Urteil des VG Düsseldorf vom 29.05.2008

VG Düsseldorf: wiederherstellung des früheren zustandes, lwg, erfüllung, gewässer, eigentum, unterhaltung, öffentlich, versickerung, eingriff, vollstreckung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 K 2514/07
Datum:
29.05.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2514/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der au-
ßergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Be-klagte vor
der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Eigentümerin des Gutes W in I1-C, das wie die das Gut umgebende
doppelte Gräfte unter Denkmalschutz steht. In einer Entfernung von etwa 130 m östlich
der das Gut umgebenden Gräfteanlage verläuft die Wer Straße (K 1) in Nordwest-
Südost-Richtung. Der Beigeladene bewirtschaftet das südlich an die etwa 400 m
nordöstlich der Wer Straße verlaufende I1er Straße (L 1) grenzende Grundstück I1er
Straße 62. Durch dieses Grundstück verläuft der Tbach. Dessen Bachbett unterquert
etwa 150 m westlich dieses Grundstücks die L 1, verläuft sodann westlich der Flurstücke
G1 und G2 in südwestlicher Richtung, unterquert die K 1 und führt von dort auf das Gut
W zu. Im Jahr 1980 wurde der Klägerin von dem Regierungspräsidenten E unter
anderem für die Entschlammung der Gräfte als Maßnahme zur Förderung der
Landschaftspflege ein Landeszuschuss bewilligt.
2
Nachdem die Klägerin bereits 1995 bei der Unteren Wasserbehörde bemängelt hatte,
dass der Tbach seit Mitte der 70er Jahre im Sommer zu wenig Wasser führe, wandte sie
sich mit Schreiben vom 28. September 2003 erneut an die Untere Wasserbehörde und
bat um Aufhebung der dem Beigeladenen erteilten wasserbehördlichen Genehmigung,
weil durch ihre Ausnutzung die zu ihrem Grundbesitz gehörenden Gräben im Sommer
zu wenig Wasser führten.
3
Durch Schreiben vom 11. November 2003 teilte die Untere Wasserbehörde der Klägerin
mit, das von ihr bemängelte Trockenfallen der Gräben des Guts W resultiere, wie
Ortsbesichtigungen am 20. Oktober 2003 und am 28. Oktober 2003 ergeben hätten,
nicht aus der dem Beigeladenen genehmigten Wasserentnahme, sondern aus der
4
Untergrundbeschaffenheit des Baches, weil das in ihm geführte Wasser auf Grund des
sandigen Bachbettes auch ohne die Wasserentnahme des Beigeladenen vor Erreichen
des Grundstücks der Klägerin natürlich versickere.
Auch in der Folgezeit fanden mehrere Ortstermine und Besprechungen über die
Situation im Bereich des klägerischen Grundstücks statt, die eine Verbesserung der
Wasserführung in der Gräfteanlage des klägerischen Grundstücks zum Ziel hatten und
an denen neben der Klägerin und Vertretern des Beklagten unter anderem auch
Bedienstete der Unteren Wasserbehörde, der Bezirksregierung E, des Rheinischen
Amtes für Bodendenkmalpflege, der Stadt I1, des Beklagten sowie der Ministerien für
Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und für Städtebau und
Wohnen, Kultur und Sport des Landes teilnahmen. Gegenstand dieser Besprechungen
war unter anderem die Absicht der Klägerin, die Gewässersohle zwischen der Querung
der L 1 (I1er Straße) und der Wer Straße (K 1) abzudichten, um hierdurch eine weitere
Versickerung des ankommenden Wassers weitestgehend auszuschließen.
5
Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2007 forderte die Klägerin den Beklagten
auf, die Gewässersohle des Tbachs so abzudichten, dass das in diesem Gewässer
geführt Wasser nicht versickern könne. Seit der im Jahr 1995 erfolgten (Gund bzw.)
