Urteil des VG Düsseldorf vom 17.09.2003

VG Düsseldorf: syrien, botschaft, wiedereinreise, ausreise, ausstellung, mitwirkungspflicht, dringlichkeit, auskunft, genehmigung, asyl

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 11 L 3253/03
Datum:
17.09.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 L 3253/03
Tenor:
Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren werden
abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
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Der am 25. August 2003 gestellte Antrag,
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den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den
Antragstellern ab sofort laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 3 des
Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zu gewähren,
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hat keinen Erfolg.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass sowohl das Vorliegen
eines Anordnungsanspruchs (Anspruch auf die begehrte Leistung) als auch eines
Anordnungsgrundes (Dringlichkeit der gerichtlichen Entscheidung) glaubhaft gemacht
werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Die Antragsteller haben bereits keine besondere Dringlichkeit einer gerichtlichen
Entscheidung über die Gewährung von - über die eingeschränkten Leistungen nach §
1a AsylbLG hinausgehenden - Grundleistungen nach § 3 AsylbLG glaubhaft gemacht.
Ein besonderer Grund für eine auf Asylbewerberleistungen gerichtete Inanspruchnahme
vorläufigen Rechtsschutzes setzt nämlich voraus, dass der Hilfe Suchende seinerseits
alles ihm Zumutbare getan hat, um eine Gewährung der begehrten Hilfe durch den
zuständigen Leistungsträger zu ermöglichen. Solange es an einer hinreichenden
Mitwirkung des Hilfe Suchenden fehlt, bedarf es im Hinblick auf die begehrte Leistung
nicht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Der Hilfe Suchende hat es selbst in
der Hand, durch die Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten eine für ihn positive
Entscheidung der Behörde zu ermöglichen. Bestreitet der Hilfe Suchende seine
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Mitwirkungspflicht, weil er z.B. ihre in § 65 SGB I geregelten Grenzen als nicht gewahrt
ansieht, hindert seine fehlende Mitwirkung nur dann nicht die Annahme eines
Anordnungsgrundes, wenn sein Interesse die Mitwirkung zu unterlassen das durch die
Aufgaben des Leistungsträgers begründete Interesse an der Mitwirkung überwiegt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2002 - 12 B 2021/02 -.
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Nach diesem Maßstab steht hier die fehlende Mitwirkung der Antragsteller einem
Anordnungsgrund entgegen.
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Die Antragsteller sind in Anlehnung an die Vorschrift des § 25 Nr. 1 und 2 der
Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes, die unmittelbar lediglich für die
mit gültigen Papieren eingereisten Ausländer eine Pflicht zur Beantragung einer
Verlängerung oder einer Neuausstellung des Passes begründet, sowie angesichts der
allgemeinen Passpflicht aus § 4 Abs. 1 AuslG auch und gerade im Hinblick auf die
Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen verpflichtet, sich selbst um die
Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapiers zu bemühen.
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Vgl. Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, Stand: Juli 2002, §
4 Rdnr. 40 und § 70 Rdnr. 73.
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Dieser Verpflichtung sind die Antragsteller zu 1. und 2. für sich und die von ihnen
gesetzlich vertretenen minderjährigen Antragsteller zu 3. bis 7. vor Stellung des
vorläufigen Rechtsschutzantrags und auch bis heute nicht nachgekommen, obwohl der
Antragsgegner bereits im Änderungsbescheid vom 4. Juni 2003 zu erkennen gegeben
hat, dass er ihr Tätigwerden insoweit erwartet, und hieran anknüpfend im
Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2003 sowie im gleichzeitig ergangenen Bescheid
zur Ablehnung von Leistungen nach § 2 AsylbLG sogar konkret eine Kontaktaufnahme
mit der Botschaft für erforderlich erklärt hat. Dass die Antragsteller sich daraufhin an die
Botschaft Syriens als Land ihres ursprünglichen Aufenthalts gewandt hätten, um
Personalpapiere zu erhalten, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Der
Umstand, dass sie nach eigenen Angaben bereits im August 2000 einmal erfolglos dort
vorgesprochen hatten, lässt auf Grund des inzwischen eingetretenen erheblichen
Zeitablaufs ihre diesbezügliche Mitwirkungspflicht nicht entfallen, so daß dahinstehen
kann, ob dieses Vorbringen überhaupt glaubhaft ist, da die von ihnen insoweit beim
Sozialamt des Antragsgegners vorgelegte Fahrkarte vom 9. August 2000 in F gelöst und
entwertet wurde (vgl. Anlage zu Bl. 135 des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners),
obwohl die Antragsteller in M wohnen und sich die syrische Botschaft in Bonn befindet,
und andere Belege zur dortigen Vorsprache weder beim Sozialamt des Antragsgegners
noch bei der Ausländerbehörde des Kreises N eingereicht wurden. Den Antragstellern
war es vor diesem Hintergrund zumutbar, vor Stellung des vorliegenden
Rechtsschutzantrags unter detaillierter Darlegung der eigenen Familien- und
Aufenthaltsverhältnisse in Syrien bei der Botschaft dieses Landes persönlich und/oder
schriftlich die Ausstellung von Personalpapieren zu beantragen und diese Bemühungen
dem Antragsgegner gegenüber entsprechend zu belegen. Dass die Antragsteller mit
einer derartigen Mitwirkung die Wiederaufnahme der Gewährung der Leistungen nach §
3 AsylbLG erreichen können, hat der Antragsgegner im Änderungsbescheid vom 4. Juni
2003 mit seiner dahingehenden Aufforderung deutlich zum Ausdruck gebracht.
