Urteil des VG Düsseldorf vom 29.11.1999

VG Düsseldorf: politische verfolgung, blutrache, familie, bundesamt, staatliche verfolgung, aufschiebende wirkung, vorsätzliche tötung, anerkennung, albanien, gefahr

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 5127/96.A
Datum:
29.11.1999
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 5127/96.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Tatbestand:
1
Der am xxxxxxxxxxxxx 1972 in Kukes geborene Kläger ist albanischer
Staatsangehöriger und albanischer Volkszugehörigkeit.
2
Er reiste am 10. Januar 1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am
19. Januar 1996 die Anerkennung als Asylberechtigter.
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Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge (Bundesamt) am 24. Januar 1996 gab er im wesentlichen an: Sein
Großvater habe 1940 anläßlich eines Streites um ein Stück Land jemanden
umgebracht. Nach dem demokratischen Umbruch seien viele alte Blutrachen wieder
aufgenommen worden. Seine Familie habe die Familie des Getöteten um Versöhnung
gebeten und Geld angeboten. Der Sohn des Getöteten habe das aber abgelehnt und
Blutrache angekündigt. Er als junger Mann sei besonders gefährdet. Deshalb sei er
nach Tirana gegangen. Dort habe er von Januar 1995 bis August 1995 bei einem Onkel
gelebt. Er sei dann aber weiter zu einem Schwager des Onkel nach Durres gegangen,
weil er sich in Tirana nur habe nachts bewegen können. In Durres habe er dann bis zu
seiner Ausreise gelebt.
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Mit Bescheid vom 16. April 1996 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als
offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG offensichtlich nicht vorliegen, stellte ferner fest, daß Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik
Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen;
für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist drohte es die Abschiebung nach
Albanien an.
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Der Bescheid wurde dem Kläger am 26. April 1996 zugestellt.
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Der Kläger hat am 26. April 1996 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Mit Beschluß vom 15. Mai 1996 (25 L
1590/96.A) hat die erkennende Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage
angeordnet. Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Anerkennungsbegehren
weiter.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 16. April 1996 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten
anzuerkennen und festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
vorliegen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, daß
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
9
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11
In der mündlichen Verhandlung vom 29. November 1999 wurde der Kläger mit Hilfe
eines Dolmetschers für die albanische Sprache zu seinen Asylgründen gehört. Seine
Aussage wurde protokolliert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakten und er in diesem Verfahren beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten betreffend den Kläger und den Bruder des Klägers,
der Ausländerakten der Landrätin des Kreises xxxxx, der ebenfalls beigezogenen
Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Weimar und der zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemachten Auskünfte und Erkenntnisquellen Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat
keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gegen die Beklagte bzw. auf die
Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, bzw. auf
Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG und ist
von der Beklagten zu Recht unter Abschiebungsandrohung zum Verlassen der
Bundesrepublik Deutschland Frist aufgefordert worden.
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Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter besteht nach Art. 16a Abs. 1 GG,
wenn der Asylbewerber die aus Tatsachen begründete Furcht hegen muß, in dem Land,
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt bzw. in dem er als Staatenloser seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung
verfolgt zu werden, und wenn er den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen
kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will.
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Der Begriff der Verfolgung meint dabei die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung
von Leib, Leben oder persönlicher Freiheit sowie eine solche Beeinträchtigung anderer
Rechtsgüter wie der Religionsfreiheit, der beruflichen oder der wirtschaftlichen
Betätigung, die nach ihrer Schwere und Intensität die Menschenwürde verletzen und
über das hinausgehen, was die Bevölkerung des betreffenden Staates aufgrund des
dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hat,
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vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 2. Juli 1980, BVerfGE 54, S. 341, 357;
Urteil vom 1. Juli 1987, BVerfGE 76, S. 143, 157 f..
19
Die Verfolgung stellt sich als "politisch" dar, wenn sie auf die Rasse, Religion,
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder auf die politische
Überzeugung des Betroffenen zielt,
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ständige Rechtsprechung, siehe nur Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom
17. Mai 1983, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 7; ferner BVerfG, Beschluß vom 10.
Juli 1989, - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, Bl. 24 des Abdrucks.
21
Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei
verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche
Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen
Tatsachenentscheidung abstellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein
muß. Hat der Flüchtling bereits einmal politische Verfolgung erlitten, so kann ihm
asylrechtlicher Schutz grundsätzlich nur verwehrt werden, wenn im Rahmen der zu
treffenden Zukunftsprognose eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit
hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist,
22
BVerfG, Beschluß vom 1. Juli 1987, BVerfGE 76, S. 143, BVerwG, Urteil vom 27. April
1982, BVerwGE 65, S. 250.
