstände des jeweiligen Einzelfalles angewendet werden. Dabei ist
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relevanter Umstände des jeweiligen Einzelfalles angewendet werden. Dabei ist
nicht nur zu prüfen, ob die fraglichen Handlungen als so schwerwiegend
einzustufen sind, dass sie einen Ausschluss vom Flüchtlingsschutz nach sich zu
ziehen vermögen, sondern auch, ob der Grad der persönlichen Verantwortlichkeit
für die fraglichen Handlungen einen solchen Ausschluss rechtfertigt. Dabei ist zu
beachten, dass allein die Mitgliedschaft in einer Organisation, der die Vornahme
gesetzwidriger Gewalt vorgeworfen wird, in der Regel keinen Nachweis für eine
persönliche Verantwortung für Straftaten im Sinne des Art. 1 F GFK begründet, die
unter dem Dach dieser Organisation begangen wurden. Vielmehr liegt eine
persönliche Verantwortung im Allgemeinen nur dann vor, wenn eine Person eine
schwerwiegende Straftat im Sinne der Ausschlussklauseln selbst begangen hat, zu
einer solchen Straftat angestiftet bzw. Vorschub hierzu geleistet hat, oder in dem
Bewusstsein, dass ihre Handlung oder Unterlassung die Ausübung eines solchen
Verbrechens erleichtern würde, wesentlich zu ihrer Durchführung beigetragen hat.
Diese Fragen müssen im Rahmen der Feststellung des Vorliegens von
Ausschlusstatbeständen im Einzelfall geprüft werden.
Allerdings sind die Aktivitäten mancher Organisationen so zentral auf gewalttätige
Aktionen, etwa durch willkürliches Töten von Zivilisten oder Anwendung von Folter,
ausgerichtet, dass eine freiwillige Mitgliedschaft in einer solchen Organisation die
Vermutung der persönlichen Verantwortung begründen kann, da angenommen
werden kann, dass jedes Mitglied wesentlich zur Durchführung von Verbrechen
durch die Organisation beigetragen hat. Dabei sind aber im Einzelfall alle
relevanten Faktoren wie die aktuellen Aktivitäten der Gruppierung, ihre
Organisationsstruktur, die Stellung der betroffenen Person in der Gruppierung und
die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft sowie ihre Fähigkeit zur Einflussnahme auf die
Aktivitäten der Gruppe zu bewerten.
Dies gilt auch in Fällen, in denen die Frage der Anwendbarkeit von Art. 1 F GFK im
Zusammenhang mit Straftaten auftaucht, die üblicherweise als terroristisch
angesehen werden. Auch hier muss bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte
grundsätzlich unabhängig von der Einstufung einer Straftat als "terroristisch" in
jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen eines der
Ausschlusstatbestände des Art. 1 F GFK vorliegen. In Ermangelung einer
völkerrechtlich verbindlichen Definition ist die Begehung terroristischer Straftaten
in den in Art. 1 F GFK abschließend definierten Ausschlusstatbeständen nicht
explizit genannt. Gleichwohl können die in Art. 1 F GFK bezeichneten
Ausschlussgründe auch Handlungen umfassen, die üblicherweise als terroristisch
angesehen werden.
Sofern eine Person auf einer Liste verdächtiger Terroristen oder sonstiger
Personen. die mit einer bestimmten terroristischen Vereinigung in Verbindung
gebracht werden, steht, sollte dies zum Anlass für eine individuelle Prüfung der
Ausschlussklauseln genommen werden. Die Aufnahme der betreffenden Person in
eine solche Liste stellt für sich genommen jedoch noch keinen hinreichenden
Beweis für das Vorliegen von persönlicher Verantwortlichkeit für Straftaten im
Sinne des Art. 1 F GFK dar. Auch die bloße Mitgliedschaft in einer bestimmten
Organisation sollte deshalb keinesfalls zum pauschalen Ausschluss vom
Flüchtlingsstatus führen.“
Zur konkreten Durchführung des Prüfverfahrens und zur Praxis der
Unterschutzstellung wird auf Seite 10 de Hintergrundinformationen des UNHCR
vom Dezember 2006 ausgeführt:
„Die praktische Durchführung von Flüchtlingsanerkennungsverfahren gestaltet sich
jedoch ausgesprochen schwierig, da aufgrund der anhaltend bedrohlichen
Sicherheitssituation Irak weder Mitarbeiter von UNHCR, noch unabhängige
Flüchtlingsberater Zugang zu den im TIPF untergebrachten iranischen
Asylbewerbern hatten.