Entsprechende Bemühungen sind auch nicht deshalb von vornherein zum Scheitern
verurteilt sind, weil die Antragsteller vortragen, der syrische Staat stelle ihnen als
staatenlose Kurden keine Pässe oder Passersatzpapiere aus. Es trifft zwar zu, dass der
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syrische Staat bestimmten Gruppen kurdischer Volkszugehöriger die Ausstellung von
Reisedokumenten sowie eine Wiedereinreise verweigert. Dies gilt im Regelfall etwa für
eine Gruppe von mittlerweile ca. 120.000 bis 150.000 Kurden, die sich nach syrischer
Rechtsansicht in den 60-er Jahren illegal im Land aufhielten, 1962 offiziell als
Ausländer deklariert wurden und deshalb als staatenlos gelten, deren Aufenthalt jedoch
gleichzeitig gestattet wurde. Gleiches dürfte für eine weitere Gruppe von
schätzungsweise maximal 10.000 Kurden gelten, die in Syrien leben, über keinerlei
behördliche Gestattung oder Duldung des Aufenthalts verfügen und entweder staatenlos
oder aber türkischer bzw. irakischer Staatsangehörigkeit sind. Die überwiegende Anzahl
der etwa eine Million in Syrien lebenden Kurden besitzen jedoch die syrische
Staatsbürgerschaft und damit alle bürgerlichen Rechte und Pflichten. Daneben gibt es
schließlich eine kleine Gruppe von Kurden, die als Flüchtlinge aus der Türkei oder dem
Irak anerkannt wurden, einen weitgehend gesicherten Aufenthaltsstatus haben und die
Genehmigung zur Ausreise beantragen können, ohne befürchten zu müssen, dass
ihnen die Wiedereinreise verwehrt wird.
Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 4.
November 2002; dass., Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
Syrien vom 17. Juli 2003, S. 9 ff.
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Angesichts des wechselnden Vorbringens des Antragstellers zu 1. zu seinen
Lebensverhältnissen, insbesondere seinem Verfolgungsschicksal in Syrien - nach
seinen Angaben im Rahmen der Anhörung zu seinem Asylantrag vor dem Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gab es keinen konkreten Anlass zur
Ausreise, er habe keinerlei Probleme mit staatlichen Stellen sondern lediglich
wirtschaftliche Schwierigkeiten gehabt und sei von der PKK ständig bedroht worden,
während er in der mündlichen Verhandlung seines asylrechtlichen Klageverfahrens
(Az.: 4 K 2097/97.A) vor dem hiesigen Gericht angegeben hat, mit der PKK
zusammengearbeitet zu haben und selbst verfolgt und auch inhaftiert worden zu sein,
um schließlich beim Gesundheitsamt des Kreises N anlässlich der Überprüfung seiner
Reisefähigkeit sogar zu behaupten, im Oktober 1996 in der Haft gefoltert worden zu sein
- kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er tatsächlich zu
einer der beiden erstgenannten Gruppen kurdischer Volkszugehöriger aus Syrien
gehört. Im übrigen wären ihm und den übrigen Antragstellern, selbst wenn sie
tatsächlich - wie mit dem Antrag geltend gemacht - der ersten Gruppe der 120.000 bis
150.000 im Jahre 1962 faktisch ausgebürgerten Kurden angehören würden,
Bemühungen zur Beschaffung von Personalpapieren nicht mangels jeglicher
Erfolgsaussichten unzumutbar, da diesen Kurden nach der geschilderten
Erkenntnislage lediglich „ganz überwiegend" die Wiedereinreise nach Syrien verwehrt
wird.
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Da minderjährigen Kindern grundsätzlich alle zu ihren Gunsten und Ungunsten
abgegebenen Erklärungen oder in ihrem Interesse getätigten Handlungen ihrer
gesetzlichen Vertreter zuzurechnen sind, ist die fehlende Mitwirkung der Antragsteller zu
1. und 2. vor Erhebung des einstweiligen Rechtsschutzantrags den Antragstellern zu 3.
bis 7. im vorliegenden Zusammenhang ebenso zuzurechnen wie bei der Frage der
missbräuchlichen Verhinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, die sich im
Rahmen des Anordnungsanspruchs hinsichtlich der Vorschrift des § 1a Nr. 2 AsylbLG
stellen würde.
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Vgl. Gemeinschaftskommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz, Stand: Mai 2003, §
15
1a Rdnr. 132 ff.
Mangels hinreichender Erfolgsaussicht des vorläufigen Rechtsschutzantrages ist auch
der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren abzulehnen (§
166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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