Urteil des VG Düsseldorf vom 02.08.2004

VG Düsseldorf (grundstück, antragsteller, haus, aufschiebende wirkung, zweifel, höhe, grund, vollziehung, verbindung, antrag)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 12 L 4687/03
Datum:
02.08.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12 Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 L 4687/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.035,32 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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Der Antragsteller ist Miteigentümer des in N gelegenen, 890 qm großen Grundstücks
Gemarkung G1, mit der postalischen Bezeichnung O Straße 186. Dieses Grundstück
grenzt in seinem rückwärtigen Teil an einen Wohnweg, der zu der gleichnamigen
Stichstraße Lstraße führt.
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Für dieses Grundstück zog die Antragsgegnerin den Antragsteller - neben einer
Beitragserhebung für den Wohnweg, diesbezüglich ein weiteres Rechtsschutzverfahren
anhängig ist (12 L 4671/03) - mit Bescheid vom 8. September 2003 für die
Erschließungsanlage „Lstraße von Haus-Nr. 5/21 bis Wendehammer einschließlich 2
Anhängsel (Garagenhof und Platz bei Haus-Nr. 7)" [im Folgenden: Lstraße
(Stichstraße)] zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 4.141,27 Euro heran.
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Hiergegen erhob der Antragsteller am 18. September 2003 Widerspruch. Seinen Antrag
auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides lehnte die Antragsgegnerin mit
Schreiben vom 3. November 2003 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2004
wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück; dagegen wurde am 23. Januar 2004
Klage erhoben (12 K 529/04).
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Mit dem am 18. Dezember 2003 bei Gericht eingegangenen Aussetzungsantrag macht
der Antragsteller geltend: Er könne für die abgerechnete Erschließungsanlage nicht
herangezogen werden, weil sein Grundstück durch einen Wohnweg mit der
Erschließungsanlage verbunden werde, dessen Abrechnung - wie im entsprechenden
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Parallelverfahren (12 L 4671/03) ausgeführt - ihm gegenüber rechtswidrig sei. Dadurch
fehle es rechtlich an einer Verbindung zu der hier abgerechneten Erschließungsanlage.
Im Übrigen habe er der Begründung des Bebauungsplans Nr. 163/IX vom 21.
September 1983, in dessen Gebiet die Erschließungsanlage liege, entnommen, dass
die Lstraße einschließlich der - nun abgerechneten - seitlichen Stichstraße mit
Wendehammer bereits ausgebaut gewesen sei. Er habe deshalb darauf vertrauen
können, dass diesbezüglich keine Kosten mehr anfallen würden.
Der Antragsteller beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 12 K 529/04 gegen den Heranziehungsbescheid
der Antragsgegnerin vom 8. September 2003 anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie führt - unter ergänzender Bezugnahme auf die Begründungen des Schreibens vom
3. November 2003 und des Widerspruchsbescheides - im Wesentlichen aus: Die - im
Geltungsbereich des 1983 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 163/IX gelegene,
nicht nur eine unselbstständige Teilanlage der Lstraße darstellende -
Erschließungsanlage sei baulich zwischen 1976 und 1995 hergestellt worden; die
zugehörige Widmung sei allerdings erst am 23. Mai 2003 erfolgt und am 15. Juni 2003
veröffentlicht worden. Das Grundstück des Antragstellers sei durch diese
Erschließungsanlage erschlossen. Der Erschließungsvorteil sei objektiv zu beurteilen,
unabhängig davon, ob der Anlieger selbst die Erschließungsanlage benutzen wolle
oder sie als eigenen Vorteil empfinde; insoweit komme es insbesondere nicht auf die
Ausrichtung des Hauses zu einer anderen Straße oder der Lage des Hauseingangs an.