23
Das Asylrecht ist aber auch dann zuzuerkennen, wenn der Asylbewerber politische
Verfolgung begründet befürchten muß, d.h. wenn ihm bei verständiger, nämlich
objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so daß ihm eine Rückkehr in seinen Heimatstaat
nicht zuzumuten ist. Ob eine derartige beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, ist durch
eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller
festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu ermitteln. Maßgebend ist, ob in
Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen
in der Lage des Asylsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine
in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann
vorliegen, wenn aufgrund einer quantitativen oder statistischen Betrachtungsweise
weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht,
24
BVerwG, Urteil vom 15. März 1988, BVerwGE 79, S. 143.
25
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht
gehalten, umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse zu schildern, die
seiner Auffassung zufolge geeignet sind, den Asylanspruch zu tragen und insbesondere
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auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen, wobei
allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat
bei der Auswahl der Beweismittel sowie bei der Würdigung des Vortrags und der
Beweise angemessen zu berücksichtigen ist. Das Gericht darf hinsichtlich
asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland (Vorfluchtgründe) keine unerfüllbaren
Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewißheit verlangen, sondern
muß sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben
brauchbaren Grad von Gewißheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet,
auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Soweit die Verfolgungsfurcht auf
Vorgänge im Heimatland des Asylbewerbers gestützt wird, genügt es für die
Überzeugungsbildung des Gerichts, daß die Asylgründe glaubhaft gemacht sind, wobei
die Glaubhaftmachung eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung der Gründe mit
Einzelheiten voraussetzt. Widersprüchliches oder im Verfahren sich steigerndes
Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen, falls die
Unstimmigkeit nicht überzeugend aufgelöst wurde;
zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 29. November 1979, BVerwGE 55, S. 82; Urteil
vom 16. April 1985, BVerwGE 71, S. 180, Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein- Westfalen (OVG NW), Urteil vom 25. August 1981, InfAuslR 1982, S. 43.
27
Die Verfolgungsprognose ist im übrigen landesweit, d.h. für den gesamten Heimatstaat
des Asylbewerbers und nicht etwa begrenzt auf dessen ursprüngliche Heimatregion zu
treffen, denn des Schutzes vor politischer Verfolgung im Ausland bedarf nicht, wer zwar
in Teilen seines Heimatlandes politische Verfolgung erlitten hat, bzw. von
entsprechenden Verfolgungsmaßnahmen bedroht ist, aber in anderen Teilen des
eigenen Landes ohne Furcht vor politischer Verfolgung leben kann, sofern der
Aufenthalt dort für ihn nicht unzumutbar ist (sogenannten inländische Fluchtalternative),
28
ständige Rspr. des BVerwG, etwa Urteil vom 6. Oktober 1987, Buchholz, a.a.O., § 1
AsylVfG Nr. 72, BVerfG, Beschluß vom 20. Dezember 1988, NVwZ 1989, S. 746 f..
29
Eine Erstreckung des Asylgrundrechts auf nach der Flucht des Asylbewerbers aus
seinem Heimatland entstandenen Tatbestände (Nachfluchtgründe) kommt nur insoweit
in Betracht, als sie nach dem Sinn und Zweck der Asylverbürgung, wie sie dem
Norminierungswillen des Verfassungsgebers entspricht, gefordert ist. Unter diesem
Gesichtspunkt läßt sich für sogenannte objektive Nachfluchttatbestände, die durch
Vorgänge oder Ereignisse im Heimatland unabhängig von der Person des
Asylbewerbers ausgelöst werden, eine Asylrelevanz in Betracht ziehen. Subjektive
Nachfluchttatbestände, die der Asylbewerber nach Verlassen des Heimatstaates aus
eigenem Entschluß geschaffen hat, rechtfertigen in aller Regel nur dann eine
Anerkennung als Asylberechtigter, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer
schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten
festen Überzeugung darstellen, mithin als notwendige Konsequenz einer dauernden,
die eigene Identität prägenden und nach außen kundgegebenen Lebenshaltung
erscheinen,
30
BVerfG, Beschluß vom 26. November 1986, BVerfGE 74, S. 51.
