Urteil des VG Düsseldorf vom 30.03.2006

VG Düsseldorf: abgrabung, dokumentation, raumordnung, amt, zur unzeit, finanzielle beteiligung, rechtskräftiges urteil, kostenbeteiligung, gewinnung, gemeinde

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 4265/04
Datum:
30.03.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 4265/04
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Parteien übereinstimmend
in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu
tragen hat.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Unter dem 20. September 1996 beantragte die Fa. H1 Verkaufs- und
Vertriebsgesellschaft mbH und Co. KG die Zulassung einer Nassabgrabung auf
bestimmten Flurstücken der Gemarkung X, Fluren 31 und 32 (Abgrabung „W"), zur
Gewinnung von Kies und Sand. Die Grundstücke liegen zwischen den Ortslagen von X
und L1. Sie umfassen eine Fläche von insgesamt ca. 63 ha. Abgebaut werden soll
davon auf rund 57 ha, der Rest entfällt auf Randflächen und Sicherheitsstreifen. Geplant
ist die Auskiesung bis in eine Tiefe von ca. 16 Metern zur Förderung einer
Rohstoffmenge von ca. 6,55 Mio. cm in einer Zeit von rund 23 Jahren. Durch den Abbau
werden zwei eng aneinander liegende Seen mit einer oberirdischen Wasserfläche von
20 bzw. 29 ha und einer mittleren Tiefe von 15 Metern entstehen.
2
Die durch das Vorhaben erfasste Fläche ist im Gebietsentwicklungsplan (GEP) 99 der
Bezirksregierung E als Bereich für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher
Bodenschätze ausgewiesen.
3
Im Rahmen der Behördenbeteiligung zur Umweltverträglichkeitsprüfung machte der
4
Beigeladene - Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege - mit Schreiben vom 23.
Januar 1998 geltend, im Bereich der geplanten Abgrabung habe sich bedeutende
Bodendenkmalsubstanz erhalten, das ergebe sich aus einer Reihe von bereits
geborgenen Oberflächenfunden; es ließen sich allerdings keine Aussagen zu Art,
Erhaltungszustand und Abgrenzung, sowie zur Denkmalqualität machen. Der
Beigeladene regte eine systematische archäologische Bestandserhebung durch
Prospektion des Geländes an.
Ab dem 21. August 1998 führte die Klägerin als Antragstellerin das
Planfeststellungsverfahren fort. Sie gab in der Folgezeit, obwohl sie entsprechende
Verpflichtungen bestritt, archäologische Explorationen des Geländes in Auftrag,
nachdem sich das Ministerium für Arbeit, Soziales, Stadtentwicklung, Kultur und Sport in
einem Erlass vom 28. September 1998 auf den Standpunkt gestellt hatte, im Rahmen
einer Umweltverträglichkeitsprüfung seien auch die Auswirkungen der geplanten
Maßnahme auf Bodendenkmäler zu untersuchen; die dadurch entstehenden Kosten
fielen dem jeweiligen Antragsteller zur Last.
5
In einem ersten Prospektionsbericht des von der Klägerin herangezogenen
Archäologen W1 von April 1999 hieß es zusammenfassend:
6
„Die archäologische Grunderfassung des Abgrabungsgebietes „W" brachte zwei
römische Fundkonzentrationen ans Licht. Sowohl das erste als auch das zweite und
dritte Jahrhundert nach Chr. sind durch Funde belegt. ... Die beiden großflächigen
Konzentrationen weisen wahrscheinlich auf untertägige Siedlungsspuren hin, deren Art
und Erhaltungszustand unbekannt sind. Es handelt sich wahrscheinlich um zwei
einfache Siedlungen, die vermutlich nicht dermaßen außergewöhnlich sind, dass
grundsätzliche Bedenken gegen die Abgrabung bestehen müssen."
7
In einem zweiten archäologischen Bericht aus Dezember 1999 zur qualifizierten
Begehung und Sondagen in dem Abgrabungsgebiet „W", Gemeinde X, Gemarkung X,
Flur 32 heißt es unter „Ergebnisse":
8
„Bei der Feinbegehung der Flächen, die sich bei der archäologischen Grunderfassung
im Abgrabungsgebiet W als fundreich herausgestellt hatten, blieb die Anzahl der Funde
in allen begangenen Bereichen weit hinter dem Ergebnis der Grunderfassung zurück. Im
ganzen bestätigte und präzisierte die Feinbegehung jedoch die bereits erkannten
römischen Fundkonzentrationen und das Auftreten einzelner eisenzeitlicher Funde.
Zusätzliche Informationen ergaben sich nur in den bei der Grunderfassung nicht durch
Begehung, sondern durch Bohrungen untersuchten Flurstücken 33 und 34. Hier
zeichnete sich eine klar abgegrenzte Fundkonzentration ab.
9
Bei den Sondageuntersuchungen konnten mit einer Ausnahme (...) im Bereich aller bei
den Voruntersuchungen festgestellten Fundkonzentrationen archäologische
Bodenbefunde nachgewiesen werden. Es handelt sich um vier römische (Fundstellen I
bis IV) und eine eisenzeitliche Fundstelle (Fundstelle V). In den meisten Fällen
(Fundstelle I, III, IV, V) konnten dabei Lage und Ausdehnung von Siedlungsbereichen
näher eingegrenzt werden. In einem Fall (Fundstelle II) war eine solche nähere
Bestimmung nicht möglich.
10
...
11
Insgesamt ergab sich eine vergleichsweise dichte Befundsituation. Eine Ausnahme
bildet der Bereich der Fundstelle II, in der wider Erwarten nur ein einziger Befund zu
Tage kam.
12
Die Erhaltung der Befunde ist im Durchschnitt gut, die einzelnen Befunde sind jedoch
nicht besonders auffällig. Eine außergewöhnliche Befundlage oder Befunderhaltung,
die die Erhaltung der Fundstellen begründen könnte, liegt nicht vor. Die nachgewiesene
archäologische Substanz kann durch Ausgrabungen im Vorfeld der geplanten
Abgrabungsmaßnahme gesichert werden."
13
Die Fundstelle I liegt am östlichen Rand des Abbaugebietes auf den Flurstücken 23, 27
und 31 der Flur 32, Fundstelle II liegt westlich unterhalb des Chofes auf dem Flurstück
29, die Fundstellen III und IV liegen nordwestlich des Chofes auf den Flurstücken 31,
32, 33, 34 und die Fundstelle V am Nordrand des Abbaugebietes auf dem Flurstück 36.
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Nach dem Abbauplan der Klägerin fallen die genannten Flurstücke mit den
archäologischen Fundstätten in die Abbauabschnitte Nr. 3 bis 9. Sie sollten in folgenden
Zeiträumen ausgekiest werden:
15
Die Abbauabschnitte 2 und 3 (Flurstücke 23, 25, 27, 28, 29 (jeweils östlicher Teil),
Fundstelle II) im 3. bis 6. Jahr, also bei einem Beginn der Maßnahme im Jahr 2001 ab
dem Jahr 2003 bis ins Jahr 2006; die Abbauabschnitte 4 und 5 (Flurstücke 31
(nördlicher Teil), 32, 33, 34, 36 (jeweils östlicher Teil), Fundstellen III und IV, V teilweise)
im 7. bis 11. Jahr, also ab 2007 bis 2011; die Abbauabschnitte 6 bis 9 (Flurstücke 33,
34, 36 (jeweils westlicher Teil), 23, 27, 28, 31 (jeweils westlicher Teil), Fundstelle V,
restlicher Teil auf dem Flurstück 36, und Fundstelle I) zeitlich anschließend bis zum 20.
Jahr der Abbautätigkeit. Wegen der Einzelheiten des Abbauplanes und der Lage der
Fundstellen von möglichen Bodendenkmälern wird auf die in den Antragsunterlagen zur
Planfeststellung sowie in dem Planfeststellungsvorgang des Beklagten enthaltenen
Pläne verwiesen.
16
Nach einer Planänderung im Mai 2000 (Verlagerung eines bestimmten
Abbauabschnittes um ca. 40 Meter nach Norden; neuer Schutzabstand zu einer
Waldfläche; Wegfall eines Walles, zusätzliche Eingrünung des Betriebsgeländes
entlang der südlichen Grenze durch eine Gehölzeinpflanzung, Anlage eines temporären
Wanderweges) und dem Erörterungstermin vom 27. Juni 2000 wurde der Klägerin am 7.
Dezember 2000 der Planfeststellungsbeschluss vom 4. Dezember 2000 zugestellt.
Darin fand sich unter C.15, Sonstige Belange, Nebenbestimmungen und Hinweise, zu
15.2: „Belange der Bodendenkmalpflege", folgende Anordnung:
17
„In diesem Zusammenhang sind die folgenden Auflagen aus Gründen des
Bodendenkmalschutzes zu beachten:
18
1. Zur Sicherung der Quellen für die Forschung durch archäologische Ausgrabung vor
Beginn der Erarbeiten in den Flurstücken 23, 25, 27, 28, 29, 31, 32, 33, 34, und 36 der
Flur 32 ist eine Grabungserlaubnis gemäß § 13 DSchG bei der Oberen
Denkmalbehörde einzuholen.
19
2. Die wissenschaftliche Untersuchung und Dokumentation der im Rahmen der
archäologischen Prospektion lokalisierten Bodendenkmäler (Fundstellen I, II, III, IV, und
V) unter Einbeziehung der nördlich der Fundstelle I angetroffenen Befunde der
20
Sondagen Stelle 5 (Abschnitt 7) und Stelle 8 (Abschnitt 1) nach Maßgabe einer
Grabungserlaubnis gemäß § 13 DSchG im erforderlichen Umfang ist vor Beginn der
Erdarbeiten in den oben bezeichneten Flurstücken zu Gewähr leisten.
3. Dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege ist jederzeit die Möglichkeit
einzuräumen, die Einhaltung dieser Auflagen zu prüfen und die Grundstücke zu
betreten."
21
Die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 4. Dezember 2000 war
angeordnet. Die Klägerin begann im Januar 2001 mit den Abgrabungsarbeiten.