Trotz der vorliegenden Zweiterschließung seines Grundstücks könne dem Antragsteller
eine „Eckermäßigung" nicht gewährt werden, da der Ermäßigungstatbestand des § 7
Abs. 2 EBS nicht erfüllt sei; der geringste Abstand zwischen den beiden
Erschließungsanlagen O Straße und Lstraße betrage nämlich mehr als 40 Meter. Soweit
der Antragsteller sich auf Vertrauensschutz im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan
Nr. 163/IX berufe, gehe dies fehl; zudem könne eine Beitragspflicht auch in
unbeplantem Gebiet entstehen. Hinsichtlich des Wohnwegs sei die Beitragspflicht
zudem erst auf Grund der 1987 in Kraft getretenen Neuregelung in § 127 Abs. 2 Nr. 2
BauGB möglich geworden.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
12
II.
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Der zulässige Antrag ist nicht begründet, weil keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen, die es rechtfertigen, den
Antragsteller entgegen der Grundregel des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorerst von der
Zahlungspflicht freizustellen (§ 80 Abs. 4, 5 VwGO), und die Vollziehung für den
Antragsteller auch keine nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte.
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Ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen, wenn auf Grund
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summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage und vorrangig ausgehend von den
Einwänden des Antragstellers dessen Obsiegen im Hauptverfahren wahrscheinlicher ist
als sein Unterliegen.
Vgl. OVG NW, Beschlüsse vom 25. August 1988 (3 B 2564/85), DÖV 1990, 119, und
vom 17. März 1994 (15 B 3022/93).
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Die folglich im Aussetzungsverfahren durchzuführende Prognose zu den
Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Hauptverfahren kann dabei nur mit den Mitteln
des Eilverfahrens getroffen werden. Die gerichtliche Überprüfung des Streitstoffes im
Rahmen des Aussetzungsverfahrens findet jedoch ihre Grenze an den Gegebenheiten
des vorläufigen Rechtsschutzes, soll sie nicht Ersatz für das Hauptsacheverfahren
werden, das in erster Linie den Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt. Dies
bedeutet zunächst, dass in dem summarischen Verfahren vordringlich nur die Einwände
berücksichtigt werden können, die der Rechtsschutzsuchende selbst gegen die
Rechtmäßigkeit des Erschließungsbeitragsbescheides vorbringt, es sei denn, dass sich
andere Fehler bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. Ferner folgt
hieraus, dass im vorläufigen Rechtsschutzverfahren weder schwierige Rechtsfragen
ausdiskutiert noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden können.
17
Vgl. OVG NW, a.a.O.
18
Hiervon ausgehend bestehen nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine
ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Antragstellers zu dem
Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlage „Lstraße von Haus-Nr. 5/ 21 bis
Wendehammer einschließlich 2 Anhängsel (Garagenhof und Platz bei Haus-Nr. 7)".
19
Insbesondere bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Grundstück des
Antragstellers durch die abgerechnete Erschließungsanlage erschlossen wird.
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Insoweit spricht zunächst alles dafür, dass es sich bei der „Lstraße von Haus- Nr. 5/ 21
bis Wendehammer einschließlich 2 Anhängsel (Garagenhof und Platz bei Haus-Nr. 7)"
um eine selbstständige Erschließungsanlage handelt. Grundsätzlich sind - nach der
natürlichen Betrachtungsweise - alle abzweigenden befahrbaren Verkehrsanlagen als
unselbständige „Anhängsel" zu qualifizieren, die nach den tatsächlichen Verhältnissen
den Eindruck einer Zufahrt vermitteln, d.h. die (ungefähr) wie eine Zufahrt aussehen.
Das ist bei bis zu 100 m tiefen, nicht verzweigten (nicht abknickende) Stichstraßen
regelmäßig der Fall mit der Folge, dass diese als unselbstständig zu qualifizieren sind.
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Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. 2001, § 12 Rdnr. 14 m.w.N.
Aus der Rechtsprechung insb. BVerwG, Urteile vom 9. November 1984 (8 C 77.83),
BVerwGE 70, 247 = Buchholz 406.11 § 129 BBauG Nr. 19, vom 23. Juni 1995 (8 C
30.93), BVerwGE 99, 23 = Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 80, und vom 16.
September 1998 (8 C 8.97), NVwZ 1999, 997 = Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 109.