31
Darüber hinaus ist ein subjektiver Nachfluchtgrund grundsätzlich nur dann asylrechtlich
beachtlich, wenn eine Kontinuität zwischen dem schon im Heimatstaat erkennbar
gewordenen Verhalten und dem Nachfluchtverhalten gegeben ist,
32
BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1989, BVerwGE 82, S. 171.
33
Für Vorgänge innerhalb des Gastlandes ist - anders als bei Vorfluchttatbeständen - der
volle Nachweis durch den Asylbewerber zu fordern,
34
BVerfG, Beschluß vom 26. November 1986, a.a.O., BVerfG, Urteil vom 29. November
1979, BVerfGE 55, S. 82.
35
Ausgehend von diesen Grundsätzen und aufgrund der eigenen Angaben des Klägers,
der beigezogenen Akten sowie der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse über die
politische Situation im Heimatland des Klägers hat der Kläger keinen Anspruch auf
Anerkennung als Asylberechtigter.
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Dies hat das Bundesamt im angegriffenen Bescheid im einzelnen zutreffend dargelegt;
das Gericht folgt im wesentlichen dieser Entscheidung, welcher der Kläger nicht mit
rechtserheblichem Vorbringen entgegengetreten ist, und verweist zur Begründung zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Bundesamtes (§ 117 Abs.
5 VwGO, 77 Abs. 2 AsylVfG).
37
Die geltend gemachte Verfolgung durch die Mitglieder der verfeindeten Familie xxxx ist
nicht asylrelevant. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das Vorbringen des
Klägers zur befürchteten Blutrache glaubhaft ist, denn diese Verfolgung durch "Dritte" ist
privater, strafrechtlich zu ahndender Natur und beinhaltet keine staatliche Verfolgung,
weil dem Staat Schutzfähigkeit, Schutzwilligkeit und Schutzbereitschaft nicht gänzlich
abgesprochen werden können. Absoluter Schutz vor derartigen Übergriffen ist auch in
den westeuropäischen Staaten nicht zu erlangen.
38
Zu Recht hat das Bundesamt des weiteren festgestellt, daß die Voraussetzungen des §
51 AuslG nicht vorliegen, denn es ist nach den vorstehenden Ausführungen nichts dafür
ersichtlich, daß das Leben oder die Freiheit des Klägers in Albanien aus den in Abs. 1
der Vorschrift genannten Gründen bedroht ist.
39
Ebenfalls zu Recht hat das Bundesamt den nach § 42 Abs. 1 AuslG ausreisepflichtigen
Kläger, der nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist, zur Ausreise aufgefordert
und ihm nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 1 und 2 AuslG die
Abschiebung nach Albanien angedroht. Die Ausreisefrist von einem Monat ergibt sich
aus § 37 Abs. 2 AsylVfG.
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Ist danach der Hauptantrag nicht begründet, bleibt auch der hilfsweise gestellte
Verpflichtungsantrag zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG
ohne Erfolg.
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Das insoweit nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG zuständige Bundesamt hat zu Recht
festgestellt, daß Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die
Abschiebung nach dieser Vorschrift hindernde konkrete Tatsachen hat der Kläger nicht
vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
42
Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1, 2 oder 4 AuslG liegen im Hinblick auf die
vom Kläger behauptete Gefahr der Blutrache schon deshalb nicht vor, weil die
genannten Vorschriften auf nichtstaatliche Gefährdungen keine Anwendung finden,
43
BVerwG, Urteil vom 15. April 1997, Inf AuslR 1997, 341 (343); Urteile vom 17. Oktober
1995, InfAuslR 1996, 254 und DVBl. 1996, 612 (614) sowie Urteil vom 19. November
1996- NVwZ 1997, 685.
44
Daß der albanische Staat Blutrachetaten veranlaßt, bewußt duldet oder ihnen
gegenüber keinen Schutz gewährt, obwohl er dazu in der Lage wäre, läßt sich nicht
feststellen. Zum einen ist die vorsätzliche Tötung eines Menschen nach dem am 1. Juni
1995 in Kraft getretenen albanischen Strafgesetzbuch - nach wie vor - strafbar, ohne
daß Blutracheakte einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund darstellen,
45
vgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das erkennende Gericht vom 1. Oktober 1996
und an das VG Augsburg vom 7. Januar 1998, Lageberichte vom 17. Februar 1998 und
vom 19. Februar 1999.
46
Zum anderen unterstützt der albanische Staat in Albanien tätige Versöhnungsgruppen
bei ihrer Arbeit und hat über Medien versucht, die Bevölkerung zu sensibilisieren in der
Hoffnung, die aufgeflammten Blutfehden eindämmen zu können,
47
vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das erkennende Gericht vom 1. Oktober 1996.
