Urteil des VG Darmstadt vom 04.08.2010

VG Darmstadt: vorläufiger rechtsschutz, verhältniswahl, fraktion, magistrat, hessen, gemeinde, bayern, hauptsache, wahlvorschlag, amtszeit

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Gericht:
VG Darmstadt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 L 867/10.DA
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 37a Abs 1 LKreisO HE, § 41
Abs 1 LKreisO HE, Art 20 Abs 1
GG, § 55 GemO HE, § 61 Abs 2
S 1 GemO HE
Anwendbarkeit des Spiegelbildlichkeitsprinzips bei der
Besetzung von Kreisausschüssen
Leitsatz
Die Hessische Landkreisordnung räumt den im Kreistag vertretenen Fraktionen keinen
Anspruch auf die Besetzung der Stelle eines ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten durch
ein Fraktionsmitglied und deren Bestand während einer Wahlzeit ein. Ein solcher
Anspruch folgt auch nicht aus dem Spiegelbildlichkeitsprinzip.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung,
dass ihr ein Sitz im Kreisausschuss des Landkreises D. zusteht.
Die Antragstellerin ist eine im Kreistag vertretene Fraktion mit drei von insgesamt
71 Mandaten. Gemäß der Hauptsatzung für den Landkreis D besteht der
Kreisausschuss aus der Landrätin oder dem Landrat, der oder dem
hauptamtlichen Ersten Beigeordneten, einem oder einer weiteren hauptamtlichen
Kreisbeigeordneten sowie aus elf ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten. Bei der Wahl
der ehrenamtlichen Kreisabgeordneten am 15.05.2006 entfielen auf den
Wahlvorschlag der Antragstellerin drei Stimmen (ein Sitz). Der Beigeladene wurde
entsprechend des Vorschlags der Antragstellerin vom 04.05.2006 vom Kreistag
zum ehrenamtlichen Beigeordneten des Landkreises D. gewählt. Er hat am
03.07.2006 eine Urkunde über die Ernennung zum ehrenamtlichen
Kreisbeigeordneten unter Berufung in das Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter
bis zum Ende der Wahlzeit des am 26.03.2006 gewählten Kreistags erhalten und
vor dem Vorsitzenden des Antragsgegners den Diensteid abgelegt.
Am 25.02.2010 erklärte der Beigeladene seinen sofortigen Austritt aus dem
Kreisverband der X und schloss sich später der S an. Der Beigeladene schied zum
15.04.2010 bei den X und den damit verbundenen Ämtern aus. Am 19.04.2010
teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass die Unterzeichner des
Wahlvorschlages der Antragstellerin vom 04.05.2006 diesen mit der Folge
änderten, dass der Beigeladene gestrichen werde und an dessen Stelle dessen
Nachrücker trete. Der Vorsitzende des Antragsgegners teilte der Antragstellerin
mit Schreiben vom 05.05.2010 mit, dass der Beigeladene aufgrund der am
15.05.2006 durchgeführten Wahlhandlung Mitglied des Kreisausschusses
geworden sei und ein gesetzlich vorgesehener Grund für ein Ausscheiden des
Beigeladenen aus dem Kreisausschuss nicht vorliege. Das
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Beigeladenen aus dem Kreisausschuss nicht vorliege. Das
Spiegelbildlichkeitsprinzip für die Gremienbesetzung im Kreistag gelte nicht für den
Kreisausschuss als dem ausführenden Verwaltungsorgan.
Die Antragstellerin hat am 02.07.2010 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht
und am gleichen Tag Klage erhoben.
Die Antragstellerin begehrt eine Repräsentation im Kreisausschuss entsprechend
der im Kreistag auf sie entfallenden Sitze. Sie ist der Auffassung, dass ein
Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch für dieses Begehren bestünden.
Der Anordnungsgrund sei in der besonderen Eilbedürftigkeit zu sehen, da die
Wahlperiode am 31.03.2011 ende. Zudem folge ein solcher daraus, dass die
Antragstellerin entsprechend ihrer im Kreistag erlangten Sitze wieder im
Kreisausschuss repräsentiert sein müsse.
