Urteil des VG Düsseldorf vom 07.11.2001

VG Düsseldorf: verfügung, zuwendung, höchstbetrag, vollstreckung, umbau, ausschluss, postulat, gerichtsverfahren, widerspruchsverfahren, gefahr

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 K 4694/99
Datum:
07.11.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 4694/99
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Januar
1999 und ihres Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1999 verpflichtet,
den Zuwendungsantrag der Klägerin vom 23. November 1998
(beschränkt auf einen Zuwendungsbetrag von 6000,- DM) unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur
Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige
Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin beantragte am 23. November 1998 bei der Beklagten die Gewährung von
Zuwendungen nach den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für
Maßnahmen gemäß § 96 BVFG durch das Land Nordrhein-Westfalen (Runderlass des
Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 1. Oktober 1993 - SMBl. NRW 2430 -,
im Folgenden "Richtlinien" genannt), und zwar
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1. für die Durchführung einer xxxxxxxxxxxxtagung vom xx. bis xx. xxxx 1999 in
xxxxxxxxxxxx - in Höhe von 2139,20 DM,
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2.
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3. für die Durchführung einer grenzüberschreitenden Tagung "xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx -
xxxxxxx" am xx. xxxx 1999 in xxxxxx xxxx - in Höhe von 1796,60 DM,
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4.
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5. für die Durchführung einer deutsch-polnischen Kulturveranstaltung
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxx" am xx. xxx 1999 in xxxxxxxxxx - in Höhe von 2745,05 DM,
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6.
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7. für die Durchführung einer Landeskulturtagung der Landes-gruppe NRW am xx. xxx
1999 in xxxxxxxxxx - in Höhe von 1192,90 DM sowie
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8.
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9. für die Durchführung einer grenzüberschreitenden Kulturver-anstaltung
"xxxxxxxxxxxxxxxxxx" am xx. xxxxxx 1999 in xxxxxx xxxx - in Höhe von 2766,- DM,
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10.
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insgesamt also Zuwendungen in Höhe von 10.639,75 DM.
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Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 22. Januar 1999 mit der
Begründung ab, das Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und
Sport stelle auf Grund der vom Landtag beschlossenen Konsolidierungszwänge im
Förderbereich des § 96 BVFG keine Ausgabemittel für die Projektförderung zur
Verfügung.
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Mit dem am 23. Februar 1999 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, im
Landeshaushalt seien nach wie vor Mittel für die Kulturpflege gemäß § 96 BVFG
enthalten; nach welchen Gesichtspunkten diese verteilt würden, sei nicht ersichtlich; es
sei unangemessen, den Bereich der kulturellen Breitenarbeit völlig aus der Förderung
herauszunehmen; die Ablehnung sei ermessensfehlerhaft.
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Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 16.
Juni 1999 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: § 96 BVFG
begründe keinen Einzelanspruch auf Unterstützung sondern enthalte eine dem Land zur
Ausgestaltung überlassene generelle Verpflichtung. Die Kürzung des entsprechenden
Haushaltsansatzes gehe auf einen Landtagsbeschluss zurück. Nach Abwägung der
Vor- und Nachteile sei im Bereich der institutionellen Förderung nur eine geringe
Kürzung vorgenommen worden, um die kontinuierliche Arbeit derartiger Einrichtungen
nicht zu gefährden. Für die Projektförderung seien nur noch 16.000,- DM vorgesehen
worden; davon habe die Gedenkstätte des Deutschen Ostens auf xxxxxxxxxxxx 10.000,-
für die jährlich anfallenden Betriebskosten erhalten, weil diese Bestandsschutz genieße.
Die restlichen Mittel seien einer anderen xxxxxxxxxxxxxxxx zugewiesen worden.