22
Am 4. Januar 2001 erhob die Klägerin gegen die Anordnung zur Sicherung von
Bodendenkmälern Klage (4 K 61/01). Am 8. Mai 2001 suchte sie um vorläufigen
Rechtsschutz nach. Letzteres blieb ohne Erfolg. Auf die Beschlüsse der 6. Kammer des
VG Düsseldorf vom 15. Januar 2002 (6 L 1177/01) und des OVG NW vom 20. März
2002 (20 B 262/02) wird verwiesen.
23
In der Hauptsache erstritt die Klägerin das Bescheidungsurteil der Kammer vom 30.
Oktober 2003. Darin wurde der Beklagte unter entsprechend teilweiser Abänderung
seines Planfeststellungsbeschlusses vom 4. Dezember 2000 über die Herstellung eines
Gewässers durch Abgrabung auf den Grundstücken in der Gemeinde X, Flur 31,
Flurstücke 4, 5, 6, 8, 9, 15 und Flur 32, Flurstücke 21, 23, 25, 26, 27, 28, 29, 31, 32, 33,
34 und 36, „Abgrabung W", verpflichtet, über die Nebenbestimmung C.15.2 „Belange
der Bodendenkmalpflege" neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu
entscheiden. Das Gericht hielt die Ausgestaltung der Nebenbestimmungen für
unverhältnismäßig und deshalb abwägungsfehlerhaft; die der Klägerin auferlegten
Verpflichtungen zur Bodendenkmalpflege setzten die Interessen an der Nutzung von
Grund und Boden zur Gewinnung von Bodenschätzen unangemessen zurück. Die
Kammer gab dem Beklagten auf, bei der Neubescheidung folgendes zu
berücksichtigen: Er dürfe, anders als verfügt, keine Regelung treffen, die der Klägerin
die Organisation und die Gesamtfinanzierung von wissenschaftlichen Untersuchungen
und der Dokumentation von Bodendenkmälern aufgebe; er dürfe zwar eine
Kostenbeteiligung des Unternehmers an den von den Fachbehörden durchgeführten
wissenschaftlichen Explorationen festlegen, müsse aber einen namhaften Teil dieser
Kosten der öffentlichen Hand anlasten und dafür sorgen, dass die Kosten der von der
Klägerin eigenfinanzierten und organisierten Prospektionen und Sondagen in
angemessenem Umfang bei der Bestimmung des Öffentlichkeitsanteils berücksichtigt
würden; schließlich müsse der Beklagte die Wartefristen bis zum Beginn des
Abbaggerns der Fundplätze endbefristen, um zu verhindern, dass die Untersuchung und
Dokumentation der Bodendenkmäler sich als Abgrabungsverbot auf unbestimmte Zeit
auswirkten.
24
Das Urteil vom 20. Oktober 2003 wurde in erster Instanz rechtskräftig. Wegen der
Einzelheiten des damals zur Entscheidung stehenden Sachverhaltes und der
Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
25
Mit Planänderungsbeschluss vom 17. Juni 2004 fasste der Beklagte die
Nebenbestimmung C.15.2 „Belange der Bodendenkmalpflege" neu. Die
Nebenbestimmung lautet jetzt wie folgt:
26
"Aus Gründen des Bodendenkmalschutzes sind folgende Regelungen zu beachten:
27
1. Der nach dem Denkmalschutzgesetz NRW zuständigen Fachbehörde (nachstehend:
Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege) ist vor Beginn der Erdarbeiten im Bereich
der Fundstellen l, II, III, IV und V Gelegenheit zur wissenschaftlichen Untersuchung und
Dokumentation der im Rahmen der archäologischen Prospektion lokalisierten
Bodendenkmäler zu geben. Der innerhalb der jeweiligen Abbauabschnitte zu den
Fundplätzen l, II, III, IV und V einzuhaltende Sicherheitsabstand beträgt 5 m gemessen
von der Böschungsoberkante.
28
2. Mit den Erdarbeiten im Bereich der Fundstelle II darf nicht vor Ablauf des 31. Dez.
2004 begonnen werden.
29
Im Bereich der Fundstellen III und IV darf mit den Erdarbeiten nicht vor Ablauf des 31.
Dez. 2008; im Bereich der Fundstelle V nicht vor Ablauf des 31. Dez. 2010 und im
Bereich der Fundstelle l nicht vor Ablauf des 31. Dez. 2016 begonnen werden. Nach
Ablauf der vorstehend genannten Stillhaltefristen dürfen die Erdarbeiten in den
betroffenen Bereichen unabhängig davon aufgenommen werden, ob das Rheinische
Amt für Bodendenkmalpflege die lokalisierten Bodendenkmäler bis dahin
wissenschaftlich untersucht hat und die jeweiligen Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt
bereits zum Abschluss gebracht worden sind.
30
Änderungen der Stillhaltefristen bedürfen eines entsprechenden
Planänderungsverfahrens gemäß § 76 VwVfG NRW.
31
Dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege bleibt es unbenommen, die
Fundstellenbereiche auch in zusammengefassten Abschnitten oder im
Gesamtzusammenhang zu untersuchen, solange hierdurch die zuvor aufgeführten
jeweils kürzeren Stillhaltefristen eingehalten werden.
32
3. Sollte das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege die Untersuchungsmaßnahmen
vor Ablauf der jeweiligen Stillhaltefristen abgeschlossen haben, darf mit den Erdarbeiten
bereits zu diesem früheren Zeitpunkt begonnen werden, soweit dies den sonstigen
Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses, insbesondere den zeitlichen Vorgaben
des Abbauplanes, entspricht.
33
4. Die Kosten der wissenschaftlichen Untersuchung und Dokumentation hat die
Vorhabenträgerin zu 80 % zu tragen, jedoch nicht mehr als 680.000,00 EUR (= 80 %
des Streitwertes gemäß Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Okt. 2003,
Az.: 4 K 61/01)).
34
5. Für die von der Vorhabenträgerin erbrachten Aufwendungen für die im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens bzw. UVP-Verfahren durchgeführten
Prospektionsmaßnahmen ermäßigt sich der nach Ziffer 4 dieser Nebenbestimmung
entstehende Anteil um 5 %, wenn Kosten für die Vorhabenträgerin im Sinne der Ziffer 4
entstanden sind.
35
6. Die Vorhabenträgerin hat den auf sie entfallenden Kostenanteil binnen eines Monats
nach Zugang einer entsprechenden Kostenaufstellung auszugleichen."
36
Wegen der Begründung des Plänanderungsbeschlusses vom 17. Juni 2004 wird auf
das in den Planfeststellungsvorgängen befindliche Aktenexemplar verwiesen. Der
37
Planänderungsbeschluss wurde am 22. Juni 2004 zugestellt.
Am 30. Juni 2004 hat die Klägerin Klage erhoben.
38
Zwischen den Beteiligten ist es im Dezember 2004 zu Auseinandersetzungen über die
Vollziehbarkeit der Befugnisse des Beigeladenen und die Berechtigung der Klägerin zu
Abgrabungsarbeiten im Bereich der Fundstelle II (ursprüngliche Stillhaltefrist 31.
Dezember 2004) gekommen. Der Beklagte hat daraufhin unter dem 21. Dezember 2004
einen Planänderungsbeschluss zum Planänderungsbeschluss vom 17. Juni 2004
gefasst. Er lautet:
39
„Mit den Erdarbeiten im Bereich der Fundstelle II darf nicht vor Ablauf des 31. März 2005
begonnen werden. Der nach dem Denkmalschutzgesetz NRW zuständigen
Fachbehörde, dem Rheinischem Amt für Bodendenkmalpflege, ist vor Beginn der
Erdarbeiten im Bereich der Fundstelle II Gelegenheit zur wissenschaftlichen
Untersuchung und Dokumentation der im Rahmen der archäologischen Prospektion
lokalisierten Bodendenkmäler zu geben. Der innerhalb des Abbauabschnittes zum
Fundplatz II einzuhaltende Sicherheitsabstand beträgt 5 m gemessen von der
Böschungsoberkante."
40
Die Klägerin hat zum Jahreswechsel 2004/2005 in Bereichen Baggerarbeiten
durchgeführt, die der Beklagte und der Beigeladene der Fundstelle II bzw. deren
Sicherheitsstreifen zuordneten. Am 10. Januar 2005 sind die Arbeiten unter dem
Eindruck einer an Ort und Stelle ausgesprochenen Androhung des unmittelbaren
Zwanges angehalten worden.
41
Die Klägerin hat am 13. Januar 2005 gegen den Planänderungsbeschluss vom 21.
Dezember 2005 Klage erhoben (4 K 169/05).
42
Bis zum 19. Januar 2005 hat der Beigeladene die zu dieser Zeit noch nicht
abgegrabenen Teile des Fundplatzes II begutachtet. Mit Verfügung vom 20. Januar
2005 hat der Beklagte die weitere Abgrabung im Bereich des Fundplatzes II frei
gegeben. Die Klägerin hat ihre Grabungsarbeiten in diesem Bereich danach fortgesetzt.
43
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2005 hat die Klägerin den Rechtsstreit teilweise in der
Hauptsache für erledigt erklärt, soweit sich die Klage ursprünglich auf Nr. C.15.2 Nr. 2
Satz 1 des Planänderungsbeschlusses vom 17. Juni 2004 bezogen hat, also soweit für
den Fundplatz II eine Stillhaltefrist zunächst bis zum 31. Dezember 2004 verfügt worden
war. Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung der Teilerledigungserklärung
angeschlossen. Der zu dem Planänderungsbeschluss vom 21. Dezember 2004
(Verlängerung der Stillhaltefrist für die Fundstelle II bis zum 31. März 2005) gesondert
geführte Rechtsstreit (VG Düsseldorf, 4 K 169/05) ist von den Beteiligten ebenfalls in der
Hauptsache für erledigt erklärt worden.
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Zur Begründung der Klage gegen den Planänderungsbeschluss vom 17. Juni 2004 im
übrigen trägt die Klägerin vor:
45
Die von dem Beklagten neu gefasste Denkmalschutzregelung zu dem das
Abgrabungsvorhaben der Klägerin gestattenden Planfeststellungsbeschluss vom 4.
