Urteil des VG Düsseldorf vom 13.02.2004

VG Düsseldorf: einweisung, erlass, beförderung, verfügung, polizei, amt, ernennung, leiter, transparenz, inhaber

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 L 4334/03
Datum:
13.02.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 4334/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme
außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der am 24. November 2003 sinngemäß gestellte Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die der
Bezirksregierung E durch das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit
Erlass vom 17. Oktober 2003 (45.2 - 3001/1) zugewiesene Stelle der Besoldungsgruppe
A 15 BBesO mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor nicht der Antragsgegner eine
erneute Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
getroffen hat,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines
Rechts des Antragstellers nur getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch
eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3
VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO das Bestehen eines zu sichernden Rechts
(Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft
zu machen.
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Für das vom Antragsteller verfolgte Begehren besteht zwar im Hinblick darauf, dass die
Bezirksregierung E (im Folgenden: Bezirksregierung) die Absicht hat, die in Streit
stehende Stelle alsbald mit dem Beigeladenen zu besetzen, ein Anordnungsgrund, da
dessen Ernennung zum Polizeidirektor und Einweisung in die freie Planstelle der
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Besoldungsgruppe A 15 BBesO das vom Antragsteller geltend gemachte Recht auf
diese Stelle endgültig vereiteln würden.
Der Antragsteller hat aber einen sein Rechtsschutzbegehren rechtfertigenden
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Beförderungsentscheidung der
Bezirksregierung zu Gunsten des Beigeladenen ist formell und materiell nicht zu
beanstanden.
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Formelle Mängel der Beförderungsentscheidung sind nicht ersichtlich. Die
Bezirksregierung ist für die Ernennung der Beamtinnen und Beamten des höheren
Dienstes bei den Kreispolizeibehörden des Bezirks zuständig, denen ein Amt der
Besoldungsgruppe A 15 BBesO verliehen wird. Die verfahrensmäßigen
Beteiligungsrechte Dritter sind gewahrt worden. Der nach § 78 Abs. 1 Satz 1, 82 Abs. 1,
84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) zuständige Polizei-
Bezirkspersonalrat bei der Bezirksregierung E hat nach §§ 66 Abs. 1, 72 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 LPVG am 14. November 2003 seine Zustimmung zu der Beförderung erteilt.
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Es bestehen auch keine Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der
Beförderungsentscheidung. Die Entscheidung der Bezirksregierung, die sofort
besetzbare Stelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO mit dem Beigeladenen anstelle
des Antragstellers zu besetzen, erweist sich bei der im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht
als rechtsfehlerhaft.
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Die Bezirksregierung durfte das Beförderungsverfahren so gestalten, dass sie im
Rahmen ihrer Beförderungsentscheidung nur diejenigen Bewerber berücksichtigt, die
bereits in eine nach A 15 BBesO bewertete Funktionsstelle eingewiesen worden sind.
Es unterliegt keinen Bedenken, unter diesen Bewerbern die Entscheidung nach dem
Kriterium der Verweildauer seit der Einweisung in die entsprechende Funktionsstelle
vorzunehmen. Dieses Verfahren ist nicht zu bestanden, da Beamte in Anwendung einer
gleichförmigen Verwaltungspraxis nur im Wege eines dem Leistungsgrundsatz
entsprechenden Auswahlverfahrens in eine Funktionsstelle nach A 15 BBesO
eingewiesen werden.
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Beförderungsentscheidungen für die Besetzung von Planstellen nach A 15 BBesO im
Geschäftsbereich der Polizei werden nach dem Erlass des Innenministeriums des
Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Innenministerium) vom 9. April 1997 (Az.:
IV B 1 - 311) unter Nr. IV, den die Bezirksregierung entsprechend ihrer Rundverfügung
vom 5. März 1999 für ihren Bereich umgesetzt hat, nach folgenden Kriterien
durchgeführt:
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„Freie A 15- und A 16-Planstellen werden grundsätzlich ausgeschrieben, um in einem
Auswahlverfahren den geeignetsten Bewerber / die geeignetste Bewerberin ermitteln zu
können.