Aufgrund der extrem schwierigen Lebensbedingungen im TIPF und dem daraus
resultierenden dringenden Bedürfnis der dort lebenden Personen nach
anderweitigen, dauerhaften Lösungen hat sich UNHCR schließlich entschieden,
nicht auf eine kaum absehbarer Verbesserung der Sicherheitssituation im Irak und
die Wiederherstellung des Zugangs zu de Lager zu warten, sondern zweistufige
individuelle Anerkennungsverfahren per Videokonferenz durchzuführen. Zwischen
dem 20. Februar und dem 5. Mai 2006 haben UNHCR-Mitarbeiter in Genf auf diese
Weise 188 Interviews mit Einwohnern des TIPF durchgeführt, wobei ein besonderes
Augenmerk auf eventuell bestehende Ausschlussgründe gelegt wurde. Die
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Augenmerk auf eventuell bestehende Ausschlussgründe gelegt wurde. Die
meisten der Antragsteller bekleideten nur niedere Ränge innerhalb der
Organisation Volksmudschaheddin Iran oder waren erst kurze Zeit vor der
Übernahme der Kontrolle über das Lager Ashraf durch die US-amerikanischen
Streitkräfte von der Organisation Volksmudschaheddin Iran rekrutiert worden; sie
waren nicht in Aktivitäten involviert, die einen Ausschluss aus dem
Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention oder der Obhut von UNHCR
im Sinne der Bestimmungen des Art. 1 F GFK rechtfertigen würden. Im Ergebnis
wurden deshalb nahezu 90% der Antragsteller als Flüchtlinge im Sinne der Genfer
Flüchtlingskonvention anerkannt. Den in der ersten Instanz abgelehnten
Antragstellern wurde die Möglichkeit eingeräumt, Widerspruch gegen die
Ablehnungen einzulegen; diese Widersprüche werden gegenwärtig von UNHCR
geprüft.“
Die Regionalvertretung des UNHCR für Deutschland, Österreich und die
Tschechische Republik kommt in einer an den Klägerbevollmächtigten gerichteten
Stellungnahme vom 06.02.2008 (Blatt 79 der Gerichtsakte 7 L 324/08.F.A(V)) zu
dem Ergebnis, dass der Kläger im Zeitpunkt des vom UNHCR durchgeführten
Flüchtlingsanerkennungsverfahrens „tatsächlich entwaffnet war und dem
bewaffneten Kampf endgültig abgeschworen hat“ (Seite 10 der Stellungnahme)
und dass in der Person des Klägers auch nicht die Voraussetzungen des Art. 1 F
GFK erfüllt seien, um ihn aus dem Anwendungsbereich der Genfer
Flüchtlingskonvention auszuschließen. Hierzu wird auf Seite 10 bis 12 der UNHCR-
Stellungnahme vom 06.02.2008 ausgeführt:
„Wegen des von der Organisation Volksmudschaheddin gewaltsam geführten
Kampfes gegen die iranische Regierung kommt bei der Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft (ehemaliger) Mitglieder der MEK/NLA darüber hinaus der
Prüfung von Ausschlussgründen im Sinne des Art. 1 F GFK eine entscheidende
Bedeutung zu.
Gemäß Art. 1 F GFK finden die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention
keine Anwendung auf Personen, die den Anspruch auf Schutz durch UNHCR und
die Genfer Flüchtlingskonvention verwirkt haben. Art. 1 F GFK stellt die zentrale
Norm für den Ausschluss von Personen aus dem Anwendungsbereich der Genfer
Flüchtlingskonvention dar und betrifft Personen, in Bezug auf die aus
schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie
Kriegsverbrechen (Art. 1 F (a) GFK), schwere nichtpolitische Verbrechen (Art. 1 F
(b) GFK bzw. den Zielen der Vereinten Nationen zuwiderlaufende Handlungen (Art.
1 F (c) GFK) begangen haben.
Die Ausschlussklauseln müssen stets restriktiv ausgelegt und unter Beachtung
sämtlicher relevanter Umstände des jeweiligen Einzelfalles angewendet werden.