Dezember 2000 sei rechtswidrig und ermessensfehlerhaft. Das müsse schon deshalb
gelten, weil der Beklagte die 32. Änderung des GEP 99 vom 26. Juli 2005 nicht habe
46
berücksichtigen können. Die Änderung enthalte eine Vorrangklausel für Abgrabungen in
Gebieten, die für die Gewinnung von Bodenschätzen ausgewiesen seien. Der Vorrang
der Gewinnung von Bodenschätzen sei ein echtes Ziel der Raumordnung und im
Planfeststellungsverfahren strikt zu beachten. In Nr. 3.12.1 Abs. 2 des GEP99 heiße es,
dass in den entsprechend ausgewiesenen Gebieten die oberirdische Gewinnung von
Bodenschätzen zu gewährleisten und die Inanspruchnahme der Flächen für andere
Zwecke, soweit sie mit der Rohstoffgewinnung unvereinbar seien, ausgeschlossen sei.
Die Neubestimmung des Gewichtes des Abgrabungsvorhabens müsse zur Aufhebung
der Denkmalschutzvorkehrungen führen, weil diese die Kies- und Sandgewinnung
wenn nicht ausschließe, so doch mehr als nur unerheblich beeinträchtige. Das gelte für
die Regelung zum Schutz nur vermuteter, nicht in die Denkmalliste eingetragener
Bodendenkmäler dem Grunde nach ebenso, wie für die angeordneten Verzögerungen
des Abbaus durch Stillhaltefristen und die Kostenbeteiligung an den für die
Untersuchung und Dokumentation von Bodenfunden entstehenden Aufwendungen. Die
von dem Beklagten und dem Beigeladenen bezeichneten Fundplätze seien durch die
bezirksplanerische Neuregelung noch weniger schutzwürdig als zuvor.
Denkmalpflegerische Belange könnten nunmehr von vornherein nicht in die Abwägung
eingestellt werden. Jedenfalls seien sie in der Abwägung ohne Schutzklauseln hintan
zu setzen. Alles andere widerspreche dem durch die 32. Änderung zum GEP99
eingeführten und zu beachtenden Ziel der Raumordnung. Auch im Einzelnen sei die
Regelung ermessensfehlerhaft. Die Stillhaltefristen zu Gunsten von
Bodenuntersuchungen zum Denkmalschutz seien nicht notwendig. Der Beigeladene
habe jetzt, vor Beginn des Abbaus im Bereich der Fundplätze, ausreichend Zeit, um
seinen denkmalpflegerischen Aufgaben nach zu gehen. Wenn der Beklagte sich an
dem Abbauzeitenplan der Klägerin orientiert habe, sei er ohnehin von unrichtigen
Tatsachen ausgegangen. Man müsse berücksichtigen, dass der
Planfeststellungsbeschluss es gestatte, mit dem Abbau bis zu einem Jahr früher zu
beginnen, als dies der Zeitplan vorsehe. Tatsächlich sei sie, die Klägerin, derzeit mit
den Arbeiten um ungefähr ein Jahr vor dem Plan. Die Regelung des Beklagten könne
zu einem Stillstand der Abgrabung von zwei Jahren führen. Das sei unverhältnismäßig.
Der ihr, der Klägerin, auferlegte Kostenanteil sei mit 75-80% zu hoch. Der Beklagte
schöpfe damit annähernd 20% des Gewinns ab, den das Vorhaben einbringen solle.
Die von ihr ohne Rechtspflicht freiwillig übernommenen Prospektionskosten seien mit
einem zu geringen Anteil in den Kostenausgleich einbezogen worden. Sie seien in
voller Höhe von 58124,76 Euro als abzugsfähig anzuerkennen; außerdem müsse der
Beklagte feststellen, dass nicht abgezogene Prospektionskosten unberührt blieben und
keinem Aufrechnungsverbot unterlägen. Die Regelung über die Art und Weise der
Kostenbeteiligung sei unbestimmt. Der Beklagte müsse angeben, an welchen
Kostenanteilen sie, die Klägerin, sich zu beteiligen habe (nur an zusätzlichen Kosten,
nicht an den Verwaltungskosten des Beigeladenen) und wie und von wem sie
festgesetzt würden. Ohne eine Regelung über den Ausschluss von Vorausleistungen
sei Bestimmung der Kostenbeteiligung ebenfalls rechtswidrig. Die Klägerin beantragt,
1. a) den Beklagten zu verpflichten, durch Planänderungsbeschluss unter Aufhebung
seines Planänderungsbeschlusses vom 17.06.2004, Aktenzeichen: 6.1-66 61 16-06/96,
sowie unter Abänderung seines Planfeststellungsbeschlusses vom 04.12.2000 die
Auflage Ziffer C.15.2 "Belange der Bodendenkmalpflege" ersatzlos zu streichen;
47
hilfsweise zu a):
48
b) den Beklagten zu verpflichten, durch erneuten Planänderungsbeschluss unter
49
Abänderung seines Planänderungsbeschlusses vom 17.06.2004 die Nebenbestimmung
Ziffer C.15.2 so zu fassen, dass keine Stillhaltefristen für die lokalisierten
archäologischen Fundstellen I und III bis V vor Beginn der Erdarbeiten beachtet werden
müssen (Ziffern 1. bis 3.),
dass von den dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege entstehenden
Fremdkosten ausschließlich für innerhalb der Stillhaltefristen in Bezug auf die
Fundstellen I bis V durchgeführte und vorher ausgeschriebene wissenschaftliche
Untersuchungen und deren Dokumentation die Vorhabensträgerin weniger als die
Hälfte, jedoch nicht mehr als EUR 425.000,00, zu tragen hat (Ziffer 4.),
50
dass die Klägerin berechtigt ist, bis zur Höhe der für die im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens beziehungsweise für die Umweltverträglichkeitsstudie für
archäologische Prospektierungsmaßnahmen tatsächlich angefallenen Kosten gegen
etwaige Ansprüche der öffentlichen Hand auf anteilige Tragung der gegebenenfalls vor
Ablauf von etwaigen zu beachtenden Stillhaltefristen entstehenden Kosten für die
wissenschaftliche Untersuchung und Dokumentation im Bereich der lokalisierten
archäologischen Fundstellen I bis V aufzurechnen;
51
hilfsweise zu a) und b):
52
c) den Beklagten zu verpflichten, durch Planänderungsbeschluss unter Aufhebung
seines Planänderungsbeschlusses vom 17.06.2004 sowie unter Abänderung seines
Planfeststellungsbeschlusses vom 04.12.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Verwaltungsgerichts über die Nebenbestimmung in Ziffer C.15.2 "Belange der
Bodendenkmalpflege" erneut zu entscheiden.
53
2. Für den Fall der Klageabweisung die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Münster
zuzulassen.
54
Der Beklagte beantragt,
55
die Klage abzuweisen.
56
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
57
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
beigezogenen Gerichtsakten 4 K 61/01, 4 L 3409/04, 4 M 61/04 und 4 K 169/05, den
Inhalt der Planfeststellungsakten und den Inhalt der Streitakte verwiesen.
58
Entscheidungsgründe:
59
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin und der Beklagten den Rechtsstreit
in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die Teilerledigung betrifft
die Regelung unter Nr. 2 Satz 1 des Planänderungsbeschlusses vom 17. Juni 2004, mit
der eine Stillhaltefrist für den Bereich der Fundstelle II bis zum 31. Dezember 2004
festgelegt worden war.
60
Die Klage ist im übrigen unbegründet.
61
Die durch den Planänderungsbeschluss des Beklagten vom 17. Juni 2004 neu gefasste
62
Nebenbestimmung C.15.2 (Bodendenkmalschutz) zu dem Planfeststellungsbeschluss
vom 4. Dezember 2000 (später geändert durch Planänderungsbeschlüsse vom 10. März
und 28. November 2003) ist rechtmäßig und frei von Fehlern bei der Ausübung des
Planungsermessens.
A. Hauptantrag zu 1a)
63
Mit dem Hauptantrag macht die Klägerin (wie in dem vorangegangenen Verfahren 4 K
61/01-VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2003) einen Anspruch auf eine durch
denkmalrechtliche Auflagen unbeschränkte positive Planfeststellung für ihr
Nassauskiesungsvorhaben „Abgrabung W" geltend. Maßgebend für die
Verpflichtungsklage ist die Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen
Verhandlung.
64
1. Ein Anspruch auf eine positive Planfeststellung ohne denkmalrechtliche
Nebenbestimmungen scheitert bei unveränderter Sach- und Rechtslage daran, dass der
Klägerin durch rechtskräftiges Urteil der Kammer vom 30. Oktober 2003 (4 K 61/01) ein
derartiger Anspruch aberkannt worden ist. Die Klägerin hatte seinerzeit im Wege der
Anfechtungsklage unmittelbar gegen die damalige Fassung der Nebenbestimmung Nr.
C.15.2 und (hilfsweise zu 2.) mit der Verpflichtungsklage denselben Anspruch auf Erlass
eines Planfeststellungsbeschlusses ohne die im damaligen Hauptantrag genannte
denkmalschützende Nebenbestimmung geltend gemacht. Der Verpflichtungsanspruch
ist im nach Maßgabe der Urteilsgründe zu bestimmenden Klageabweisungstenor
verworfen worden (vgl. zu B, Der Hilfsantrag zu 2., Seite 13 des Urteils). Das Gericht
hatte festgestellt, dass der Beklagte zu Recht in die durch §§ 31 Abs. 2 WHG, 100 Abs.
2 LWGNW, 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW eröffnete Abwägung Belange des
Bodendenkmalschutzes eingestellt hatte.
65
2. Durch die am 26. Juli 2005 veröffentlichte Genehmigung der 32. Änderung des
Regionalplans für den Regierungsbezirk E vom 30. Juni 2005 (GN NRW Nr. 30 vom 26.
Juli 2005, Seite 683) ist keine nachträgliche Änderung der Rechtslage eingetreten, die
die Bindung der Rechtskraft des Bescheidungsurteils vom 30. Oktober 2003 für die
Beteiligten aufhebt und der Klägerin jetzt einen Anspruch auf eine unbeschränkte
Planfeststellung verschafft. Zwar mag durch die Änderung des
Gebietsentwicklungsplanes die Gewährleistung einer Abgrabung innerhalb einer
Konzentrationszone zu einem echten Ziel der Raumordnung im Sinne des
Raumordnungsrechtes erklärt oder dies durch die Wortfassung klar gestellt worden sein.