22
Unabhängig von dem durch die tatsächlichen Verhältnisse vermittelten Gesamteindruck
ist eine befahrbare Stichstraße erschließungsbeitragsrechtlich jedoch stets als
selbständige Anbaustraße zu qualifizieren, wenn sie erst nach der endgültigen
Herstellung und dem Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten für die
(Haupt-)Erschließungsstraße angelegt worden ist, von der sie abzweigt.
23
Vgl. Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 15; BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1990 (8 C 80.88),
NVwZ 1991, 77 = Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 61, S. 59 (62 f.).
24
Von einer solchen Sachlage ist vorliegend mit Blick auf die offenbar seit langem
existierende, lediglich durch zahlreiche (in der Widmung vom 23.5./13.6.2003 näher
bezeichnete) nachträgliche „Verästelungen" ergänzte „alte" Lstraße auszugehen. Die -
nach den vorliegenden Plänen etwa 85-90 m tiefe - Stichstraße „Lstraße von Haus- Nr.
5/21 bis Wendehammer einschließlich 2 Anhängsel (Garagenhof und Platz bei Haus-Nr.
7)" wird daher wohl als selbstständige Erschließungsanlage zu behandeln sein.
25
Dass das Grundstück des Antragstellers - auch - durch diese Erschließungsanlage
Lstraße (Stichstraße) erschlossen wird, dürfte nicht zu bezweifeln sein. Dabei ist ohne
Bedeutung, ob das Grundstück des Antragstellers bereits über eine „hinreichende"
Erschließung über die O Straße verfügt und eine weitere Erschließung überflüssig
erscheinen mag. Nach der von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwikkelten
„Wegdenkenstheorie" ist bei der Prüfung des Erschlossenseins durch eine
hinzutretende Erschließungsanlage eine etwa schon durch eine bestehende
Anbaustraße vermittelte Bebaubarkeit hinwegzudenken; maßgeblich ist allein, ob das
betroffene Grundstück mit Blick auf die wegemäßige Erschließung allein wegen der
abzurechnenden (weiteren) Anlage nach Maßgabe der §§ 30 ff. BauGB bebaubar ist.
26
Vgl. näher Driehaus, a.a.O., § 17 Rdnr. 89 mit zahlreichen Nachweisen aus der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
27
Das dürfte hier der Fall sein. Das Grundstück des Antragstellers erscheint - bei
Hinwegdenken der O Straße - mit Blick auf die Erschließungsanlage „Lstraße von Haus-
Nr. 5/21 bis Wendehammer einschließlich 2 Anhängsel (Garagenhof und Platz bei
Haus-Nr. 7)", bebaubar und daher (auch) insoweit erschlossen; dabei wird die
Erschließungswirkung vermittelt durch den Wohnweg, der von der genannten
Erschließungsanlage bis zum rückwärtigen Teil des Grundstücks des Antragstellers
führt.
28
Durch eine Anbaustraße erschlossen sein können nämlich auch solche
„Hinterliegergrundstücke" (aus Sicht dieser Anbaustraße, d.h. der Lstraße/Stichstraße),
die mit ihr durch einen öffentlichen Wohnweg im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB
Verbindung haben. Diese Hinterliegergrundstücke sind durch die Anbaustraße
erschlossen, in die der öffentliche, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mit
Kraftwagen befahrbare Wohnweg einmündet, sofern ihnen durch diese Anbaustraße in
Verbindung mit dem Wohnweg eine Zugänglichkeit vermittelt wird, die bauordnungs-
und bebauungsrechtlich für ihre Bebaubarkeit ausreicht.
29
Für die Bebaubarkeit ist es in Wohngebieten in der Regel erforderlich, wenn die Straße -
bei Hinterliegergrundstücken ggf. unter Inanspruchnahme eines vermittelnden Zuwegs -
die Möglichkeit eröffnet, mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an sie
heranzufahren und sie von da ab zu betreten. Herangefahren werden kann in diesem
Sinne an ein Grundstück mit Kraftwagen regelmäßig dann, wenn auf der Fahrbahn einer
öffentlichen Straße bis zur Höhe des Grundstücks mit Personen- und
Versorgungsfahrzeugen gefahren werden und von da ab ggf. über einen Gehweg
und/oder Radweg das Grundstück betreten werden kann.