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Mit der am 14. Juli 1999 erhobenen Klage beschränkt die Klägerin ihr Klagebegehren
auf 6000,- DM. Sie trägt im Wesentlichen vor: Die nach Abzug der Zuwendungen für die
Gedenkstätte xxxxxxxxxxxx verbliebenen 6000,- DM für Projektförderung seien nicht in
der gesamten Summe abgefordert worden. Ein Restbetrag in Höhe von 2400,- DM und
ein Betrag in Höhe von 3000,- DM aus dem Titel 54161246 (Schülerwettbewerb) seien
zweckentfremdet, nämlich zur Nachversicherung von Bediensteten der
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx
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(xxx) verwendet worden.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Januar 1999 und ihres
Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1999 zu verpflichten, ihr Fördermittel für die
Projektförderung in Höhe von 6000,- DM zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt ergänzend aus: Bei den Erläuterungen zum Haushaltsplan handele es sich
nicht um Untertitel sondern lediglich um Absichtserklärungen. Einen Titel
Projektförderung gebe es dementsprechend nicht. Der Titel 54161 (Schülerwettbewerb)
sei ein Leertitel und weise keinen eigenen Haushaltsansatz auf. Die institutionelle
Förderung genieße Vorrang vor der Projektförderung, um vorhandene Arbeitsplätze zu
sichern. Auch die Nachversicherung der Bediensteten der xxx sei im Hinblick auf die
Existenzsicherung der Einrichtung als im Verhältnis zur Projektförderung dringender zu
bewerten. Eine Verwendung von Mitteln für Künstlerhilfe und Schülerwettbewerb sei
daher ermessensfehlerfrei. Das gelte im Übrigen auch für den Schülerwettbewerb
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx", und zwar wegen dessen Außenwirkung und Bedeutung
bezüglich der Völkerverständigung. Letztlich hätte die Gewährung auch nur eines
einzigen Zuschusses an eine einzelne Landsmannschaft unter Nichtberücksichtigung
der anderen zur Ungleichbehandlung geführt.
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Die Klägerin erwidert u.a. dazu: Die Beklagte habe nunmehr die gegenseitige
Deckungsfähigkeit aller Ansätze desselben Titels bestätigt, sodass sie nicht auf
fehlende Haushaltsmittel für die Projektförderung verweisen könne. Da andere
xxxxxxxxxxxxxxxxx keine Zuwendungsanträge gestellt hätten, gehe das Argument der
Ungleichbehandlungsgefahr fehl. Auch sei zu fragen, ob es noch sinnvoll sei,
Zuwendungen für institutionelle Kosten zu gewähren, statt auf den Abbau von Personal
hinzuwirken.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage ist begründet, so weit sie auf die Aufhebung der angefochtenen Bescheide
und auf Neubescheidung der Klägerin gerichtet ist.
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Die Klägerin wird durch die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten im
Sinne von § 113 Abs. 5 Sätze 1, 2 VwGO in ihren Rechten verletzt. Die angefochtenen
Bescheide sind rechtswidrig.
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Die Parteien sind sich darüber einig, dass weder § 96 BVFG noch die Richtlinien einen
Anspruch auf die von der Klägerin begehrten Zuwendungen regeln. § 96 BVFG
postuliert lediglich generell die Pflicht des Bundes und der Länder, das Kulturgut der
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Vertreibungsgebiete in dem Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des
gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten und damit verbundene
Einrichtungen und Aufgaben zu fördern. In welcher Weise Zuwendungen zu gewähren
sind, ist in § 96 BVFG nicht geregelt. Unter 1.3 der Richtlinien ist festgelegt, dass kein
Anspruch auf Zuwendungen besteht und die Bewilligungsbehörde auf Grund
pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel entscheidet.
Das schließt die Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes (Art. 3 Abs. 1 GG)
ein.
Die Beklagte hat sich bei der Entscheidung über den Antrag der Klägerin nicht in
ausreichendem Maße an diese Vorgaben gehalten.