Für das Auskiesungsvorhaben der Klägerin ergibt sich daraus jedoch keine die
Planfeststellungsbehörde bindende Verpflichtung der Zulassung ohne
Nebenbestimmungen zu Gunsten des öffentlichen Belangs des (Boden-)
Denkmalschutzes.
66
2.1 Die durch den Regionalrat des Regierungsbezirks E am 8. Juli 2004 beschlossene
32. Änderung des GEP99 hat das textliche Ziel 1 des Kapitels 3.12, Rohstoffgewinnung,
des GEP99 wie folgt neu gefasst:
67
„In den zeichnerisch dargestellten Bereichen für die Sicherung und den Abbau
oberflächennaher Bodenschätze (BSAB) ist deren Abbau zu gewährleisten; die
Inanspruchnahme für andere Zwecke ist auszuschließen, soweit sie mit der
Rohstoffgewinnung nicht vereinbar sind."
68
Die Neufassung der Zielbestimmung war die Folge des Urteils des OVG NRW vom 10.
Juli 2003, 20 A 4257/99, das der früheren Fassung eine eindeutige Vorrangwirkung von
Abgrabungen innerhalb der BSAB nicht hatte entnehmen können. Mit der Neufassung
soll gewährleistet werden, dass sich Abgrabungsvorhaben innerhalb der BSAB
gegenüber sonstigen Nutzungen durchsetzen. Der Vorrang stellt sicher, dass außerhalb
der BSAB Abgrabungsvorhaben nicht oder nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen
zugelassen werden (vgl. Ziel 1, Nr. 4 von Kapitel 3.12, Rohstoffgewinnung,
„Abgrabungen sind nur innerhalb der Abgrabungsbereiche vorzunehmen"). Die in der
32. GEP-Änderung formulierte Zielbestimmung trifft auf den Bereich, in dem die Klägerin
abgräbt und weiter abgraben will, grundsätzlich zu. Denn das Vorhaben liegt innerhalb
eines zeichnerisch dargestellten Bereichs für die Sicherung und den Abbau
oberflächennaher Bodenschätze (vgl. Karte L4302-L zum GEP99, südöstlich des
Schriftzuges „W").
69
2.2 Die Neufassung von Nr. 2 des Zieles 1 des Kapitels 3.12 (Rohstoffgewinnung) des
GEP 99 durch dessen 32. Änderung stellt die Abwägungsentscheidung des Beklagten
über das Vorhaben der Klägerin gleichwohl nicht in Frage.
70
2.2.1 Ziele der Raumordnung sind - anders als Grundsätze der Raumordnung - zu
beachten. Sie enthalten bindende Vorgaben für die Fachplanung. Die Bindungswirkung
ist gerechtfertigt, weil Ziele der Raumordnung abschließend abgewogene
Festsetzungen (eine gebietsplanerische Letztentscheidung) beinhalten (vgl. § 3 Nr. 2
ROG). Innerhalb des räumlichen und sachlichen Geltungsbereiches eines Zieles der
Raumordnung dürfen keine raumbedeutsamen Planungen oder Maßnahmen
durchgeführt werden, die die zweckentsprechende Verwirklichung des Ziels unmöglich
machen oder beeinträchtigen könnten. Das gilt umso mehr, je gebietsschärfer Standorte
für Vorhaben ausgewiesen werden, die auf besondere Lagevorteile oder
Standortbedingungen angewiesen sind.
71
2.2.2 Die Formulierungen der 32. Änderung des GEP99 deuten darauf hin, dass die
Entscheidung zu Gunsten der oberirdischen Gewinnung von Bodenschätzen in den
entsprechenden Konzentrationszonen prinzipiell alle damit nicht in Einklang zu
bringenden Belange zurück stellt. Dafür sprechen auch die Erläuterungen zu der 32.
GEP-Änderung. Darin wird unter Nr. 2, dritter Absatz, Sätze 2, Sätze 3 und 4 zu Ziel 1,
Kapitel 3.12 (Rohstoffgewinnung) ausgeführt:
72
„Mit der Qualifizierung der BSAB als Vorrangbereiche ist zugleich die Abwägung
verbunden, dass sich die Belange der Rohstoffgewinnung in den BASB gegenüber
allen konkurrierenden Nutzungen, beispielsweise dem Gewässerschutz oder dem
Naturschutz, durchsetzen. Für die BSAB besteht also kein Konflikt mit den übrigen, vom
GEP 99 erfassten Belangen, der im fachplanerischen Verfahren nicht überwindbar
wäre."
73
2.2.3 Gleichwohl schließt die Zielfestlegung zu Gunsten der Rohstoffgewinnung
Nebenbestimmungen nicht aus, wie sie der Beklagte der Planfeststellung zur
„Abgrabung W" durch den Planänderungsbeschluss vom 17. Juni 2004 zum Schutz der
Bodendenkmalpflege beigegeben hat. Die Beachtenspflicht beinhaltet nicht die von der
Klägerin in Anspruch genommene sofortige und rücksichtslose Durchsetzung eines
Abgrabungsvorhabens. Der Bestimmung eines Ziels der Raumordnung geht eine
abschließende Abwägung voraus, die den Abgrabungen innerhalb der dafür
vorgesehenen Konzentrationszonen substanzielle Möglichkeiten der Nutzung des
74
Raums eröffnet. Es muss gewährleistet sein, dass die Abgrabung unter Bevorzugung
von anderen Nutzungsansprüchen nicht durch „Wegwägen" ausgeschlossen und für
andere Nutzungen der betroffenen Fläche eine Realisierungsmöglichkeit eröffnet wird.
Das so beschriebene Gewicht der Abgrabung im Sinn einer Realisierung von Substanz
schließt andere raumbedeutsame Vorhaben (§ 3 Nr. 6 ROG) aus. Das sind solche, die
die Rohstoffgewinnung aus der dafür vorgesehenen Konzentrationszone dauerhaft
verdrängen. Mit der Zielbestimmung vereinbar sind dagegen Schutzbestimmungen, die
die Zielverwirklichung inhaltlich ausgestalten oder gar nur zeitlich verzögern. Jede
Zielbestimmung, auch wenn sie gebietsscharf vorgenommen wird, lässt Raum für die
Konkretisierung, Verfeinerung und Ausdifferenzierung durch eine nachfolgende (Fach-)
Planung auf der ortsnahen Ebene. Das folgt aus der Rechtsnatur der
Raumordnungsplanung als Rahmenplanung. Sie ermöglicht eine Anpassung des Ziels
an die örtlichen Besonderheiten, insbesondere, wenn es sich um Umstände handelt, die
bei der gebietsplanerischen Letztentscheidung nicht bekannt waren oder bewusst
ausgeblendet worden sind. Die Festsetzung beinhaltet keine Durchsetzung ohne jede
Modifikation zum Schutz der Umwelt, der Landschaft, zur Beherrschung etwaiger
Emissionen und eben der Bodendenkmalpflege. Zeitliche Verzögerungen, die
Gelegenheit geben, die mit der oberirdischen Rohstoffgewinnung unvermeidlich und
irreparabel einher gehenden Zerstörungen erträglich zu machen, beeinträchtigen die
Zielverwirklichung nicht oder nur unerheblich.
2.2.4 Trotz der Betonung des Vorrangs der Rohstoffgewinnung innerhalb der
Abgrabungskonzentrationszonen vor allen anderen Belangen sind insbesondere
Schutzklauseln zu Gunsten von Bodendenkmälern zulässig, die die Abgrabungsflächen
nicht ganz oder zum Teil auf Dauer sperren. Neben der Konkretisierungsbefugnis ergibt
sich das aus den Materialien zum Erlass der 32. Änderung des GEP99. Der
Beigeladene hat sich im Verfahren zur Änderung des GEP 99 mit seinen Bedenken
gegen die weit gehende Formulierung der Zielbestimmung in der 32. Änderung des
GEP 99 nicht durchgesetzt. Von einer Aufnahme des Bodendenkmalschutzes in die
Abwägung auf bezirksplanerischer Ebene wurde ausdrücklich abgesehen; die
Berücksichtigung dieses Belangs wurde in die fachplanerischen Verfahren verwiesen.
Dabei kann dahin stehen, ob auf der Ebene der Bezirksplanung der Konflikt der
Nassabgrabung „W" mit dem Bodendenkmalschutz bekannt war oder hätte bekannt sein
können. Entscheidend ist, dass ein Ausgleich der Interessen, soweit er die
Rohstoffgewinnung nicht dauerhaft ausschließt, tatsächlich innerhalb der
gebietsplanerischen Abwägung nicht stattgefunden hat. Die ortsnahe Fachplanung
erhält ihren Gestaltungsspielraum auch dadurch, dass ein bestimmter Zielkonflikt als für
die Bezirksplanung nicht bedeutsam aus der Abwägung auf der überörtlichen Ebene
ausgeklammert wird.
75
2.2.5 Die von dem Beklagten verfügten Schutzbestimmungen halten sich dem Grunde
nach in dem durch die Möglichkeit der örtlichen Konkretisierung eröffneten
Gestaltungsspielraum. Dabei kann an dieser Stelle dahin stehen, ob die
Nebenbestimmungen in jeder Hinsicht geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind.
Das ist eine Frage, die nicht die Grenzen, sondern den Inhalt der Abwägung betrifft.
