Urteil des VG Düsseldorf vom 21.07.2004

VG Düsseldorf (aufschiebende wirkung, antragsteller, prüfung, besondere härte, stadt, höhe, grundstück, wirkung, antrag, satzung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 L 1522/04
Datum:
21.07.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16 Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 L 1522/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 366,64 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Heranziehungsbescheid des
Antragsgegners vom 16. Dezember 2003 anzuordnen,
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ist unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Rechtsbehelfe
gegen die Anforderung öffentlicher Abgaben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht
kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen.
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Zwar hat der Antragsgegner dem Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der
Vollziehung des angefochtenen Bescheides zunächst entsprochen, indem er mit
Schreiben vom 13. Februar 2004 an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller
dem Antrag stattgegeben hat. In seinem Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 hat
er die Aussetzung der Vollziehung jedoch inzident wieder aufgehoben, indem er die
Antragsteller aufgefordert hat, den mit dem Heranziehungsbescheid geforderten Betrag
innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides zu
begleichen. Die Antragsteller haben dies offensichtlich auch als Aufhebung der
Aussetzungsentscheidung aufgefasst. Eines erneuten Antrages auf Aussetzung der
Vollziehung bei der Behörde bedarf es nicht,
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vgl. Redeker / von Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 80 Rn. 41.
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Voraussetzung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist, dass ernstliche Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den
Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
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Ernstliche Zweifel bestehen, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und
Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist
als ein Misserfolg. Dabei sind regelmäßig nur solche Einwendungen zu
berücksichtigen, die der Rechtsschutz Suchende selbst geltend macht, es sei denn,
sonstige Mängel stellen sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich dar.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. März 2004 - 11 B 116/04 -- m.w.Nachw. sowie
Beschluss vom 17. März 1994 - 15 B 3022/93 -, NWVBl. 1994, 337.
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des
Antragsgegners im oben dargelegten Sinne bestehen nicht, denn nach summarischer
Prüfung der Sach- und Rechtslage ist ein Erfolg der Klage nicht wahrscheinlicher als ein
Unterliegen der Kläger.
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Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur gebotenen summarischen
Überprüfung drängen sich offensichtliche Bedenken gegen die Gültigkeit der der
Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 1999 bis 2003 zu Grunde
liegenden Satzung über die Reinigung der öffentlichen Straßen in der Stadt E vom 14.
Dezember 1991 i.d.F. der 6. Änderungssatzung vom 17. Dezember 1998 (für 1999) bzw.
der 7. Änderungssatzung vom 21. Dezember 1999 (für 2000) bzw. der 8. Änderungs-
satzung vom 20. Dezember 2000 (für 2001) bzw. der 9. Änderungssatzung vom 10.
Dezember 2001 (für 2002) bzw. der 10. Änderungssatzung vom 16. Dezember 2002 (für
2003) unter Berücksichtigung der vom Rat der Stadt am 25. März 2004 beschlosse-nen
Ergänzung der Kalkulationen für die Straßenreinigungsgebühren 1999 bis 2004 nicht
auf.
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Gegen die nachträgliche Heranziehung der Antragsteller zu Gebühren für die Jahre
1999 bis 2003 bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, insbesondere sind die
Gebührenforderungen nicht verjährt. Nach der gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 b
Kommunalabgabengesetz für das Land O (KAG) auf Gebühren entsprechend
anwendbaren Vorschrift des § 169 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) beträgt die
Verjährungsfrist 4 Jahre und beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem der Gebührenanspruch entstanden ist. Die Verjährungsfrist war
demnach bei Erlass des Heranziehungsbescheides im Dezember 2003, mit dem die
Antragsteller rückwirkend zu Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 1999 - 2003
herangezogen worden sind, noch nicht abgelaufen.
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Der von der Stadt E der Heranziehung der Antragsteller zu Straßenreinigungsgebühren
zu Grunde gelegte Gebührenmaßstab der Frontlänge (§ 6 Abs. 1 SRS) ist ein zulässiger
Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
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Ständige Rechtsprechung; vgl. u.a. OVG NRW, Urteil vom 17. Dezember 1980 - 2 A
2018/80 -, OVGE 35, 80 ff.; Urteil vom 7. Januar 1982 - 2 A 1778/81 - KStZ 1982, 169 =
Gemeindehaushalt 1982, 270; Urteil vom 28. Juli 1987 - 22 A 2153/85 - und vom 12.
April 1989 - 9 A 134/87 -; BVerwG, Beschluss vom 19. März 1981 - 8 B 10.81 -, NJW
1981, 2314 = KStZ 1981, 110; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 17.
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Februar 1982 - 1 BvR 863/81 u.a. -, ZKF 1982, 213.