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Dabei ist die Verfügbarkeit der vorhandenen Haushaltsmittel in erster Linie zu
berücksichtigen, wobei die Überprüfung der Frage, ob der die Mittel bereitstellende
Gesetzgeber den Belangen der Kulturförderung im Rahmen des § 96 BVFG in
ausreichendem Maße Rechnung getragen hat, der gerichtlichen Überprüfung entzogen
ist. Ob etwas anderes gelten würde, wenn der Gesetzgeber dem Postulat des § 96
BVFG überhaupt nicht entsprochen, also überhaupt keine Mittel für Maßnahmen nach §
96 BVFG zur Verfügung gestellt hat, bedarf hier keiner Entscheidung; denn auch für das
hier maßgebliche Haushaltsjahr 1999 sind entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt
worden.
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Entscheidend ist hier Kapitel 07060 Titelgruppe 61 des Haushalts des Landes
Nordrhein-Westfalen für das Jahr 1999. Danach war für die Durchführung von Aufgaben
nach § 96 BVFG wie im Vorjahr 1998 ein Gesamtbetrag von 3,590 Mio. DM (unter
Ausschluss eines hier nicht interessierenden einmaligen Umbau-
Investitionszuschusses) vorgesehen. Davon sollten nach dem Willen des Landtages
entfallen
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- auf institutionelle Förderung 3.286.500 DM
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- auf Patenschaftszuwendungen 136.500 DM
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- auf Projektförderung 16.000 DM
35
- auf einen Schülerwettbewerb 151.000 DM.
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Ferner war vorgesehen, "aus den veranschlagten Mitteln" könne eine Künstlerhilfe bis
zum Höchstbetrag von insgesamt 6000,- DM gezahlt werden.
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Der Auffassung der Beklagten, aus der Einrückung des Satzes
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"Aus den veranschlagten Mitteln kann eine Künstlerhilfe bis zum Höchstbetrag von
insgesamt 6000,- DM gezahlt werden."
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ergebe sich, dass dafür nur ein Teil der Mittel für die Projektförderung (und keiner
anderen Mittel) verwendet, die Künstlerhilfe jedoch nicht aus den Gesamtmitteln
entnommen werden sollte, vermag das Gericht nicht zu folgen. Zwar war dieser Satz im
Vorjahr nicht eingerückt worden, sodass der Gedanke, die Einrückung habe dem von
der Beklagten genannten Ziel gedient, nicht gerade abwegig ist. Jedoch ist zu
berücksichtigen, dass bereits im Jahre 1998 aus dem Zahlenverhältnis zwischen dem
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Betrag für die Projektförderung (16.000,- DM) und demjenigen für die Künstlerhilfe (bis
höchstens 18.000,- DM) offensichtlich war, dass die Künstlerhilfe nicht allein aus den
Mitteln für die Projektförderung entnommen werden sollte, weil dies bereits
mathematisch unmöglich gewesen wäre. Ferner ist zu beachten, dass Künstlerhilfe mit
Projektförderung nicht einmal ansatzweise etwas zu tun hat, sondern eher - wenn auch
in kleinstem Rahmen - der "institutionellen" Förderung dient; sie soll nämlich, wie die
Beklagte ausführt, nicht "Projekten" von Künstlern sondern deren Existenzsicherung
dienen. Damit nähert sie sich der Zweckrichtung der institutionellen Förderung in
auffälliger Deutlichkeit. Außerdem wäre kaum nachvollziehbar, wenn der für die
Künstlerhilfe vorgesehene Höchstbetrag von 6000,- DM ausgerechnet zu Lasten der mit
Abstand kleinsten Fördergruppe zur Verfügung gestellt werden sollte; für die
Projektförderung waren insgesamt nur 16.000,- DM vorgesehen, während für
Patenschaftszuwendungen 136.500,- DM, für den Schülerwettbewerb 151.000,- DM und
für die institutionelle Förderung sogar 3.286.500,- DM an Zuwendungen vorgesehen
waren.
