Urteil des VG Düsseldorf vom 30.06.2010

VG Düsseldorf (satzung, höhe, stand der technik, auflage, offensichtliches versehen, land baden, verhältnis zu, berufliche ausbildung, einladung, errichtung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 K 3737/09
Datum:
30.06.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 3737/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizu-
treibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin führt einen Betrieb des Kälte- und Klimaanlagenbauer-Handwerks. Sie ist
Mitglied der Beklagten.
1
Die Beteiligten streiten über die Erhebung einer Sonderumlage für die Kosten der
Errichtung eines Schulungszentrums für die überbetriebliche Ausbildung.
2
Im November 2002 beschloss die Beklagte die Errichtung eines Informationszentrums
für Kälte-, Klima- und Energietechnik (J) mit Sitz in E. Zu diesem Zweck gründete sie
gemeinsam mit drei weiteren Gesellschaftern die J gGmbH. Gegenstand der
Gesellschaft ist die Ausbildung, Fortbildung, Umschulung, Beratung und Betreuung im
Bereich der Kälte-, Klima- und Energietechnik. Die Gesellschaft verfolgt das Ziel,
Kenntnisse und Fertigkeiten umfassend und jeweils dem neuesten Stand der Technik
entsprechend zu vermitteln. Dazu führt sie Aus- und Fortbildungslehrgänge in über- und
außerbetrieblicher Form durch.
3
Das Investitionsvolumen für die Errichtung des J betrug ursprünglich 13 Millionen Euro.
Davon wurden 8,6 Millionen Euro durch Fördermittel des Bundes, des Landes und der
Europäischen Union gedeckt. Der Baubeginn erfolgte im November 2004. Die Insolvenz
eines beauftragten Hauptunternehmers führte zu einer Verzögerung der Fertigstellung
von zweieinhalb Jahren und zusätzlichen Baukosten von ca. 2 Millionen Euro. Drei
Viertel der Mehrkosten wurden durch weitere Fördermittel des Bundes und des Landes
gedeckt. Das restliche Viertel in Höhe von 500.000,- Euro musste die J selbst
aufbringen.
4
Da über die Deckung der Finanzierungslücke in Höhe von 500.000,- Euro unter den
Gesellschaftern der J keine Einigkeit erzielt werden konnte, beschloss die
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Innungsversammlung der Beklagten am 16. Oktober 2006, die Geschäftsanteile der
übrigen Gesellschafter zum Preis von jeweils 1,- Euro zu übernehmen. Die Beklagte
wurde dadurch Alleingesellschafterin der J. Zugleich beschloss die
Innungsversammlung am 16. Oktober 2006, bei der Stadtsparkasse E1 einen Kredit
über 500.000,- Euro aufzunehmen und diesen Betrag der J als Darlehen zur Verfügung
zu stellen.
Die Beklagte vereinbarte mit der Stadtsparkasse E1 ein Festdarlehen, d.h. die
Kreditsumme war von der Beklagten in einem Betrag zum 6. Juli 2009 zurückzuzahlen.
Dementsprechend vereinbarte die Beklagte auch in dem Darlehensvertrag mit der J
eine feste Laufzeit bis zum 2. August 2009.
6
Zu einer Tilgungsleistung der J an die Beklagte kam es jedoch nicht. Bemühungen der
Beklagten, die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an der J erneut zu veräußern, um
aus dem Erlös den Kredit der Stadtsparkasse E1 zu tilgen, führten zu keinem Erfolg. Ein
Spendenaufruf der Beklagten an ihre Mitglieder erbrachte nur einen Betrag in Höhe von
66.000,- Euro. Der Kredit wurde notleidend. Die Stadtsparkasse E1 stundete die
Rückzahlung des Darlehens stillschweigend gegen Zinszahlung.
7
Die Innungsversammlung der Beklagten beschloss daraufhin am 28. April 2009, die
Finanzierungslücke durch die Erhebung eines Sonderbeitrages zu schließen. Der
Sonderbeitrag sollte das 6,5-fache des Jahresbeitrages 2008 betragen, mindestens
jedoch 2.630,- Euro und höchstens 4.125,- Euro.
8
In Ausführung dieses Beschlusses forderte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom
12. Mai 2009 auf, bis zum 15. Juni 2009 einen Sonderbeitrag in Höhe von 2.844,08 Euro
zu zahlen.
9
Dagegen hat die Klägerin am 15. Juni 2009 die vorliegende Klage erhoben. Zur
Begründung rügt sie die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der erhobenen
Sonderumlage. Es fehle insbesondere an einer gesetzlichen und satzungsmäßigen
Ermächtigung für den Beschluss der Innungsversammlung vom 28. April 2009.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2009 aufzuheben.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält den angefochtenen
Beitragsbescheid für rechtmäßig.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten.
16
Entscheidungsgründe:
17
Die Klage ist nicht begründet.
