Urteil des VG Düsseldorf vom 16.12.2010

VG Düsseldorf (annahme des antrages, kläger, zur unzeit, innerstaatliches recht, unmittelbare anwendbarkeit, brk, schule, unterricht, auslegung, parlament)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 5702/10
Datum:
16.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 5702/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizu-
treibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der am 00.00.2003 geborene Kläger wendet sich mit seiner am 31. August 2010
erhobenen Klage gegen einen Bescheid des beklagten Schulamtes vom 29. Juli 2010,
mit dem für ihn sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt
"emotionale und soziale Entwicklung" festgestellt und als Förderort ein
Kompetenzzentrum mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und emotionale und
soziale Entwicklung (in der mündlichen Verhandlung geändert in "Förderschule mit dem
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung") benannt wird.
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Mit der Klage trägt er im wesentlichen vor, er leide vorwiegend an ADHS. Bei
Ausschöpfung der durch Medikation eröffneten Möglichkeiten und Teilnahme an einer
außerschulischen Ergotherapie werde er in der Lage sein, erfolgreich den von der H-
Schule angebotenen gemeinsamen Unterricht zu besuchen. Der von seiner Mutter
mündlich wirksam geäußerte Wunsch zum Besuch des gemeinsamen Unterrichts sei
nicht beachtet worden.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Abänderung dessen Bescheides vom 29. Juli 2010 zu
verpflichten, als Ort der sonderpädagogischen Förderung eine allgemeine
Schule (gemeinsamer Unterricht) zu bestimmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des
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Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
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Die statthafte und auch sonst zulässige (der gegenwärtige Besuch der Förderschule
durch den Kläger nimmt der Klage schon deshalb nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil
der Beklagte die sofortige Vollziehung angeordnet hat) Verpflichtungsklage des Klägers
ist unbegründet, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sein
(dem Grunde nach unstreitiger) sonderpädagogischer Förderbedarf des
Förderschwerpunktes "Emotionale und soziale Entwicklung" an einer allgemeinen
Schule im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts (vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 7
SchulG NRW) erfüllt wird. Der Kläger ist auf Grund der nachvollziehbaren Ausführungen
der zu dem angefochtenen Bescheid eingeholten Gutachten für den gemeinsamen
Unterricht nicht geeignet; sein Förderbedarf ist daher an einer Förderschule mit dem
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung zu befriedigen. Zur weiteren
Begründung insoweit wird in entsprechender Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO auf
den im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss vom 22. September 2010
verwiesen, dem der Kläger nicht entgegen getreten ist.
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Aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen -
BRK - (UNBehRÜbk) kann der Kläger im (hier maßgeblichen) Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung keine weiter gehenden Rechte herleiten. Wie bereits das
Verwaltungsgerichts Arnsberg
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vgl. Beschluss vom 17. August 2010, - 10 L 397/10 – juris, ebenda Randziffer 7 ff,
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schließt auch die erkennende Kammer sich vollinhaltlich den Ausführungen des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
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in dessen Beschluss vom 12. November 2009, - 7 B 2763/09 -, juris,
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an, dass die Vertragsbestimmungen in Art. 24 BRK (UNBehRÜbk) derzeit keine
innerstaatliche Geltung besitzen, soweit sie den Bereich des öffentlichen Schulwesens
betreffen, ferner dass das Vertragsgesetz des Bundes vom 21. Dezember 2008 für den
Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Umsetzung der Bestimmungen in Art. 24
BRK (UNBehRÜbk) in innerstaatliches Recht bewirkt, weil dem Bund insoweit die an
die Gesetzgebungszuständigkeit anknüpfende Transformationskompetenz fehlt, ferner
dass die Bestimmungen in Art. 24 BRK (UNBehRÜbk) nicht die Voraussetzungen für
eine unmittelbare Anwendbarkeit erfüllen, da es ihnen an der hierfür erforderlichen
Bestimmtheit fehlt. Es handelt sich in weiten Teilen um Programmsätze, wobei die Art
und Weise sowie die Geschwindigkeit der Realisierung den Vertragsstaaten überlassen
bleiben.
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Ebenso wie im Lande Hessen ist auch in Nordrhein-Westfalen eine gesonderte
Umsetzung der das öffentliche Schulwesen betreffenden Zielvorgaben in Art. 24 BRK
(UNBehRÜbk) vom nordrhein-westfälischen Gesetzgeber bislang nicht vorgenommen
worden und braucht jedenfalls bis zum 26. März 2011 auch nicht vorgenommen zu
werden. Auch insoweit schließt sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen
des HessVGH (ebenda a.a.O. Randziffer 26) an.
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Soweit der 19. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
mit Beschluss vom 13. November 2010
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- 19 E 533/10 -, juris
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einer Beteiligten Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren erster Instanz bewilligt hat,
weil sie die Frage aufgeworfen habe, ob die hier maßgeblichen §§ 19, 20 SchulG NRW
und Vorschriften der AO-SF einer an Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention
orientierten völkerrechtsfreundlichen Auslegung zugänglich sind, nach der der Klägerin
subjektive Rechte in Bezug auf die von ihr gewünschte inklusive Beschulung an einer
allgemeinen Schule zustehen können, und wie weit eventuelle dahingehende Rechte
reichen, sieht die Kammer nicht, welche Erkenntnisse aus einer
völkerrechtsfreundlichen Auslegung gewonnen werden können, wenn die dem
Landesgesetzgeber eingeräumte Frist für eine Transformation des Abkommens in
Landesrecht noch nicht abgelaufen ist, wie es gegenwärtig noch der Fall ist. Dem
Landesgesetzgeber ist das Problem bekannt. In der Sitzung des Landtages vom 1.
Dezember 2010 hat das Parlament die Annahme des Antrages vom 6. Juli 2010
(Drucksache 15/26, "UN-Konvention zur Inklusion in der Schule umsetzten")
beschlossen. Betreibt das Parlament die Umsetzung der Konvention und ist ein
Ergebnis vor dem 26. März 2011 möglich, welches dann aus faktischen Gründen auch
nicht vor Beginn des Schuljahres 2011/2012 wirksam werden muss, so sieht sich die
Kammer vor Ablauf der Umsetzungsfrist schon aus Gründen der Gewaltenteilung
gehindert, dem Parlament durch völkerrechtsfreundliche Auslegung zur Unzeit
Vorgaben zu machen, wie das Abkommen umzusetzen sein wird.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 708
Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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