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In dem Auswahltermin sollen in erster Linie die Bewerber zum Zuge kommen, die
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- entsprechend gute Beurteilungen nach den Beurteilungsrichtlinien [...] vorweisen
können,
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- sich in unterschiedlichen Funktionen bewährt haben, wobei Verwendungsbreite und
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mehrjährige Erfahrungen verstärkt gewichtet werden können und
- ihre derzeitige Funktion grundsätzlich mindestens drei Jahre ausgeübt haben."
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Die Bezirksregierung richtet nach der Darstellung in ihrem Schriftsatz vom 4. Dezember
2003 in gleichförmiger Verwaltungspraxis ihre Beförderungsentscheidungen für die
Besetzung von Planstellen nach A 15 BBesO dementsprechend nach folgenden
Kriterien aus:
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1) Es werden ausschließlich Polizeivollzugsbeamte befördert, die im Wege der
Ausschreibung in eine nach A 15 BBesO bewertete Funktion gelangt sind und
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2) die jeweils längste Verweildauer nach Einweisung in die Funktionsstelle aufweisen
können.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller in Bezug genommenen
Schreiben des Polizeipräsidenten E1 an die Bezirksregierung vom 18. November 2003
hinsichtlich einer „Absprache" zwischen den erwähnten Stellen über eine Beförderung
des Antragstellers. Zum einen wird eine solche Absprache seitens der Bezirksregierung
unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit der betreffenden Stellen bestritten. Zum
anderen stellt auch der Polizeipräsident E1 die Beförderungsentscheidung nach den
dargestellten Kriterien nicht in Frage.
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Es ist dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn überlassen, nach welchen
(sachlichen) Umständen er das Verfahren ausgestaltet, innerhalb dessen eine
Beförderungsentscheidung getroffen wird. Danach ist es nicht zu beanstanden, dass die
Bezirksregierung nur diejenigen Beamten in die Auswahl einbezogen hat, die bereits in
eine nach Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewertete Funktion eingewiesen worden
sind.
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Dies ist bei dem Antragsteller wie bei dem Beigeladenen der Fall. Dem Antragsteller
wurde auf der Grundlage der Auswahlentscheidung der Bezirksregierung vom 16.
August 2002 durch Verfügung des Polizeipräsidenten E1 vom 10. September 2002 mit
Wirkung vom 15. Juli 2002 die Leitung der Polizeiinspektion Süd beim Polizeipräsidium
E1 übertragen. Es handelt sich hierbei gemäß Erlass des Innenministeriums vom 10.
April 2000 (- IV C 3 - 7112 -) über die Bewertung von Funktionen des höheren Dienstes
im Bereich der Polizei um eine Funktionsstelle nach A 15 BBesO, da diese Inspektion
eine Stärke von mehr als 180 Planstellen - zum 1. Oktober 2003 von 264,21 Planstellen
- umfasst. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass diese Planstellenstärke -
und damit die Wertigkeit einer Funktionsstelle nach A 15 BBesO - erst im Zuge einer
Umorganisation im Sommer 2002 erreicht wurde. Die Leitung der Polizeiinspektionen 1
und 3 des Polizeipräsidenten E1, die der Antragsteller vorher innehatte, wurde
demgegenüber mit A 13/A 14 BBesO bewertet.
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Dem Beigeladenen wurde hingegen auf der Grundlage der Auswahlentscheidung der
Bezirksregierung vom 9. Januar 2002 bereits durch Verfügung des Polizeipräsidenten E
vom 17. Januar 2002 und damit bereits etwa ein halbes Jahr früher die Leitung des
Ständigen Stabes beim Polizeipräsidium E übertragen. Es handelt sich hierbei nach
dem genannten Erlass ebenfalls um eine nach A 15 BBesO bewertete Stelle.
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Das der Besetzung der Beförderungsstelle zu Grunde gelegte Kriterium der
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Verweildauer seit der Einweisung in die Funktionsstelle unterliegt keinen rechtlichen
Bedenken. Es ist jedenfalls dann rechtlich zulässig, wenn bereits anlässlich der
vorangegangenen Übertragung eines solchen höherwertigen Dienstpostens eine am
Leistungsgrundsatz orientierte Vorauswahl erfolgt war.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 1985 - 1 B 319/85 -, ZBR 1986, 54, vom
27. Juni 1995 - 6 B 1136/95 - und vom 8. Dezember 1999 - 12 B 1255/99 - , IÖD 2000,
160; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. August 1994 - 1 TG
1749/94 -, RiA 1995, 188; Beschluss der Kammer vom 19. April 2001 - 2 L 302/01 -.
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Denn der Leistungsgrundsatz gebietet nur eine einmalige Entscheidung nach
Leistungskriterien zwischen den jeweiligen Bewerbern. Der Dienstherr kann deshalb
bei der Vergabe bestimmter - in der Regel höher bewerteter - Dienstposten eine
Auswahl nach Leistungsgrundsätzen treffen und dann, wenn eine bestimmte
Beförderungsplanstelle zur Verfügung steht, seine Beförderungsauswahlentscheidung
nur zwischen den Inhabern dieser Dienstposten (sogenannte
Beförderungsdienstposten) treffen.
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Vgl. Beschluss der Kammer vom 22. Juni 2001 - 2 L 317/01 -.
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Das nach dem Erlass des Innenministeriums vorgesehene und oben beschriebene
Auswahlverfahren zur Übertragung eines solchen höherwertigen Dienstpostens stellt
eine hinreichend am Leistungsgrundsatz orientierte Vorauswahl dar. Für
Auswahlentscheidungen sind nach der neueren Rechtsprechung,
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vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, vom 27. Februar 2003 - 2 C
16.02 -, und vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -; OVG NRW, Beschluss vom 17.
Dezember 2003 - 6 B 2172/03 -; Beschlüsse der Kammer vom 13. November 2003 - 2 L
3302/03 - und des VG Köln vom 3. November 2003 - 19 L 2044/03 -,
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in erster Linie aktuelle Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen
Leistungsstand wiedergeben. Ältere dienstliche Beurteilungen können daneben als
zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Sie stellen keine Hilfskriterien für die
Auswahlentscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um Erkenntnisse, die über Eignung,
Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen
gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind.
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Sind hiernach Auswahlentscheidungen regelmäßig auf der Grundlage dienstlicher
Beurteilungen zu treffen, so trägt die zusätzliche Berücksichtigung der Bewährung in
unterschiedlichen Funktionen und die besondere Eignung eines Beamten für das durch
die Wahrnehmung von Führungsaufgaben geprägte Amt des höheren Dienstes dem
Grundsatz der Bestenauslese gleichermaßen und in besonderer Weise Rechnung.
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Vgl. Beschluss der Kammer vom 19. April 2001, a.a.O.
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Hinweise, dass die damaligen Auswahlentscheidungen der Bezirksregierung zur
Besetzung der Funktionsstellen mit dem Antragsteller und dem Beigeladenen nicht
nach den durch Erlass des Innenministeriums vom 9. April 1997 vorgegebenen
Maßstäben durchgeführt worden sind, sind weder vom Antragsteller vorgetragen noch
sonst ersichtlich.
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Stellt das Auswahlverfahren mithin eine am Leistungsgrundsatz orientierte Vorauswahl
dar, so konnte die Bezirksregierung dem Beigeladenen aufgrund seiner höheren
Verweildauer - nämlich fast genau sechs Monate - seit der Einweisung in eine
Funktionsstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO gegenüber dem Antragsteller den
Vorzug zu geben.
