Urteil des VG Düsseldorf vom 18.03.2009

VG Düsseldorf: örtliche zuständigkeit, anerkennung, hessen, muster, grundversorgung, veranstalter, veranstaltung, niedersachsen, kontrolle, sicherheitsleistung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 K 1885/07
Datum:
18.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1885/07
Schlagworte:
Weiterbildung Arzt Ärztekammer Anerkennung Kurs Ausland
Prüfungskompetenz örtliche Zuständigkeit
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte hinsichtlich der vom Kläger
abgehaltenen Kurse zum Thema „Psychosomatische Grundversorgung“
an deren Anerkennung durch die Landesärztekammer Hessen
gebunden ist.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Facharzt für psychotherapeutische Medizin. Er betreibt eine Praxis u.a. in
G und ist Mitglied der Landesärztekammer Hessen (LÄK Hessen). Seit Jahren
veranstaltet er im Rahmen der Facharztausbildung der Gynäkologen und Fachärzte für
Allgemeinmedizin 80-Stunden Kurse zum Thema "Psychosomatische
Grundversorgung", die jeweils ganz überwiegend in D/Mallorca, im übrigen in Hessen
stattfinden. Die Kurse werden vom Gutachterausschuss im Weiterbildungswesen der
LÄK Hessen regelmäßig anerkannt.
2
Unter dem 17. Oktober 2005 schrieb die Beklagte – offenbar aus Anlass eines ihr
konkret vorliegenden Antrags eines Kursteilnehmers - den Kläger an, um ihm
mitzuteilen, die von ihm veranstalteten Kurse seien, da sie in Mallorca stattfänden, wo
die örtliche Zuständigkeit, § 4 Abs. 8 der Weiterbildungsordnung der Beklagten (WBO),
einer deutschen Ärztekammer nicht gegeben sei, nicht anerkennungsfähig. Sie bitte den
Kläger deshalb, seine Kursteilnehmer auf diesen Umstand hinzuweisen, damit
Missverständnisse im Bereich der Beklagten vermieden werden könnten. Eine
Anerkennung durch die LÄK Hessen sei für die Beklagte nicht bindend.
3
Der Kläger zeigte sich erstaunt über diese Auffassung, wies auf die hessische
Anerkennung sowie auf seine Mitgliedschaft auch in der zuständigen spanischen
Ärztekammer und deren Anerkennung der Kurse hin. Die Beklagte hielt auch nach
4
Befassung der "zuständigen Gremien" (vgl. Schreiben an den Kläger vom 29. November
2005) an seiner Auffassung fest und vermerkte in der Akte unter Bezugnahme auf § 4
Abs. 8 WBO :
"Der Präsident entscheidet, dass eine Anerkennung von Kursen außerhalb des
Zuständigkeitsbereiches der Ärztekammer Nordrhein nach diesen Vorgaben der
Weiterbildungsordnung nicht erfolgen kann".
5
Nachdem der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht hatte,
seine unter Berücksichtigung der einschlägigen Leitlinien der Bundesärztekammer
abgehaltenen Kurse seien mit Wirkung für alle anderen Ärztekammern anerkannt
worden, und an die rechtsmittelfähige Bescheidung erinnert hatte, teilte die Beklagte
unter dem 12. März 2007 mit, die Angelegenheit sei ausgeschrieben, zu weiteren
Aktivitäten sehe sie sich nicht veranlasst.
6
Der Kläger hat daraufhin am 7. Mai 2007 die vorliegende Klage erhoben, mit welcher er
weiter die Anerkennung seiner Kurse durch die Beklagte erstrebt. Er stellt Aufbau und
Inhalt seiner Fortbildungen dar und macht geltend, die von der Beklagten im
vorliegenden Fall vertretene Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit widerspreche deren
sonstiger Praxis. So sei die Teilnahme eines Arztes aus dem Kammerbezirk an einer
von der bayerischen Ärztekammer in Österreich durchgeführten Veranstaltung nicht
beanstandet worden. Die in Norderney abgehaltenen Kurse der Nordrheinischen
Akademie für Fort- und Weiterbildung würden regelmäßig anerkannt.
7
Der Kläger beantragt,
8
festzustellen, dass die Beklagte hinsichtlich der vom Kläger abgehaltenen
Kurse zum Thema "Psychosomatische Grundversorgung" an deren
Anerkennung durch die Landesärztekammer Hessen gebunden ist.