Es ist bei summarischer Prüfung auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die
Satzung nicht zutreffend auf den Fall der Antragsteller angewandt hätte. Das
Hausgrundstück O1straße 000, das im Eigentum der Antragsteller steht, wird entgegen
der Ansicht der Antragsteller sowohl durch die O1straße als auch die H- Straße
erschlossen. Im Sinne des § 3 Abs. 1 Straßenreinigungsgesetz O (StReinG O) und
damit auch im Sinne des § 6 SRS ist ein Grundstück durch eine öffentliche Straße
erschlossen, wenn es rechtlich und tatsächlich eine Zugangsmöglichkeit zu der Straße
hat und dadurch schlechthin eine innerhalb geschlossener Ortslagen übliche und
sinnvolle wirtschaftliche Grundstücksnutzung ermöglicht wird.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. September 1989 - 9 A 1974/87 -, Städte- und
Gemeinderat 1990, 215.
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Darauf, ob die Antragsteller tatsächlich einen Zugang von der H-Straße auf ihr
Grundstück angelegt haben, kommt es hiernach nicht an. Bei summarischer Prüfung
bestehen auf Grund des vorgelegten Katasterplanes an einer rechtlich gesicherten und
tatsächlich bestehenden Zugangsmöglichkeit von der H-Straße auf das Grundstück der
Antragsteller jedenfalls keine Zweifel. Die Antragsteller sind entgegen ihren
Ausführungen vom Antragsgegner als Anlieger und nicht als Hinterlieger zu
Straßenreinigungsgebühren herangezogen worden. Das veranlagte Grundstück der
Antragsteller grenzt mit einer Frontlänge von 17 m als Anlieger an die O1straße und mit
einer Frontlänge von 16,30 m (abgerundet 16 m, (vgl. § 6 Abs. 6 SRS) an die H Straße
an. Die dem Grundstück der Antragsteller vorgelagerten Flurstücke 104 und 105 sind als
Gehweg Teil der O1straße.
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Die O1straße ist nach dem zu der SRS gehörenden Straßenverzeichnis im
Veranlagungszeitraum zwei Mal wöchentlich gereinigt (Reinigungsklasse C 2) worden,
und die H-Straße ist nach dem zu der SRS gehörenden Straßenverzeichnis im
Veranlagungszeitraum ein Mal wöchentlich gereinigt worden (Reinigungsklasse C 1).
Der Antragsgegner hat den entsprechenden Gebührensatz der im jeweiligen
Veranlagungszeitraum geltenden Fassung der SRS der Veranlagung der Antragsteller
zu Grunde gelegt. Die von den Antragstellern geforderte Ermäßigung der
Straßenreinigungsgebühren wegen Mehrfacherschließung findet sich in der SRS des
Antragsgegners nicht (vgl. § 6 Abs. 4 SRS). Der Satzungsgeber ist hierzu auch nicht
verpflichtet,
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vgl. Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 3. Aufl.
2000 S. 392 RN 367 mit Rechtsprechungsnachweisen.
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Den Beanstandungen der Antragsteller hinsichtlich der Höhe der für die jeweiligen
Heranziehungszeiträume maßgebenden Gebührensätze kann im vorliegenden
summarischen Verfahren ohne weitere Aufklärung nicht nachgegangen werden. Ob der
Antragsgegner die nunmehr für das gesamte Stadtgebiet nachveranlagten Beträge und
Frontmeter, die in ihrer konkreten Höhe erst noch ermittelt werden müssen, in seiner
nachträglich geänderten Gebührenbedarfsberechnung berücksichtigen musste und
ggfs. angemessen berücksichtigt hat, muss der Prüfung im Verfahren zur Hauptsache
vorbehalten bleiben.
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Das nachträgliche Nachschieben einer Neuberechnung zur Rechtfertigung der
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Gebührensätze ist jedenfalls grundsätzlich zulässig. Der Gebührensatz muss lediglich
im Ergebnis den Anforderungen der einschlägigen Gebührenvorschriften entsprechen
und demzufolge nicht auf einer vom Rat beschlossenen stimmigen Gebührenkalkulation
beruhen,
vgl. ständige Rechtsprechung des 9. Senats des OVG NRW, siehe Urteil vom 24. Juli
1995 - 9 A 2251/93 -, NVwZ-RR 1996, 695, m.w.Nachw.
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Das bedeutet, dass überhöhte Kostenansätze ggfs. keine Auswirkung auf die Gültigkeit
der Gebührensätze und der Satzung insgesamt haben, wenn sich im Rahmen einer
umfassenden Prüfung herausstellt, dass zulässige Kostenansätze unterblieben oder zu
niedrig bemessen worden sind. Die Prüfung im Hauptsacheverfahren wird ergeben, ob
dies hinsichtlich des vom Antragsgegner zur Rechtfertigung der erhobenen
Gebührensätze nachträglich reduzierten Anteils des Allgemeininteresses an der
Straßenreinigung der Fall ist. Grundsätzlich liegt die Festlegung der Höhe des
Kostenanteils für das Allgemeininteresse im Ermessen des Ortsgesetzgebers, d.h. der
Ortsgesetzgeber hat eine weit gehende Einschätzungsfreiheit, wie hoch dieser
Kostenanteil zu bemessen ist, der gerichtlich im Hauptsacheverfahren nur daraufhin zu
überprüfen ist, ob der Antragsgegner die konkret ermittelte Kostenquote auf Grund der
örtlichen Verhältnisse hinsichtlich der Straßenreinigung sachgerecht ermittelt und den
Anteil des Allgemeininteresses angemessen berücksichtigt hat,
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vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 25. Mai 1984 - 8 C 55.82 und 58.62 - BVerwGE 69, 242
(243 f.) und 7. April 1989 - 8 C 90.87 - BVerwGE 81, 371 (376); OVG Rh-Pf., Urteil vom
25. September 1985 - 10 C 1/85 -, VR 1986, 138 und VG Düsseldorf, Urteil vom 6.
November 2002 - 16 K 1785/01 -.
25
Aus dem Urteil des OVG NRW vom 27. Mai 2003 - 9 A 4716/00 - zur Behandlung der
Winterwartungskosten kann jedenfalls entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht
geschlossen werden, dass der Antragsgegner gezwungen ist, die angefallenen
Winterwartungskosten entsprechend dem jeweiligen Nutzen auf die Gebührenzahler zu
verteilen. Dies ist nur der Fall, wenn die Gebührenzahler mit diesen Kosten belastet
werden sollen. Die Stadt E ist grundsätzlich nicht gehindert, die Kosten der
Winterwartung vollständig selbst zu übernehmen und diese entweder aus allgemeinen
Haushaltsmitteln zu begleichen oder sie ihrem Eigenanteil im Rahmen des
Allgemeininteresses zuzuschlagen und damit die Gebührenzahler von diesen Kosten zu
entlasten. Dabei darf der Eigenanteil auch die Reinigungsaufwendungen derjenigen
innerhalb der geschlossenen Ortschaft liegenden Straßen erfassen, die keine
Grundstücke erschließen, sog. anliegerfreie Strecken,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. März 1990 - 9 A 987/88 - UA S. 14 f. und Wichmann,
Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 3. Ausl. 2000, Rn 354,
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die laut Angaben des Antragsgegners in der Reinigungsklasse D erfasst sind. Nach
Angaben der Antragsteller betrug der Eigenanteil der Stadt E in den hier streitigen
Jahren 1999 - 2003 vor der Neubewertung des Allgemeininteresses jeweils ca. 23 %
der Kosten der Straßenreinigung. Nach der Neuermittlung der für die Kalkulation des
Aufwandes notwendigen Streckenlängen und der Neubewertung des
Allgemeininteresses beträgt der Eigenanteil der Stadt ohne die Kosten der
Winterwartung nach den vom Antragsgegner überreichten Unterlagen zur
Neukalkulation der Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 1999 - 2004 nunmehr
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jeweils zwischen 15 % und 16 %; zuzüglich der Kosten der Winterwartung ergibt sich
rechnerisch ein Gesamtanteil des Allgemeininteresses an den Kosten der
Straßenreinigung in Höhe von ca. 20 %.
Nachträgliche Gebühreneinnahmen können zudem in dem betreffenden
Kalkulationszeitraum aufgetretene Unterdeckungen - deren Bestehen jedenfalls für die
Jahre 1999, 2000 und 2002 vom Antragsgegner mit konkreten Zahlen vorgetragen wird -
kompensieren, sodass tatsächlich kein Gewinn erzielt wird. Ob dies der Fall ist, muss
ebenfalls der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Aus den von den Antragstellern beanstandeten Differenzen bei den Frontmeterangaben
des Antragsgegners in seiner nachträglichen Gebührenkalkulation ergeben sich bei
summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der nachträglichen
Gebührenbedarfsberechnung. Denn diese Differenzen dürften daraus resultieren, dass
es sich zum einen um die für das jeweilige Veranlagungsjahr zu Grunde gelegten
Frontmeter und zum anderen um die für das jeweilige Vorjahr berechneten Frontmeter
handelt, also unterschiedliche Faktoren in die Berechnung eingeflossen sind, die nicht
identisch sein müssen.
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Die Prüfung der sonstigen Einwendungen der Antragsteller hinsichtlich der
Berechtigung von Kostenpositionen, die unzulässigerweise in die jeweilige
nachträgliche Gebührenbedarfsberechnung eingestellt worden sein sollen, bedarf
gegebenenfalls der weiteren Aufklärung durch Einholung von Unterlagen und
Auskünften seitens des Antragsgegners, sodass auch insoweit eine Klärung nur im
Hauptsacheverfahren erreicht werden kann.
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Nach summarischer Prüfung der bisher vorliegenden Unterlagen ist ein Erfolg der Klage
der Antragsteller daher allenfalls ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg, sodass es
bei der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO getroffenen Regel verbleibt, dass Rechtsbehelfe
gegen Abgabenbescheide grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben.
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Gründe, aus denen die sofortige Zahlung der umstrittenen Gebühren vor Entscheidung
in der Hauptsache für die Antragsteller eine besondere Härte bedeuten würde, haben
die Antragsteller nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG a.F. und
entspricht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen einem Viertel der streitigen Gebühren in Höhe von insgesamt
1.466,57 Euro.
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