Konkretisierende Nebenbestimmungen, die die Zielverwirklichung nicht grundsätzlich
ganz oder teilweise und für die unabsehbare Zukunft in Frage stellen, können nur dann
zielwidrig sein, wenn sie faktisch auf dieses Ergebnis hinauslaufen. Das kann bei einer
zum Beispiel wirtschaftlichen Erdrosselung des Vorhabens der Fall sein. So weit gehen
die von dem Beklagten festgesetzten Denkmalschutzbestimmungen nicht. Die
Wartefristen machen die Abgrabung weder technisch unmöglich noch wirtschaftlich
76
unrentabel. Der Rohstoff verdirbt nicht und die Nachfrage steht und fällt nicht mit der
Förderung in ein oder zwei bestimmten Jahren. Ebenso wenig ruinös wirkt die
finanzielle Beteiligung an der Sicherung von Bodendenkmälern. Der Beklagte hat zu
Recht in diesem Zusammenhang die Bruttoeinnahmen des Gesamtprojektes (wie er
unwidersprochen vorgetragen hat, von mehr als 100 Mio. Euro) dem Beitrag für den
Denkmalschutz gegenübergestellt. Der Beitrag ist ein betriebswirtschaftlicher
Kostenfaktor, der, auf das Abgrabungsvorhaben insgesamt bezogen, nicht nennenswert
ins Gewicht fällt, weil er weniger als 1% der Bruttoeinnahmen ausmacht. Dass ein
vernünftig rechnender Unternehmer wegen eines Kostenfaktors in dieser Höhe von dem
Projekt Abstand genommen hätte, und damit die Verwirklichung des Ziels der
Raumordnung „Bodenschätze haushälterisch nutzen" auf Dauer vereitelt würde, ist
ausgeschlossen.
2.3 Unabhängig davon, dass Schutzbestimmungen zu Gunsten einer
(vorübergehenden) denkmalpflegerischen Bestandsaufnahme und Dokumentation von
Bodenfunden die Zielbestimmung der 32. GEP99-Änderung beachten, wirkt der darin
fest gelegte Vorrang der Rohstoffgewinnung gerade für das Vorhaben der Klägerin auch
aus sich heraus nicht als strikte Bindung, die eine Abwägung mit anderen Belangen
ausschließt.
77
2.3.1 Die Bindung an Ziele der Raumordnung ist innerhalb einer Konzentrationszone
(als Zulassungsgrund) wie außerhalb (als Versagungsgrund) einheitlich zu bestimmen.
In beiden Richtungen hängt die Zielbindung davon ab, dass sie von fachgesetzlichen
Gesetzesbestimmungen in das konkrete Planfeststellungsverfahren übertragen wird.
Eine strikte Bindung der Planfeststellungsbehörde kann sich ausschließlich aus Zielen
der Raumordnung in Verbindung mit den fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln des
§ 3 Abs. 2 Nr. 2 AbgrG, möglicherweise des Landschaftsgesetzes (§ 16 Abs. 2 Satz 1
LG iVm dem Landschaftsplan des Kreises L für den Bereich der Gemeinde X), des § 35
Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB und aus dem Raumordnungsgesetz (ROG) unmittelbar (§ 4
Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG) ergeben. Zugunsten des Vorhabens der
Klägerin greifen die strikten, andere öffentliche Belange beiseite schiebenden
Raumordnungsklauseln jedoch nicht ein.
78
2.3.2 Die Raumordnungsklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 2 AbgrG enthält schon nach ihrem
Wortlaut keine Zielbindung im Sinne einer Verpflichtung, die Planfeststellung positiv zu
treffen, wenn das Vorhaben dem Ziel der Raumordnung entspricht. Letzteres ist eine der
Voraussetzungen für die Erteilung der Abgrabungsgenehmigung, jedoch weder die
einzige, noch, nach dem Wortlaut des Gesetzes eine, die andere öffentliche Belange in
jedem Fall überspielt (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 3 AbgrG), oder Einschränkungen des
Vorhabens verbietet (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 AbgrG).
79
2.3.3 Das Landschaftsrecht enthält in seinen allgemeinen Grundsätzen die Pflicht zur
Abwägung aller Belange mit dem Schutz der Landschaft, auch soweit der Abbau von
Bodenschätzen und der Bodendenkmalschutz in Rede steht (§ 1 Abs. 2 LG, § 2 Nr. 4, 5
LG NRW; § 2 Abs. 2 Nr. 2 BBodSchG). Die landschaftsrechtliche Pflicht zur Beachtung
der Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung aus § 16 Abs. 2 Satz
1 LG bezieht sich auf die Aufstellung von Landschaftsplänen. Für konkrete
Planfeststellungsverfahren trifft das Landschaftsgesetz keine Aussage. Der
Landschaftsplan Nr. 10 X des Kreises L enthält ebenfalls keine Raumordnungsklausel
über die vorrangige und rigorose Durchsetzung von Vorhaben, die den Zielen der
Raumordnung entsprechen. Die allgemeinen Bestimmungen für
80
Landschaftsschutzgebiete enthalten mit einer Unberührtheitsklausel lediglich einen
Verweis auf den Gebietsentwicklungsplan und damit keine eigenständige Regelung zu
Gunsten von Abgrabungen und zu Lasten des Bodendenkmalschutzes (Nr. 3.3 f) der
textlichen Festsetzungen des Landschaftsplanes Nr. 10, X). Die besonderen
Vorschriften für das Landschaftsschutzgebiet „W" (3.3.1 der textlichen Festsetzungen)
gehen darüber nicht hinaus.
2.3.4 Die bauplanungsrechtliche Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs.
BauGB ist nicht anwendbar. Die überörtliche Bedeutung des Vorhabens schließt das
aus (§ 38 Satz 1 BauGB). Zwar liegt es auf dem Gebiet nur einer Gemeinde, der
Gemeinde X. Allein seine räumlichen und zeitlichen Dimensionen (Inanspruchnahme
einer Fläche von 63 ha; Abbauzeitraum von 23 Jahren) und der Umstand, dass das
Grundwasser zu einer groß dimensionierten offenen Wasserflächen frei gelegt wird,
rufen jedoch einen planerischen Koordinationsbedarf hervor, der wegen der gebotenen
Einbeziehung der Planungen mehrerer Gemeinden oder überörtlicher Planungen
sachgerecht allein auf einer gemeindeübergreifenden, mithin überörtlichen
Planungsebene zu bewältigen ist. Der überörtliche Bezug ergibt sich schon daraus,
dass eine Nassabgrabung dieser Größe an diesem Standort wegen der Vielzahl
sonstiger vergleichbarer Vorhaben dieser Art im Kreis- und Regierungsbezirk, die zum
Teil bereits durchgeführt worden sind oder seitens der Abgrabungsindustrie noch
beabsichtigt sind, einen die Gemeindegrenzen überschreitenden planerischen
Koordinationsbedarf hervorruft, der von der Regionalplanung sowie dem
Abgrabungskonzept des Kreises schon aufgegriffen worden ist. Das Vorhaben berührt
dementsprechend in starkem Maße überörtliche planerische Gesichtspunkte und wirkt
sich so über die spezifischen gemeindlichen Bezüge zur Stadt X hinaus auf sonstige
Gemeinden aus. Es wirft gerade wegen der aus der Häufung gleich gelagerter Projekte
erwachsenden und planerisch zu bewältigenden Konflikte einen Planungsbedarf auf,
der interessengerecht allein mit den Mitteln der Bauleitplanung der Stadt X nicht zu
befriedigen ist, sondern gemeindeübergreifenden Lösungen verlangt (vgl. für
vergleichbare Verhältnisse auf dem Gebiet der Stadt L2: OVG NRW, Urteil vom 10. Juli
2003, 20 A 4257/99).
81
2.3.5 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG 1997 ist in seiner derzeitigen Fassung auf
unmittelbare Geltung ohne landesrechtliche Umsetzung angelegt, vorliegend aber nicht
anwendbar. Gemäß § 23 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes vom 18. August 1997 sind
die Vorschriften des Raumordnungsgesetzes in der früheren Fassung - der
Bekanntmachung vom 28. April 1993 (ROG a.F.) - weiter anzuwenden, wenn mit der
Einleitung einer raumbedeutsamen Planung vor dem 1. Januar 1998 begonnen worden
ist. Maßgebend ist dabei das konkrete Planaufstellungsverfahren, nicht das Verfahren
zur Aufstellung des Gebietsentwicklungsplanes (BVerwG, Beschluss vom 30. Juni
2004, 7 B 92.03). Die Einleitung einer raumbedeutsamen Planung im Sinne von § 23
Abs. 1 ROG n.F. beginnt mit der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens. Das
Planfeststellungsverfahren wird gemäß § 73 Abs. 1 VwVfG mit der Einreichung des das
Vorhaben kennzeichnenden Plans zur Durchführung des Anhörungsverfahrens
eingeleitet. Die Einreichung des Plans tritt an die Stelle des Antrags, mit dem ansonsten
ein nicht von Amts wegen betriebenes Verwaltungsverfahren beginnt (vgl. § 22 VwVfG).
Die (privatnützige) Planung zum Beginn der Abgrabung W ist von der
Rechtsvorgängerin der Klägerin (Fa. H1 Verkaufs- und Vertriebsgesellschaft mbH und
Co KG) in Angriff genommen worden. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat die
Antragsunterlagen zuerst unter dem 20. September 1996 vorgelegt und um eine
Vorprüfung gebeten. An Bedenken wurden in diesem Stadium des Verfahrens unter
82
anderem solche der Bezirks- und Regionalplanung vorgebracht, weil das
Abbaugelände sich außerhalb der von dem damals noch gültigen GEP 1984 fest
gesetzten Abbaukonzentrationszonen befand und weil es mit dem Abgrabungskonzept
des Kreises L nicht in Einklang zu bringen war. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin bat
jedoch unter dem 13. November 1996 um die Einleitung des Behördenverfahrens, weil
der zu dieser Zeit schon bekannt gewordene Entwurf eines neuen
Gebietsentwicklungsplanes (des späteren GEP 99) das Gelände als Bereich für den
Abbau oberflächennaher Bodenschätze vorsah. Die Bitte um Einleitung des
Behördenbeteiligungsverfahrens wurde unter dem 19. Februar 1997 ausdrücklich
bekräftigt. Nach Eingang der notwendigen Eigentümereinverständniserklärungen
eröffnete der Beklagte die Behördenbeteilung mit Schreiben vom 18. August 1997.
Damit war das Planfeststellungsverfahren vor dem 1. Januar 1998 begonnen.