18
Die Klage ist nicht begründet.
18
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2009 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
19
Die mit dem Bescheid erhobene Sonderumlage 2009 entspricht dem Beschluss der
Innungsversammlung vom 28. April 2009. Sie wird den gesetzlichen Vorgaben der
Handwerksordnung gerecht und entspricht den Regelungen der Satzung der Beklagten.
20
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 HandwO sind die den Handwerksinnungen erwachsenden
Kosten, soweit sie nicht aus den Erträgen des Vermögens oder aus anderen Einnahmen
Deckung finden, von den Innungsmitgliedern durch Beiträge aufzubringen. Es können
Grundbeiträge, Zusatzbeiträge und außerdem Sonderbeiträge erhoben werden. Die
Zulässigkeit von Sonderbeiträgen folgt unmittelbar aus § 73 Abs. 1 Satz 1 HandwO,
auch wenn die Vorschrift Sonderbeiträge nicht ausdrücklich erwähnt. Da § 73 Abs. 1
HandwO hinsichtlich der von den Mitgliedern aufzubringenden Kosten der Innung
Einschränkungen nicht enthält, können dazu auch die Kosten für die Errichtung eines
Schulungszentrums für die überbetriebliche Ausbildung gehören. Sie entstehen
einmalig und sind in der Regel durch die laufenden Mitgliedsbeiträge nicht gedeckt,
können von den Mitgliedern also nur durch eine Sonderumlage erhoben werden,
21
vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25. September 1998 – 8 L
923/97 -, GewArch 1999, Seite 125 f.; Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Auflage
2008, § 73 Rdnr. 3; Schwannecke, Die Deutsche Handwerksordnung,
Loseblattsammlung, Stand März 2010, § 73 Rdnr. 14.
22
Nach ständiger Rechtsprechung steht es im Ermessen der Handwerkskammern, ob und
inwieweit sie die Kosten der Kammer außer durch Grund- und Zusatzbeiträge auch
durch Sonderbeiträge decken will. Zu den grundsätzlich sonderumlagefähigen Kosten
gehören insbesondere die Kosten für die überbetriebliche Aus- und Weiterbildung,
23
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 1 C 7/98 -, Beschluss
vom 3. Mai 1995 – 1 B 222/93; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 15. September 1993 – 25 A 1714/92 -, zitiert nach juris.
24
Es erschiene systemwidrig, der Beklagten als einem freiwilligen Zusammenschluss von
Handwerksbetrieben das Recht zur Erhebung von Sonderbeiträgen abzusprechen,
obwohl die Handwerksordnung dieses Recht den Handwerkskammern, für die eine
Pflichtmit-gliedschaft besteht, ausdrücklich zubilligt.
25
Der fehlende Verweis des § 73 Abs. 3 HandwO auf § 113 Abs. 2 Satz 1 HandwO steht
dieser Wertung nicht entgegen. § 73 Abs. 3 HandwO regelt nicht die Zulässigkeit
einzelner Beitragstypen, sondern beantwortet nur die Frage, wie sich die Innung die für
die Beitragsbemessung nötige Datengrundlage bei den Finanzbehörden verschafft. Der
Vorschrift kann eine Aussage zur Zulässigkeit von Sonderbeiträgen nicht entnommen
werden,
26
vgl. Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, § 73 Rdnr. 3.
27
Entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung in § 73 Abs. 1 Satz 1 HandwO bestimmt
§ 52 Abs. 4 der Satzung der Beklagten, dass die Innungsversammlung durch Beschluss
außerordentliche Beiträge erheben kann. Diese Satzungsbestimmung ist als Grundlage
28
für den Beschluss der Innungsversammlung über die streitige Sonderumlage 2009
ausreichend, auch wenn sie keinerlei Bestimmungen über die Voraussetzungen, die
Bemessungsgrundlagen und die zulässige Höhe des Sonderbeitrages enthält.
§ 55 Abs. 2 Nr. 4 HandwO verlangt zwar, dass die Satzung der Handwerksinnung
Bestimmungen über die Bemessungsgrundlagen für die Erhebung der Mitgliedsbeiträge
enthalten muss. Diesen Vorgaben der Handwerksordnung genügt die Satzung der
Beklagten jedoch schon dadurch, dass sie in § 52 Abs. 1 Bestimmungen über die
Bemessung des Jahresbeitrages enthält. Es liegt in der Natur der Sache, dass die
Satzung Gleiches für die Erhebung außerordentlicher Beiträge nicht leisten kann und
nicht leisten muss. Die Erhebung außerordentlicher Beiträge dient der Bewältigung
außergewöhnlicher finanzieller Belastungen der Innung, die nicht immer vorhersehbar
sind und deshalb einer abstrakten Regelung durch Satzungsbeschluss nicht zugänglich
sind. Sonderbeiträge müssen dem Maßstab oder der absoluten Höhe nach deshalb
nicht unbedingt in der Innungssatzung festgelegt sein,
29
vgl. VG Freiburg, Urteil vom 18. September 1991 – 6 K 501/90 -, GewArch 1992, Seite
304 ff.; Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, § 113 Rdnr. 17.
