Urteil des VG Düsseldorf vom 01.10.1999

VG Düsseldorf: beihilfe, asthma bronchiale, diabetes mellitus, operation, ausführung, hauptsache, vergleich, schwellenwert, fürsorgepflicht, angemessenheit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 6858/98
01.10.1999
Verwaltungsgericht Düsseldorf
26. Kammer
Urteil
26 K 6858/98
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Hauptsache erledigt ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 88 % und das beklagte
Land zu 22 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin steht als Steueramtfrau im Dienst des beklagten
Landes. Sie ist ledig.
Mit Antrag vom 1. Dezember 1997 beantragte die Klägerin u. a. Beihilfe zu den
Aufwendungen für eine Operation durch Prof. Dr. T in der Neurochirurgie der
Universitätskliniken F laut Rechnung vom 21. November 1997 über 2.794,17 DM (Beleg Nr.
2). Mit Beihilfebescheid vom 12. Dezember 1997 erkannte die Oberfinanzdirektion E -OFE -
lediglich einen Betrag in Höhe von 1.896,84 DM als beihilfefähig an. Abgesetzt wurde die
Gebührennummer GOÄ 2073; an Stelle der Nr. GOÄ 34 wurde die Nr. GOÄ 3
berücksichtigt; die mit dem erhöhten Gebührensatz von 3,5 berechneten Positionen wurden
auf den 2,3 fachen Gebührensatz herabgesetzt. Mit Antrag vom 12. März 1998 begehrte die
Klägerin erneut Beihilfe für die nicht anerkannte Differenz der Rechnung vom 21.
November 1997 in Höhe von 897,33 DM. Sie verwies bezüglich der Erhöhung des
Bemessungssatzes auf die Begründung der Ärztlichen Privatverrechnungsstelle N/T1 e. V.
vom 2. Februar 1998. Mit Bescheid vom 20. März 1998 lehnte die OFE die
Berücksichtigung der Überschreitung des Schwellenwertes von 2,3 unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des BVerwG zum Umfang der Begründungspflicht des Arztes erneut ab.
In ihrem Widerspruch vom 16. April 1998 wies die Klägerin darauf hin, daß es ihr
"tatsächlich unangenehm" sei, den Operateur "weiterhin zu belästigen". Die Begründungen
für den erhöhten Schwierigkeitsgrad ließen sich dem Operationsbericht entnehmen, sie sei
auch bereit, das Kernspintomogramm der Lendenwirbelsäule vorzulegen. Eine intensive
Erörterung ihrer Erkrankung sei von ihr selbst am Aufnahmetag im Krankenhaus gewünscht
worden, da sie den Bandscheibenvorfall und die zu erwartende Operation tatsächlich
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worden, da sie den Bandscheibenvorfall und die zu erwartende Operation tatsächlich
subjektiv als lebensbedrohlich empfunden habe. Sie verstehe auch nicht, warum die
Position GOÄ 2073 gestrichen worden sei, aber da sei sie "bereit die Kosten selbst zu
übernehmen, weil mir diese auch von der E1-Versicherung nicht ersetzt worden sind".
Dem Widerspruch der Klägerin gab die OFE mit Widerspruchsbescheid vom 6. August
1998 unter Zurückweisung des Widerspruchs im übrigen insoweit statt, als bei zwei
Gebührennummern die Erhöhung des Bemessungssatzes auf den 3,5 fachen Satz
berücksichtigt wurde. Weiterhin nicht als beihilfefähig anerkannt blieb ein Betrag in Höhe
von 567,72 DM (im Widerspruchsbescheid mit 343,71 DM angegeben, da die
Gebührennummern GOÄ 34 und 2073 als unstreitig angesehen worden sind). Der
Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 11. August 1998 zugestellt.
Mit ihrer am 13. August 1998 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor: Auf die Erstattung des
2,3 fachen Gebührensatzes der GOÄ Nr. 2073 habe sie nicht verzichtet; zu der Nr. 34 habe
die OFD keine Ausführungen gemacht; sie sei weiterhin bereit, das Kernspintomogramm
vorzulegen.
Mit Schriftsatz vom 9. September 1998 erkannte die OFE den 2,3fachen Satz der GOÄ Nr.