30
Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. März 1991 (8 C 59.89), BVerwGE 88, 70 (77 ff.), und vom 4.
31
Juni 1993 (8 C 33.91), BVerwGE 92, 304; Driehaus, a.a.O., § 17 Rdnr. 57, 59 m.w.N.
Das nordrhein-westfälische Bauordnungsrecht lässt jedoch seit Inkrafttreten der BauO
1984 für die Bebaubarkeit eines Grundstücks unter bestimmten Voraussetzungen
ausdrücklich eine fußläufige Erreichbarkeit ausreichen. Zwar dürfen nach § 4 Abs. 1 Nr.
1 BauO NW Wohngebäude (grundsätzlich) nur errichtet werden, wenn gesichert ist,
dass bis zum Beginn ihrer Nutzung das Grundstück in angemessener Breite an einer
befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder das Grundstück eine befahrbare,
öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche
hat. Im 2. Halbsatz dieser Vorschrift wird aber sodann ergänzend bestimmt, dass
Wohnwege, an denen nur Gebäude geringer Höhe zulässig sind - das sind Gebäude,
bei denen der Fußboden keines Geschosses mit Aufenthaltsräumen im Mittel mehr als 7
m über der Geländeoberfläche liegt (§ 2 Abs. 3 S. 1 BauO NW) -, nur dann befahrbar zu
sein brauchen, wenn sie länger als 50 m sind.
32
Vorliegend sind an dem entlang des Grundstücks des Antragstellers verlaufenden
Wohnweg nur Gebäude geringer Höhe zulässig. Das ergibt sich mittelbar aus den
Festsetzungen des (seit 1983 geltenden) Bebauungsplans Nr. Nr. 163/IX, der den hier
betroffenen Bereich als Allgemeines bzw. Reines Wohngebiet mit zweigeschossiger
Bebauung (mit Satteldach) festgesetzt hat (WA II, WR II). Denn ein zweigeschossiges
Gebäude nicht geringer Höhe, dessen 1. Geschoss fast 7 m hoch wäre (so dass der
Fußboden des 2. Geschosses im Mittel mehr als 7 m über der Gebäudeoberfläche läge),
wäre wegen Verstoßes gegen § 15 BauNVO unzulässig, da es der Eigenart des
Baugebietes widerspechen und das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzen
würde.
33
Somit ergibt sich, dass der nach seiner Widmung auf den Fußgängerverkehr
beschränkte, ca. 38 m lange Wohnweg aus bebauungsrechtlicher Sicht nicht befahrbar
zu sein braucht. Die fehlende Möglichkeit, das Grundstück über diesen Wohnweg
insbesondere mit einem Pkw anzufahren, steht deshalb auch dem Erschlossensein im
beitragsrechtlichen Sinne nicht entgegen. Auch angesichts der Breite des Wohnwegs,
die nach den vorliegenden Plänen ca. 3 m beträgt, dürften im Hinblick auf die
Anforderungen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauO NW keine Bedenken bestehen.
34
Vgl. dazu allgemein OVG NW, Beschluss vom 5. Mai 2000 (3 A 3132/99); Driehaus,
a.a.O., § 17 Rdnr. 23 (Fußn. 50) m.w.N.
35
Nach alledem dürfte deshalb die Lstraße (Stichstraße) in Verbindung mit dem
unbefahrbaren Wohnweg geeignet sein, dem - bei Hinwegdenken der O Straße -
zufahrtslosen (Hinterlieger-) Grundstück des Antragstellers die Bebaubarkeit zu
vermitteln mit der Folge, dass es als durch diese Verkehrsanlagen erschlossen im Sinne
des § 131 Abs. 1 S. 1 BauGB zu qualifizieren ist.
