Urteil des VG Düsseldorf vom 05.07.2002

VG Düsseldorf: örtliche zuständigkeit, rechtsschutz, unterlassen, gewinnung, raumordnung, rechtskraft, kontrolle, rücknahme, anhalten, zwang

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 L 1591/02
Datum:
05.07.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 L 1591/02
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag,
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1. dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, es vorläufig
- bis zum Abschluss einer Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der
Öffentlichkeit - zu unterlassen, den Antrag der Antragstellerin zur Feststellung des
Planes zur Herstellung eines Gewässers zur Gewinnung von Sand und Kies in X, G1 zu
bescheiden;
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hilfsweise,
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2. dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, es vorläufig
- bis zum Abschluss einer Beteiligung der Träger öffentlicher Belange - zu unterlassen,
den Antrag der Antragstellerin zur Feststellung des Planes zur Herstellung eines
Gewässers zur Gewinnung von Sand und Kies in X, G1 zu bescheiden;
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hilfsweise,
6
3. dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, es vorläufig
- bis zum Eingang einer vorhabenbezogenen Stellungnahme der Bezirksregierung E als
Bezirksplanungsbehörde - zu unterlassen, den Antrag der Antragstellerin zur
Feststellung des Planes zur Herstellung eines Gewässers zur Gewinnung von Sand
und Kies in X, G1 zu bescheiden.
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hat keinen Erfolg.
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Sowohl der Haupt- als auch die Hilfsanträge sind insgesamt unzulässig, weil auf das
Unterlassen eines Verwaltungsaktes i.S.v. § 35 VwVfG NRW gerichtet, dessen
Abwarten der Antragstellerin jedoch zumutbar ist.
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Die 4. Kammer des Gerichts hat in ihrem Beschluss vom 14. Juni 2002 - 4 L 1593/02 -,
der sich auf eine Abgrabungsgenehmigung bezieht, im Übrigen aber gleich gelagert ist
und die identischen Beteiligten betrifft, Folgendes ausgeführt:
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Ist Streitgegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein Verwaltungsakt
(i.S.v. § 35 VwVfG NRW), so sieht die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ein
umfassendes und nach ihrem Regelungsgehalt abschließendes Rechtsschutzsystem
vor, welches im Regelfall nach Erlass des Verwaltungsaktes einsetzt. Im Rahmen von
Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Nichtigkeitsklage kann die Rechtmäßigkeit von
belastenden bzw. eine Begünstigung versagenden Verwaltungsakten umfassend
geprüft werden. Vorbeugenden Rechtsschutz, insbesondere auf Unterlassung von
Verwaltungsakten, sieht die VwGO nicht vor. Diese Erwägungen gelten auch für den
vorläufigen Rechtsschutz. Ungeachtet dessen ist anerkannt, dass zur Gewährleistung
von effektivem Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) vorbeugender Rechtsschutz zu
gewähren ist, wenn es dem Betroffenen unzumutbar ist, auf den nach der VwGO an sich
vorgesehenen, an den Erlass des Verwaltungsaktes anknüpfenden Rechtsschutz
verwiesen zu werden. Der Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz kann insbesondere
dann unzumutbar sein, wenn bereits mit Erlass des Verwaltungsaktes nicht mehr
rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden oder nicht wieder gut zu
machender Schaden entstünde. Dass es durch den vom Antragsgegner beabsichtigten,
den Sachantrag der Antragstellerin ablehnenden Bescheid zu solchen Folgen kommen
könnte, ist nicht ersichtlich.
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Sollten sich infolge des Erlasses des ablehnenden Bescheides in der vom
Antragsgegner angekündigten Form irgendwelche Vertragspartner der Antragstellerin
von deren Vorhaben distanzieren, so wäre dies nicht Folge des Bescheides, sondern
Ausfluss des allgemeinen Geschäftsrisikos der Antragstellerin. Die Antragstellerin will in
Kenntnis der Ausweisung von Abgrabungskonzentrationszonen durch den GEP 1999
ihr Vorhaben auf danach nicht für Abgrabungen vorgesehenen Flächen verwirklichen.
Sie muss daher mit der Ablehnung ihres Antrages auch mit der vom Antragsgegner
beabsichtigten Begründung rechnen und ihre zivilrechtlichen Dispositionen darauf
einstellen.
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Nachträglicher Rechtsschutz ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil der Erlass eines
nichtigen Verwaltungsaktes bevorsteht. Abgesehen davon, dass es (mit Ausnahme von
§ 44 Abs. 2 Ziffer 3 VwVfG NRW - örtliche Zuständigkeit) fern liegt, anzunehmen, bereits
vor Erlass eines Verwaltungsaktes könne dessen Nichtigkeit festgestellt werden, kommt
es nicht auf die „Qualität" oder die „Schwere" des Fehlers des zukünftigen
Verwaltungsaktes, sondern nur auf dessen potenzielle Folgen an, um vorbeugenden
Rechtsschutz zu rechtfertigen. Allein die nicht hinnehmbaren Folgen des (zukünftigen)
Verwaltungsaktes, nicht aber die Art des Fehlers, an dem er leidet, rechtfertigen die
Durchbrechung des prinzipiell ausreichenden Systems der Gewährung nachträglicher
gerichtlicher Kontrolle.