2073 als beihilfefähigen Betrag an, so daß ein Betrag von 439,89 DM (567,72 DM - 127,83
DM) streitig bleibt. Das beklagte Land hat die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt, als
es die Beihilfefähigkeit des 2,3 fachen Satzes der GOÄ Nr. 2073 anerkannt hat.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der
Oberfinanzdirektion E vom 12. Dezember 1997 und unter Aufhebung des Bescheides
der OFE vom 20. März 1998 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1998
zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 1. Dezember 1997/12. März 1998 weitere
Beihilfe in Höhe von 219,95 DM zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und vertieft
sein Vorbringen.
Mit Beschluß vom 20. August 1999 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin
als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann der Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden.
Soweit das Verfahren in der Hauptsache nicht erledigt ist, ist die Klage abzuweisen.
Die Verwaltungsentscheidungen der OFD E vom 12. Dezember 1997/20. März 1998 in der
Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 6. August 1998 betreffend die Ablehnung des
Antrages der Klägerin auf Zahlung weiterer Beihilfe sind rechtmäßig und verletzen die
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Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Denn ihr steht kein Anspruch auf
weitere Beihilfe zu.
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-,
Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung - BVO) sind in Krankheitsfällen beihilfefähig
die zur Wiedererlangung der Gesundheit und zur Besserung oder Linderung von Leiden
notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange. Bei dem Merkmal der
Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der jeweils im
Einzelfall einer Konkretisierung bedarf. Dabei ist die Angemessenheit von Aufwendungen
für ärztliche Leistungen unter Berücksichtigung dessen zu beurteilen, was die
Gebührenordnung für Ärzte als Honorar für die jeweilige Leistung vorsieht. Soweit dem Arzt
nach der Gebührenordnung ein Honoraranspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht,
handelt es sich mithin zugleich um angemessene Aufwendungen des Beihilfeberechtigten
im Sinne von § 3 Abs. 1 BVO, es sei denn, die Beihilfevorschriften schränkten die
Gewährung einer Beihilfe für bestimmte Aufwendungen ein oder schlössen sie gar gänzlich
aus. Da Zweck der Beihilfegewährung lediglich ist, einen zusätzlichen Bedarf abzudecken,
der mit den Dienstbezügen eines Beamten nicht mehr bestritten werden kann und daher
unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Fürsorge einer Beihilfe bedarf, ist gegen
derartige Regelungen jedenfalls dann nichts einzuwenden, wenn die Beschränkungen
oder Ausschlüsse der Beihilfefähigkeit bestimmter Leistungen die dem Dienstherrn
obliegende Fürsorgepflicht nicht in ihrem Wesenskern verletzen.
Zu letzterem Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. April 1988 2 C 58.85 ,
Buchholz 270 § 7 BhV Nr. 1.
Nach diesen Maßstäben sind die von der OFD vorgenommenen Streichungen - soweit sie
noch streitig sind - in der Rechnung des Prof. Dr. med. T vom 21. November 1997
insgesamt nicht zu beanstanden.
Gemäß § 117 Abs. 5 VwGO wird zur Begründung zunächst auf die angefochtenen
Bescheide der OFD verwiesen.
Der Austausch der Gebührenziffer 34 GOÄ mit der Ziffer 3 GOÄ ist zu Recht erfolgt.
Die Gebühr nach Ziffer 34 GOÄ kann in Rechnung gestellt werden nach der Erörterung
(Dauer mindestens 20 Minuten) der Auswirkungen einer Krankheit auf die
Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen
Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden
Erkrankung - gegebenenfalls einschließlich Planung eines operativen Eingriffs und
Abwägung seiner Konsequenzen und Risiken - einschließlich Beratung - gegebenenfalls
unter Einbeziehung von Bezugspersonen. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser
Gebührenziffer ist zu verneinen. Hinsichtlich des Bandscheibenvorfalls der Klägerin kann
lediglich der Fall einer nachhaltig lebensverändernden Erkrankung in Betracht zu ziehen
sein. Wie sich aus der gemeinsamen Aufführung einer nachhaltig lebensverändernden
oder lebensbedrohenden Erkrankung in Ziffer 34 GOÄ ergibt, muß es sich um eine
spezielle Beratungsleistung im Zusammenhang mit einer gravierenden Erkrankung
handeln, wie z. B. Karzinom, Leukämie, Morbus Hodgekin, Aids, Hypertonie, schwere
Unfallverletzungen, schwere Lungenentzündung, rheumatische Erkrankungen, Diabetes
mellitus oder Asthma bronchiale handeln,
vgl. Brück, Kommentar zur GOÄ, 3. Aufl., Stand Januar 1996, GOÄ 34, Rdnrn. 1 und 3.