Sohlräumung habe sich das Abflussverhalten des Baches erheblich verändert; der
Wasserspiegel des Bachlaufs, der früher die das Wohnhaus der Klägerin umgebende
Gräfteanlage gespeist habe, sinke. Dies führe dazu, dass das Wasserdargebot des
Tbachs zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Wasserspiegels in der Gräfte von
Gut W nicht ausreiche. Da die Gebäude von Gut W auf Holzpfählen gegründet seien, sei
hierdurch die Standsicherheit des als Baudenkmal geschützten Wohnhauses auf Dauer
gefährdet; entsprechendes gelte für die auf dem Anwesen vorhandenen Blutbuchen. Sie
habe daher einen Anspruch gegen den Beklagten auf Folgenbeseitigung der erfolgten
rechtswidrigen Sohlräumung, die zu einem Eingriff in ihr durch Art. 14 Grundgesetz (GG)
geschütztes Eigentum führe.
6
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 31. Mai 2007 den Hauptantrag gegen den
Beklagten in dem gegen die Untere Wasserbehörde geführten Verfahren 6 K 4850/06
gestellt. Durch Beschluss vom 14. Juni 2007 hat das erkennende Gericht das Verfahren
hinsichtlich dieses Antrages gemäß § 93 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
abgetrennt. Zur Begründung dieses Antrages macht die Klägerin geltend, eine
Sohlabdichtung im Bereich der von der Grundräumung des Tbaches betroffenen
Gewässerstrecke zwischen der L 1 und der K 1 verhindere, dass im Tbach abfließendes
Wasser in den Untergrund versickere. Aufgrund der wesentlichen Verminderung der
Wasserführung im Tbach durch die illegale Gewässerbenutzung des Beigeladenen
wäre eine ausreichende Wasserführung in der Gräfteanlage der Klägerin jedoch selbst
dann nicht gewährleistet, wenn auf der von der Sohlräumung betroffenen
Gewässerstrecke eine Sohlabdichtung vorgenommen würde. Ihr Begehren richte sich
nicht auf die Durchführung von Maßnahmen der Gewässerunterhaltung, sondern auf die
Beseitigung der negativen Folgen für ihr Eigentum einer vom Beklagten in
Wahrnehmung der Unterhaltungslast, einer hoheitlichen Aufgabe, fehlerhaft
durchgeführten Grundräumung, die mitursächlich für die Verringerung des
Wasserstands ihrer Gräfteanlage sei. § 28 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
lasse auch die Verbesserung eines bestehenden Gewässerzustands zu. Ihr Anspruch
folge auch aus einer Zusammenschau von § 1 a Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 18, § 32
Abs. 2 WHG und § 27 Landeswassergesetz (LWG) unter dem Gesichtspunkt des auch
im Wasserrecht anerkannten Gebots der Rücksichtnahme.
7
Die Klägerin beantragt,
8
den Beklagten zu verurteilen, die Gewässersohle des Tbachs im Bereich der
von ihm durchgeführten Grundräumung zwischen der Querung der L 1 und
der K 1 westlich der Grundstücke G1 uns G2, so abzudichten, dass das im
Tbach geführte Wasser nicht in den Untergrund versickert,
9
hilfsweise nach den aus dem als Anlage zur Sitzungsniederschrift
genommenen Schriftsatz vom 29. Mai 2008 ersichtlichen Hilfsanträgen zu 2.
bis 4. zu erkennen.
10
Der Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
einschließlich der des Verfahrens 6 K 4850/06 und der dortigen Beiakten sowie auf den
Inhalt des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
Die Klage ist mit Haupt und Hilfsanträgen unbegründet. Die Klägerin hat gegen den
Beklagten keinen Anspruch auf Abdichtung der Gewässersohle des Tbachs in dem in
Rede stehenden Teilstück oder auf Wiederherstellung des vor der von ihr vorgetragenen
Sohlräumung dieses Gewässerabschnitts bestehenden Zustandes.
16
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der dem Beklagten obliegenden
Gewässerunterhaltungspflicht nach § 28 WHG, § 90 LWG. Diese obliegt dem Pflichtigen
als öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit, nicht in Erfüllung einer privaten Dritten
gegenüber bestehenden Rechtspflicht mit der Folge, dass ein klagebegründender
Rechtsanspruch der Klägerin auf (ordnungsgemäße) Erfüllung dieser Pflicht nicht
besteht.
17
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 14. Dezember 1973
– IV C 50.71 , BVerwGE 44 S. 235 (237 f.).
18
Denkbar ist jedoch ein Anspruch eines Privaten auf (Folgen)Beseitigung gegen den
Gewässerunterhaltungspflichtigen, wenn eine Verletzung der Unterhaltungspflicht zu
einem Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte private Eigentum führt.
19
Vgl. BVerwG, a.a.O., S. 242 ff.
20
Eine Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht des Beklagten durch die von der
Klägerin vorgetragenen Sohlräumung liegt indes nicht vor, wobei das erkennende
Gericht zu Gunsten der Klägerin als wahr unterstellt, dass diese Maßnahme eine
Versickerung des im Tbach bis zur L 1 geführten Wassers nach sich zieht.
21
Zum Zeitpunkt der Sohlräumung durch den Beklagten im Winter 1994/95 umfasste die
Unterhaltung eines Gewässers nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG in der Fassung des Art. 1
Nr. 15 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom
25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1165) "die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für
den Wasserabfluss" (sog. Vorflut) sowie die hier nicht interessierende Schiffbarkeit.
Nach Satz 2 der Bestimmung war dabei "den Belangen des Naturhaushalts Rechnung
zu tragen; Bild und Erholungswert der Gewässerlandschaft" waren "zu berücksichtigen".
Aus der Vorschrift wird deutlich, dass die Gewässerunterhaltung in erster Linie der
Sicherung des Wasserabflusses zum Zweck einer Verhinderung von
Überschwemmungen oder der Vernässung im Gewässerbereich liegender Gründstücke
dienen sollte und auch nach § 28 WHG n.F. soll. Im Sinne dieser Zielrichtung war die
unterstellte Sohlräumung des Tbachs eine zur Erfüllung der Pflicht zweckmäßige und
rechtmäßige Maßnahme.
22
Nach § 90 Satz 2 LWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 1989
(GV. NRW S. 384) über den "Umfang der Gewässerunterhaltung" waren "die günstigen
Wirkungen des Gewässers für den Naturhaushalt und für die Gewässerlandschaft zu
erhalten und zu entwickeln". Auch dieser landesrechtlichen Norm ist nicht zu
entnehmen, dass sie die Sicherung des Wasserstandes in einem – sei es auch alten –
künstlichen Gewässer im Interesse eines individuellen privaten Nutzers in den Blick
genommen bezweckt hat. Aus der Vorschrift ergibt sich vielmehr, dass ausschließlich
das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Gewässer als Natur und
Landschaftsbestandteile geschützt werden sollte, wobei diese Bestimmung als
landesrechtliche den Inhalt der Gewässerunterhaltung, wie er sich aus § 28 Abs. 1
Satz 1 WHG a.F. mit dem vorrangigen Ziel der Sicherung des Wasserabflusses ergab,
nicht einschränken, sondern gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 WHG a.F. nur zu erweitern
vermochte.