Dabei ist nicht nur zu prüfen, ob die fraglichen Handlungen als so schwerwiegend
einzustufen sind, dass sie einen Ausschluss vom Flüchtlingsschutz nach sich zu
ziehen vermögen, sondern auch, ob der Grad der persönlichen Verantwortlichkeit
für die fraglichen Handlungen einen solchen Ausschluss rechtfertigt. Die
Mitgliedschaft in einer Organisation, der die Vornahme gesetzeswidriger Gewalt
vorgeworfen wird, begründet dabei in der Regel für sich allein genommen keinen
Nachweis für eine persönliche Verantwortung für Straftaten im Sinne des Art. 1 F
GFK, die unter dem Dach dieser Organisation begangen wurden. Vielmehr liegt
eine persönliche Verantwortung nur dann vor, wenn eine Person eine
schwerwiegende Straftat im Sinne der Ausschlussklauseln selbst begangen hat, zu
einer solchen Straftat angestiftet bzw. Vorschub hierzu geleistet hat, oder in dem
Bewusstsein, dass ihre Handlung oder Unterlassung die Ausübung eines solchen
Verbrechens erleichtern würde, wesentlich zu ihrer Durchführung beigetragen hat.
Aufgrund der Angaben, die K. H. H. im Rahmen seiner Videobefragung zu seiner
Position in der Organisation Volksmudschaheddin sowie zu seinen Aktivitäten im
Irak gemacht hat, ist UNHCR zu der Überzeugung gelangt, dass der Betroffene
weder selbst einen der in Art. 1 F GFK genannten Ausschlusstatbestände erfüllt
hat, noch persönliche Verantwortung für Handlungen anderer trägt, die zum
Ausschluss aus der Flüchtlingseigenschaft führen würden.
Den Angaben des Antragstellers im Rahmen seiner Befragung am 26. Februar
2006 lassen sich nach Einschätzung von UNHCR zunächst keine Anhaltspunkte
dafür entnehmen, dass der Antragsteller selbst Handlungen unternommen oder
sich an Handlungen beteiligt hat, die den Ausschlusstatbestand des Art. 1 F (a)
GFK erfüllen würden.
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Der Betroffene hat auf entsprechende Fragen glaubhaft versichert, während seiner
Aufenthalte im Lager Ashraf zwar militärisches Training erhalten zu haben, selbst
aber zu keinen Zeitpunkt an bewaffneten oder sonst gewaltsamen Operationen
der Organisation Volksmudschaheddin Iran beteiligt gewesen zu sein. Für die
Glaubhaftigkeit dieser Angaben sprechen aus Sicht von UNHCR auch die bis 1998
nur sporadischen, kurzzeitigen Aufenthalte Karim HOSHIAR HAGHVERDIS im Irak.
Bezüglich der Dauer seines letzten Aufenthaltes im Irak hat der Antragsteller
nachvollziehbar dargelegt, dass er das Lager Ashraf nach spätestens einem Jahr
wieder verlassen wollte, daran aber durch die Organisation Volksmudschaheddin
unter Androhung von Auslieferung an die irakischen Behörden gehindert wurde.
Diese Angaben entsprechen den UNHCR vorliegenden allgemeinen Informationen
zum Umgang der Volksmudschaheddin mit Personen, die sich von der
Organisation zu lösen beabsichtigten.
Im Weiteren hat der Antragsteller zwar angegeben, während seines Aufenthaltes in
Deutschland zwischen 1989 und 1999 Spenden für die MEK gesammelt und
dadurch die Organisation unterstützt zu haben. Grundsätzlich kann die finanzielle
Unterstützung terroristischer Gruppierungen zwar ein schwerwiegendes
Verbrechen im Sinne von Art. 1 F (b) GFK sein. Mit Blick auf die bei der Anwendung
der Ausschlussregelungen gebotene restriktive Auslegung ist jedoch ein gewisser
Umfang, insbesondere die (der Satz ist nicht vollendet; das Gericht).
UNHCR ist jedoch im Bezug auf diese Angaben zu der Einschätzung gelangt, dass
die Aktivitäten des Antragstellers nicht als so gravierend einzustufen sind, als dass
sie einen Ausschluss des Antragstellers gemäß Art. 1 F (b) GFK rechtfertigen
würden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seinen eigenen
Angaben zufolge lediglich sporadisch im privaten Kreis Geld für die Organisation
gesammelt hat und selbst keine Informationen über die konkrete Verwendung der
Mittel und den tatsächlichen Haushalt der Organisation gehabt hat. Dafür spricht
auch, dass er nicht selbst für die Einzahlungen der von ihm gesammelten Beträge
verantwortlich war und seinen Angaben zufolge keinerlei Informationen über
Konten oder Bankverbindungen der MEK besaß.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller in sonst maßgeblicher
Weise Handlungen der Organisation Volksmudschaheddin, die gemäß Art. 1 F GFK
zum Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung führen würden, unterstützt hat.