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Auf die vom Antragsteller in den Vordergrund gestellte, von ihm offenbar als
„vorgreiflich" angesehene Frage, ob der Wohnweg selbst
erschließungsbeitragsrechtlich abgerechnet werden kann, kommt es im vorliegenden
Verfahren nicht an. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Wohnwege erst durch die
Neuregelung in § 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB vom Gesetzgeber ausdrücklich als
beitragsfähige Erschließungsanlagen bestimmt worden sind, was nach früherer
Rechtslage zweifelhaft war. Danach war es durchaus möglich, dass Anlieger von
Wohnwegen erschließungsbeitragsrechtlich zu den Kosten der ihre Grundstücke
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erschließenden Anbaustraße, nicht aber zu den Kosten des Wohnwegs selbst
herangezogen werden konnten.
Vgl. dazu eingehend Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 8. Aufl. 2002, § 127
Rdnr. 24. Zur gesetzlichen Übergangsregelung in § 242 Abs. 4 BauGB, der eine
Beitragspflicht auch für die bereits vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellten
Wohnwege zulässt, vgl. Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 67-68; Battis/Krautzberger/Löhr,
a.a.O., § 127 Rdnr. 25, § 242 Rdnr. 4 m.w.N.
38
An dieser Unabhängigkeit der Beurteilung der Erschließungsbeitragsfähigkeit von
Wohnweg und Anbaustraße hat sich insoweit nichts geändert. Daher kann auch ein
Wohnweg, der nicht den Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB entspricht,
unter Umständen die Erschließung zu einer Anbaustraße vermitteln. Im Übrigen ist
vorliegend von der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung für den Wohnweg
auszugehen, wie sich aus dem Beschluss im Verfahren 12 L 4671/03 vom heutigen
Tage ergibt.
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Soweit sich der Antragsteller - insbesondere in seiner Begründung in jenem
Parallelverfahren -darauf beruft, im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens für den
nunmehr beitragsrechtlich abgerechneten Bereich sei er- nicht zuletzt auf Grund von
Auskünften der Antragsgegnerin - davon ausgegangen, dass insoweit keine
beitragsrechtlichen Folgen auf ihn zukommen würden, ist dieses Vorbringen nicht
hinreichend substantiiert und nicht schlüssig. Selbst wenn der Antragsteller 1983 davon
hätte ausgehen können, dass die Lstraße einschließlich der - nun abgerechneten -
seitlichen Stichstraße mit Wendehammer bereits ausgebaut gewesen sei, hätte dies
einen Schluss auf die (Nicht-) Abrechenbarkeit - die neben der technischen Herstellung
auch von weiteren Voraussetzungen (z.B. Widmung der Erschließungsanlage)
abhängig ist - nicht gerechtfertigt. Abgesehen davon kommt ein „Vertrauensschutz"
gegenüber bloßen mündlichen Auskünften ohnehin kaum in Betracht (vgl. § 38 VwVfG);
im Übrigen dürfte dafür auch mit Blick auf die gesetzliche Neuregelung in § 127 Abs. 2
Nr. 2 BauGB, die vom Gesetzgeber ausdrücklich mit Rückwirkung versehen wurde (vgl.
§ 242 Abs. 4 BauGB),
40
vgl. dazu näher Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 67-68; Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., §
127 Rdnr. 25, § 242 Rdnr. 4 m.w.N.,
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kein Raum sein.
42
Gewisse Bedenken könnten gegen den angegriffenen Bescheid allerdings insoweit
erhoben werden, als eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung (§ 7 Abs. 1 EBS)
abgelehnt wurde. Soweit der Antragsgegner dies auf die Regelung in § 7 Abs. 2 EBS
stützt, wonach bei Grundstücken, die „zwischen zwei Erschließungsanlage liegen", die
Vergünstigung nach Abs. 1 nur dann „entsprechend" gilt, wenn der geringste Abstand
zwischen den Erschließungsanlagen nicht mehr als 40,00 m beträgt - was im Hinblick
auf die O Straße und die hier abgerechnete Erschließungsanlage Lstraße (Stichstraße)
nach den bei den Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners befindlichen Plänen wohl
der Fall ist - , stellt sich die Frage, ob diese Satzungsregelung mit höherrangigem Recht
vereinbar ist, insbesondere mit dem beitragsrechtlichen Gebot einer angemessen
vorteilsgerechten Aufwandsverteilung in Einklang zu bringen ist.
43
Vgl. dazu kritisch bereits Urteil der Kammer vom 29. Oktober 2001 (12 K 9308/97), S. 9-
44
10 m.w.N., sowie Beschluss der Kammer vom 24. Januar 2003 (12 L 1707/02), S. 6-7;
ferner VGH München, Beschluss vom 29. November 1989 (6 N 86.01300), NVwZ-RR
91, 663; VG Schwerin, Urteil vom 11. Juni 1999 (8 A 3225/96); Driehaus, a.a.O., § 18
Rdnr. 79; Vogel, in: Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, § 131 Rdnr. 130. Fraglich ist
insbesondere unter Gleichheitsgesichtspunkten, ob es einen nachvollziehbaren Grund
gibt, dass mehr als 40 m tiefe Eckgrundstücke in den Genuss der satzungsmäßigen
Vergünstigung kommen sollen, nicht aber gleich tiefe Grundstücke zwischen zwei
Erschließungsanlagen.
Derartige Feststellungen über die Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen sind
allerdings im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens in der Regel nicht
möglich, sondern sollen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
45
In diesem Sinne OVG NW, Beschluss vom 25. Juli 2003 (3 B 339/03).
46
Problematisch ist im Übrigen auch, ob das Grundstück des Antragstellers überhaupt
„zwischen zwei Erschließungsanlagen" im Sinne von § 7 Abs. 2 EBS liegt; denn es
grenzt nicht unmittelbar an die abgerechnete Erschließungsanlage an, sondern nur
vermittelt durch den Wohnweg.
47
Vgl. zur Terminologie Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 131 Rdnr. 52:
„Grundstücke zwischen zwei Straßen, also solche Grundstücke, die mit einer Grenze an
einer Straßenseite und mit der anderen (entgegengesetzten) an einer anderen liegen
oder durch sie erschlossen sind." (Hervorhebungen hinzugefügt)
48
Wenn aber insoweit auf den Wohnweg - gleichsam als „Anfang" der zweiten
Erschließungsanlage - abgestellt würde, betrüge der Abstand „zwischen" den Anlagen -
wie sich aus den bei den Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners befindlichen
Plänen ergibt - nur etwa 37,50 m, also weniger als die satzungsgemäß „schädlichen" 40
m.
49
Diese rechtlich schwierige Frage wird aber dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten
sein, und auf sie wird es mit Blick auf den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 4 lit. b)
EBS auch nur ankommen, wenn für das Grundstück des Antragstellers - was sich aus
dem bisherigen Vortrag der Beteiligten nicht ergibt und auch aus den vorgelegten
Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen ist - überhaupt Erschließungsbeiträge für
die O Straße gezahlt worden oder noch zu zahlen sind.
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Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Bescheide herleiten ließen, hat der Antragsteller nicht vorgebracht und
drängen sich bei summarischer Prüfung durch die Kammer auch nicht offensichtlich auf.
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Die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung erscheint im Übrigen auch unter
dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht
gerechtfertigt. Eine solche liegt nämlich nur vor, wenn in einem offenkundig nicht
aussichtslosen Verfahren der Abgabenpflichtige durch die sofortige Vollziehung einen
selbst durch spätere Rückzahlung nicht wieder gut zu machenden Nachteil solchen
Grades erleiden würde, dass demgegenüber das vom Gesetzgeber vorausgesetzte
Interesse an der schnellen Entrichtung der Abgaben zurücktreten müsste.
52
Vgl. OVG NW, Beschlüsse vom 25. Januar 1950 (III B 121/49), OVGE 1, 77, und vom 8.
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Januar 1990 (2 B 2565/89).
Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung des
Beitragsbescheids solche nicht wieder gut zu machenden Nachteile drohen, die
insbesondere einer Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz gleichkommen würden,
sind nicht ersichtlich und auch von ihm selbst nicht geltend gemacht worden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 1 GKG. Dabei schätzt die Kammer das Interesse an der
vorläufigen Regelung der Zahlungspflicht in der Regel auf ein Viertel des geforderten
Beitrages. Dies entspricht dem im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
(vgl. NVwZ 1996, S. 563) unter Abschnitt I Nr. 7 vorgesehenen Ansatz.
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