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Eine nachhaltig lebensverändernde Erkrankung muß dabei von ihren Auswirkungen her
dermaßend einschneidend sein, daß sie mit den Folgen einer lebensbedrohenden
Erkrankung vergleichbar erscheint. Dies ist jedoch bei dem Bandscheibenvorfall der
Klägerin nicht zu erkennen. Der Operationsbericht des Prof. Dr. T vom 31. Oktober 1997
enthält keine Aussagen über einen lebensbedrohenden Vorfall. Zu den nachhaltig
lebensverändernden Erkrankungen gehören solche Erkrankungen, die durch chronischen
Verlauf, ungünstige oder unabänderliche Prognosen dazu zwingen, über schwerwiegende
Konsequenzen im familiären, beruflichen oder gesellschaftlichen Leben nachzudenken
und gegebenenfalls tiefergreifende Änderungen in der Lebensplanung und
Lebensgestaltung vorzunehmen, wovon hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht
auszugehen ist. Allein die Tatsache, daß sich der Arzt vor der Operation eingehend mit den
Problemen der Klägerin befaßt, sie psychisch aufgebaut und beruhigt und ihr die
möglichen Folgen im Falle einer Nichtoperation aufgezeigt hat, mag zwar in der Meinung
der Klägerin die Berechnung nach Nr. 34 GOÄ rechtfertigen, indes erfüllt dies aber nicht die
im schriftlichen Text normierten Voraussetzungen.
Darüberhinaus fehlt es auch an dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der
Diagnose des Bandscheibenvorfalls und der Erörterung der Auswirkungen auf die
Lebensgestaltung der Klägerin. Während die Diagnose am 1. Oktober 1997 an Hand des
Kernspintomogramms gestellt wurde, erfolgte erst Mitte Oktober 1997 durch einen zweiten
Arzt - den Operateur - die Erörterung der Auswirkung des Bandscheibenvorfalls und der
Vorschlag zur operativen Entfernung.
Zu Recht hat das beklagte Land auch die Beihilfefähigkeit bezüglich der Gebührenziffern
305, 2566 und 2073 GOÄ verneint, soweit der Steigerungssatz von 2,3 überschritten wurde.
Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 erster Halbsatz GOÄ bemißt sich die Höhe der einzelnen Gebühren
für eine ärztliche Leistung in der Regel nach dem einfachen bis 2,3-fachen des im
zugehörigen Gebührenverzeichnis festgelegten Gebührensatzes. Eine Überschreitung des
Schwellenwertes von 2,3 bis zum Höchstwert des 3,5-fachen Satzes ist nach § 5 Abs. 2
Satz 4 zweiter Halbsatz GOÄ nur zulässig und damit beihilferechtlich anzuerkennen, wenn
Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ angegebenen Bemessungskriterien
(Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umstände der Ausführung) die Überschreitung rechtfertigen.
Um dies im Einzelfall prüfen und gegebenenfalls bejahen zu können, bedarf es einer
besonderen Begründung, aus der sich ergeben muß, aus welchen Gründen die im
einzelnen erbrachten Leistungen über dem von der Regelspanne erfaßten Fall gelegen
haben (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ), wobei die bei Rechnungstellung noch zulässige
lediglich stichwortartige Begründung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ auf Verlangen näher
zu erläutern ist. Gleiches gilt für die Überschreitung des Steigerungssatzes von 1,8, wenn
die Gebührenordnung diesen als Schwellenwert bestimmt.
In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht,
Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 -, BVerwGE 95, 117 (121 ff.),
zu der weithin verbreiteten Auffassung, für durchschnittliche, normale Leistungen gelte
bereits der 2,3-fache bzw. der 1,8-fache Gebührensatz, so daß jede als
überdurchschnittlich zu bewertende Tätigkeit den Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors
rechtfertige, unter anderem folgendes ausgeführt:
"Die Annahme von "Besonderheiten" der Bemessungskriterien im Sinne des zweiten
Halbsatzes des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ, die ein Überschreiten des Schwellenwertes
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rechtfertigen, steht nicht im Ermessen des Arztes, sondern ist rechtlich voll nachprüfbar. Sie
hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Vorschrift den Charakter einer Ausnahme
und setzt voraus, daß Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden
Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind.
Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es,
wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen
Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweise
bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung, hier die
ambulante Durchführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Operation, als eine
das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde.