30
Es genügt, dass § 52 Abs. 4 der Satzung die Entscheidung über Sonderbeiträge einem
Beschluss der Innungsversammlung vorbehält. Die Zulässigkeit dieses Verfahrens folgt
daraus, dass die Innungsversammlung bei ihrer Einzelfallentscheidung über die
Erhebung eines Sonderbeitrages über dieselbe Legitimation als autonomes
Selbstverwaltungsorgan der Innung verfügt wie bei der Entscheidung über den Inhalt
der Satzung.
31
Aus diesem Grunde ist es auch unschädlich, dass nicht schon die Satzung, sondern erst
der Innungsbeschluss vom 28. April 2009 einen Höchstbeitrag der Sonderumlage
festlegt.
32
Ob die zum Beitragsrecht der eingetragenen Vereine ergangene Rechtsprechung auf
das Beitragsrecht der Handwerksinnungen übertragbar ist, wie die Klägerin meint, kann
offen bleiben. Aus der Vorschrift des § 58 Nr. 2 BGB, welche anordnet, dass eine
Vereinssatzung Bestimmungen darüber enthalten soll, ob und welche Beiträge von den
Mitgliedern zu leisten sind, ist zwar geschlossen worden, dass die Vereinssatzung auch
einen Höchstbeitrag festzulegen hat,
33
vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Oktober 1988 – II ZR 311/87 -, zitiert nach juris.
34
Zugleich erlaubt die Rechtsprechung jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz. In
besonders gelagerten Fällen kann eine Umlage auch ohne die Bestimmung einer
Obergrenze in der Vereinssatzung wirksam beschlossen werden, wenn sie für den
Fortbestand des Vereins unabweisbar notwendig ist und dem einzelnen Mitglied unter
Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist,
35
vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. September 2007 – II ZR 91/06 -, zitiert nach
juris, der unter diesen Voraussetzungen auch das Sechsfache des Jahresbeitrages für
zulässig hält.
36
So liegt es hier. In Ermangelung anderer verfügbarer Mittel war die Innung zur Erhebung
des Sonderbeitrages 2009 gezwungen, um das Darlehen der Stadtsparkasse E1 tilgen
37
zu können. Es drohte anderenfalls Zahlungsunfähigkeit, die den Bestand der Beklagten
gefährdet hätte. § 77 Abs. 1 HandwO bestimmt insoweit, dass die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Handwerksinnung ihre Auflösung kraft
Gesetzes zur Folge hat. Dies galt es zu vermeiden. Eine Unzumutbarkeit des
Sonderbeitrages für die Mitglieder der Beklagten drängt sich angesichts der in dem
Beschluss der Innungsversammlung vom 28. April 2009 festgelegten
Höchstbeitragsgrenze nicht auf. Die Mitglieder erscheinen insoweit auch nicht
besonders schutzwürdig, weil sie über die finanzielle Situation der Innung sowie der J
laufend unterrichtet waren, und die Erhebung des Sonderbeitrages spätestens seit dem
Spendenaufruf im September 2008 vorhersehbar war. Zum Austritt aus der Innung hat
dies niemanden veranlasst. Auch ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zum
Beitragsrecht der eingetragenen Vereine erlaubt damit nicht die Schlussfolgerung, die
streitige Sonderumlage 2009 scheitere an einer unzureichenden Regelung in der
Satzung der Beklagten.
Das Fehlen einer Höchstbetragsregelung in § 52 Abs. 4 der Satzung bedeutet auch
keinen Verstoß gegen die in Art. 9 GG garantierte Vereinigungsfreiheit
beziehungsweise die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit.
Für diejenigen Mitglieder der Innung, die erst nach der Einführung des § 52 Abs. 4 in die
Satzung der Beklagten durch den Beschluss der Innungsversammlung vom 31. Oktober
1992 der Innung beige-treten sind, war von Anfang an erkennbar, dass sie einer Innung
beitreten, die für die Erhebung außerordentlicher Beiträge keine satzungsgemäße
Höchstgrenze kennt. Die übrigen Mitglieder konnten über die Einführung des § 52 Abs.
4 in die Satzung selbst mitentscheiden. Sie haben darauf verzichtet, aus der Einführung
dieser Regelung Konsequenzen zu ziehen und die Innung zu verlassen. Die
Satzungsautonomie der Innungsversammlung gewährleistet insoweit ein transparentes
Verfahren, welches verhindert, dass die Mitglieder mit Beiträgen belastet werden, mit
denen sie nicht rechnen konnten. Darin eine unzulässige Beschneidung der
Vereinigungsfreiheit, beziehungsweise der allgemeinen Handlungsfreiheit zu erkennen,
erscheint fernliegend.