23
Eine Verletzung der dem Beklagten obliegenden Gewässerunterhaltungspflicht durch
die als wahr unterstellte Sohlräumung des Tbachs in dem in Rede stehenden Abschnitt
ist somit nicht festzustellen. Gegen eine drittschützende Wirkung der Vorschriften über
die Gewässerunterhaltungspflicht im Sinne der Gewährleistung eines Zuflusses an
Wasser im Interesse eines Unterliegers an einem fließenden Gewässer spricht auch,
dass selbst in Fällen einer erlaubten oder bewilligten Gewässernutzung ein Recht auf
Zufluss von Wasser bestimmter Menge und Beschaffenheit gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1
WHG nicht besteht. Zudem ist daran zu erinnern, dass die Klägerin – was ihrem in
dieser Entscheidung als wahr unterstellten Vortrag widerspricht – in einem Schreiben an
einen Mitarbeiter des Beklagten vom 22. Juni 1995 angegeben hat, nach der Reinigung
des Bachbettes sei "der Zufluss so stark wie noch nie" gewesen; der Bach habe
gerauscht "wie ein Schwarzwaldbach". Ähnlich hat sich die Klägerin in einem
Schreiben vom 25. Mai 1995 an die Bezirksregierung geäußert.
24
Sonach kann die Klägerin ihr Begehren nicht auf einen Folgenbeseitigungsanspruch
aus der Verletzung der dem Beklagten obliegenden Unterhaltungspflicht betreffend den
Tbach herleiten.
25
Ein Rechtsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem öffentlich-rechtlichen
Nachbarschutz im Bereich des Wasserrechts. Dieser lässt sich nur aus
Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter und
die Art der Verletzung dieser Interessen hinreichend deutlich erkennen lässt.
26
Vgl. BVergE, Urteil vom 15. Juli 1984 – 4 C 56.83 –, BVerwGE 78 S. 41 f.
27
Insoweit kommen die Vorschriften der § 4 Abs. 1 Satz 2, § 18, § 1 a Abs. 1, § 31 Abs. 5
Satz 2 WHG und § 27 LWG in Betracht. Nach diesen Vorschriften ist auf die Belange
anderer bei der Gestattung einer Gewässernutzung, durch die in die bestehende
Verteilung des Wassers eingegriffen wird, auf die Interessen der übrigen rechtmäßigen
Benutzer und sonstiger Dritter als Betroffener Rücksicht zu nehmen. Eine behördliche
Entscheidung im Sinne dieser Bestimmungen ist vorliegend jedoch nicht getroffen
worden. Es bedurfte ihrer gemäß § 2 Abs. 1 WHG auch nicht, weil der Beklagte nicht als
Gewässernutzer oder ausbauer, sondern in Erfüllung seiner Unterhaltungspflicht tätig
geworden ist; Maßnahem der Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers sind gemäß
§ 3 Abs. 3 Satz 2 WHG keine Benutzungen im Sinne dieser Vorschrift. Selbst wenn es
sich bei der Sohlräumung um einen planfeststellungspflichtigen Gewässerausbau im
Sinne von § 31 Abs. 2 WHG, § 100 LWG gehandelt hätte, wären etwaige der Klägerin
zustehende Ansprüche nicht unmittelbar dem Beklagten, sondern der
Planfeststellungsbehörde gegenüber geltend zu machen.
28
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1973, a.a.O., S. 241.
29
Nur in einem solchen Verfahren könnte die Klägerin die öffentlichen Belange des
Denkmal und Landschaftsschutzes geltend machen. Aus einem Unterbleiben eines
etwa erforderlichen Planfeststellungsverfahrens allein könnte die Klägerin einen
Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht herleiten.
30
Eine sonstige Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ergibt sich weder aus
§ 30 Abs. 3 WHG, der einen vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machender
Schadenersatzanspruch regelt, noch aus den Bestimmungen des
Wasserverbandsgesetzes oder der Satzung des Beklagten. Alte Rechte oder alte
Befugnisse im Sinne von § 15 WHG der Klägerin bezogen auf die Wasserstände ihrer
Gräfteanlage sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
31
Damit hat die Klage insgesamt aus Rechtsgründen keinen Erfolg; der beantragten
Beweiserhebung bedurfte es nicht.
32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711
Zivilprozessordnung.
33
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
34