48
Absoluter Schutz vor solchen Übergriffen ist schließlich auch in westeuropäischen
Staaten nicht zu erreichen.
49
Ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, das unabhängig
von der Abschiebungsandrohung gemäß § 41 Abs. 1 AsylVfG kraft Gesetzes zur
Aussetzung der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten führt, liegt im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist ein
Abschiebungshindernis nur bei Bestehen einer konkreten, d.h. individuell bestimmten,
beachtlich wahrscheinlichen, erheblichen und landesweit drohenden Gefahr für Leib,
Leben oder die Freiheit gegeben,
50
vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1995, DVBl. 1996, 203 ff. (205); und 612 ff sowie
Urteil vom 4. Juni 1996, InfAuslR 1996, 289.
51
Dem Kläger drohen auch im Hinblick auf die von ihm behauptete Blutrache der Familie
xxxx nicht landesweit und konkret erhebliche Gefahren für Leib, Leben oder seine
Freiheit.
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Sein Vorbringen zur Blutrache ist nach dem persönlichen Eindruck, den die
Einzelrichterin im Termin zur mündlichen Verhandlung von dem Kläger gewonnen hat,
schon nicht glaubhaft. Die Schilderungen des Klägers waren durchweg vage, zudem hat
der Kläger stets ausweichende Antworten gegeben und die ihm gestellten Fragen
oftmals erst auf mehrfache Nachfrage hin beantwortet. Außerdem widerspricht sein
Vortrag in zahlreichen Punkten den Schilderungen seines Bruders in dessen
Asylverfahren. Insoweit sei beispielhaft nur darauf verwiesen, daß der Kläger im
Gegensatz zu den Angaben des Bruders behauptet hat, keiner seiner Brüder habe eine
Ausbildung, während sein Bruder Kfz-Mechaniker und Techniker sein will. Nach den
Schilderungen des Klägers hat die Familie von den Einnahmen aus der Spielothek des
Vaters gelebt, in der alle Brüder gearbeitet haben. Demgegenüber will der Bruder des
Klägers in einer ihm und seinem Bruder gehörenden Kfz- Werkstatt gearbeitet haben,
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von einer Spielhölle seines Vaters war dagegen keine Rede. Schließlich hat der Bruder
des Klägers angegeben, auf den Kläger, sei vor seiner Flucht nach Deutschland bereits
von seiten der Familie xxxx ein Tötungsversuch unternommen worden. Davon hat der
Kläger weder bei seiner Anhörung durch das Bundesamt, noch im Termin zur
mündlichen Verhandlung berichtet. Auf konkrete Nachfrage hat er dies abgestritten und
demgegenüber behauptet, dieser Vorfall habe sich bei seinem Onkel ereignet, es sei
eine reine Provokation gewesen, er wisse auch nicht, wer geschossen habe. Auch das
eigene Vorbringen des Klägers ist von Widersprüchen und Ungereimtheiten
gekennzeichnet. So hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf
Befragen angegeben, er habe sich nicht um Schutz bei der Polizei bemüht, weil diese
ohnehin nicht helfen könne. Demgegenüber hat er im Klageverfahren behauptet, sein
Vater sei mehrfach wegen der drohenden Blutrache bei der Polizei gewesen. Die
Erklärung des Klägers, sein Vater habe dies vor der Familie geheimgehalten, weil es in
Albanien nicht üblich sei, Hilfe von seiten des Staates in Anspruch zu nehmen, ist
überhaupt nicht nachvollziehbar. Auch die Angaben zum Grad seiner eigenen
Gefährdung sind widersprüchlich. So hat der Kläger im Klageverfahren behauptet, der
Sohn des Getöteten habe ihm in Tirana nachgespürt. Davon war aber weder bei der
Anhörung durch das Bundesamt noch im Termin zur mündlichen Verhandlung die
Rede. So hat er bei dem Bundesamt auf die Frage, warum er nicht in Tirana geblieben
sei, angegeben, es sei schwierig für ihn gewesen, sich dort zu verstecken, er habe sich
dort nur nachts bewegen können. Nichts hätte näher gelegen als bei dieser Gelegenheit
auch anzugeben, daß ihm dort schon nachgespürt worden war. Auch im Termin zur
mündlichen Verhandlung hat er davon auf Nachfrage nichts berichtet, sondern
angegeben, nach Durres gegangen zu sein, um noch sicherer zu sein. Außerdem hat
der Kläger sein Vorbringen im Termin zur mündlichen Verhandlung auch noch
gesteigert und behauptet, auf sein Auto sei ein Sprengstoffanschlag verübt worden, er
vermute, daß dieser von der Familie xxxx erfolgt sei. Von diesem Anschlag haben er
und sein Bruder weder bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt berichtet, noch hat der
Kläger dies in seiner schriftlichen Klagebegründung erwähnt. Daß der Kläger dies nicht
erzählt hat, weil er nicht gewußt habe, ob dies wichtig sei, ist angesichts des
Umstandes, daß er sein gesamtes Asylbegehren ausschließlich auf die befürchtete
Blutrache gestützt hat, ebenfalls absolut nicht nachvollziehbar.
