Urteil des VG Düsseldorf vom 29.12.2010

VG Düsseldorf (privates interesse, öffentliches interesse, hund, aufschiebende wirkung, berechtigte person, interesse, antragsteller, verwaltungsgericht, person, halten)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 L 2243/10
Datum:
29.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 L 2243/10
Schlagworte:
Hund gefährlicher Hund Haltung Erlaubnis zur Haltung öfffentliches
Interesse
Normen:
LHundG NRW LHundG NRW § 4 Abs. 2 LHundG NRW § 12 Abs. 2
Leitsätze:
Ein öffentliches Interesse an der Haltung eines gefährlichen Hundes (§ 4
Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW) ergibt sich nicht daraus, dass der Hund
andernfalls voraussichtlich in einem Tierheim untergebracht werden
muss (entgegen Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Juli
2010, - 16 K 199/09 -).
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der am 20. Dezember 2010 eingegangene Antrag mit dem sinngemäßen Begehren,
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die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. Dezember 2010
wiederherzustellen, soweit dem Antragsteller mit der Ordnungsverfügung die
Haltung des Hundes D untersagt worden ist und soweit der Antragsteller
aufgefordert worden ist, den Hund an ein Tierheim oder eine berechtigte Person
abzugeben, und im übrigen anzuordnen (Androhung unmittelbaren Zwangs),
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hat keinen Erfolg. Die Kammer macht von der ihr nach § 80 Abs. 5 VwGO eingeräumten
Befugnis, die aufschiebende Wirkung auch vor Erhebung der Klage bereits
wiederherzustellen, keinen Gebrauch, weil sich die Ordnungsverfügung bei
summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist.
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Die sofortige Vollziehung ist in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO
genügenden Weise schriftlich begründet.
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Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 Satz 1
LHundG zu Recht das Halten und Führen der Hündin D untersagt (Satz 1, 2. Halbsatz
der Ordnungsverfügung). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW soll das Halten
eines gefährlichen Hundes untersagt werden, wenn ... eine erforderliche Erlaubnis nicht
innerhalb einer behördlich bestimmten Frist beantragt oder eine Erlaubnis versagt
wurde.
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Bei D handelt es sich um einen gefährlichen Hund im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1
LHundG NRW. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW sind u.a. Hunde der Rasse
American Staffordshire Terrier gefährliche Hunde. D ist ausweislich der am
26. August 2010 stattgefundenen Beurteilung ein Hund dieser Rasse. Gegen die auf
Sachkunde (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW) beruhende Rassebeurteilung der
Amtsveterinärin Dr. S bringt der nicht fachkundige Antragsteller nichts Erhebliches vor.
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Über die danach gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 LHundG NRW erforderliche Erlaubnis, einen
gefährlichen Hund zu halten, verfügt der Antragsteller nicht. Diese ist ihm vielmehr durch
Satz 1, 1 Halbsatz der Ordnungsverfügung des Antragsgegners bislang unangefochten
versagt worden ("...lehne ich Ihren Antrag zur Haltung des Hundes D ab"), womit
gleichzeigt die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz LHundG NRW
erfüllt sind ("... eine Erlaubnis versagt wurde"). Einen gerichtlichen Antrag nach § 123
VwGO, gerichtet auf vorläufige Erteilung einer Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen
Hundes, hat der Antragsteller nicht gestellt; Klage auf Erteilung der Erlaubnis hat er
nicht erhoben.
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Ungeachtet der gegenwärtig fehlenden prozessualen Geltendmachung eines etwaigen
Anspruchs auf Erteilung einer Halteerlaubnis ist bei summarischer Prüfung nichts dafür
ersichtlich, dass der Antragsteller einen unbedingten Rechtsanspruch auf Erteilung der
notwendigen Halteerlaubnis für D haben könnte.
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Die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes wird nämlich nach § 4 Abs. 2
Satz 1 LHundG nur erteilt, wenn ein besonderes privates Interesse nachgewiesen wird
oder ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung besteht.