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Sie ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig. Da der Kläger nicht Mitglied der
Beklagten sei, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Ein konkretisiertes Rechtsverhältnis,
welches Zulässigkeitsvoraussetzung sei, sei nicht gegeben. Es gehe dem Kläger
lediglich um die Klärung abstrakter Rechtsfragen. Im übrigen sei die Klage auch
unbegründet, da die Ausgestaltung der Kurse nicht den Anforderungen des
einschlägigen Modellcurriculums der Bundesärztekammer entspreche.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
13
Entscheidungsgründe:
14
Die Klage ist zulässig. Insbesondere geht es nicht, wie die Beklagte meint, lediglich um
die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Vielmehr ist Klagegegenstand die
Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 VwGO. Das folgt daraus,
dass § 4 Abs. 8 WBO, um dessen Anwendung hier gestritten wird, die Anerkennung von
15
Kursen und deren Leitern ausdrücklich vorsieht. Der Kläger ist aber sowohl Veranstalter
als auch Leiter der hier streitigen Kurse betreffend die psychosomatische
Grundversorgung. Indem die Weiterbildungsordnung sich nicht darauf beschränkt, im
Fall eines jeden Absolventen die Fortbildungseignung von derartigen Kursen
festzustellen, sondern deren Anerkennung gegenüber dem Veranstalter allgemein
ausspricht oder versagt, schafft sie ein Rechtsverhältnis der Kammer zu diesem. Gerade
um die Klärung dieses Verhältnisses geht es hier.
Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist an die Anerkennung der vom Kläger
veranstalteten Kurse durch die LÄK Hessen gebunden. Diese ist die in § 4 Abs. 8 WBO
angesprochene "für den Ort der Veranstaltung zuständige Ärztekammer".
16
Wenn die WBO in § 4 Abs. 8 vorsieht, dass die zuständige Ärztekammer die
Weiterbildungskurse anerkennt, so ist damit zweierlei geregelt. Einmal verpflichtet sich
die Beklagte zur Anerkennung von Kursen in ihrem Zuständigkeitsbereich. Zum
anderen enthält die Vorschrift mit dem allgemeinen Verweis auf die zuständige
Ärztekammer aber auch eine Kollisionsnorm. Der Satzungsgeber hat sich durch den
Erlass der Vorschrift auch verpflichtet, Anerkennungen durch andere Ärztekammern zu
akzeptieren, indem er Absolventen derartiger Kurse nicht – wie es hier wohl
vorgekommen ist - entgegenhält, die Kurse entsprächen inhaltlich nicht den an die
Weiterbildung auf dem jeweiligen Sachgebiet zu stellenden Anforderungen. Die in § 4
Abs. 8 Satz 2 WBO enthaltene Einschränkung, wonach die Kurse den "von der
Ärztekammer vorgeschriebenen Anforderungen" entsprechen müssen, kann nicht dazu
führen, dass jeder von einer anderen Ärztekammer anerkannte Kurs von der Beklagten
in allen Einzelheiten, bis hin zu der ihren Vorstellungen entsprechenden
Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung, überprüft werden kann. Das folgt ohne weiteres aus
einer systematischen Auslegung beider Sätze des § 4 Abs. 8 WBO. Wäre Satz 2
nämlich in dem zuletzt umrissenen Sinn zu verstehen, dann liefe Satz 1 völlig leer.
Dieses Verständnis würde, auf alle Weiterbildungsordnungen übertragen, darauf
hinauslaufen, dass für jeden Kurs in jedem Kammerbezirk eine eigene
Anerkennungsentscheidung nach jeweils eigenen Vorstellungen getroffen werden
könnte. Das war von § 4 Abs. 8 Satz 1 WBO (und ähnlichen Vorschriften in anderen
Weiterbildungsordnungen) mit dem Hinweis auf
die
offensichtlich nicht beabsichtigt.
17
Die Bedeutung von § 4 Abs. 8 Satz 2 WBO beschränkt sich deshalb auf die erste der in
Satz 1 angesprochenen Entscheidungen, nämlich die Anerkennung durch die örtlich
zuständige Ärztekammer. Die Beklagte hat sich mit dieser Regelung für die originär von
ihr auszusprechenden Anerkennungen darauf festgelegt, dass diese nur erfolgen
können, wenn der fragliche Kurs den Anforderungen etwa in Teil B der WBO über die
einzelnen Weiterbildungen entspricht und auch mit etwaigen Muster-Curricula, die, wie
hier, in ständiger Praxis der Anerkennung zu Grunde gelegt werden, vereinbar ist. Eine
inhaltliche Kontrolle der von einer anderen Kammer getroffenen Entscheidung soll durch
Satz 2 der Vorschrift nicht eröffnet werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch
die anerkennende Kammer auf Grund ihrer WBO entsprechende Anforderungen stellt
und dass deren Entscheidung den "bundesweit abgestimmten Anforderungen" (so § 4
Abs. 9 Satz 2 der WBO der LÄK Niedersachsen), insbesondere den Empfehlungen der
Bundesärztekammer (vgl. § 4 Abs. 8 Satz 2 der WBO der bayerischen LÄK) entspricht.
Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass § 4 Abs. 10 der Muster-WBO des Bundes
einen entsprechenden Satz 2 nicht enthält. Die Muster-WBO regelt nur, dass Kurse,
deren Ableistung in den Abschnitten I und II der Muster-WBO vorgeschrieben ist, der
18
vorherigen Anerkennung der jeweils zuständigen Ärztekammer bedürfen. Diese
inhaltlich sicher nicht abweichende Vorschrift verleitet schon nach ihrem Wortlaut nicht
zu der Annahme, eine andere als die anerkennende Kammer hätte das Recht, die
Anerkennung zu ignorieren oder zu überprüfen. Angemerkt sei, dass die Praxis der
gegenseitigen Anerkennung auch im Bereich der Weiterbildung im übrigen gilt. § 47
HeilBerG NRW regelt, dass sowohl die in einem anderen Bundesland ausgesprochene
Weiterbildungsermächtigung als auch die dort erworbene Berechtigung zur Führung
einer Fachgebietsbezeichnung in Nordrhein-Westfalen gilt. Wenn es hier nach dem
eindeutigen Gesetzeswortlaut keine Einschränkungen gibt, wäre es nicht verständlich,
ein solches Beanstandungsrecht, wie es die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, bei
der Anerkennung einzelner Kurse im Rahmen der Weiterbildung vorzusehen.
Dass die Entscheidungen der Landesärztekammer Hessen, die die Veranstaltungen
des Klägers, wie deren Internetseite ebenso zu entnehmen ist wie dem vom Kläger zur
Akte gereichten Schreiben vom 20. November 2007, regelmäßig anerkennt, für die
Beklagte deshalb nicht verbindlich wären, weil die fraglichen Weiterbildungen
überwiegend im Ausland, nämlich auf der Insel Mallorca, stattfinden, lässt sich nicht
feststellen. Dass durch eine gesetzliche Vorschrift die Durchführung von Kursen im
Ausland untersagt ist, ist nicht ersichtlich, wird insbesondere auch von der Beklagten
nicht geltend gemacht. § 4 Abs. 8 WBO kann als Untersagung von Weiterbildungen im
Ausland nicht verstanden werden. Die von der Beklagten aus der Vorschrift abgeleitete
Folgerung, eine Anerkennung könne von ihr nicht ausgesprochen werden, weil ihr die
dort vorausgesetzte örtliche Zuständigkeit fehle, geht zu weit. Sie hätte zur Folge, dass
auch die LÄK Hessen nicht zuständig sein könnte, da für sie mit § 4 Abs. 8 Satz 1 der
hessischen WBO eine gleichlautende Vorschrift gilt. Mit dieser Tragweite wären die
fraglichen Satzungsvorschriften der Ärztekammern überfordert. Dieses Verständnis der
Vorschriften würde bedeuten, dass sie jegliche Anerkennung eines im Rahmen der
ärztlichen Weiterbildung im Ausland abgehaltenen Kurses untersagen. Das
überschreitet die Rechtssetzungskompetenz der Beklagten ganz zweifellos. Im übrigen
praktiziert auch die Beklagte die ausdrücklich vertretene Ansicht, eine örtliche
Zuständigkeit könne nur für die Anerkennung solcher Veranstaltungen gegeben sein,
die innerhalb des Bezirks der Kammer abgehalten werden, offensichtlich nicht. Eine
Anerkennung von in Norderney abgehaltenen Veranstaltungen wäre sonst ebenso
ausgeschlossen wie die Billigung der Teilnahme an einem in Österreich durchgeführten
Weiterbildungskurs. Beides ist aber, wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat,
vorgekommen. Wenn die hessische LÄK ihre Zuständigkeit für die Anerkennung der
Kurse des Klägers daraus abgeleitet hat, dass dieser ihr Mitglied ist und die in
Deutschland zu absolvierenden Teile seiner Veranstaltungen auch regelmäßig in
Hessen durchführt, so ist das nicht zu beanstanden und führt nicht zur Unbeachtlichkeit
der Anerkennungen der hessischen LÄK.
19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 709 ZPO.
20
Das Gericht hatte keinen Anlass, die Berufung zuzulassen.
21