Schließlich widersprechen die Angaben in der von dem Kläger vorgelegten
Bescheinigung des Polizeikommissariats von Kukes vom 12. Februar 1996 auch den
Behauptungen des Klägers. Nach dem Inhalt der Bescheinigung ist Grund für die von
seiten der Familie xxxx angekündigten Blutrache ein nicht eingehaltenes Versprechen
der Familie des Klägers. Demgegenüber hat der Kläger behauptet, die Blutrache gehe
auf eine Mord zurück, den sein Großvater im Jahr 1940 begangen habe. Davon
abgesehen kommt der Bescheinigung aber ohnehin kein besonderer Beweiswert zu,
weil sie nach ihrem Inhalt auf Bestellung und den Angaben der Familie des Klägers
beruht und nicht aufgrund eigener Kenntnis der Polizei ausgestellt worden ist.
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Aber selbst bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers läßt sich nicht feststellen,
daß diesem konkret und landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr der
Blutrache droht. So hat der Kläger schon keine konkreten Anhaltspunkte nennen
können, aus denen er entnimmt, daß gerade er Opfer der Blutrache werden könnte.
Vielmehr ist er nach seinen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung nur aus
einer allgemeinen, vom Vater für erforderlich gehaltenen Vorsicht nach Tirana
gegangen. Es leben nach seinen Angaben aber auch noch andere männliche
Verwandte in Albanien bei ihren Familien, die Blutrache zu befürchten hätten. Insoweit
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hat der Kläger erst auf gezielte Nachfrage seines Prozeßbevollmächtigten behauptet,
daß diese sich in Albanien versteckt halten.
Entscheidend ist aber, daß dem Kläger nach seinen eigenen Schilderungen im Termin
zur mündlichen Verhandlung weder in Tirana noch später in Durres mit der
erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine Tötung aufgrund der
angekündigten Blutrache drohte. Dort hat er sich insgesamt ein Jahr unbehelligt
aufgehalten. In Tirana war er nach seinem Vorbringen nicht mehr konkret bedroht; er ist
von dort lediglich deshalb weggegangen um noch sicherer zu sein. Ebenso hat er nach
seiner Einlassung auch in Durres Sicherheit finden können. Auch von dort ist er nach
seinen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht etwa deshalb
weggegangen, weil er von der Familie xxxx aufgespürt worden war, oder dies befürchtet
hatte, sondern weil er in dem fremden Haus nicht mehr hatte wohnen wollen und
ohnehin beabsichtigte, nach Europa zu gehen. Daß die Gefahr durch Blutrache getötet
zu werde, durch einen Ortwechsel innerhalb Albaniens erheblich reduziert werden kann,
wird schließlich auch von dem Auswärtigen Amt bestätigt,
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Auskunft an das erkennende Gericht vom 1. Oktober 1996, an das VG Augsburg vom 7.
Januar 1998 und an das VG Leipzig vom 19. Februar 1999.
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Ob dies generell in jedem Fall bei drohender Blutrache möglich ist, kann im Hinblick auf
die besonderen Umstände des vorliegenden Falls offen bleiben.
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Schließlich steht der Annahme einer konkreten, beachtlich wahrscheinlichen Gefahr für
den Kläger auch entgegen, daß nach seinen Angaben im August 2000 noch ein
weiterer Termin unter Mitwirkung von Angehörigen einer Versöhnungsgruppe mit der
Familie xxxx ansteht, der zu einer Versöhnung der verfeindeten Familien und einer
endgültigen Beseitigung der Gefahr der Blutrache führen kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b Abs. 1 AsylVfG.
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Wegen des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf § 83b Abs. 2
AsylVfG verwiesen.
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