38
Gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 HandwO muss die Satzung auch Bestimmungen über das
Stimmrecht in der Innungsversammlung enthalten. In den §§ 63 ff. HandwO wird
insoweit ein Rahmen vorgegeben, den die Satzung ausfüllen kann beziehungsweise
muss. Der Satzungsgeber hat in § 15 der Satzung eine Ausführungsregelung zu § 65
HandwO getroffen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 HandwO gebietet es nicht, den Inhalt der ohnehin
vorrangigen einschlägigen gesetzlichen Regelungen in der Satzung zu widerholen,
39
vgl. Schwannecke, Die Deutsche Handwerksordnung, Loseblattsammlung Stand
März 2010, § 55 Rdnr. 24.
40
Der nach § 52 Abs. 4 der Satzung der Beklagten erforderliche Beschluss der
Innungsversammlung über die Erhebung eines außerordentlichen Beitrages ist am
28. April 2009 ergangen. Er ist formell- und materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
41
Zu der Innungsversammlung am 28. April 2009 hat der Obermeister der Innung durch
Schreiben an alle Innungsmitglieder vom 8. April 2009 rechtzeitig eingeladen. Geht man
in Anlehnung an § 41 Abs. 2 VwVfG NRW von einer Postlaufzeit von drei Tagen aus, so
hat das noch am 8. April 2009 zur Post aufgegebene Schreiben die Mitglieder am
11. April 2009 erreicht. Dieser Tag war Ostersamstag. Selbst wenn man diesen
Umstand berücksichtigt und von einer Postlaufzeit bis Osterdienstag, den 14. April 2009
42
ausgeht, wahrte die Einladung die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten
einzuhaltende Wochenfrist.
Die Einladung enthielt auch ausreichende Angaben zu der anstehenden Tagesordnung,
wie dies § 62 Abs. 1 HandwO verlangt. Da der in Aussicht genommene Beschluss über
die Erhebung der Sonderumlage in seinem vollständigen Wortlaut in die Einladung
aufgenommen wurde, ist der Vortrag unzutreffend, die Mitglieder hätten auf der
Grundlage der Einladung nicht wissen können, welche weitreichenden Konsequenzen
die Innungsversammlung vom 28. April 2009 haben konnte. Die Hintergründe der
notwendig gewordenen Sonderumlage waren den Mitgliedern durch die an sie
versandten Protokolle früherer Innungsversammlungen hinreichend bekannt.
43
Es stand allen Mitgliedern außerdem frei, der Einladung zu der Versammlung vom
28. April 2009 zu folgen und sich bei dieser Gelegenheit über bestehende Unklarheiten
aufklären zu lassen. Wenn die Vertreter der Klägerin von dieser Möglichkeit keinen
Gebrauch gemacht haben und der Versammlung fern geblieben sind, ist dies der
Beklagten nicht anzulasten.
44
Es musste in der Einladung auch nicht darauf hingewiesen werden, dass die
Innungsversammlung auch dann beschlussfähig ist, wenn nur eine Minderheit der
Mitglieder anwesend ist. Dies ist nach § 62 Abs. 2 Satz 1 HandwO der Regelfall, der
besonderer Erwähnung nicht bedurfte.
45
Entbehrlich war schließlich ein Hinweis in der Einladung darauf, dass es sich – wenn
dem so war - um eine außerordentliche Innungsversammlung gehandelt hat. Denn
daran knüpfen keine Rechtsfolgen, die für den Beschluss vom 28. April 2009 von
Bedeutung sind.
46
Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage 2009 wurde in der Versammlung
vom 28. April 2009 mit der nach § 62 Abs. 2 Satz 1 HandwO notwendigen einfachen
Mehrheit der 49 erschienenen Mitglieder gefasst. 34 der Mitglieder stimmten für den
Beschlussvorschlag. Dies genügte. Eine qualifizierte Mehrheit der erschienenen
Mitglieder ist nach § 62 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 HandwO nur in Ausnahmefällen
vorgeschrieben, von denen vorliegend keiner eingreift. Die gesetzliche Regelung ist
abschließend. Für die Annahme des Erfordernisses einer qualifizierten Mehrheit auch in
anderen Angelegenheiten von besonderer Bedeutung bleibt ebenso wenig Raum wie
für die Annahme, die Innungsversammlung sei in diesen Fällen nur beschlussfähig,
wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend sind,
47
vgl. Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, § 62 Rdnr. 3; Honig/Knörr,
Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, § 62 Rdnr. 4.