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Hierbei durfte die Bezirksregierung zur Berechnung auf den Zeitpunkt der Einweisung in
die Funktionsstelle abstellen. Dies dient der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der
Entscheidung. Es kommt demnach nicht auf eine etwaige kommissarische Übernahme
der Funktion als Leiter des Ständigen Stabes bei dem Polizeipräsidenten E durch den
Beigeladenen ab September 2001 an. Dies gilt ebenso für die Frage, ob der
Antragsteller in früheren Funktionen als Leiter einer „großen Inspektion" bei den
Polizeipräsidenten L und E1 und damit auf einem höherwertigen Dienstposten tätig war.
Maßgeblicher Berechnungszeitpunkt für die Verweildauer ist allein die nach
durchgeführtem Auswahlverfahren erfolgte Einweisung in die entsprechende
Funktionsstelle.
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Das Vorbringen des Antragstellers, die nunmehr getroffene Beförderungsauswahl
beruhe auf einem Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz, da er zwar nach der aktuellen
dienstlichen Beurteilung von 2002 wie der Beigeladene mit 4 Punkten beurteilt sei,
jedoch in der Vorbeurteilung von 1999 mit 4 Punkten besser beurteilt sei als der
Beigeladene mit 3 Punkten, führt deshalb nicht zum Erfolg. Es kommt im jetzigen
Verfahrensstadium nicht mehr auf einen aktuellen (unmittelbaren) Leistungsvergleich
zwischen ihm und dem Beigeladenen an. Es ist auch unerheblich, ob nach der bereits
oben wiedergegebenen neueren Rechtsprechung der Antragsteller aufgrund der
besseren Bewertung in der Vorbeurteilung nach Leistungsgrundsätzen heute als besser
qualifiziert anzusehen wäre als der Beigeladene oder ob eine aktuelle dienstliche
Beurteilung, die zeitlich einen Beurteilungsbeitrag auf einer höherwertigen
Funktionsstelle (hier nach A 15 BBesO) enthält, einer Beurteilung auf einer „reinen"
Stelle nach A 14 BBesO vorrangig ist. Ob der Inhaber eines höherwertigen
Dienstpostens mit der längsten Verweildauer bei der Stellenbesetzung dann
zurücktreten muss, wenn seine Leistungen sich deutlich verschlechtert haben, er sich
insbesondere in der neuen Funktion nicht bewährt hat, bedarf vorliegend keiner
abschließenden Entscheidung. Denn der Beigeladene ist ebenso wie der Antragsteller
aktuell mit der überdurchschnittlichen Gesamtnote „4 Punkte" beurteilt.
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Nach den oben dargestellten Beförderungskriterien der Bezirksregierung erfolgt eine
Vorauswahl allein im Rahmen des am Leistungsgrundsatz orientierten
Auswahlverfahrens. Das Auswahlverfahren gibt dem einzelnen Beamten die
Möglichkeit, sich um die für eine spätere Beförderung vorentscheidende Vergabe einer
Funktionsstelle zu bewerben und im Falle seiner Nichtberücksichtigung bereits auf
dieser Entscheidungsstufe einen eventuellen Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz zu
rügen. Macht er hiervon keinen Gebrauch, so stellt es keine Verletzung seines
Bewerbungsverfahrensanspruchs dar, wenn die spätere Bewerbung um die
Beförderungsstelle aufgrund einer kürzeren Verweildauer unberücksichtigt bleibt.
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Vgl. Beschluss der Kammer vom 19. April 2001, a.a.O.
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Eine nachfolgende Beförderungsentscheidung darf sich dann in nicht zu
beanstandender Weise an der Verweildauer seit erfolgter Einweisung in die
entsprechende Funktionsstelle orientieren.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der
Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt
hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass er etwaige eigene
außergerichtliche Kosten selbst trägt.
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Die Festsetzung des Streitwerts auf die Hälfte des Auffangwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3,
13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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