Wenngleich der Antragsteller insgesamt 25 Jahre mehr oder minder intensiv mit
der Organisation Volksmudschaheddin in Verbindung stand, hat er dort seinen
Angaben zufolge keinen funktionellen Rang bekleidet, der ihm in irgend einer Weise
eine Einflussnahme auf die politischen und militärischen Ziele oder die Planung
und Durchführung einzelner Operationen ermöglicht hätte. Diesbezüglich hat der
Antragsteller mehrfach darauf hingewiesen, dass er zu keinem Zeitpunkt
förmliches Mitglied in der MEK war, sondern sich stets nur zum Kreis der
Sympathisanten gerechnet habe.“
Dass der Kläger terroristischen Bestrebungen abgeschworen hat, ergibt sich im
Übrigen aus der von ihm am 19.04.2004 gegenüber dem Repräsentanten der
Koalitionsstreitkräfte im Irak abgegebenen Verzichtserklärung (Blatt 36 bzw. 86 der
Bundesamtsakte 5299229-439).
Gerade dieser Umstand war es, der UNHCR dazu bewogen hatte, dem Kläger nach
einer ausführlichen Video-Befragung, die dazu diente, die Glaubhaftigkeit seiner
endgültigen Abkehr von terroristischen Bestrebungen zu prüfen, den Status als
Mandatsflüchtling im Sinne der Satzung des Hochkommissars für Flüchtlinge
zuzuerkennen und das Vorliegen von Ausschlussgründen im Sinne des Art. 1 F
GFK zu verneinen.
Unter Berücksichtigung der besonderen und fast einzigartigen Umstände des
vorliegenden Falles des Klägers bedürfte es daher außergewöhnlicher Umstände,
um die Indizwirkung der Unterstellung des Klägers unter das Mandat des UNHCR
für die Zuerkennung des Status nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu beseitigen. Solche
außergewöhnlichen Umstände liegen nicht vor. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte
dafür, dass sich der Kläger wieder terroristischen Bestrebungen zuwenden könnte.
Dies wird auch vom Beklagten nicht behauptet.
Es bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner grundsätzlichen Klärung
der Frage, ob die Annahme eines Ausschlussgrundes im Sinne des Art. 1 F GFK i.
V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AsylVfG zwingend voraussetzt, dass von
dem betroffenen Ausländer auch weiterhin eine konkrete Wiederholungsgefahr
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dem betroffenen Ausländer auch weiterhin eine konkrete Wiederholungsgefahr
ausgeht, wie dies für die Fallvariante des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG entschieden
hat (Urteil vom 01.11.2005 - 1 C 21.04, BVerwGE 124, 276 = NVwZ 2006, S. 707)
oder ob es ausreicht, dass ein Asylsuchender in der Vergangenheit terroristische
Bestrebungen begangen oder unterstützt hatte unabhängig davon, ob er sich von
diesen losgesagt hat. Jedenfalls gebietet der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.
20 Abs. 3 GG folgende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles die genannten
Ausschlussregelungen jedenfalls dann nicht mehr anzuwenden, wenn von dem
Ausländer unter keinen Umständen mehr eine Gefahr ausgeht, etwa weil zur
Überzeugung des UNHCR und auch des streitentscheidenden Verwaltungsgerichts
feststeht, dass er sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt hat.