48
Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides vom 12. Mai 2009 ist es
ohne Bedeutung, ob das Protokoll der Innungsversammlung vom 28. April 2009 bei
Erlass des Bescheides bereits unterschrieben war oder nicht. Der Bescheid fußt allein
auf dem zuvor getroffenen Beschluss. Das Protokoll dient dem gegenüber nur dem
Nachweis der gefassten Beschlüsse. Ob es schon vor dem Ergehen der
Beitragsbescheide unterschrieben war, ist ohne Belang.
49
Der formal wirksame Innungsbeschluss vom 28. April 2009 entspricht auch den
Grundsätzen des Beitragsrechts.
50
Die Umlegung der Darlehenskosten auf die Mitglieder war zulässig, weil die Innung mit
der Kreditaufnahme satzungsgemäße Zwecke verfolgt hat.
51
Nach § 54 Abs. 1 Nr. 3 und 5 HandwO gehört es zu den Aufgaben der
Handwerksinnungen, für die berufliche Ausbildung der Lehrlinge zu sorgen und das
handwerkliche Können der Meister und Gesellen zu fördern. § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 5 der
Satzung der Beklagten bestätigt diese Aufgabenstellung und benennt ausdrücklich die
Errichtung überbetrieblicher Unterweisungseinrichtungen als das gebotene Mittel zur
Erfüllung des ihr übertragenen Ausbildungsauftrages.
52
Die Tilgung des Darlehens bei der Stadtsparkasse E1 diente ersichtlich diesem Zweck.
Dem steht nicht entgegen, dass das Darlehen an die J weiter gereicht worden ist. Die
Beklagte war zu diesem Zeitpunkt bereits alleinige Gesellschafterin der J.
Geschäftsgegenstand der J war nach § 3 des Gesellschaftsvertrages vom 19. Dezember
2002 die Ausbildung, Fortbildung, Umschulung, Beratung und Betreuung im Bereich der
Kälte-, Klima- und Energietechnik. Wie die von der Beklagten überreichte
Informationsbroschüre belegt, verfolgt das inzwischen fertig gestellte und in Betrieb
genommene J die in dem Gesellschaftsvertrag der J niedergelegte Zweckbestimmung
weiter.
53
Ob die Übernahme der Gesellschaftsanteile an der J und die Aufnahme des Darlehens
durch den Beschluss der Innungsversammlung vom 16. Oktober 2006 formal
ordnungsgemäß waren und ob diese Entscheidungen der Innungsversammlung
wirtschaftlich vernünftig waren, ist dabei für die im vorliegenden Verfahren allein
interessierende Frage nach der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom
12. Mai 2009 ohne Belang.
54
Es ist zwar zutreffend, dass Beschlüsse der Innungsversammlung, die den
Formvorschriften des § 62 HandwO nicht genügen, nicht gültig sind. Werden diese
Fehler aber nicht gerügt, obwohl der Beschluss sämtlichen Innungsmitgliedern bekannt
gegeben worden ist, so tritt nach angemessener Frist eine Heilung der Verfahrensfehler
ein, dies zumindest dann, wenn der fehlerhafte Beschluss geraume Zeit Grundlage von
Ausführungshandlungen war,
55
vgl. Honig/Knörr, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, § 62 Rdnr. 13; Schwannecke,
Die Deutsche Handwerksordnung, Loseblattsammlung Stand März 2010, § 62 Rdnr.
1.
56
So liegt es hier. Mit Einwendungen gegen die Beschlüsse der Innungsversammlung
vom 16. Oktober 2006 können die Mitglieder im Beitragsverfahren nicht gehört werden,
weil sie gegen diese Entscheidungen, die ihnen durch Übermittlung des Protokolls der
Innungsversammlung bekannt geworden sind, zu keinem Zeitpunkt Rechtsmittel
eingelegt haben. Wenn die Mitglieder der Auffassung waren, bei der Durchführung der
Innungsversammlung vom 16. Oktober 2006 seien maßgebliche rechtliche
Bestimmungen verletzt worden, so hätten sie die fraglichen Beschlüsse nicht tatenlos
hinnehmen dürfen. Rechtsmittel gegen die Beschlüsse vom 16. Oktober 2006 sind dem
Gericht aber nicht bekannt geworden. Dies führt zur Heilung möglicher Verfahrensfehler.
57
Hielte man demgegenüber eine Heilung von Verfahrensfehlern für unzulässig,
58
vgl. Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, § 62 Rdnr. 8,
59
so erlaubte dies allenfalls die Feststellung, dass die Beschlüsse vom 16. Oktober 2006
wenn sie denn fehlerhaft waren der Unwirksamkeit unterliegen. Damit ist für die
Rechtmäßigkeit der erhobenen Sonderumlage 2009 jedoch nichts gesagt. Denn die zur
Ausführung der Beschlüsse dienenden Rechtsakte der Innung, wie etwa der notarielle
Vertrag zur Übernahme der Geschäftsanteile an der J oder der mit der Stadtsparkasse
E1 geschlossene Kreditvertrag, waren gleichwohl rechtsgültig und führten zu einer
rechtsverbindlichen Verpflichtung der Innung. Dies genügt für die Umlagefähigkeit der
Kosten nach § 73 Abs. 1 Satz 1 HandwO.
60
Die weiter aufgeworfenen Fragen, ob die Gewährung des Darlehens an die J
alternativlos war, ob die Mitglieder seinerzeit über die Aussichten getäuscht wurden, die
Gesellschaftsanteile erneut veräußern zu können, oder ob die Gestaltung des
Kreditvertrages mit der Stadtsparkasse E1 wirtschaftlich vernünftig war, bedürfen im
Beitragsverfahren keiner Beantwortung. Maßgeblich ist allein, dass die fraglichen
Darlehenskosten der Beklagten tatsächlich entstanden sind und dass mit diesen Kosten
satzungsgemäße Zwecke verfolgt wurden.
61
§ 73 Abs. 1 Satz 1 HandwO erlaubt die Umlage solcher Kosten an die Mitglieder, die
aus den Erträgen des Vermögens oder aus anderen Einnahmen keine Deckung finden.
Die Beklagte hat zur Überzeugung der Kammer insoweit dargelegt, dass sie über
andere Vermögenswerte zur Tilgung des Darlehens der Stadtsparkasse E1 nicht
verfügte. Eine Verlängerung des Darlehens hat die Stadtsparkasse abgelehnt. Die
Berechnung des Finanzbedarfes in Höhe von 534.950,- Euro hat die Beklagte
ausführlich dargelegt. Zweifel an dieser Kalkulation bestehen seitens der Kammer nicht.
Dessen ungeachtet erfordert die Beitragskalkulation kein "punktgenaues" Rechenwerk
mit einer trennscharfen Kostenrechnung. Vielmehr steht der Innung auch bei der
Kalkulation der Beiträge ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, der einer
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt,
62
vgl. Schwannecke, Die Deutsche Handwerksordnung, Loseblattsammlung, Stand:
März 2010, § 113 Rdnr. 24.
63
Der beschlossene Sonderbeitrag 2009 entspricht sowohl dem Äquivalenzprinzip als
auch dem Gleichheitssatz. Das Äquivalenzprinzip fordert, dass zwischen der Höhe des
Beitrages und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang bestehen muss. Die Höhe
des Beitrages darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten
soll, und einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch
belastet werden. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im
Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen
ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine
ungleiche Behandlung rechtfertigen. Für die Erhebung vorteilsbezogener
Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bedeutet dies, dass
wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden muss. Aus
dem Gleichheitsprinzip ergibt sich insbesondere, dass die Beiträge im Verhältnis der
Beitragspflichtigen zueinander vorteilsgerecht bemessen werden müssen,
64
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Februar 2002 – 6 B 73/01 -, zitiert
nach juris.
65
Nach dem Innungsbeschluss vom 28. April 2009 beträgt die Sonderumlage 2009 das
6,5fache des Jahresbeitrages für das Jahr 2008. Der Jahresbeitrag wiederum besteht
aus einem Grundbeitrag und einem Zusatzbeitrag, der sich nach der Lohnsumme des
jeweiligen Unternehmens bemisst, wie dies § 52 Abs. 1 der Satzung der Beklagten
bestimmt. Mit der Bezugnahme auf den Jahresbeitrag 2008 orientiert sich auch die
Sonderumlage 2009 an dem wirtschaftlichen Leistungsvermögen der Mitglieder. Die
Lohnsumme ist ein geeigneter Indikator für die Wirtschaftskraft eines Betriebes. Die
Regelung entspricht damit dem Grundsatz der Vorteilsgerechtigkeit, weil die Vermutung
erlaubt ist, dass ein wirtschaftlich stärkeres Unternehmen von der Errichtung und dem
Betrieb des J auch stärker profitiert.
66
Der Gedanke der Solidargemeinschaft rechtfertigt es regelmäßig, aus sozialen
Erwägungen wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren zu
entlasten, so dass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Kosten
der Körperschaft beiträgt. Die Handwerksinnung darf davon ausgehen, dass bei
typisierender Betrachtung für wirtschaftlich leistungsstärkere Mitglieder die Tätigkeit der
Innung regelmäßig von höherem Nutzen ist als für wirtschaftlich schwächere,
67
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. September 1991 – 1 C 24/88 -;
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. September
1993 – 25 A 1714/92 -; zitiert nach juris.
68
Die Innungsversammlung hat an den Jahresbeitrag 2008 angeknüpft, weil ihr die
Wirtschaftsdaten der Mitglieder für das Jahr 2009 bei der Beschlussfassung am
28. April 2009 noch nicht bekannt waren. Die Beitragsbemessung nach der
Unternehmensleistung der Vorjahre ist zulässig,
69
vgl. Honig/Knörr, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, § 113 Rdnr. 15.
70
Ob es zutreffend ist, dass die Branche der Kälte- und Klimaanlagenbauer infolge der
Wirtschaftskrise im Jahre 2009 einen Umsatzeinbruch zu verkraften hatte, kann dabei
dahin stehen. Von einer möglichen Rezession wären alle Mitglieder der Beklagten
betroffen, so dass dieser Umstand an der beitragsrechtlichen Gleichbehandlung nichts
änderte.
71
Es ist auch ohne Bedeutung, ob ein dem Äquivalenzprinzip entsprechender
Sonderbeitrag seiner Höhe nach den Grundbeitrag überschreitet. Es gibt keinen
Rechtssatz, wonach Beiträge, die gesondert für bestimmte Aufgaben erhoben werden,
unter den allgemeinen Kammerbeiträgen zu liegen hätten,
72
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 1 C 7/98 – und
Beschluss vom 3. Mai 1995 – 1 B 222/93 -; Verwaltungsgerichtshof für das Land
Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juli 1994 – 14 S 527/94 -;
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. September
1993 – 25 A 1714/92 -; zitiert nach juris.
73
Mit Rücksicht auf die möglichen völlig unterschiedlichen Zwecke einer Sonderumlage,
z.B. auch für größere Bauinvestitionen, kann diese ohne weiteres ein Vielfaches des
allgemeinen Kammerbeitrages erreichen,
74
vgl. VG Freiburg, Urteil vom 18. September 1991 – 6 K 501/90 -, GewArch 1992, Seite
75
304 ff.
Auch wenn die Beitragsbelastung der Mitglieder im Jahre 2009 hoch war, brauchte die
Kammer der Behauptung, die Sonderumlage habe für einzelne Mitglieder
existenzvernichtende Wirkung, nicht weiter nachzugehen, weil es diesbezüglich an
konkreten Anhaltspunkten fehlt.
76
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Sonderumlage nicht danach differenziert, ob das
jeweilige Mitgliedsunternehmen selbst Lehrlinge ausbildet oder nicht. Dem Vorteil der
Ausbildungsbetriebe, ihre Auszubildenden im J unterrichten lassen zu können, steht der
Vorteil der Betriebe, die nicht selbst ausbilden, gegenüber, unabhängig von eigenen
Ausbildungsanstrengungen auf einen qualifiziert ausgebildeten, leistungsfähigen
Nachwuchs zurückgreifen zu können. Die fehlende Unterscheidung zwischen
Ausbildungs- und sonstigen Betrieben verstößt nicht gegen den Grundsatz der
Vorteilsgerechtigkeit,
77
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 1 C 7/98 -, zitiert
nach juris.
78
Die Deckelung der Sonderumlage auf höchstens 4.125,- Euro steht der Wahrung des
Äquivalenzprinzips ebenfalls nicht entgegen,
79
vgl. zur Zulässigkeit von Höchstbeiträgen: Honig/Knörr, Handwerksordnung, 4.
Auflage 2008, § 113 Rdnr. 17.; Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, §
113 Rdnr. 15.
80
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten ist die Mitgliederstruktur
der Innung homogen, d.h. sie besteht aus kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Ein den Markt beherrschendes Großunternehmen, welches zu Lasten der übrigen
Mitglieder von der Höchstgrenze des Sonderbeitrages über Gebühr profitieren würde,
gehört nicht zum Mitgliederstamm der Beklagten.
81
Ob die Festsetzung eines Mindestbeitrages in Höhe von 2.630,- Euro zulässig ist, bedarf
vorliegend keiner Entscheidung, weil die Klägerin durch diese Regelung nicht belastet
wird. Der an sie gerichtete Beitragsbescheid übersteigt den Mindestbeitrag.
82
Da es an einer entsprechenden Belastung der Klägerin fehlt, braucht auch nicht der
Frage nachgegangen zu werden, ob der Beschluss vom 28. April 2009 in zulässiger
Weise bestimmt, dass Spenden, die ein Mitglied zur Rettung der J freiwillig geleistet hat,
nur dann zur Anrechnung gelangen, wenn eine Mindestspende in Höhe von 3.000, Euro
vorliegt. Die Klägerin hat nicht behauptet, eine Spende geleistet zu haben.
83
Der Innungsbeschluss vom 28. April 2009 erscheint auch nicht treuwidrig.
84
Weder das Schreiben der Beklagten vom 23. Juni 2005 noch das Schreiben der
Kreishandwerkerschaft vom 21. Juni 2005, welches die Beklagte ihren Mitgliedern hat
zukommen lassen, begründete ein schutzwürdiges Vertrauen der Innungsmitglieder
darauf, zukünftig von Sonderbeiträgen für die Errichtung des J verschont zu bleiben.
Das Schreiben der Beklagten an ihre Mitglieder vom 23. Juni 2005 weist zutreffend
darauf hin, dass die Innungsbetriebe lediglich die in der Innungsversammlung
beschlossenen Beiträge zu zahlen haben. So ist es gekommen.
85
Das Schreiben der Kreishandwerkerschaft vom 21. Juni 2005 gibt lediglich eine
Rechtsmeinung wieder. Durch die Übersendung dieses Schreibens an ihre Mitglieder
hat die Beklagte nicht mit Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht, zukünftig
keine Sonderbeiträge auf der Grundlage ihrer Satzung, die von der Handwerkskammer
genehmigt worden war, zu erheben. Zu einer solchen Beschränkung der
Selbstverwaltungsrechte der Innungsversammlung wären der Obermeister und der
Geschäftsführer der Beklagten, die das Schreiben vom 23. Juni 2005 unterzeichnet
haben, auch gar nicht befugt gewesen. Die Beschlussfassung über die Höhe der
Innungsbeiträge - und damit auch über den Verzicht auf solche Beiträge – obliegt nach
§ 61 Abs. 2 Nr. 2 HandwO allein der Innungsversammlung.
86
Da es ein schutzwürdiges Vertrauen auf das Ausbleiben von Sonderumlagen nicht gab,
brauchte den Mitgliedern vor dem Innungsbeschluss vom 28. April 2009 auch nicht die
Möglichkeit zum Austritt aus der Innung gegeben werden. Eine "Vorwarnung" der
Mitglieder war schon deshalb entbehrlich, weil spätestens mit dem Spendenaufruf im
September 2008 erkennbar war, dass sich die Innung in einer finanziellen Notlage
befand. Es bestand zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit zum rechtzeitigen Austritt
aus der Innung zum Jahresende 2008 gemäß § 9 der Satzung der Beklagten.
87
Der nach alledem rechtmäßige Beschluss der Innungsversammlung vom 28. April 2009
ist in dem angefochtenen Beitragsbescheid zutreffend umgesetzt worden. Die
Bezugnahme des Bescheides auf einen Beschluss der Innungsversammlung vom 23.
April 2009 ist ein offensichtliches Versehen, welches unschädlich bleibt, weil die mit
dem Bescheid übersandte Anlage den Inhalt des Beschlusses vom 28. April 2009
zutreffend wiedergibt. Die in dem Bescheid bestimmte Zahlungsfrist bis zum 15. Juni
2009, die von dem Innungsbeschluss vom 28. April 2009 insofern abweicht, als dort das
Zahlungsziel 30. Juni 2009 genannt wird, ist durch den im Rechtsmittelverfahren
erfolgten Zeitablauf obsolet. Der Fehler bleibt ohne Folge.
88
Der Umstand, dass einige Mitglieder nach dem Innungsbeschluss vom 28. April 2009
ihren Austritt aus der Innung erklärt haben, befreit diese nicht von der Zahlungspflicht.
Zwar erkennt die Rechtsprechung dem Mitglied eines eingetragenen Vereins, dem eine
in der Satzung nicht vorgesehene Umlagelast aufgebürdet wird, das Recht zu, mit der
Folge aus dem Verein auszutreten, dass die Pflicht zur Zahlung der Umlage entfällt,
89
vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. September 2007 – II ZR 91/06 -, zitiert nach
juris.
90
An den Voraussetzungen dieses außerordentlichen Austrittsrechts fehlt es vorliegend
jedoch. Denn der Beschluss über die Sonderumlage 2009 führt nicht zu einer
unvorhergesehenen Pflichtenmehrung, welche die weitere Mitgliedschaft in der Innung
unzumutbar machte und dem deshalb nur mit einem Austritt aus der Innung begegnet
werden könnte. Mit der Erhebung eines Sonderbeitrages mussten die Mitglieder
rechnen, seitdem ihnen durch die Übersendung von Protokollen der
Innungsversammlungen sowie durch den Spendenaufruf im September 2008 bekannt
geworden war, dass die J in eine finanzielle Notlage geraten war. Die Durchführung der
überbetrieblichen Ausbildung entspricht dem zentralen Interesse der Mitglieder. Der
Erfolg des J belegt dies. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht feststellen, dass die
Erhebung der Sonderumlage 2009 die weitere Mitgliedschaft in der Innung unzumutbar
machte. Dies spricht gegen ein Recht zum fristlosen Austritt. Ob die Rechtsprechung
91
zum Vereinsrecht überhaupt auf die Mit-gliedschaft in einer Handwerksinnung
übertragbar ist, bedarf somit keiner Entscheidung. Es verbleibt bei dem in § 11 der
Satzung der Beklagten niedergelegten Grundsatz, dass ausscheidende Mitglieder zur
Zahlung der Beiträge verpflichtet bleiben, die bis zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens
fällig werden.
Die Klage bleibt nach alledem ohne Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
93