2.3.6 Bei der Anwendung des Raumordnungsgesetzes in der bis Ende 1997 geltenden
Fassung scheidet eine strikte Zielbindung planfeststellungsbedürftiger Vorhaben von
privaten Trägern auch nach Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG n.F. weiterhin
aus (§§ 5 Abs. 4 Satz 1, 4 Abs. 5 ROG a.F.). Die Ziele sind von den in § 4 Abs. 5 ROG
a.F. genannten öffentlichen Stellen bei Planungen und sonstigen Maßnahmen zu
beachten; sie richten sich jedoch - anders als nunmehr nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
ROG n.F. - nicht an die im Einzelfall für die Zulassung eines privatnützigen Vorhabens
zuständigen Behörden. Die im GEP 1999 dargestellte Ziele der Raumordnung sind für
die Entscheidung über die Zulassung eines raumbedeutsamen Vorhabens erheblich nur
dann, wenn ihnen durch die für das Entscheidungsprogramm maßgeblichen
Vorschriften (hier: des Abgrabungsgesetzes und des Baugesetzbuches) Außenwirkung
beigelegt worden ist (Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1993 - 4 C 15.92 -, Buchholz
406.11 § 34 BauGB Nr. 156; Urteil vom 20. Januar 1984 - 4 C 43.81 -, BVerwGE 68,
311). Das ist für die Altabgrabung der Klägerin nicht geschehen (siehe oben 2.3.2 bis
2.3.5).
83
2.3.7 Mit der Vorschrift des § 22 des Gesetzes zur Neufassung des
Landesplanungsgesetzes vom 3. Mai 2005 (GVNW 2005, 430), in Kraft getreten am 7.
Mai 2005 und damit noch vor der Bekanntmachung der Genehmigung der 32. GEP99-
Änderung am 26. Juli 2005, ist zu Gunsten der Klägerin nichts gewonnen. Die Vorschrift
unterstellt die Pflicht zur Beachtung der Ziele von Regionalplänen der Maßgabe der §§
4 und 5 ROG n.F.. § 4 ROG kann jedoch nur dann das Maß für die Beachtung eines
Ziels der Raumordnung geben, wenn er auf das Vorhaben anwendbar ist. Für Vorhaben
auf Grund von alten Planfeststellungen, deren Verfahren vor dem 1. Januar 1998
begonnen haben, ist das nicht der Fall (vgl. oben 2.3.6).
84
B. Hilfsantrag zu 1b)
85
Der Hilfsantrag wird als Verpflichtungsantrag mit dem Inhalt im einzelnen vorformulierter
Nebenbestimmungen zum Bodendenkmalschutz gestellt. Dieses auf eine Verdichtung
des Planungsermessens gerichtete Begehren war, wenn auch mit anders gefassten
Nebenbestimmungen, bereits Gegenstand des Urteils des Verwaltungsgerichtes vom
30. Oktober 2003, 4 K 61/01 (zu C., Die Hilfsanträge zu 3. und 4., Seite 22). Insoweit war
seinerzeit die Klage abgewiesen worden. Die Gründe dafür gelten fort. Darauf wird
verwiesen.
86
C. Hilfsantrag zu 1c)
87
Der von der Klägerin zuletzt gestellte offene Bescheidungsantrag ist unbegründet. Der
Beklagte hat bei der Neufassung der Nebenbestimmung C.15.2 durch
Planänderungsbeschluss vom 17. Juni 2004 das ihm zustehende
Planfeststellungsermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes, wie
sie in dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2003 nieder gelegt und
rechtskräftig geworden ist, sachgerecht ausgeübt.
88
1. Der durch die 32. Änderung des GEP99 innerhalb von Konzentrationszonen für den
oberirdischen Abbau von Bodenschätzen eingeräumte Vorrang hat gegenüber der
Rechtslage bei der Entscheidung des Vorprozesses (4 K 61/01) keine Verschiebung der
Gewichte bei der Abwägung der Belange des Klägerin mit denen des
Bodendenkmalschutzes zur Folge. Die Berücksichtigung der Bergung und
wissenschaftlichen Dokumentation von Bodenfunden zum Zweck der Denkmalpflege im
Bereich des Vorhabens steht nicht im Widerspruch zur Verwirklichung des durch den
GEP99 festgelegten Ziels (siehe oben A, 2.2). Für die Art und Weise, wie der
Konkretisierungsspielraum genutzt wird, den die Zielbestimmung offen lässt (siehe oben
A, 2.2.4), kommt das Abwägungsgebot wieder uneingeschränkt zur Geltung (Gelzer,
Bracher, Reidt, Bauplanungsrecht, 6. Aufl., Rdn. 60, zur Anpassung einer
konkretisierenden Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung).
89
2. Der Beklagte hat in die der Planfeststellung zu Grunde liegende Abwägung zu Recht
die Belange des Bodendenkmalschutzes auch außerhalb eingetragener oder
nachgewiesen eintragungswürdiger Bodendenkmäler eingestellt. Das steht auf Grund
des rechtskräftigen Urteils vom 30. Oktober 2003 (4 K 61/01) fest.
90
3. Der Beklagte hat mit dem Planänderungsbeschluss vom 17. Juni 2004 weder die
Bedeutung der Belange der Rohstoffgewinnung einerseits und des
Bodendenkmalschutzes andererseits verkannt, noch steht der durch die neu gefasste
Nebenbestimmung C 15.2 vorgenommene Ausgleich zwischen ihnen außer Verhältnis
zu deren objektivem Gewicht. Die grundsätzliche Bevorzugung der Rohstoffgewinnung
um den Preis der Zerstörung eines möglicherweise eintragungsfähigen
Bodendenkmals, eingeschränkt durch Wartefristen und eine angemessene
Kostenbeteiligung bewegt sich im Bereich der planerischen Gestaltungsfreiheit der
Exekutive, in den das Gericht nicht eindringen darf. Der Beklagte hat die rechtskräftig
gewordenen Vorgaben des Gerichtes in seinem Urteil vom 20. Oktober 2003 (4 K 61/01)
für die Grenzen des der Behörde zustehenden Spielraums beachtet. Seine
Bestimmungen zur näheren Ausgestaltung und Konkretisierung sind sachgerecht und
verhältnismäßig.
91
3.1 Der Beklagte hat das Interesse der Klägerin an einer kontinuierlichen und ohne
Kosten durch den Denkmalschutz fort schreitenden Auskiesung abwägungsfehlerfrei
hinter das öffentliche Interesse an der Erforschung und gegebenenfalls Dokumentation
von nachgewiesen denkmalrelevanten Bodenfunden zurück treten lassen. Die dafür in
dem Planänderungsbescheid gegebene Begründung, die Klägerin schaffe durch ihr
Vorhaben eine besondere Gefahrenlage und dränge den zuständigen Stellen und damit
der Allgemeinheit die Notwendigkeit bodendenkmalpflegerischer Untersuchungen auf,
entspricht den Tatsachen und den rechtskräftigen Erkenntnissen in dem zwischen der
Klägerin und dem Beklagten geführten Vorprozess.
92
3.2 Die von dem Beklagten gefundene Regelung ist auch in ihren Einzelheiten mit den
in dem Planänderungsbeschluss enthaltenen Begründungen abwägungsfehlerfrei. Die
93
durch Rechtsauffassung des Gerichtes (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtskräftig
vorgegebenen, dem weit gespannten Planungsermessens entsprechend
ausfüllungsbedürftigen Rechtsauffassungen sind sachgerecht umgesetzt worden.
3.2.1 Der Beklagte hat in seinem Planänderungsbeschluss vom 17. Juni 2004 die
Rechtsauffassung des Gerichtes aus seinem Urteil vom 20. Oktober 2003 insoweit
beachtet, als dieses die volle Überbürdung der Organisations- und Kostenlast
archäologischer Untersuchungen bei gleichzeitigem Abbauverbot vor deren
Durchführung für unverhältnismäßig angesehen hat. Der Planänderungsbeschluss lässt
die ursprünglich vorgesehene, durch die Klägerin zu beantragende Grabungserlaubnis
ebenso entfallen wie die Pflicht zur Gewährleistung der wissenschaftlichen
Untersuchung und Dokumentation nach Maßgabe der Grabungserlaubnis vor Beginn
der Erdarbeiten. Der Planänderungsbeschluss enthält nur noch Stillhaltefristen,
innerhalb derer dem Beigeladenen Gelegenheit zur wissenschaftlichen Untersuchung
und Dokumentation der im Rahmen der Prospektion lokalisierten Bodendenkmäler
gegeben werden muss. Die Klägerin trifft nicht mehr die volle Last der Kosten der
archäologischen Untersuchungen.
94
3.2.2 Die der Klägerin auferlegten Stillhaltefristen bis zum Beginn des Abbaus
orientieren sich am Zweck des Gesetzes und belasten die Klägerin nicht
unangemessen.
95
Der Beklagte ist zur Festlegung des Beginns der der Klägerin auferlegten Wartefristen
nicht von dem Beginn der Abgrabung insgesamt (2001), oder von der Rechtskraft des
Urteils im Vorprozess (2003) ausgegangen, sondern vom planmäßigen Beginn
desjenigen Abbauabschnittes, in dem die archäologischen Fundorte lokalisiert worden
sind. Dagegen ist nichts zu erinnern. Es ist gut vertretbar, die Bodendenkmalpflege erst
dann auf den Plan zu rufen, wenn die Vernichtung der die Siedlungsgeschichte
dokumentierenden Substanzen und Gegenstände im Boden unmittelbar bevor steht. Der
Beklagte lässt sich von der Vorstellung leiten, dass nicht die Planfeststellung, sondern
deren Verwirklichung Gefahren für das Bodendenkmal schafft. Dabei knüpft er an den
planfestgestellten Abbaufortschritt an. Das entspricht den Erwartungen, die die Klägerin
selbst für ihr Vorhaben angegeben hat, geht also von einer verlässlichen und rechtlich
abgesicherten Prognose aus. Das ist sachangemessen. Solange die Abgrabung nicht
die archäologisch bedeutsamen Fundstellen erreicht, entspricht die Untätigkeit der für
die Bodendenkmalpflege verantwortlichen öffentlichen Stellen dem Interesse am Erhalt
der noch unberührten archäologischen Schichten. Mit diesem, bereits in dem Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2003 im Vorprozess angesprochenen (Abschnitt
B 4., Seite 21) Inhalt hat der Beklagte den öffentlichen Belang der Bodendenkmalpflege
gegen das Interesse der Klägerin an einem raschen und technisch und wirtschaftlich
optimalen Abbauablauf gestellt. Die Gewichtung ist ausgewogen.