Dass eine fortdauernde von dem Ausländer ausgehende Gefährdung erforderlich
ist, ergibt sich im Übrigen auch aus der amtlichen Begründung zum
Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 (BGBl. I S. 361), mit dem
erstmals die Ausschlussklauseln in § 51 Abs. 3 AuslG 1990 eingefügt worden
waren. In der einschlägigen Bundestagsdrucksache 14/7386, S. 57, heißt es:
„Hiernach wird der erweiterte Ausschluss des Abschiebungsschutzes durch das
Interesse der Staatengemeinschaft an der Verhinderung zukünftiger Terrorakte
gerechtfertigt“. Dementsprechend wird in der einschlägigen Rechtsprechung eine
fortdauernde Gefährdung durch einen Ausländer gefordert, um die
Ausschlussklauseln zur Anwendung kommen zu lassen (vgl. nur OVG Münster,
Beschluss vom 21.07.2005 - 15 A 1212/04.A; Beschluss vom 07.08.2006 - 15 A
2940/06.A; OVG Koblenz, Urteil vom 06.12.2002 - 10 A 10089/02, NVwZ-RR 2003,
S. 596).
Dass die Ausschlussklausel des Art. 1 F GFK nur dann zur Anwendung kommen
kann, wenn weiterhin von einem Schutzsuchenden eine konkrete Gefahr ausgeht,
liegt auch den vom UNHCR herausgegebenen „Richtlinien zum internationalen
Schutz: Anwendung der Ausschlussklauseln: Artikel 1 F des Abkommens von 1951
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ zugrunde. Dort wird unter Nr. 2 die
Notwendigkeit betont sicherzustellen, dass die Ausschlussklauseln des Art. 1 F GFK
„nur mit äußerster Vorsicht und erst nach einer umfassenden Beurteilung der
fallspezifischen Umstände abgewendet werden“ und diese „somit stets restriktiv
ausgelegt werden sollten“. Darüber hinaus stellt UNHCR maßgeblich auf die
persönliche Verantwortung einer Person für Handlungen ab, die Anlass zum Prüfen
des Vorliegens von Ausschlussgründen geben. Es gebe Sachverhalte, bei denen
die Ziele, Aktivitäten und Methoden mancher Gruppen so gewalttätig seien, dass
aus der freiwilligen Mitgliedschaft in solchen Gruppen auch die Vermutung einer
persönlichen Verantwortung abgeleitet werden könne. In einem solchen Falle
müssten verschiedene Fragen sorgfältig geprüft werden, etwa die aktuellen
Aktivitäten der Gruppe, ihre Organisationsstruktur, die Stellung der Person in der
Organisation und ihre Fähigkeit, maßgeblich Einfluss auf die Aktivitäten der Gruppe
zu nehmen (Nr. 19 der Richtlinie). Schließlich sollte bei ehemaligen Kombattanten
nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass sie vom
konventionsrechtlichen Flüchtlingsschutz auszuschließen sind, „natürlich
abgesehen von Fällen, in denen Berichte über schwere Verstöße gegen
internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht vorliegen
und die betreffende Person damit in Verbindung gebracht wird“ (Nr. 20 der
Richtlinie).
Legt man diese Kriterien im Falle des Klägers an, liegt es auf der Hand, dass er
wegen seiner früheren Aktivitäten für die Volksmudschaheddin nicht vom
Flüchtlingsschutz ausgenommen werden kann. Zwar hat er im Rahmen der
Organisation eine Ausbildung an Waffen absolviert. Es liegen aber keinerlei
Anhaltspunkte dafür vor, dass er an einem konkreten Waffeneinsatz beteiligt
gewesen sein könnte. Aufgrund des vom Kläger nach einem mehrmonatigen
Aufenthalt im Irak erklärten Rückreisewillens und der Ablehnung der Führung der
MEK, diesem Begehren zu entsprechen sowie der daran anschließenden
Beaufsichtigung des Klägers ist davon auszugehen, dass er auch nicht an
konkreten gewalttätigen Aktionen der Volksmudschaheddin beteiligt war. Dies
erklärt, warum der Kläger unter den Schutz des Mandats des UNHCR genommen
und dementsprechend das Vorliegen eines Ausschlussgrundes verneint wurde.
