Urteil des VG Düsseldorf vom 17.12.2010

VG Düsseldorf (auf probe, beamtenverhältnis, kläger, land, probe, altersgrenze, wissenschaft und forschung, abweisung der klage, interesse, aufgaben)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 7432/09
Datum:
17.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 7432/09
Schlagworte:
dienstliches Interesse unbillig
Normen:
LBV NW 1995 § 6 abs 1 LBV NW 1995 § 39 abs 1 LBV NW § 84 abs 2
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-tung
oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreck-baren
Betrages abzuwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der
Voll¬streckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages
leis¬tet.
Der am 00.0.1966 geborene Kläger legte am 14. Februar 1997 die Diplomprüfung nach
der Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Architektur ab und - nachdem er am 1.
April 1998 mit der Referendarausbildung begonnen hatte - am 31. Mai 2000 die Große
Staatsprüfung für den Höheren technischen Verwaltungsdienst. Der Kläger ist seit dem
2. April 2001 als Angestellter bei dem beklagten Land tätig. Die Probezeit endete mit
dem 17. Oktober 2001.
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Mit Schreiben vom 11. Mai 2009, eingegangen am selben Tage, beantragte der Kläger,
unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009
seine Übernahme in das Beamtenverhältnis und mit weiterem Schreiben vom 7. Oktober
2009 ein Wideraufgreifen des Verfahrens nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz für
das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Zur Begründung führte er aus: Nach der
erwähnten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts seien die Regelungen zur
Höchstaltersgrenze unwirksam. Da somit eine Höchstaltersgrenze nicht zu
berücksichtigen sei und er alle inhaltlichen Voraussetzungen erfülle, habe er einen
Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Die neu gefasste
Laufbahnverordnung gelte für ihn nicht, weil diese erst nach Antragstellung in Kraft
getreten sei. Davon abgesehen halte die Neufassung einer rechtlichen Prüfung
ebenfalls nicht stand. Darüber hinaus habe er in der Vergangenheit - zu einem
Zeitpunkt, in dem er das Höchstalter noch nicht vollendet gehabt habe - mehrfach seine
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Verbeamtung gefordert. Auch wenn keine ablehnende Entscheidung ergangen sei, sei
zumindest seinem Wiederaufnahmeantrag zu entsprechen.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 lehnte das Ministerium für C des beklagten Landes -
soweit ersichtlich ohne Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten - beide Anträge ab.
Selbst wenn der Kläger, wie er dem Ministerium gegenüber geäußert habe, kurz nach
dem Ende der Probezeit mündlich einen Übernahmeantrag gestellt hätte und dieser von
dem damaligen Behördenleiter - ebenfalls mündlich - abgelehnt worden wäre, lägen die
Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nicht vor. Insbesondere habe sich keine
Änderung der Rechtslage ergeben. Einer Übernahme in das Beamtenverhältnis stehe
entgegen, das der Kläger die maßgebliche Altersgrenze (Vollendung des 40.
Lebensjahres) überschritten habe. Das gelte auch dann, wenn die Altersgrenze um die
Zeit des Wehrdienstes (15 Monate) hinausgeschoben werde. Daran ändere sich nichts
im Hinblick darauf, dass der Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis nach
Ergehen des erwähnten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts und vor dem
Inkrafttreten der Neufassung der Bestimmungen über die Altersgrenze gestellt worden
sei.
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Der Kläger hat am 17. November 2009 Klage erhoben, mit der er ausschließlich sein
Begehren auf Übernahme in das Beamtenverhältnis weiterverfolgt.
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Zur Begründung führt er aus: Ihm könne die in der neu gefassten Laufbahnverordnung
festgelegte Altersgrenze nicht entgegengehalten werden, weil zumindest im Zeitpunkt
der Antragstellung keine Höchstaltersgrenze gegolten habe. Davon abgesehen sei
diese Neufassung ebenfalls verfassungswidrig, weil sie den vom
Bundesverwaltungsgericht gemachten Vorgaben für die konkrete Bestimmung von
Ausnahmetatbeständen nicht entspräche. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass
hier das Vorliegen dieser Ausnahmetatbestände nicht ausreichend geprüft worden sei.