Diese Betrachtungsweise ergibt sich aus der Gegenüberstellung der "in der Regel"
einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen Gebührensatz und dem Schwellenwert
einerseits mit dem zulässigen Überschreiten dieses Wertes wegen Besonderheiten der
Bemessungskriterien andererseits (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ) sowie aus der Anordnung einer
schriftlichen Begründung des Überschreitens des Schwellenwertes, die auf Verlangen
näher zu erläutern ist (§ 12 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GOÄ). Für eine nähere Erläuterung ist
sinnvoll nur Raum, wenn Besonderheiten gerade des vorliegenden Einzelfalles
darzustellen sind; könnte schon eine bestimmte, vom Einzelfall unabhängige Art der
Ausführung der im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung das Überschreiten des
Schwellenwertes rechtfertigen, so wäre dies mit einem kurzen Hinweis auf die angewandte
Ausführungsart - hier auf die ambulante Durchführung der Operation - abschließend
dargelegt.
Bei dieser Auffassung geht der Senat mit dem Berufungsgericht davon aus, daß die in
der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen und dem 2,3fachen
Gebührensatz vom Verordnungsgeber nicht nur für einfache oder höchstens
durchschnittlich schwierige und aufwendige Behandlungsfälle, sondern für die große
Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt ist und in diesem Rahmen auch die
Mehrzahl der schwierigeren und aufwendigeren Behandlungsfälle abdeckt. Auch soweit es
üblich geworden sein und hingenommen werden sollte, daß Ärzte überwiegend ohne
Rücksicht auf den Einzelfall den Schwellenwert ansetzen (vgl. dazu den Bericht der
Bundesregierung an den Bundesrat über Erfahrungen mit der GOÄ vom 23. Dezember
1985, Bundesratsdrucksache 625/85, Seite 17 f.), ändert dies nichts an der Rechtslage,
insbesondere nicht daran, daß auch die Mehrzahl schwierigerer und aufwendigerer
Behandlungsfälle im Rahmen der Regelspanne abzugelten ist (vgl. neben dem genannten
Bericht der Bundesregierung insbesondere Urteil des VG Gelsenkirchen vom 23. Juni 1989
- 3 K 1621/88 - NWVBl. 1990, 68 m.w.N.)."
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 9. November 1993 - 6 A 511/92 -,
hat hierzu weiter ausgeführt, daß es für die erforderliche Begründung und weitere
Erläuterung notwendig, aber ausreichend sei, daß der Arzt die erforderlichen
Besonderheiten der Bemessungskriterien im Einzelfall so darlege, daß sie dem Patienten
nachvollziehbar seien. Dementsprechend müsse die von dem Arzt zu erstellende
Begründung hinsichtlich des Überschreitens des Schwellenwertes den Zeitaufwand und
den Schwierigkeitsgrad plausibel erläutern. Auszugehen sei davon, daß der
Verordnungsgeber mit dem jeweiligen Gebührentatbestand Fälle erfaßt habe, die unter
Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie
der Umstände bei der Ausführung angemessen mit dem einfachen Gebührensatz entgolten
seien (einfache Fälle). Der 3,5-fache Gebührensatz gelte damit nur in Fällen, die in der
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seien (einfache Fälle). Der 3,5-fache Gebührensatz gelte damit nur in Fällen, die in der
ärztlichen Praxis außergewöhnliche Anforderungen stellten. Ob im jeweiligen Fall
außergewöhnliche Verhältnisse vorlagen und deshalb eine Überschreitung des
Schwellenwertes bis zum Höchstsatz gerechtfertigt sei, zeige sich im Vergleich der
Verhältnisse dieses Falles mit dem vom Gebührentatbestand ebenfalls erfaßten einfachen
Fall. Aus der Begründung des behandelnden Arztes müßten sich die für diesen Vergleich
notwendigen Anhaltspunkte ergeben. So könnte der behandelnde Arzt darlegen, welchen
zeitlichen Rahmen (vom einfachen bis hin zu den schwierigsten Fällen) der
vorgenommene Eingriff in der ärztlichen Praxis in Anspruch nimmt, und/oder inwieweit sich
der Fall des konkreten Patienten unter Berücksichtigung der Schwierigkeit sowie der
Umstände bei der Ausführung vom einfachen oder durchschnittlichen Behandlungsfall
unterscheidet.
Da ein Gebührensatz zwischen dem 2,3- und dem 3,5-fachen, bzw. zwischen dem 1,8- und
dem 2,3-fachen in den Fällen des § 5 Abs. 3 GOÄ, nach alledem nur in den Fällen gelten
kann, die in der ärztlichen Praxis außergewöhnliche Anforderungen stellen, müssen sich
diese aus der Begründung nachvollziehbar ergeben; die Begründung muß es demnach
ermöglichen, daß die Verhältnisse des konkret zu beurteilenden Falles mit den
Verhältnissen der vom Gebührentatbestand erfaßten (normalen und schwierigen) Fälle
verglichen werden können, und muß weiter nachvollziehbar erkennen lassen, wie sich der
konkrete Fall im Vergleich mit anderen Fällen verhält und inwieweit und weshalb er sich
deutlich vom Durchschnitt unterscheidet und abhebt.