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Es kann deshalb dahinstehen, ob der Antrag der Antragstellerin nicht bereits nach § 44
a VwGO unzulässig ist, weil er tatsächlich auf die Vornahme von nicht selbstständig
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einklagbaren Verfahrenshandlungen gerichtet ist. Denn die Antragstellerin beantragt
nicht die generelle Nichtbescheidung ihres Antrages. Ein solches Begehren wäre
ohnehin unzulässig, da es der Antragstellerin frei steht, einer Bescheidung ihres
Antrages jederzeit durch Rücknahme desselben zuvor zu kommen. Der Antragstellerin
geht es im Kern vielmehr um die Vornahme von Verfahrenshandlungen durch den
Antragsgegner vor Erlass eines ihren Antrag behandelnden Bescheides, wie das von ihr
selbst hergestellte Junktim zwischen Unterlassen des Bescheides und Vornahme von
Verfahrenshandlungen durch den Antragsgegner unter gleichzeitiger Betonung ihres
vermeintlichen Rechtsanspruches auf einen positiven Bescheid belegt. Ein auch nur
einem der wörtlichen Begehren stattgebender Beschluss würde das Verfahren lediglich
anhalten. Damit wäre der Antragstellerin nicht gedient. Der Antragsgegner müsste bei
weiterer Weigerung, den Antrag der Antragstellerin zu bescheiden, in einem weiteren
Schritt, unter Umständen durch eine weitere einstweilige Anordnung, gezwungen
werden, den Antrag zu bescheiden. Damit würde genau der vollstreckbare Zwang auf
Vornahme von Verfahrenshandlungen auf den Antragsgegner erzeugt, den die
Antragstellerin, hätte sie ihr tatsächliches Begehren auch so formuliert wie es ersichtlich
gewollt ist, wegen § 44 a VwGO nicht erreichen könnte.
Diese Ausführungen macht sich die Kammer zu Eigen.
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Zusätzlich sieht sich die Kammer zu folgenden Hinweisen veranlasst: Von einer
Nichtigkeit der erwarteten Entscheidung des Antragsgegners, die die Antragstellerin
verhindern will, ist nicht auszugehen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen in
überörtlichen Plänen Ziele der Raumordnung auf der Grundlage der seit 1998
maßgeblichen Rechtslage verbindlich festgesetzt werden können, ist in der
Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Die für den Bereich des Wasserrechts bis
zum 31. Dezember 2000 zuständige 8. Kammer des Gerichts hat die Auffassung
vertreten, dass angesichts der Festsetzung von Konzentrationszonen für Abgrabungen
zur Gewinnung von Sand und Kies im Gebietsentwicklungsplan (GEP) 1986 für den
Regierungsbezirk E die Zulassung von Abgrabungsvorhaben außerhalb dieser Zonen
nur in den im GEP selbst genannten Ausnahmefällen in Betracht komme. Diese
Rechtsauffassung ist bisher vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen nicht ausdrücklich verworfen worden. Zum GEP 1999 für den
Regierungsbezirk E, der nunmehr maßgeblich ist, hat sich weder die 8. noch die 6.
Kammer des Gerichts bisher in einer Entscheidung geäußert. Lediglich in den die
Entscheidung nicht tragenden und daher der Rechtskraft nicht fähigen „Hinweisen" in
dem nicht rechtskräftigen Urteil vom 1. Oktober 2001 - 20 A 1945/99 - (S. 83 ff. des
amtlichen Urteilsumdrucks) setzt sich das Oberverwaltungsgericht mit der Frage
auseinander, unter welchen Voraussetzungen landesplanerische Festlegungen die
Eigenschaften von Zielen der Raumordnung haben. Das Oberwaltungsgericht hat
seinen Überlegungen ausdrücklich die Bemerkung vorangestellt, dass eine
abschließende Entscheidung nicht veranlasst sei. Gleichwohl dürften die Ausführungen
des Oberverwaltungsgerichts der Bezirksplanungsbehörde und den
Planfeststellungsbehörden des Regierungsbezirks hinreichende Veranlassung geben,
die bisher von ihnen vertretene Rechtsauffassung einer sorgfältigen Prüfung zu
unterziehen und sich mit den Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts ernsthaft
auseinander zu setzen. Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind indessen für die
Klärung schwieriger Rechtsfragen strukturell ungeeignet.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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