Der Kläger wäre im Falle einer Abschiebung in den Iran auch weiterhin von
flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen des iranischen Staates
bedroht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger als
ehemaliger Angehöriger der MEK verfolgungsfrei im Iran leben könnte. Hiervon
geht ersichtlich auch das Bundesamt in seinem - aus seiner Sicht bestandskräftig
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geht ersichtlich auch das Bundesamt in seinem - aus seiner Sicht bestandskräftig
gewordenen - Widerrufsbescheid vom 24.01.2005 aus, indem es ausführt, dass im
Falle des Klägers der Widerruf nicht auf den Wegfall etwaiger politischer Verfolgung
gestützt werde, sondern allein darauf, dass Ausschlussgründe im Sinne des
damals einschlägigen § 60 Abs. 8 AufenthG vorlägen. Es ist weder vom
Bundesamt im Rahmen des vorliegenden Verfahrens substantiiert dargetan, noch
liegen dem Gericht sonstige Erkenntnisse darüber vor, dass sich die
Verfolgungssituation von Angehörigen der MEK im Iran grundlegend geändert
haben könnte. Zwar ist es nicht zu bestreiten, dass ehemalige Angehörige der
MEK, die sich zur Zusammenarbeit mit den iranischen Behörden bereit erklärt
haben, unter bestimmten Voraussetzungen verfolgungsfrei im Iran aufhalten und
von der für diesen Personenkreis verkündeten Amnestie Gebrauch machen
können. Insoweit hat der Kläger jedoch erklärt, er könne aufgrund der von ihm
erlittenen Verfolgungsmaßnahmen, die seinerzeit zu seiner Anerkennung als
Asylberechtigter im Sinne des Art 16 Abs.2 Satz 2 GG führten, nicht in den Iran
zurückkehren. Er sehe sich nicht in der Lage, sich zur Zusammenarbeit mit den
iranischen Stellen bereit zu erklären und er traue diesen auch nicht, da er
befürchte, erneut in Verfolgungsmaßnahmen einbezogen zu werden. Besondere
Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang zu, dass seit dem Sturz Saddam
Husseins durch die Koalitionsstreitkräfte im Irak die MEK unter dem Schutz der
USA steht und dass führende Mitglieder des amerikanischen Geheimdienstes CIA
mehrmals bestätigten, dass es zwischen ihrer Organisation und der MEK eine enge
Zusammenarbeit gibt (vgl. nur Heinrich Böll Stiftung, Iran-Report Nr. 07/2008, S.
19 f.). Im Hinblick darauf und auf die gegen den Iran gerichtete Politik der USA liegt
es auf der Hand, dass der Kläger, auch wenn er nur noch ehemaliges Mitglied der
MEK ist, durchaus begründete Furcht davor hat, im Falle einer Rückkehr in sein
Heimatland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevanten
Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Diese Einschätzung des
erkennenden Gerichts wird bestätigt durch die sachverständige Äußerung des
UNHCR im vorliegenden Verfahren zu einer potentiellen Verfolgungsgefahr, der der
Kläger im Iran unter gegenwärtigen Bedingungen ausgesetzt wäre.
Darüber hinaus kann der Kläger auch nicht auf eine Rückkehr in den Irak verwiesen
werden. Ein Einreise- und Aufenthaltsrecht steht ihm für dieses Land nicht zu. Die
glaubhaft geschilderten Umstände beim Versuch, über den Nordirak auszureisen
und die damit einhergehende dreiwöchige Inhaftierung durch nordirakische
Sicherheitskräfte, die von UNHCR in seiner Stellungnahme vom 6.2.2008 bestätigt
wird, belegen, dass der Kläger als ehemaliger Angehöriger der
Volksmudschaheddin Iran sowohl im Nord- als auch im Zentralirak schutzlos wäre.
Er hat guten Grund zu befürchten, u.a. wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur
MEK auch flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu
werden. Darüber hinaus fehlte es ihm an jeglicher existenzieller Sicherung.
Somit steht dem Kläger ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu.
Das beklagte Bundesamt ist darüber hinaus zu verpflichten, festzustellen, dass die
Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG
bezogen auf den Iran und die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im
Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG bezogen auf den Irak vorliegen. Im Hinblick auf die
vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass der Kläger im Iran auch
einer realen Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5
i. V. m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgesetzt wäre.
Aufgrund der Biografie des Klägers liegt es auf der Hand, dass er im Falle einer -
nicht auszuschließenden - Inhaftierung im Iran auch einer menschenrechtswidrigen
Behandlung ausgesetzt wäre.
Darüber hinaus kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, in den Irak
zurückzukehren. Bereits die Vorkommnisse bei der Ausreise aus dem Irak belegen
mit eindeutiger Klarheit, dass der Kläger im Irak vor einer Inhaftierung nicht
hinreichend geschützt wäre. Darüber hinaus hätte er dort keinerlei
Existenzmöglichkeiten. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass er dort
existieren könnte, ohne in eine lebensbedrohliche Situation zu gelangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 2 VwGO.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylVfG).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollsteckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i. V. m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.