Urteil des VG Düsseldorf vom 04.03.2003

VG Düsseldorf: verordnung, lehrer, vergütung, pflichtstundenzahl, versorgung, besoldung, ausführung, behörde, aufrechnung, mehrarbeit

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 7703/02
Datum:
04.03.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 7703/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der am 8. Juni 1967 geborene Kläger stand bis zum 31. Juli 2002 als verbeamteter
Lehrer im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen, zuletzt am Berufskolleg V in L. Im
Zeitraum von August 1998 bis Juli 2002 hatte er gemäß der Vorschriften der Verordnung
zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz wöchentlich eine Pflichtstunde mehr
abzuleisten (so genannte Vorgriffsstunden).
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Mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 beantragte der Kläger bei der Bezirksregierung L auf
Grund seiner Versetzung nach Rheinland-Pfalz die Vergütung der bereits abgeleisteten
Vorgriffsstunden. Bereits unter dem 8. September 2002 hatte er dem Landesamt für
Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) mitgeteilt, dass ihm von dort
Bezüge auch für die Monate August und September gezahlt worden waren und
hinsichtlich der von ihm abgeleisteten Vorgriffsstunden sinngemäß die Aufrechnung
erklärt. Der Kläger hatte als Folge davon einen Rückforderungsanspruch des LBV
lediglich in Höhe von 100,68 Euro errechnet.
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Mit Bescheid vom 13. September 2002 forderte das LBV die Bezüge für die Monate
August und September in Höhe von insgesamt (netto) 4.933,20 Euro zurück.
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Unter dem 22. September 2002 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und rügte,
dass keine Verrechnung mit seinem Anspruch auf Vergütung der abgeleisteten
Vorgriffsstunden erfolgt sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2002 wies das LBV den Widerspruch zurück.
Zur Begründung verwies es darauf, dass die Forderung des Klägers nicht fällig sei, da
er diese nicht bei der zuständigen personalaktenführenden Stelle geltend gemacht
habe.
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Der Kläger hat am 2. November 2002 (rechtzeitig) Klage erhoben. Zur Begründung gibt
er im Wesentlichen an, dass die Nichtgewährung eines finanziellen Ausgleichs für die
von ihm abgeleisteten Vorgriffsstunden rechtswidrig sei.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen
vom 13. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben
Behörde vom 2. Oktober 2002 insoweit aufzuheben, als die Rückforderung den Betrag
von 100,68 Euro überschreitet.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs des Beklagten (Beiakte Heft 1).
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Entscheidungsgründe:
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Die Entscheidung kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung
ergehen, da die Beteiligten diesbezüglich schriftlich mit Schreiben vom 22. und 30.
Januar 2003 ihr Einverständnis erklärt haben. Der Einzelrichter ist gemäß § 6 VwGO
zuständig, da ihm die Sache mit Beschluss der Kammer vom 8. November 2002 zur
Entscheidung übertragen worden ist.
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen
vom 13. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben
Behörde vom 2. Oktober 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
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Gemäß § 117 Abs. 5 VwGO wird zur Begründung zunächst auf den Ausgangsbescheid
vom 13. September 2002 verwiesen. Der Kläger kann demgegenüber nicht mit Erfolg
einen (Gegen-)Anspruch auf finanzielle Vergütung seiner abgeleisteten Vorgriffsstunden
geltend machen. Unabhängig vom Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen einer
Aufrechnung im vorliegenden Fall besteht ein solcher Anspruch nach der einschlägigen
Rechtsprechung gemäß der Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz (VO
zu § 5 SchFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai 1997 (GV.NW. S. 88)
in Verbindung mit den Verwaltungsvorschriften zur Verordnung zur Ausführung des § 5
Schulfinanzgesetz (AVO-Richtlinien 1997/1998 - AVO - RL) vom 23. Mai 1997 (- III C
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5.30-12-16/0-218/97 -, abgedruckt im GABl. NW. I S. 144 ff.) nicht. Die Verordnung regelt
insbesondere die nach Schulformen differenzierte und zeitlich gestufte Erhöhung der
Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden der Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-
Westfalen vom Schuljahr 1997/1998 an und die von Lehrerinnen und Lehrern im Alter
von 30 bis 49 Jahren für die Dauer von bis zu 6 Schuljahren zusätzlich geforderte
wöchentliche Pflichtstunde (Vorgriffsstunde) sowie deren Ausgleich ab dem Schuljahr
2008/2009 durch die dann erfolgende Reduzierung der Regelpflichtstundenzahl. Für
den Fall des Klägers als Lehrer an einer Kollegschule ergibt sich die Erhöhung der
wöchentlichen Pflichtstundenzahl aus § 4 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung. Von der
Vorgriffsstundenregelung waren im Schuljahr 1997/98 solche Lehrer der Kollegschulen
betroffen, die vor Beginn des Schuljahres das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben (vgl. Ziff. 4.01 zu § 4). Die entsprechende Ermäßigung der Pflichtstundenzahl ab
dem Schuljahr 2008/2009 jeweils wiederum für eine Pflichtstunde pro Woche ergibt sich
aus § 4 Satz 2 der Verordnung. Vor dem Hintergrund dieses tatsächlichen Ausgleichs ist
eine finanzielle Vergütung nicht vorgesehen. An Kollegschulen wirkte sich diese
Pflichtstundenerhöhung beispielsweise im Schuljahr 1997/1998 dergestalt aus, dass die
Pflichtstundenzahl sich von 23,5 auf 24,5 Stunden erhöhte (vgl. Auswirkungen von
Pflichtstundenerhöhungen (einschließlich der Vorgriffsstunde) auf vollzeit- und
teilzeitbeschäftigte Lehrerkräfte im Schuljahr 1997/1998 gemäß Ziff. 1.2 Runderlass des
Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 9. Dezember 1996 (- Z B 5-22/11-894/96
-, GABl. NW. I S. 7). Gleichzeitig mit der Pflichtstundenerhöhung sind verschiedene
Entlastungsmaßnahmen erlassen worden, wie zum Beispiel die Reduzierung des
Prüfungsaufwandes, die Begrenzung des Aufwandes in Klassenpflegschaften, die
Reduzierung der Zahl von Konferenzen, die Reduzierung von Verwaltungsaufwand, der
Abbau des Verwaltungsaufwandes bei Schülerfehlzeiten in berufsbildenden Schulen,
die Verminderung des Einarbeitungsaufwandes bei neuen Richtlinien und Lehrplänen,
die Straffung des Genehmigungsverfahrens bei Sonderurlaub, die rationelle Gestaltung
und Begrenzung des Aufwandes zur Erstellung von Statistiken und die Reduzierung der
Mehrbelastung bei Einsatz bei mehreren Dienstorten. Unerheblich für die rechtliche
Würdigung im konkreten Fall ist es, wenn sich entsprechende Maßnahmen im Einzelfall
nicht gezielt einem Betroffenen und auf finanziellen Ausgleich klagenden Lehrer
zuordnen lassen. Denn auszugehen ist davon, dass durch die so genannten
Vorgriffsstunden lediglich die Zahl der wöchentlich zu erbringenden
Unterrichtspflichtstunden um eine Stunde erhöht worden ist. Allerdings ist damit nicht
die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 78 Abs. 1 Beamtengesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz - LBG) überschritten worden. Nach Satz 1
dieser Vorschrift beträgt die regelmäßige Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 38,5
Stunden in der Woche. Gegen diese Regelung ist durch die Verpflichtung zur
Ableistung der Vorgriffsstunden nicht verstoßen worden. Denn hiermit ist nicht die
vorgenannte regelmäßige Arbeitszeit erhöht worden, sondern lediglich das Maß der
Unterrichtsverpflichtung als ein Teil der in diesem Rahmen zu erbringenden
Dienstleistung.
Vgl. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Juli 2001 - 1 K 7406/98 -, so
ebenfalls das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung.
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Denn die Arbeitsleistung der Lehrer erfasst nur zu einem Teil die
Unterrichtsverpflichtung; im Übrigen erfasst die Arbeitszeit beispielsweise die
Unterrichtsvorbereitung, das Korrigieren von Klausuren, die Teilnahme an
Schulkonferenzen und Elternbesprechungen und dergleichen.
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Vor diesem Hintergrund greift auch nicht zu Gunsten des Klägers die Regelung des § 78
a LBG ein. Denn danach ist ein Beamter verpflichtet, grundsätzlich ohne Entschädigung
über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche
Verhältnisse es erfordern. Nach Satz 2 ist einem Beamten bei einer Beanspruchung von
mehr als 5 Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus für die geleistete
Mehrarbeit eine entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Unter bestimmten
Voraussetzungen sieht § 78 a Abs. 2 die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung nach §
48 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in Verbindung mit der Verordnung über die
Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) vom 13. Dezember 1998
(BGBl. I S. 3494; BGBl. 1999 I S. 2198) vor. Um eine hiernach zu vergütende Mehrarbeit
handelt es sich aber wie gesagt bei der Ableistung der Vorgriffsstunden bei Lehrern
nicht.
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Auch die Regelungen über die (Vergütung von) Altersteilzeit (vgl. nur § 78 d LBG) sind
vorliegend jedenfalls auf Grund der grundsätzlich unterschiedlichen
Sachverhaltsgestaltung nicht anzuwenden, ohne dass es hierzu weiterer Ausführungen
in der Sache bedarf.
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Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist nicht ersichtlich. Das Gericht vermag
insbesondere keine an Art. 3 Abs. 1 GG zu messende (willkürliche)
Ungleichbehandlung zwischen weiterhin tätigen und versetzten Lehrern zu erkennen.
Es ist nicht zu beanstanden, wenn in Einzelfällen Beamte nicht (mehr) in den Genuss
der Ermäßigung der Pflichtstundenzahl kommen, da jede gesetzliche Regelung
abstrakt-generell ergeht und damit auf Grund von konkreten Besonderheiten im
Einzelfall nicht jeden Betroffenen gleich behandeln kann.
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Vgl. zur Nichtvergütungspflicht für Vorgriffsstunden auch: VG Düsseldorf, Urteile vom 18.
September 2001 - 26 K 7061/00 - und vom 9. November 2001 - 26 K 3641/01 -; VGH
Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Oktober 1998 - 4 S 425/98 -, ZBR 1999, 232
f.(die Begrenzung der Ableistung der Vorgriffsstunden auf Lehrer ab dem 30. Lebensjahr
bejahend); VG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2002 - 26 K 139/02 -.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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