Ebenso zu diesen Anforderungen an eine ärztliche Begründung einer
Schwellenwertüberschreitung Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 24. Januar 1996
10 K 9290/93 , vom 11. November 1996 10 K 11766/94 und vom 25. Mai 1998 26 K
3113/97 .
Nach diesen Maßstäben sind die Begründungen des Arztes Prof. Dr. D. T in der Rechnung
vom 21. November 1997 sowie dessen ergänzende Begründung in dem Schreiben der
Ärztlichen Privatverrechnungsstelle vom 2. Februar 1998 an die E1 Krankenversicherung
a.G. nicht geeignet, die Überschreitung des Schwellenwertes von 2,3 gemäß § 5 Abs. 3
GOÄ bei den Gebührenziffern Nrn. 305, 2566 und 2073 GOÄ zu rechtfertigen. Warum die
Punktion der Liquorräume (Höhenlokalisation Gebührenziffer 305 GOÄ) sowie die
Fasziennaht (Nr. 2073 GOÄ) vom Durchschnittsfall abgewichen sein soll, wird nicht
begründet und ergibt sich auch nicht aus dem OP-Protokoll. Die pauschale Begründung
"zeitaufwendig und schwierig" zur Gebührenziffer 2566 GOÄ genügt den oben
aufgezeigten Anforderungen nicht. Es ist nicht erkennbar, ob und inwieweit sich die
Operation der Klägerin von dem einfachen, dem durchschnittlichen und dem schwierigen,
aber noch von der 2,3 fachen Regelspanne umfaßten Behandlungsfall unterschieden hätte.
Eine Vergleichsbetrachtung ist mithin nicht möglich. Da die Klägerin nicht bereit ist, den
Arzt, der die Rechnung erstellt hat, selbst um weitere Begründungen zu ersuchen, obgleich
ihr ein Anspruch darauf nach § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ zusteht, ihr aber der Nachweis
gegenüber dem Dienstherrn obliegt, daß die Höhe der Aufwendungen gerechtfertigt ist,
steht ihr eine Beihilfe zu diesen erhöhten Gebühren nicht zu. Die Berufung der Klägerin auf
6.2 Satz 3 des RdErl. des Finanzministeriums vom 10.12.1997 - Hinweise zum ärztlichen
Gebührenrecht - verkennt zum einen, daß auch diese Sollvorschrift zunächst das eigene
Bemühen des Beihilfeberechtigten voraussetzt, sich bei Beanstandung durch die
Festsetzungsstelle um eine ergänzende Begründung zu bemühen und zum anderen, daß
es sich angesichts des nicht zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwandes allenfalls um eine
eng begrenzte Ausnahmevorschrift handelt.
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Die Fürsorgepflicht des Beklagten (§ 85 des Landesbeamtengesetzes - LBG -), die zu den
hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums rechnet (Art. 33 Abs. 5 GG),
verpflichtet den Beklagten nicht zu der vom Kläger erstrebten Leistung. § 88 LBG und die
auf dieser Vorschrift beruhende Beihilfenverordnung vom 27. März 1975 (GV NRW S. 332),
zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. September 1998 (GV NRW S. 550), enthalten in
diesem Zusammenhang die speziellen Regelungen. Weitergehende Beihilfeansprüche
können allenfalls dann begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall
gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre,
vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1983 - 2 C 36.81 -, DVBl. 1984, 429 f.; OVG NW,
Beschluß vom 7. Juli 1998 - 12 A 5885/96 - m. w. N..
Davon kann vorliegend indes keine Rede sein.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 161 Abs. 2 VwGO, soweit der Rechtsstreit in der
Hauptsache erledigt ist. Es entspricht billigem Ermessen, insoweit dem beklagten Land die
Kosten aufzuerlegen; zwar hat es sofort im Prozeß den 2,3fachen Satz der Nr. 2073 GOÄ
anerkannt, hätte aber bei der Klägerin während des Widerspruchsverfahrens nachfragen
können, ob sie tatsächlich auf die Beihilfe für diese Gebühr ganz verzichte. Im übrigen folgt
die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozeßordnung.