Urteil des VG Düsseldorf vom 08.11.2002

VG Düsseldorf: msa, mission, weu, albanien, rückforderung, vollstreckung, zusage, beamter, gerichtsakte, abgeordneter

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 443/02
Datum:
08.11.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 443/02
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger steht als Kriminalhauptkommissar im Dienst des Landes O. In der Zeit vom
21. Januar 2000 bis 24. Januar 2001 war er gemäß § 123 Beamtenrechtsrahmengesetz
(BRRG) zum H der Beklagten abgeordnet und von dort gemäß § 123 a BRRG der
Westeuropäischen Union (WEU) zur Dienstleistung in der „Multinational Advisory Police
Element" (MAPE)-Mission in Albanien zugewiesen. Während dieser Zeit erhielt er von
der Beklagten einen „Vorschuss MAPE" bzw. Abschläge auf zu erwartende
Auslandstrennungsgelder, Auslandsverwendungszuschläge, Reisebeihilfen und
Reisekosten.
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Mit Schreiben vom 13. April 2000 teilte die H dem Kläger mit, die von der WEU seit dem
1. Juli 1999 gewährte „Mission Subsistence Allowance" (MSA) in Höhe von 30,-- Euro
täglich „als Unterhaltszuschuss zur Deckung der Kosten für die Unterbringung und
Verpflegung" sei auf die „für die gleichen Zwecke" gezahlten Tagegelder anzurechnen.
Hiergegen wie auch gegen die Kürzung der Vorauszahlungen legte der Kläger
Widerspruch ein; insoweit verwies die H den Kläger mit Schreiben vom 29. September
2000 auf die Endabrechnung.
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Unter dem 28. März 2001 erstellte die H auf den Antrag des Klägers eine
„Endabrechnung" der diesem zustehenden Gebührnisse unter Anrechnung der
gezahlten Abschläge, wobei sie von dem Auslandstrennungsgeld in Höhe von
43.174,81 DM die „MSA-Zahlung" in Höhe von 18.717,29 DM abzog und zu einem
Auszahlungsbetrag unter Abzug der bereits gezahlten Abschläge in Höhe von 9.936,36
DM gelangte. Gegen die Anrechnung der MSA auf das Auslandstrennungsgeld legte
der Kläger am 12. April 2001 Widerspruch ein und trug vor, die MSA sei vor allem
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eingeführt und gewährt worden, um neben einem finanziellen Anreiz für die Gewinnung
qualifizierten Personals auch einen Ausgleich für die besondere Gefährdungssituation
zu gewähren. Insoweit sei die Zweckbindung vielseitiger zu betrachten; nach
herrschender Gepflogenheit seien auch die für die Beschlussfassung über die
Gewährung dieser Zulage, wie sie ihren Niederschlag in entsprechenden Beratungs-
und Beschlussprotokollen des Rates der WEU gefunden hätten, bei der Prüfung des
Ermessens beizuziehen und einer abschließenden Entscheidung zu Grunde zu legen.
Die Tatsache, dass die zuständigen Stellen seit Eingang des genannten Berichts der
ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland mehr als ein Jahr benötigt hätten,
um den Zusammenhang zwischen Auslandstrennungsgeld und MSA herzustellen und
eine Entscheidung über die Anrechnung oder Nichtanrechnung zu treffen, beweise die
Komplexität dieser Materie ebenso wie die Tatsache eines Ermessensspielraums.
Einen etwaigen Mangel einer zu Unrecht unterbliebenen Anrechnung hätte er sonach
nicht und schon gar nicht offensichtlich erkennen können. Die Rückzahlung des zu viel
gezahlten Trennungsgeldes richte sich gemäß § 87 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz
(BBG) nach § 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach könne von einer
Rückforderung aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden. Diese
Billigkeitsgründe seien bei vorstehendem Sachverhalt mehr als gegeben. Diesen
Widerspruch wies die H mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 zurück.
Mit seiner am 21. Januar 2002, einem Montag, erhobenen Klage trägt der Kläger vor, bei
den von den Vereinten Nationen geleiteten Missionen seien die von diesen erlassenen
Regelungen anzuwenden, die ausdrücklich eine Anrechnung der MSA auf das
Auslandstrennungsgeld vorsähen. In den Regelungswerken der WEU befinde sich
keine entsprechende Normierung. Insoweit bestehe keine Rechtsgrundlage für die
seitens der Beklagten vorgenommene Anrechnung/Kürzung. Die seitens der WEU
gewährten Zahlungen hätten nicht den Zweck verfolgt, den nationalen Staat zu
entlasten oder von der Verpflichtung zur Zahlung von Auslandstrennungsgeld
(teilweise) freizustellen. Insoweit könne die Gewährung von MSA nicht als
Erfüllungsleistung auf das Auslandstrennungsgeld angesehen werden. Von einer
Anrechnung sei ihm, dem Kläger, bei Beginn der Mission nichts bekannt gewesen. Auch
in den sonst an der MAPE beteiligten Vertragsstaaten finde seines Wissens eine
Anrechnung nicht statt. Letztlich würde eine Anrechnung nur dazu führen, dass die
zwischen den einzelnen Staaten bestehenden Unterschiede bei den zu gewährenden
nationalen Entschädigungsleistungen nahezu ausgeglichen würden. Er habe darauf
vertrauen können, dass ihm die MSA in voller Höhe gewährt und keine Anrechnung
erfolgen werde. Insoweit sei allein auf den Empfängerhorizont abzustellen. Er hätte sich
zur Verwendung in der MAPE nicht bereit gefunden, wenn nicht zugleich die
Gewährung von MSA auf Grund bestehender Normierung zugestanden gewesen sei.
Auf Grund des durch die Höhe der Abschlagszahlungen hervorgerufenen Vertrauens
habe er Vermögensdispositionen vorgenommen. Auch sei keine Billigkeitsentscheidung
nach § 12 Abs. 2 Satz 3 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) vorgenommen worden.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter entsprechend teilweiser Aufhebung des Bescheides der H vom 28.
März 2001 und Aufhebung deren Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2001 zu
verpflichten, ihm weiteres Auslandstrennungsgeld für die Zeit vom 20. Januar 2000 bis
24. Januar 2001 in Höhe von 9.570,00 Euro zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
einschließlich der des Verfahrens 26 K 6626/01, den von der Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgang und die Personalakten (Unterordner A bis C) des Klägers Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der angefochtene Bescheid („Endabrechnung") in der Fassung des
Widerspruchbescheides ist nicht zum Nachteil des Klägers rechtswidrig, als darin die
Zahlung der MSA auf das Auslandstrennungsgeld angerechnet worden ist; der Kläger
hat keinen Anspruch auf Zahlung von Reisekostenvergütung ohne Anrechnung dieses
Bezuges.
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Anspruch auf Reisekostenvergütung hat der Kläger aus Anlass seines Einsatzes in
Albanien als für die Dauer seines Auslandeinsatzes in den Bundesdienst abgeordneter
Beamter gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG) nach den
Vorschriften dieses Gesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen.
Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BRKG sind Zuwendungen, die dem Dienstreisenden von dritter
Seite seines Amtes wegen für dieselbe Dienstreise oder denselben Dienstgang gewährt
werden, auf die Reisekostenvergütung anzurechnen. Die in Rede stehende MSA ist
dem Kläger von der WEU, also nicht von der Beklagten, sondern von dritter Seite
gezahlt worden. Diese Zahlung erfolgte auch „für dieselbe Dienstreise", denn sie wurde
ihm für Tage seines Einsatzes und einsatzbedingten Aufenthaltes in Albanien gewährt.
Schließlich ist die Zahlung dem Kläger auch „seines Amtes wegen" zugeflossen, denn
Voraussetzung für sie war, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als
Polizeivollzugsbeamter an der MAPE-Mission teilnahm; ausgenommen von der
Anrechnung sind danach nur solche Zuwendungen, die dem Beamten aus nicht
dienstbezogenen, also privaten, etwa aus familiären Gründen zukommen.
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Vgl. dazu § 3 Abs. 3 Satz 1 BRKG in der ursprünglichen Fassung („aus anderen als
persönlichen Gründen") vom 20. März 1965 (BGBl. I S. 133) und dazu
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Juli 1970 - II C 32.68 -, BVerwGE
36 S. 33 (35 f.).
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Somit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anrechnung der MSA im Fall des
Klägers erfüllt. Eine der Anrechnung entgegenstehende Vorschrift des
Gemeinschaftsrechts oder in deutsches Recht transformierte Regelung eines
völkerrechtlichen Vertrages, die § 3 Abs. 3 Satz 1 BRKG als Sonderregelung (lex
specialis) vorgehen könnte, liegt nicht vor, denn bei dem Finanzabkommen, auf dessen
Grundlage die MSA-Zahlung beruht, handelt es sich um keinen völkerrechtlichen
Vertrag oder um nach den Regeln der EU erlassenes Gemeinschaftsrecht; auch hat der
Kläger eine entgegenstehende Zusage der Beklagten nicht vorgetragen.
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Nach Auffassung der Kammer ist eine Zweckidentität der anzurechnenden Zahlung mit
einer der verschiedenen Formen der Reisekostenvergütung (vgl. § 4 und § 22 BRKG)
nicht Voraussetzung der Anrechnung; hierfür findet sich in der in Rede stehenden
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Vorschrift kein Anhalt.
Vgl. Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 25. April 2002 - 1 K 1446/01 - und Urteil des
erkennenden Gerichts vom 12. August 2001 - 10 K 6605/01 -; insoweit a.A.
Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. September 2002 - 10
A 10988/02 -.
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Gleichwohl ist im konkreten Fall eine Zweckidentität der MSA-Zahlung mit dem
Auslandstrennungsgeld gegeben. Mit diesem sollen nach § 1 Abs. 2
Auslandstrennungsgeldverordnung (ATGV) „notwendige Auslagen für getrennte
Haushaltsführung am bisherigen Wohnort ... unter Berücksichtigung der häuslichen
Ersparnis abgegolten" werden, das sind in erster Linie die Kosten der zusätzlichen
Unterkunft am Dienstort im Ausland sowie die zusätzlichen Verpflegungskosten,
solange die Mahlzeiten nicht zu Hause eingenommen werden können. Der Abgeltung
dieses Bedarfs diente auch die MSA, wie bereits aus ihrem Wortlaut (subsistence =
Unterhalt; allowance = Zuschuss, Beihilfe) erhellt. Bestätigt wird dies durch das EU-
WEU Finanzabkommen für die erweiterte MAPE-Mission vom 29. Juni 1999, in dem es
heißt, dass mit der MSA die Unterhaltskosten der Mitglieder der Mission in Albanien
abgedeckt werden sollen einschließlich Unterkunft und Verpflegung. Angesichts des
klaren Wortlautes des Finanzabkommens ist es unerheblich, ob auch andere Ziele mit
der Zahlung der MSA erreicht werden sollten, etwa ein Anreiz zur Beteiligung an der
Mission geschaffen werden sollte.
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Vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O. sowie Beschluss vom 29. Oktober 2002 - 2 A
11514/02 -.
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In diesem zweiten Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zudem
zutreffend dargelegt, dass es unerheblich für die Anrechnung der MSA-Zahlung auf
deutsche Reisekostenvergütungen ist, ob andere Teilnehmerstaaten der MAPE-Mission
die MSA auf ihre vergleichbaren Leistungen anrechnen, denn der Gleichheitssatz bindet
die Beklagte nur in ihrem Kompetenzbereich.
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es vorliegend auf die Ausübung eines
Ermessens seiten der Beklagten ebenso wenig ankommt wie auf die Frage der Kenntnis
oder fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von der Anrechnungsmöglichkeit oder eine
Billigkeitsentscheidung der Beklagten, denn im Streit ist nicht eine Rückforderung durch
die Beklagte, sondern ein Zahlungsanspruch des Klägers, der während der Dauer
seines Auslandseinsatzes ausschließlich Abschlagszahlungen erhalten hatte, die hinter
den ihm auch nach Auffassung der Beklagten zustehenden Leistungen noch
zurückgeblieben waren.
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Sonach war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abzuweisen; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.
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