Unter diesem Gesichtswinkel erscheint es ermessensfehlerhaft, der Klägerin die
begehrten Fördermittel insgesamt mit der Erwägung vorzuenthalten, von den Mitteln für
die Projektförderung seien 10.000,- DM für die Gedenkstätte xxxxxxxxxxxx (insoweit hat
das Gericht keine rechtlichen Bedenken) und 6000,- DM für Künstlerhilfe verbraucht
worden und daher keine Fördermittel mehr vorhanden. Auch die später in das
Gerichtsverfahren eingeführten Ermessenserwägungen können die Bedenken des
Gerichts gegen die Ermessensfehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung nicht
ausräumen. Sie sind nämlich für das Argument der anderweitigen - und vorrangigen -
Mittelvergabe hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Zuwendung von 6000,- DM
ungeeignet. Wenn es sich, wie die Beklagte meint, bei den Erläuterungen des
Haushalts lediglich um unverbindliche Absichtserklärungen handeln sollte, wäre der
Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren
Zuwendungsantrag erst Recht nicht erschöpft, weil dann ein noch wesentlich weiterer
Bereich der bereitgestellten Mittel für eine Bewilligung zu Gunsten der Klägerin zur
Verfügung stände. Dass die Nachversicherung der xxx gerade aus den Mitteln für die
Projektförderung bewerkstelligt werden musste, ist rechtlich nicht haltbar, dafür wäre
gerade die institutionelle Förderung die nächstliegende Fördergruppe gewesen. Auch
der Hinweis auf die Gefahr einer Ungleichbehandlung anderer xxxxxxxxxxxxxxxxx geht
ins Leere; denn die Klägerin hat unwidersprochen ausgeführt, dass von anderen
xxxxxxxxxxxxxxxxx keine Projektförderungsanträge gestellt worden waren.
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Der Begründetheit der Bescheidungsklage steht auch nicht im Wege, dass die Mittel für
das Jahr 1999 inzwischen vollständig verteilt worden sein dürften. Eine
rechtsstaatlichen Grundsätzen gerecht werdende Rechtsverfolgung würde bei dieser
Rechtsansicht in vielen Klageverfahren, sei es durch das vorgeschriebene
Widerspruchsverfahren, sei es durch die allgemein bekannte Dauer
verwaltungsgerichtlicher Verfahren, vereitelt,
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vgl. hierzu auch Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil vom 18. Februar 1998 - 2 K 296/96
-, VwRR MO 1998, 259.
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Bei der Neubescheidung wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, ob die für das
Jahr 1999 im Bereich des § 96 BVFG bereitgestellten Mittel vollständig für Maßnahmen
ausgegeben worden sind, die aus sachgerechten Gesichtspunkten gegenüber der
Förderung der von der Klägerin durchgeführten Projekte vorrangig waren. Welche
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Gesichtspunkte insofern sachgerecht sind, entzieht sich - jedenfalls zurzeit - der
Beurteilung durch das Gericht; denn die anderen geförderten Maßnahmen sind nicht in
vollem Umfang gerichtsbekannt. Ferner wird die Beklagte zu berücksichtigen haben,
inwieweit die von der Klägerin durchgeführten Projekte förderungswürdig waren.
II.
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Die Klage ist unbegründet, soweit sie auf die Verpflichtung der Beklagten zur
Bewilligung einer Zuwendung von 6000,- DM gerichtet ist. Der Umstand, dass die
Ablehnung der Zuwendung aus den o.a. Gründen rechtswidrig war, schließt nicht aus,
dass die von der Klägerin begehrte Zuwendung aus anderen, ermessensgerechten
Gründen scheitert. Insbesondere gehört dazu die Förderungswürdigkeit der von der
Klägerin durchgeführten Maßnahmen. Insoweit hat die Beklagte noch keine
Untersuchungen angestellt, weil sie davon ausging, dass ohnehin keine Mittel dafür zur
Verfügung stünden. Ob die Beklagte in früheren Jahren ähnliche Projekte der Klägerin
durch Mittelzuwendungen gefördert hat, ist hier ohne rechtliche Bedeutung; denn die
Beklagte kann die Förderungswürdigkeit jeweils erneut überprüfen, zum Beispiel mit
anderen Projekten vergleichen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Regelung der
Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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