In diesem Zusammenhang hätte unter dem Gesichtspunkt des Behaltens qualifizierter
Fachkräfte berücksichtigt werden müssen, dass er eine hervorragende Qualifikation
vorweisen könne. Es komme darauf an, dass ein erhebliches dienstliches Interesse
daran bestehe, ihn als Fachkraft zu behalten und eine Abwanderung in ein anderes
Bundesland zu verhindern. Dieser Gesichtspunkt sei bei Erlass des angefochtenen
Bescheides nicht bedacht worden, so dass das eingeräumte Ermessen fehlerhaft nicht
ausgeübt worden sei.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch ausgeführt, er werde
ungerechtfertigt benachteiligt gegenüber Personen, die - anders als er selbst - keine
Referendarausbildung gemacht hätten und zunächst zwar ebenfalls im
Angestelltenverhältnis tätig gewesen, später aber in das Beamtenverhältnis
übernommen worden seien, weil sie entsprechend jünger gewesen seien.
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Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land unter Aufhebung seines Bescheides vom
29. Oktober 2009 zu verpflichten, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu
übernehmen,
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hilfsweise, das beklagte Land unter Aufhebung seines Bescheides vom
29. Oktober 2009 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Übernahme in das
9
Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts erneut zu entscheiden,
weiter hilfsweise, für den Fall der Abweisung der Klage die Berufung gegen
das Urteil zuzulassen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft es die Ausführungen in dem angefochtenen
Bescheid. Zudem führt es aus, die entsprechenden Ausnahmetatbestände seien geprüft
worden, die eine Ermessensausübung eröffnenden Tatbestandsvoraussetzungen lägen
aber nicht vor. Insbesondere sei ein aus der Sicherstellung der Erledigung öffentlicher
Aufgaben resultierender Personalbedarf für den Bereich Architektur
(Hochbau/Wohnungsbau) nicht zu verzeichnen. Die Aufgabenerledigung in diesem
Bereich wäre auch im Falle eines Verlustes einer Fachkraft nicht gefährdet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes
verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der Bescheid des Ministeriums für C des beklagten Landes vom 29. Oktober 2009 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dem Kläger steht der geltend gemachte
Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht zu. Er hat aber auch
keinen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut entschieden wird.
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Zwar ist die Ablehnung des Übernahmeantrages mangels Beteiligung der
Gleichstellungsbeauftragten formell rechtswidrig. Bei der Entscheidung über die
Übernahme eines Angestellten in das Beamtenverhältnis auf Probe handelt es sich um
eine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende personelle
Maßnahme nach § 17 Abs. 1 Landesgleichstellungsgesetz (LGG).
18
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa Urteil vom 27.
Juli 2010 6 A 858/07 , juris, Rdn 30.
19
Dieser Verfahrensfehler ist aber gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Nach dieser
Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist,
nicht allein deshalb beansprucht werde, weil er unter Verletzung von Vorschriften über
das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die
Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Voraussetzungen liegen hier
vor. Die Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten begründet keinen absoluten -
die Anwendung des § 46 VwVfG NRW ausschließenden - Verfahrensfehler.
20
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Februar
2010 6 A 1978/07 , DVBl. 2010, 981 .
21
Weiterhin ist offensichtlich, dass die Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten
die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, weil das materielle Recht dem
beklagten Land hier keinen Entscheidungsspielraum eröffnet. Die Entscheidung hätte
auch bei Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragen nicht anders ausfallen dürfen.
22
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa Beschluss vom
20. Oktober 2010 - 6 A 1494/10 -, juris, Rdn. 10 ff.
23
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe nicht zu, weil er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt
der gerichtlichen Entscheidung die laufbahnrechtliche Altersgrenze überschritten hat.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung von Verpflichtungs- und
Bescheidungsbegehren ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten
mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung. Das insoweit
maßgebende materielle Recht bietet hier keine Anhaltspunkte für die Annahme eines
davon abweichenden Beurteilungszeitpunkts. Nach beamtenrechtlichen Grundsätzen
sind ferner statusbegründende Entscheidungen nicht rückwirkend und damit
grundsätzlich nur nach dem jeweils geltenden Recht möglich.
25
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa Beschluss vom 20.
Oktober 2010 6 A 1494/10 -, juris, Rdn. 6.
26
Maßgeblich sind demnach §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 1 Laufbahnverordnung in der seit
dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung (LVO NRW n.F.). Danach darf als
Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1 Buchst. a) LVO NRW n.F. nur derjenige in das
Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt oder übernommen werden, der das 40.
Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
27
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (17. Dezember
2010) diese Altersgrenze aber bereits überschritten. Da die Überschreitung mehr als
vier Jahre beträgt, käme es ihm auch nicht zugute, wenn, wie er geltend macht, die
Altersgrenze im Hinblick die Zeit seines Wehrdienstes (ein Jahr und 92 Tage) nach § 6
Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) LVO NRW n.F. überschritten werden dürfte. Eine
Berücksichtigung der Zeit der Referendarausbildung ist in § 6 Abs. 2 LVO NRW n.F.
nicht vorgesehen.
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Die Neuregelungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar und auch nicht aus
anderen Gründen unwirksam.
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Eine laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze für die Einstellung oder Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe wird weder durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates
vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16)
noch durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - mit dem die Richtlinie in
nationales Recht umgesetzt worden ist -, ausgeschlossen. In Anbetracht der Zielsetzung
des Verordnungsgebers ist die in den §§ 6 Abs. 1, 39 Abs. 1 LVO NRW n.F. festgelegte
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Höchstaltersgrenze von 40 Jahren für die Einstellung oder Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe mit den Vorgaben des § 10 Satz 1 und 2 AGG vereinbar.
Die Höchstaltersgrenze erfährt eine Abmilderung durch die Möglichkeiten, verschiedene
Verzögerungszeiten zu berücksichtigen, die auf den persönlichen Lebensumständen
des jeweiligen Laufbahnbewerbers beruhen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 LVO NRW
n.F.). Über die Ausnahmeregelung des § 84 Abs. 2 LVO NRW n.F. können weitere
Fallgestaltungen Berücksichtigung finden.
Der Verordnungsgeber hat mit den Neuregelungen zur Höchstaltersgrenze den
Vorgaben und Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts,
31
vgl. Urteil vom 19. Februar 2009 - 2 C 18/07 -, BVerwGE 133, 143,
32
hinreichend Rechnung getragen. Er hat die Gemengelage der Fallgestaltungen, die
unter § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW a.F. gefasst worden sind, aufgelöst. Nunmehr
ist die Ableistung einer Dienstpflicht nach Art. 12a Grundgesetz (GG), die das
Bundesverwaltungsgericht als Ausnahmegrund in § 6 Abs. 1 Satz 3 ff. LVO NRW a.F.
vermisst hatte, sowie die Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr in den Katalog
der zwingend zu beachtenden Verzögerungsgründe aufgenommen worden (vgl. § 6
Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) und b) LVO NRW n.F.). Alle weiteren möglichen Ausnahmen
sind jetzt nicht mehr, wie das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf § 84 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 LVO NRW a.F. beanstandet hatte, voraussetzungslos in das Ermessen der
Verwaltung gestellt. § 84 Abs. 2 Satz 1 LVO NRW n.F. sieht zwei Ausnahmefälle mit
benannten Tatbestandsvoraussetzungen vor. § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NRW n.F. eröffnet
die Zulassung einer Ausnahme für einzelne Fälle oder Gruppen von Fällen und knüpft
an ein erhebliches dienstliches Interesse des Dienstherrn an, Bewerber als Fachkräfte
zu gewinnen oder zu behalten. Diese Regelung orientiert sich im Kern an den
Beweggründen, die etwa dem sogenannten Mangelfacherlass des Ministeriums für
Schule, Wissenschaft und Forschung vom 22. Dezember 2000 zu Grunde lagen. § 84
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. enthält daneben eine Härteklausel, die an die
persönliche Situation im Einzelfall anknüpft. Schließlich ist die in § 84 Abs. 1 Satz 2
LVO NRW a.F. für den Fall der Verzögerung des Verwaltungsverfahrens enthaltene
Ausnahmefiktion durch § 6 Abs. 2 Satz 5 LVO NRW n.F. ersetzt und damit - unter
rechtsdogmatischen Aspekten folgerichtig - den besonders benannten Ausnahmefällen
in § 6 LVO NRW n.F. zugeordnet worden.
33
Schließlich hat der Verordnungsgeber rechtsfehlerfrei von Übergangsregelungen
abgesehen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass dem Zeitpunkt der
Antragstellung nur im Rahmen des erwähnten § 6 Abs. 2 Satz 5 LVO NRW n.F.
Bedeutung zukommt.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa Beschluss vom 20.
Oktober 2010 6 A 1494/10 -, juris, Rdn. 18 ff.
35
Somit erfüllt der Kläger nicht die in §§ 6 Abs. 1 und 2, 39 Abs. 1 LVO NRW n.F.
hinsichtlich der Altersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe
festgelegten Voraussetzungen. Die Bewilligung einer Ausnahme gemäß § 84 Abs. 2
LVO NRW n.F. scheidet aber ebenfalls aus.
36
Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW n.F. können Ausnahmen von dem Höchstalter
für die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis zugelassen werden für
37
einzelne Fälle oder Gruppen von Fällen, wenn der Dienstherr ein erhebliches
dienstliches Interesse daran hat, Bewerber als Fachkräfte zu gewinnen oder zu
behalten. Dabei liegt nach § 84 Abs. 2 Satz 2 LVO NRW n.F. ein erhebliches
dienstliches Interesse in diesem Sinne insbesondere vor, wenn die Ausnahmeerteilung
zur Sicherstellung der Erledigung der öffentlichen Aufgabe erforderlich ist.
Die Ausnahme nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LVO NRW n.F. dient - wie sich
aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt - in erster Linie öffentlichen Interessen, so dass
durchaus in Zweifel gezogen werden kann, ob sich der einzelne Beamte, d.h. im
vorliegenden Zusammenhang der Kläger, darauf berufen kann. Das kann das Gericht
jedoch offen lassen, weil das beklagte Land das Vorliegen eines erheblichen
dienstlichen Interesses rechtsfehlerfrei verneint hat.
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Bei dem Erfordernis, dass der Dienstherr ein erhebliches dienstliches Interesse daran
hat, Bewerber als Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten, handelt es sich um einen
unbestimmten Rechtsbegriff, über den der Dienstherr vom Grundsatz her ohne
Beurteilungsspielraum entscheidet. Das Gericht hat demgemäß zunächst einmal in
vollem Umfang nachzuprüfen, ob ein solches erhebliches dienstliches Interesse vorliegt.
Allerdings ist in Fällen vorliegender Art eine Besonderheit zu berücksichtigen, die zur
Folge hat, dass das Gericht die Entscheidung des Dienstherrn in bestimmter Hinsicht
nur eingeschränkt überprüfen kann. In Bezug auf – in beamtenrechtlichen Vorschriften in
unterschiedlicher Ausgestaltung aufgeführte – dienstliche Interessen, die teilweise auch
als dienstliche Belange, dienstliche Bedürfnisse oder dienstliche Gründe bezeichnet
werden, wird dem Dienstherrn regelmäßig ein verwaltungspolitischer und aus dem
Organisationsrecht folgender Gewichtungsspielraum zugestanden. Innerhalb dieses
Gewichtungsspielraums kann er die dienstlichen Aufgaben und Erfordernisse der
Verwaltung nach Art und Umfang in Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele unter
Berücksichtigung finanzieller Ressourcen frei festlegen und mit einer ihm angemessen
erscheinenden Dringlichkeitsstufenfolge unterlegen. Es ist in erster Linie Sache des
Dienstherrn, zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der
Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen und ihre Erfüllung durch
Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern.
39
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 21/03 -, BVerwGE 120,
382; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
10. November 2006 - 1 A 777/05 -, juris, Rdn. 44.
40
Es ist dem Dienstherrn vorbehalten, in Ausübung seines Organisationsrechts
festzulegen, auf welche Art und Weise die persönlichen und sachlichen Mittel
zielführend eingesetzt werden.
41
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 8. August 2008 - 13 K 1480/08 -, juris, Rdn.
21.
42
Der Bedeutungsgehalt des konkret in Rede stehenden unbestimmten Rechtsbegriffs
ergibt sich aus der Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen
Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff
hineingestellt ist.
43
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 23/05 –, DVBl. 2006,
1191.
44
Wird - wie hier - ein erhebliches dienstliches Interesse des Dienstherrn daran gefordert,
Bewerber als Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten, geht es - wie auch an § 84 Abs.
2 Satz 2 LVO NRW n.F. deutlich wird - um eine sachgemäße und möglichst
reibungslose Erfüllung der dienstlichen Aufgaben.
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Dieses vorausgesetzt ist nicht erkennbar, dass im Falle des Klägers hinsichtlich der
Zulassung einer Ausnahme von der Altersgrenze - woran allenfalls zu denken wäre - ein
erhebliches dienstliches Interesse daran besteht, ihn als Fachkraft zu behalten. Das
beklagte Land hat insoweit vorgetragen, ein aus der Sicherstellung der Erledigung
öffentlicher Aufgaben resultierender, anders nicht zu befriedigender Personalbedarf für
den Bereich Architektur (Hochbau/Wohnungsbau), in dem der Kläger seinen
Hochschulabschluss gemacht hat, bestehe nicht. Die Aufgabenerledigung in diesem
Bereich wäre auch im Falle eines Verlustes einer Fachkraft nicht gefährdet. Es ist nicht
erkennbar und wird auch vom Kläger nicht substantiiert dargetan, dass das beklagte
Land mit dieser Einschätzung den Gewichtungsspielraum verlassen hat, der ihm bei der
Festlegung der dienstlichen Aufgaben und der Erfordernisse der Verwaltung,
insbesondere was die Art und Weise des zielführenden Einsatzes der persönlichen
Mittel angeht, zukommt.
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Der Kläger macht in diesem Zusammenhang geltend, dass er eine hervorragende
Qualifikation vorweisen könne. Damit nimmt er dem Sinne nach insbesondere auch auf
die über ihn gefertigte Leistungseinschätzung vom 3. Juni 2009 (betreffend den
Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 28. Februar 2009) des Ministeriums für C des
beklagten Landes Bezug, in der ihm als Gesamteinschätzung 4 Punkte ("übertrifft die
Anforderungen in besonderem Maße") zuerkannt worden sind. Mit dem Vorbringen des
Klägers wird jedoch eine Fehlerhaftigkeit der angesprochenen Einschätzung des
beklagten Landes, dass die Aufgabenerledigung im Falle eines Verlustes einer
Fachkraft, also beispielsweise des Klägers, nicht gefährdet wäre, nicht dargetan. Denn
der Kläger hat nicht etwa behauptet, geschweige denn substantiiert dargetan, dass im
Falle seines Ausscheidens die Erledigung der öffentlichen Aufgaben nicht sichergestellt
sein würde. Auch im Übrigen ist eine Fehlerhaftigkeit der Einschätzung des beklagten
Landes nicht erkennbar.
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Davon abgesehen hat der Kläger nicht zu erkennen gegeben, dass er für den Fall, dass
er nicht in das Beamtenverhältnis übernommen wird, ernsthaft beabsichtigt, das
Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land zu kündigen und zu einem anderen
Arbeitgeber/Dienstherrn zu wechseln. Auch kann bei der Beurteilung der Frage, ob ein
erhebliches dienstliches Interesse daran besteht, ihn als Fachkraft zu behalten, ein
Rolle spielen, ob bei einem zu erwartenden Ausscheiden voraussichtlich ein Ersatz
durch Neueinstellung geschaffen werden kann. Eine solche Neueinstellung dürfte hier
aber angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt ohne weiteres zeitnah möglich sein.
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Somit scheidet die Bewilligung einer Ausnahme gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und
Satz 2 LVO NRW n.F. aus. Das Gleiche gilt für die Bewilligung einer Ausnahme gemäß
§ 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F.
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Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. können Ausnahmen von dem Höchstalter
für die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis zugelassen werden für
einzelne Fälle, wenn sich nachweislich der berufliche Werdegang aus von dem
Bewerber nicht zu vertretenden Gründen in einem Maß verzögert hat, das die
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Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe.
Dies ist etwa der Fall, wenn ein Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf
Probe rechtswidrig unter Hinweis auf die - von Anfang an unwirksame -
Höchstaltersgrenze alten Rechts abgelehnt wurde, der Bewerber hiergegen
Rechtsmittel eingelegt hat und zwischenzeitlich die neue Höchstaltersgrenze
überschritten ist. Ein solcher Geschehensablauf, bei dem sich der berufliche Werdegang
des Bewerbers durch die behördliche Behandlung seines Verbeamtungsantrags
verzögert hat, ließe im Sinne von § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. die
Anwendung der Altersgrenze unbillig erscheinen.
51
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa Urteil vom 27.
Juli 2010 6 A 858/07 , juris, Rdn. 65 ff.
52
Das ist beim Kläger jedoch nicht so. Sein am 11. Mai 2009, also in der Übergangszeit
zwischen den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 - 2 C
18.07 u.a. - und dem Inkrafttreten der Neuregelungen zur Höchstaltersgrenze am 18. Juli
2009, gestellter Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe wurde nicht
- mit der Folge einer Verzögerung seines beruflichen Werdegangs im Sinne des § 84
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. - rechtswidrig unter Berufung auf die LVO NRW a.F.
abgelehnt. Der streitgegenständliche Bescheid vom 29. Oktober 2009 stützt sich
vielmehr auf die Neuregelungen, deren zeitnahes Inkrafttreten das beklagte Land, das
am laufbahnrechtlichen Institut einer Höchstaltersgrenze festhalten wollte, hier auch
abwarten durfte. Vor diesem Hintergrund lässt allein der Umstand, dass zur Zeit der
Antragstellung keine Höchstaltersgrenze bestand, die Anwendung der neuen
Altersgrenze nicht unbillig i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. erscheinen.
53
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 20.
Oktober 2010 6 A 1494/10 -, juris, Rdn. 34, und vom 26. Oktober 2010 - 6 A 1690/10 -,
juris, Rdn. 47.
54
Andere Umstände, die die Anwendung der neuen Altersgrenze unbillig i.S.v. § 84 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 LVO NRW n.F. erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Der
Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er werde ungerechtfertigt
benachteiligt gegenüber Personen, die - anders als er selbst - keine
Referendarausbildung gemacht hätten und zunächst zwar ebenfalls im
Angestelltenverhältnis tätig gewesen seien, später aber - weil entsprechend jünger - in
das Beamtenverhältnis übernommen worden seien. Damit hat er jedoch keine
Unbilligkeit in dem genannten Sinne dargetan. Soweit ersichtlich war es bei dem
Beginn seiner Referendarausbildung und auch bei seinem Eintritt in das
Angestelltenverhältnis bei dem beklagten Land gänzlich offen, ob er zu einem späteren
Zeitpunkt in das Beamtenverhältnis übernommen werden würde und wie es sich bei
dem von ihm angesprochenen Personenkreis ohne Referendarausbildung verhalten
würde. Sollte der Kläger demgegenüber angenommen haben, dass er - im Hinblick auf
die von ihm abgelegte Große Staatsprüfung für den Höheren technischen
Verwaltungsdienst - vorrangig in das Beamtenverhältnis übernommen werden würde,
hätte es dafür keine belastbare Grundlage gegeben. Dass sich diese nicht gesicherte
Erwartung letztlich als nicht zutreffend herausgestellt hat, lässt im vorliegenden
Zusammenhang demnach die Anwendung der neuen Altersgrenze nicht unbillig
erscheinen.
55
Steht dem Kläger nach alledem der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe nicht zu, hat er aber auch keinen Anspruch darauf, dass
über seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden wird. Denn dem
beklagten Land war keine Ermessensentscheidung über die Bewilligung einer
Ausnahme vom Höchstalter eingeräumt, weil - wie ausgeführt - die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 LVO NRW n.F. nicht vorliegen.
Diese gesetzlichen Vorschriften eröffnen dem beklagten Land somit hier keinen
Entscheidungsspielraum, so dass die Entscheidung auch bei Beteiligung der
Gleichstellungsbeauftragen nicht anders hätte ausfallen dürfen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung.
58
Von einer Zulassung der Berufung hat das Gericht abgesehen, weil die
Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4
VwGO.
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