96
Unter den Gesichtspunkten der Rettungsgrabung bzw. Gefahrenabwehr wäre es auch
möglich gewesen, den tatsächlichen Abbaufortschritt zu Grunde zu legen, der dem Plan
vorauseilen, aber auch hinter ihn zurückfallen kann. Gerade in einem für lange
Zeiträume projektierten Vorhaben können diverse Gegebenheiten, etwa die
Wirtschaftslage allgemein und die Lage der Bauwirtschaft im Besonderen, der
konjunkturelle Verlauf, technische Entwicklungen und solche in den wirtschaftlichen
oder persönlichen Verhältnissen der Inhaber eines Vorhabenträgers zur Verlangsamung
des Abbaufortschrittes, zu Unterbrechungen oder gar zur Aufgabe führen. Es kommt
nicht selten vor, dass vor Zeiten erteilte Abgrabungsgenehmigungen oder
97
entsprechende Planfeststellungen verlängert werden müssen, weil der Abbaufortschritt
zeitlich hinter dem Plan und den Erwartungen zurück geblieben ist. Die Wahl des
planfestgestellten Abbaufortschrittes kommt den Interessen der Klägerin in den
letztgenannten Situationen entgegen. Ein Abwägungsfehler liegt aber auch dann nicht
vor, wenn die Klägerin schneller abbaut, als dies der Plan vorsieht, was in einem
bestimmten Rahmen zulässig ist. Mit dem Abstellen auf den Abbauplan hält sich der
Beklagte in der Mitte zwischen möglichem schnelleren, aber auch verzögerten Abbau.
Zudem kann der Beklage die nicht sicher vorauszusehende tatsächliche Entwicklung zu
Gunsten des bestandskräftig festgestellten Abbauplanes vernachlässigen. Das gilt auch
deshalb, weil er mit der Regelung der Stillhaltefristen nicht bis an die äußerste Grenze
der möglichen sachgerechten Entscheidungen geht, die in Anlehnung an
denkmalschutzrechtliche Bestimmungen (§ 14 DSchG) bis zu drei Jahren betragen kann
(vgl. Urteil der Kammer, Abschnitt C, 4.2, Seite 29). Die gesetzten Stillhaltefristen führen
für die im Abbauabschnitt 4 gelegene Fundstelle III nach Maßgabe des Abbauplanes
(ab 2007 bis 2008) zu einer Wartezeit von einem Jahr. Denn die Fundstelle III befindet
sich im Abbauabschnitt 4 an einer Stelle, die die Bagger in dieser Phase des Abbaus
erst später erreichen werden, also frühestens am Anfang des zweiten Jahres des für den
Abbau vorgesehenen Zweijahreszeitraumes. Das wäre bei einem Abbaubeginn in 2001
das achte Jahr des Abbaus, also 2008. Sollte die Klägerin den Abbauabschnitt 4 früher
in Angriff nehmen, was ihr ohne besondere Genehmigung bis zu einem Jahr erlaubt ist
(vgl. Nr. C.6.2, Abs. 4 des Planfeststellungsbeschlusses vom 4. Dezember 2000), kann
sich eine Unterbrechung des Abbaus im Bereich der Fundstelle III von zwei Jahren
ergeben. Fundstelle IV liegt im 5. Abbauabschnitt, mit dem planmäßig im 8. Jahr, also
2008, begonnen werden soll. Sie darf nach dem Planänderungsbeschluss vom 17. Juni
2004 ebenfalls erst nach Ablauf des 31. Dezember 2008 abgegraben werden. Dadurch
ergeben sich ähnliche, wenn auch wahrscheinlich insgesamt geringere Verzögerungen
als im Abbauabschnitt 4. Die Fundstelle V darf erst ab dem 1.1.2011 abgegraben
werden. Sie liegt im hinteren Teil des Abbauabschnittes 5 und im Abbauabschnitt 6.
Nimmt man an, dass mit dem Abbauabschnitt 5 nach Ablauf der Wartefristen für die
Fundstellen III und IV am 1.1.2009 begonnen wird, wird der hintere Teil und die
Fundstelle V eher gegen Ende des Abbauabschnittes, also frühestens im Verlauf
zweiten des auf drei bis vier Jahre angelegten Abbauzeitraums erreicht werden (also in
2010). Daraus ergeben sich hier nennenswerte Wartezeiten nicht. Die mit diesem
Ergebnis vorgenommene Abwägung der wechselseitigen Interessen leuchtet ein. Sie
mutet der Klägerin nicht mehr zu, als zur Dokumentation der nachgewiesenen
Bodendenkmäler unverzichtbar ist. Die für den Einstieg im Bereich des
Abbauabschnittes 4 zur Abgrabung der Fundstellen III und IV möglicherweise
entstehende längere Wartefrist ist gerechtfertigt, weil nach der sachverständigen
Einschätzung des Beigeladenen auf der Grundlage der Prospektionen des von der
Klägerin beauftragten Archäologen W1 die Funderwartung auf diesen Plätzen einen
zusammen hängenden Siedlungsplatz betrifft, in dessen Bereich eine bisher nur in
seltenen Fällen nachgewiesene Kontinuität zwischen eisenzeitlicher und römischer
Besiedlung vermutet wird (vgl. Stellungnahme des Beigeladenen vom 9. Februar 2000).
W1 hält nach einer Mitteilung der Klägerin im Vorverfahren in einer Besprechung vom 9.
März 2004 die Funderwartung in den Fundstellen IV und V für hoch und in der
Fundstelle III für unsicher, das Untersuchungsergebnis sei hier offen. Diese
Besonderheiten können sich auf den notwendig werdenden Aufwand der
archäologischen Untersuchungen und der daraus folgenden Dokumentationen
auswirken (vgl. zu den Besonderheiten der Fundstellen III und IV auch schon Urteil der
Kammer vom 30. Oktober 2003, Abschnitt B, 3.2, Seite 19, 20 und zu der
entsprechenden Wartefrist Abschnitt C, 4.2, Seite 29). Mit den jetzt verfügten
Wartefristen hat der Beklagte einen vertretbaren Interessenausgleich gefunden, der der
Klägerin den vollständigen Abbau ihres Geländes trotz vorhandener Bodendenkmäler
erlaubt, der Denkmalpflege jedoch Zeit und Gelegenheit verschafft, die
nachgewiesenen und nicht nur vermuteten Bodendenkmäler in Augenschein zu
nehmen, sie wissenschaftlich zu bewerten, zu bergen, was von bleibendem Wert ist und
durch eine fachlich fundierte Dokumentation die Erinnerung an die dem Vorhaben der
Klägerin weichenden eisenzeitlichen und römischen Siedlungsplätze wach zu halten.
Das Urteil der Kammer vom 30. Oktober 2003 (4 K 61/01) versperrt die von dem
Beklagten gefundene Lösung einer Anknüpfung des Beginns der Wartefristen an den
geplanten Abbaufortschritt nicht. Das Urteil enthält keine Festlegungen für den Beginn
der Wartefristen, sondern den ausdrücklichen Hinweis, dass dieser für die einzelnen
Fundplätze unterschiedlich festgesetzt werden könne (C.4.2, Seite 29 des Urteils). Die
Hinweise im Urteil auf den Eintritt der Rechtskraft bezogen sich erkennbar auf die
Möglichkeit von Zeitverzögerungen durch den Rechtsmittelzug, die mit Rücksicht auf die
schon angelaufene Abgrabung bei Anwendung einer Dreijahresfrist (auch ab Beginn
der jeweiligen Abbauabschnitte und jedenfalls für den Fundplatz II) zu Schwierigkeiten
für den Denkmalschutz hätten führen können. Der von der Klägerin ins Spiel gebrachte
schriftliche Hinweis des Vorsitzenden im Vorprozess vom 1. Juli 2003 nimmt an der
Rechtskraft des Urteils nicht teil. Die darin vorgeschlagene Frist diente auch
ausschließlich der Herbeiführung einer gütlichen Erledigung des Rechtsstreits auf dem
Hintergrund der damals noch geltenden Denkmalschutzauflagen. Auf die im Urteil zum
Ausdruck gekommene Rechtsauffassung des Gerichtes für den Fall der
Neubescheidung hat der Hinweis keinen Einfluss. Die von dem Beklagten getroffene
Entscheidung hält sich in der Bandbreite rechtmäßig möglicher Abwägungsergebnisse.
Eine gerichtliche Korrektur des vertretbar ausgefüllten Planungsermessens ist
unzulässig.
98
3.2.3 Die der Klägerin durch den angefochtenen Planänderungsbeschluss vom 17. Juni
2004 auferlegte Kostenbeteiligung beinhaltet gemessen an deren Verursachungsbeitrag
und dem Gewicht der Belange des Denkmalschutzes eine angemessen abgewogene
Belastung.
99
3.2.3.1 Der Beklagte hat den von der Klägerin zu tragenden Kostenanteil für die
wissenschaftliche Untersuchung und Dokumentation der Fundstellen des
Abgrabungsgeländes aus eisenzeitlicher und römischer Siedlungszeit unter
Einbeziehung der Prospektionslasten auf 75%, und im Höchstfall auf 680000,- Euro
festgesetzt, den Öffentlichkeitsanteil also auf 25%. Liegen die Kosten über 680000,-
Euro (die Klägerin war im Vorprozess selbst von Kosten in Höhe von 938400,- Euro
ausgegangen, siehe Streitwertbeschluss der Kammer vom 30. Oktober 2003), erhöht
sich der Öffentlichkeitsanteil, der Anteil der Klägerin bleibt wegen der
Höhenbegrenzung in absoluten Zahlen gleich, prozentual sinkt er (bei den von der
Klägerin prognostizierten Kosten auf 67,9%). Aus der Regelung ergibt sich darüber
hinaus, dass die Klägerin für ihre Prospektionsaufwendungen keinen Ausgleich erhält,
wenn die Denkmalschutzämter auf wissenschaftliche Untersuchungen der Fundplätze
verzichten und keine Kosten anfallen.