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Ein besonderes privates Interesse besteht nicht. Der Vortrag des Antragstellers, er und
seine Tochter hätten eine emotionale Beziehung zu dem Hund aufgebaut, ist
unerheblich und zudem auch nicht schutzwürdig, weil der Antragsteller den Hund
mindestens unter unklaren Umständen, wenn nicht sogar in Kenntnis aller inzwischen
fest stehenden Tatsachen erworben hat. Denn bereits der im Verwaltungsvorgang
befindliche Lichtbildvergleich der Welpenfotos (D als Welpe und Welpe der Rasse
American Staffordshire Terrier) lässt den klaren Schluss zu, dass es sich um einen
Welpen der fraglichen Rasse handelt. Aus einer emotionalen Bindung mag sich ein
normales privates Interesse an der Haltung ergeben, aber kein besonderes privates
Interesse, wie sich aus einem Vergleich mit dem in § 4 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW
benannten Regelbeispiel ergibt. Unerheblich ist auch, dass der Antragsteller bereit ist,
einen Sachkundenachweis abzulegen. Dieser ist weitere Voraussetzung, der das
Fehlen eines öffentlichen oder besonderen privaten Interesses an der Haltung nicht
ersetzen kann. Auch die angekündigte Bereitschaft, den Hund sterilisieren zu lassen,
ersetzt das besondere private oder öffentliche Interesse nicht.
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Ein öffentliches Interesse an der Haltung behauptet der Antragsteller nicht. Dieses
besteht auch nicht. Das öffentliche Interesse an der Haltung gerade durch den
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Antragsteller ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass D andernfalls, also bei Vollzug
der Halteuntersagung, voraussichtlich in ein Tierheim aufgenommen wird. Es ist als sich
aufdrängender, dem Gesetzgeber bei Erlass des Landeshundegesetzes bekannter
Regelfall anzusehen, dass ein gefährlicher Hund, dessen Haltung mangels notwendiger
Erlaubnis untersagt wird, bei dem vormaligen Halter nicht verbleiben kann und daher in
ein Tierheim aufgenommen wird, wenn sich nicht ausnahmsweise (wer nimmt schon
ohne Not einen gefährlichen Hund auf?) eine Privatperson findet, die ein besonderes
privates Interesse an der Haltung geltend macht und der dieser Hund daraufhin
berechtigt vermittelt werden kann. Die in dieser Situation erforderliche Abwägung
zwischen den Interessen des Hundes (Tierschutz) und dem Interesse der Allgemeinheit
daran, vor den von diesem Hund ausgehenden erheblichen Gefahren verschont zu
bleiben (Gesetzeszweck, § 1 LHundG), hat der Gesetzgeber selbst vorgenommen,
indem er das Untersagen der Haltung als Regelfall vorsieht und nach Entziehung des
Hundes dessen Abgabe "an eine geeignete Person oder Stelle" erlaubt, vgl. § 12 Abs. 2
Satz 4 letzter Halbsatz LHundG. Wenn danach Hunde nicht nur an "geeignete
(natürliche) Personen", sondern gleichwertig auch an "Stellen" abgegeben werden
können, bei denen es sich typischerweise um Tierheime handelt, kann die Kammer
keine Tendenz des Gesetzes zur vorrangigen Unterbringung von gefährlichen Hunden
bei Privatpersonen erkennen. Daher sind nach dem Gesetzeswillen auch unter
Berücksichtigung von Tierschutzerwägungen (Art. 20a GG war dem Landesgesetzgeber
bei Erlass des LHundG bekannt) Tierheime zur auch dauerhaften Unterbringung
gefährlicher Hunde geeignet. Dass Tierheime insbesondere aus Kapazitätsgründen in
der Regel bemüht sind, die bei ihnen untergebrachten Tiere weiter zu vermitteln, ändert
daran nichts.
Die Kammer folgt nicht der dem restriktiven Gesetzeszweck
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vgl. die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Köln in dessen Urteil vom
12. August 2010, - 20 K 7961/10 -, Juris, ebenda Randziffer 22 m.w.N.
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evident widersprechenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen,
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in dessen Urteil vom 15. Juli 2010, - 16 K 199/09 -, juris, ebenda Leitsatz,
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ein öffentliches Interesse an der Haltung eines gefährlichen Hundes könne auch darin
liegen, dass ein drohender Tierheimaufenthalt vermieden wird. Die auf der
unzutreffenden Prämisse eines vermeintlich tierschutzrechtlichen Vorrangs der
"Privatunterbringung" beruhende Auffassung würde die besonderen
Erlaubnisvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 LHundG NRW faktisch leerlaufen lassen, weil
im dargelegten Regelfall bei Fehlen eines besonderen privaten Interesses der
betroffene gefährliche Hund immer in das Tierheim verbracht werden muss, welches er
dann aber aus Gründen des Tierschutzes (sofort oder nach Wahrung einer Schamfrist)
wieder in die Hände des vormaligen Halters ohne besonderes privates Interesse dort
verlassen dürfte. Die Kammer findet in den Ausführungen des Verwaltungsgerichts
Gelsenkirchen auch keine Stütze für die im Leitsatz dargelegte Rechtsansicht. Soweit
sich das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen auf Ziffer 4.2 der Verwaltungsvorschriften
zum LHundG NRW beruft, wonach in der Regel ein öffentliches Interesse an der
Haltung (s.c. eines gefährlichen Hundes) aus Gründen des Tierschutzes vorliegt, wenn
ein Hund aus einem Tierheim oder einer vergleichbaren Einrichtung an eine
Privatperson vermittelt werden soll, versteht die Kammer diese im Rang
untergesetzliche Vorschrift im Lichte des allein maßgeblichen Gesetzeswortlauts und
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des restriktiven Schutzzweck des Gesetzes anders. Die Privatperson, an die der Hund
aus dem Tierheim vermittelt werden soll, muss danach eine Person sein, die im Sinne
von § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW geeignet ist. Geeignet für die Aufnahme eines
gefährlichen Hundes ist eine Person nur, wenn ihr eine Halteerlaubnis erteilt werden
kann, sie also ein (sich nicht aus der Vermeidung eines Tierheimaufenthaltes
ergebendes) öffentliches oder ein besonderes privates Interesse an der Haltung des
Hundes geltend machen kann. Nur diese Auslegung entspricht dem eindeutigen
Gesetzeszweck. Sie vermeidet insbesondere den die Darlegungs- und Beweislast auf
den Kopf stellenden Umweg der "rechtsmissbräuchlichen Berufung" auf einen
drohenden Tierheimaufenthalt.
Vgl. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und Verwaltungsgericht Köln, jeweils a.a.O.
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Dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
19. Mai 2010
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Aktenzeichen 5 B 159/10 und 5 E 127/10, Juris
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entnimmt die Kammer ebenfalls nichts, was gegen die vorstehenden Erwägungen
spricht. Abgesehen davon, dass abweichend von dem vom Oberverwaltungsgericht für
das Land Nordrhein-Westfalen entschiedenen Sachverhalt vorliegend bereits die
Halteerlaubnis aus Sachgründen versagt worden ist, entnimmt die Kammer in
Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
der Regelung in Ziffer 4.2 der Verwaltungsvorschriften zum LHundG NRW insoweit
lediglich, dass ein Hund nicht ohne Not in kürzerer Zeit durch mehrere Hände gehen
soll. Ein einem nicht berechtigten Halter zu entziehender Hund soll insbesondere nicht
(vorübergehend) in einem Tierheim untergebracht werden, wenn dieses bereits die
Vermittlung an eine (berechtigte) Privatperson betreibt. Eine solche Fallgestaltung liegt
hier aber ersichtlich nicht vor.
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Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, weil die Rechtsfolge des § 12 Abs. 2 Satz 1
LHundG NRW in Richtung auf ein Einschreiten vorintendiert ist ("soll").
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Gegen die in Satz 2 verfügte Aufforderung an den Antragsteller, den Hund an eine
berechtigte Person oder an ein Tierheim abzugeben, ist nichts zu erinnern; diese ist
durch § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW gerechtfertigt.
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Die Androhung unmittelbaren Zwangs ist ebenfalls rechtmäßig, weshalb die erstmalige
Anordnung der aufschiebenden Wirkung insoweit nicht in Betracht kommt.
Anhaltspunkte für eine evident unverhältnismäßig kurze Fristsetzung sind nicht
ersichtlich, zumal der Antragsteller frühere Hinweise und Warnungen des
Antragsgegners ignoriert und auch sonst seine allgemeinen Pflichten als Halter eines
ausgewachsen großen Hundes missachtet hat, indem er weder die Haltung des Hundes
von sich aus angezeigt (§ 11 Abs. 1 LHundG NRW) noch bis zum heutigen Tag den
Nachweis des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung erbracht hat, § 11 Abs. 2
LHundG NRW; auf die Notwendigkeit einer Versicherung ist er vom Antragsgegner
bereits mit Schreiben vom 11. August 2010 hingewiesen worden. Die Meldepflicht aus §
11 Abs. 1 LHundG NRW trifft den Halter nach dem klaren Wortlaut der Regelung bei
Begründung der Haltung, also bereits mit dem Erwerb eines Welpen, und nicht erst mit
dem Erreichen der maßgeblichen Körpergröße. Diese evidenten Verstöße gegen das
LHundG NRW begründen mithin gleichzeitig auch erhebliche Zweifel an der
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Zuverlässigkeit des Antragstellers als Hundehalter i.S.v. § 7 LHundG NRW, auf die es
vorliegend allerdings nicht ankommt.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 GKG (halber
Auffangwert).
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