100
3.2.3.2 Der Beklagte hat sich bei der Festlegung der Kostenquoten von folgenden
Überlegungen leiten lassen: Die Gewinnung von Kies und Sand auch im Bereich der
antiken Siedlungsplätze liege weit überwiegend im rein privaten Interesse der Klägerin.
Die Ausgrabung der Fundorte komme demgegenüber nur zu einem geringen Teil einem
101
öffentlichen Interesse entgegen. Aus denkmalpflegerischer Sicht und erst recht bei
Berücksichtigung der für Bodendenkmalgrabungen zur Verfügung stehenden knappen
Haushaltsmittel bestehe kein gesteigertes Bedürfnis zum Tätigwerden. Die Klägerin
dränge die archäologischen Grabungen der Denkmalpflege auf, so dass diese sich zu
einer Art Rettungsgrabung veranlasst sehe, um die Bodendenkmäler nicht ungesehen
unwiederbringlich zerstören zu lassen. Das rechtfertige es, der Klägerin den
überwiegenden Teil der Kosten aufzuerlegen. Angesichts des auch wirtschaftlichen
Gewichtes der Abgrabung, die einen Roherlös in den 23 Jahren der Ausbeutung von
über 100 Mio Euro verspreche, sei die Kostenbeteiligung nach Quote und absoluter
Höhe angemessen.
3.2.3.3 Die von dem Beklagten angestellten Erwägungen sind sachgerecht. Dass die
Klägerin durch ihr Tun für die Zerstörung eines Bodendenkmals verantwortlich ist und
deshalb einen Beitrag für die Bewahrung dessen leisten muss, was durch ihre Tätigkeit
in Mitleidenschaft gezogen wird, hat die Kammer bereits im Vorprozess entschieden
(Urteil vom 30. Oktober 2003, Abschnitt B, 4., Seiten 21, 22). Es ist bei der Abwägung
auch erlaubt, fiskalische Erwägungen anzustellen. Die Rettungsgrabung ist nicht nur
denkmalpflegerisch ein Notbehelf, sie macht auch Ausgaben notwendig, die die
öffentliche Hand ohne die von der Klägerin geschaffene Gefahrenlage nicht gehabt
hätte. Die Denkmalschutzbehörden sind nicht verpflichtet, für derartige Situationen
unbegrenzte Mittel bereit zu halten oder die vorhandenen Mittel anderen Projekten zu
entziehen, um die von der Klägerin verursachten Gefahren abzuwenden. Das
widerspräche nicht zuletzt allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen, nach denen
die Gefahrenabwehr auf privatem Grund regelmäßig Sache des Verhaltens- oder
Zustandsstörers auf eigene Kosten ist. Was der Öffentlichkeit trotz eines geringen
denkmalpflegerischen Interesses und äußerst knapp bemessener Haushaltsmittel zu
Gute kommt, ist der bleibende Gewinn an Erkenntnissen über eisenzeitliche und
römische Siedlungen am linken Niederrhein und deren Dokumentation für die Nachwelt.
Er entsteht unabhängig von der Notwendigkeit der Maßnahme im Ergebnis auf jeden
Fall, wenn auch aus Sicht der Denkmalbehörden möglicherweise zur Unzeit (siehe
Urteil im Vorprozess vom 30. Oktober 2003, Abschnitt C, 3.3.2, Seiten 27,28). Es ist
danach gut vertretbar, das Gewicht des denkmalpflegerischen Interesses bei der
Kostenquotelung deutlich geringer zu gewichten als das wirtschaftlichen Interesse der
Klägerin. Der durch die Rechtsansicht des Urteils des Vorprozesses (vom 30. Oktober
2003, Abschnitt C, 4.1, Seiten 28, 29) vorgegebene „namhafte" Anteil bewegt sich mit
einer Höhe von 25% im Rahmen des Abwägungsermessens des Beklagten. Namhaft ist
jeder Anteil, der deutlich über die Mindestquote eines Öffentlichkeitsanteils hinausgeht,
wie ihn beispielsweise das Erschließungsbeitragsrecht zu Lasten der Gemeinde bei der
Herstellung von Erschließungsanlagen kennt (§ 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB). Dieser
Mindestanteil beträgt 10%. Der Beklagte setzt den die Klägerin entlastenden
Öffentlichkeitsanteil zweieinhalb Mal so hoch und damit angemessen fest.
102
3.2.4 Die Behandlung der Prospektionskosten durch den Planänderungsbeschluss vom
17. Juni 2004 hält sich ebenfalls im Rahmen des gerichtlich nicht korrigierbaren
Ermessens bei der Abwägung der widerstreitenden Belange. Der Beklagte war durch
die ihm durch das Bescheidungsurteil vom 30. Oktober 2003 vorgegebenen
Rechtsansichten des Gerichts gehalten, die Prospektionskosten nicht ausschließlich der
Beibringungslast im UVP-Verfahren zuzuschlagen, sondern in angemessenem Umfang
bei der Bemessung des Öffentlichkeitsanteils zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 30.
Oktober 2003, Abschnitt C, 4.1, Seite 29). Das ist geschehen. Der Beklagte hat
schließlich sachgerecht davon abgesehen, wegen der Prospektionskosten
103
irgendwelche Erstattungsansprüche der Klägerin für den Fall festzusetzen, dass künftig
aus welchen Gründen immer archäologische Bodenuntersuchungen auf dem
Vorhabengelände nicht stattfinden und dementsprechend keine weiteren Kosten
entstehen. Die Überlegung, dass der Verzicht auf derartige Maßnahmen trotz der fest
stehenden Bodendenkmalqualität (vgl. dazu das Urteil im Vorprozess, Abschnitt B, 3.1,
Seite 19) den Interessen der Klägerin so weit entgegen kommt, dass ein zusätzlicher
Kostenausgleich nicht angemessen wäre, beinhaltet eine vertretbare Bewertung der
widerstreitenden Belange. Denn die Klägerin hat durch die von ihr betriebenen
Prospektionen immerhin nachweisen können, dass die Funde aus vorgeschichtlicher
und antiker Zeit nicht bedeutsam genug sind, um dauerhaft im Boden aufbewahrt zu
werden und damit die Sand- und Kiesgewinnung im Bereich der Bodenfundstellen zu
unterbinden. In der von Zeitverzögerungen abgesehen uneingeschränkten Zulassung
der Abgrabung hat der Beklagte in vertretbarer Einschätzung eine hinreichend
angemessene Kompensation für die Prospektionsaufwendungen gesehen. Das
Ergebnis entspricht § 100 Abs. 2 Nr. 2 LWG. Die Auferlegung von Prospektionskosten
für den Fall des Ausbleibens weiterer denkmalpflegerischer Untersuchungen ist
geeignet einen Versagungsgrund auszuräumen.
3.2.5 Schließlich ist Nr. 6 des Planänderungsbeschlusses vom 17. Juni 2005 nicht zu
beanstanden. Darin gibt der Beklagte der Klägerin auf, den auf sie entfallenden
Kostenanteil binnen eines Monats nach Zugang einer Kostenaufstellung zu entrichten.
Die Regelung muss ausgelegt werden. Sie hat über eine Fälligkeitsregelung hinaus
keine gegenwärtigen Rechtswirkungen. Sie enthält keine Pflicht zu Vorausleistungen.
Dafür bedürfte es eines eindeutigen und klaren Ausspruchs. Sie enthält keine Regelung
darüber, wie die Kosten der archäologischen Untersuchungen und Dokumentation
angemessen zu bestimmen sind. Das ist auch weder notwendig, noch gegenwärtig
möglich, noch ist es aus Gründen des Rechtsschutzes für die Klägerin geboten. Was an
erforderlichen Kosten entstanden ist, kann erst entschieden werden, wenn die
archäologische Exploration durchgeführt, frühestens, wenn ihr Umfang an Hand
konkreter Umstände einigermaßen zuverlässig abgeschätzt werden kann. Da niemand
wissen kann, welche Spuren und Überbleibsel der Boden verborgen hält, lässt sich der
Aufwand, der zur Bergung, zur Begutachtung und zur Dokumentation notwendig ist, im
Vorhinein nicht beziffern. Nr. 6 des Planänderungsbeschlusses ist kein gegenwärtiger
Leistungsbescheid. Das wird erst die angekündigte Kostenaufstellung sein, deren
Rechtmäßigkeit die Klägerin gesondert überprüfen lassen kann. Die
Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens steht einer derartigen
Verfahrensweise nicht entgegen. Die technische Abwicklung des die Klägerin
treffenden Kostenanteils ist kein Teil der der Planfeststellung zu Grunde liegenden
Abwägung. Sie geschieht vergleichbar einer Kostenfestsetzung nach durchgeführter
Ersatzvornahme auf der sekundären Ebene in einem nachgeschalteten Verfahren, das
außerhalb der Planfeststellung zulässig ist (vgl. Kopp-Ramsauer, VwVfG, Kommentar,
9. Aufl., § 75 Rdn. 7).
104
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 161 Abs. 2, 162 Abs. 3
VwGO. Die auf den erledigten Teil des Rechtsstreits entfallenden Kosten trägt aus
Billigkeitsgründen ebenfalls die Klägerin, weil die Stillhaltefrist zu Gunsten des
Fundplatzes II aus den gleichen Gründen wie die noch nicht erledigten Stillhaltefristen
für die übrigen Fundstellen rechts- und ermessensfehlerfrei festgesetzt worden ist. Der
Beigeladene stellt keinen Sachantrag. Er setzt sich nicht dem Unterliegensrisiko aus, so
dass es unbillig wäre, ihm Kostenerstattungsansprüche zuzuerkennen.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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Die Kammer lässt die Berufung nicht zu. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche
Bedeutung. Die allgemeinen Fragen zur Reichweite des Vorrangs von Zielen der
Raumordnung sind obergerichtlich geklärt. Die Frage nach dem Gewicht des
Bodendenkmalschutzes in einem wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren
allgemein ist zwischen den Beteiligten rechtskräftig beantwortet. Die Prüfung im übrigen
betrifft die Rechtsanwendung und die planfeststellende Abwägung im Einzelfall ohne
grundsätzliche Relevanz.
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