Ein Anordnungsanspruch sei gegeben, da die fehlende Repräsentation der
Antragstellerin gemäß ihrer im Kreistag erlangten Mandate im Kreisausschuss
offensichtlich rechtswidrig sei. Dies ergebe sich aus den §§ 37a Abs. 1 HKO, 55
Abs. 3 HGO in Verbindung mit dem Spiegelbildlichkeitsprinzip. Das
Bundesverfassungsgericht halte es für verfassungsrechtlich korrekt, ein
Kollegialorgan wie den Magistrat entsprechend der Stärke der politischen
Gruppierungen in der Gemeinde zu besetzen. Dem entspreche es aus Sicht des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofes, dass der ehrenamtliche Magistrat in
Hessen ebenfalls gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 HGO nach den Grundsätzen der
Verhältniswahl besetzt werde. Unter Anwendung des Spiegelbildlichkeitsprinzips
auf die Wahl ehrenamtlicher Magistratsmitglieder bestehe ein Anspruch, im
Kreisausschuss mit einem Sitz entsprechend ihrer Repräsentation im Kreistag
vertreten zu sein. Für ihre Sichtweise sprächen auch ausdrückliche Regelungen in
der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern und in der Thüringer Gemeinde-
und Landkreisordnung über den Verlust des Sitzes im Kreisausschuss, wenn das
Mitglied aus der von ihm vertretenen Partei ausscheide. Diese Regelungen seien
Ausfluss des Spiegelbildlichkeitsprinzips.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass der Antragstellerin während der verbleibenden Wahlzeit des
Antragsgegners ein Sitz im Kreisausschuss des Landkreises D. zusteht.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner trägt vor, dass die Amtszeit des Beigeladenen gemäß § 37a
Abs. 2 Satz 2 HKO mit Ablauf der Wahlzeit des am 26.03.2006 gewählten
Kreistages, also am 31.03.2011 ende. Diese Amtszeit habe nicht vorzeitig
geendet. Ein Verzicht gemäß § 33 KWG in Verbindung mit § 37a Abs. 1 Satz 2 HKO
und § 55 Abs. 4 Satz 1 HGO sei durch den Beigeladenen nicht erklärt worden. Auch
für ein vorzeitiges Ausscheiden gemäß § 37a Abs. 2 Satz 3 HKO seien keine
Gründe ersichtlich. Die Notwendigkeit einer Feststellung des noch nicht berufenen
Bewerbers gemäß § 34 Abs. 1 KWG sei nicht gegeben, da der Beigeladene sein
Mandat im Kreisausschuss des Landkreises D. auch nicht durch den
Fraktionswechsel verloren habe.
Die von der Antragstellerin angesprochene Spiegelbildlichkeit sei nur für die
Bildung und Besetzung von Kreistagausschüssen heranzuziehen. Auch das
Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass der Grundsatz der
Spiegelbildlichkeit nicht bei ehrenamtlichen Mitgliedern des Magistrats zur
Anwendung komme. Es handele sich bei dem Gemeindevorstand um ein
Verwaltungsorgan, das gegenüber der Gemeindevertretung eigenständig sei. Die
Mitglieder des Magistrats würden weder aus der Gemeindevertretung gewählt noch
dieser Vertretung angehören. Auch die Chancengleichheit der Fraktionen, die
Wahlrechtsgleichheit und das Demokratieprinzip seien nicht verletzt. Diese
Argumentation des BVerwG sei entsprechend auch für den Kreisausschuss gültig.
Die von der Antragstellerin herangezogenen Regelungen der Thüringer Gemeinde-
und Landkreisordnung würden in Hessen keine Gültigkeit entfalten. Auch eine
entsprechende Anwendung käme nicht in Betracht, da die Spiegelbildlichkeit bei
der Besetzung der Kreistagausschüsse auf die Besetzung des Kreisausschusses
keine Auswirkung entfalte. Die in der Hauptsatzung des Landkreises D.
vorgesehenen elf ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten seien am 15.05.2006
entsprechend den Wahlvorschlägen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl
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entsprechend den Wahlvorschlägen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl
gewählt und besetzt worden. Raum für Nachrücker bestehe nicht.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag und hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.
In der Hauptsache ist eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
Zwischen den Beteiligten besteht ein im Organstreit feststellungsfähiges
Rechtsverhältnis. Das Ausscheiden eines Mitglieds aus dem Kreisausschuss und
das Eintreten eines neuen Mitglieds in den Kreisausschuss wären von der
Antragsgegnerin festzustellen. Die für die Feststellungsklage erforderliche
Klagebefugnis im Sinne des entsprechend heranzuziehenden § 42 Abs. 2 VwGO
liegt vor. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Mitglied der
Antragstellerin durch den Fraktionsaustritt des Beigeladenen als
Kreisbeigeordneter für die noch bis zum 31.03.2011 laufende Wahlzeit zu
berücksichtigen wäre.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands gemäß §
123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht treffen, um wesentliche Nachteile für die
Antragstellerin abzuwenden. Voraussetzung dafür ist, dass die Antragstellerin
einen Anordnungsanspruch, d.h. einen materiellen Anspruch, für den vorläufiger
Rechtsschutz begehrt wird, und einen Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit
der Sache, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ein Anordnungsanspruch
besteht.
Dazu wäre Voraussetzung, dass der Antragstellerin durch die Wahl der
ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten am 15.05.2006 ein Sitz im Kreisausschuss des
Landkreises D. zustand und dieser durch den Beigeladenen besetzte Sitz durch
dessen Fraktionswechsel auch wieder frei geworden ist.
Die HKO räumt den im Kreistag vertretenen Fraktionen keinen Anspruch auf die
Besetzung der Stelle eines ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten durch ein
Fraktionsmitglied des Kreistages und deren Bestand während einer Wahlzeit ein.
Die Kammer hat bereits mit Urteil vom 31.07.2008 (– 3 E 178/07 – juris)
entschieden, dass die Besetzung des ehrenamtlichen Magistrats das
Stärkeverhältnis der Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung nicht
widerspiegeln muss. Für die Besetzung des Kreisausschusses eines Landkreises
gilt nichts anderes. Die von der Antragstellerin dagegen vorgebrachten Argumente
überzeugen die Kammer nicht.
Die HKO bestimmt in § 37a Abs. 1 Satz 1, dass die Kreisbeigeordneten vom
Kreistag gewählt werden. Für die Wahl gelten gemäß § 37a Abs.1 Satz 2 HKO die
Bestimmungen des § 55 HGO entsprechend. Die ehrenamtlichen
Kreisbeigeordneten werden für die Dauer der Wahlzeit des Kreistages gewählt (§
37 Abs. 2 Satz 2 HKO) und sie scheiden vorzeitig aus, wenn sie zur Erfüllung ihrer
Dienstpflichten dauernd unfähig werden; dies stellt der Kreistag fest (§ 37 Abs. 2
Satz 3 HKO).
Die HKO enthält keine Regelung, aus der sich ergibt, dass im Falle des
Ausscheidens eines Mitglieds des Kreisausschusses aus einer im Kreistag
vertretenen Partei ein anderes Mitglied dieser Partei in den Kreisausschuss
nachrückt. Für Ausschüsse des Kreistages ist in § 33 Abs. 2 HKO in Verbindung mit
§ 62 Abs. 2 Sätze 2 und 4 HGO bei Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses
vorgesehen, dass sich die Ausschüsse nach den Stärkeverhältnissen der
Fraktionen zusammensetzen und die von einer Fraktion benannten
Ausschussmitglieder von dieser abberufen werden können. Eine entsprechende
Regelung fehlt in den §§ 37a Abs. 1 Satz 2 HKO, 55 HGO für die Besetzung des
Kreisausschusses.
Aus den §§ 37a Abs. 1 Satz 2 HKO, 55 Abs. 1 HGO folgt lediglich, dass die
Besetzung der ehrenamtlichen Stellen im Kreisausschuss nach den Grundsätzen
der Verhältniswahl vorzunehmen ist. Nicht bestimmt ist jedoch, ob und wie sich
das Stärkeverhältnis im Kreistag in den ehrenamtlich zu besetzenden Plätzen im
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das Stärkeverhältnis im Kreistag in den ehrenamtlich zu besetzenden Plätzen im
Kreisausschuss widerspiegeln muss oder inwieweit die nach den Grundsätzen der
Verhältniswahl verteilten Plätze dauerhaft an die Parteiangehörigkeit gebunden
sind.
Nach den §§ 37a Abs. 1 HKO, 55 Abs. 3 HGO ist es zwar unter anderem notwendig,
dass aufgrund von Wahlvorschlägen aus der Mitte des Kreistages gewählt wird. Aus
dem Willen des Gesetzgebers folgt aber nicht, dass der Bestand der ehrenamtlich
besetzten Stellen des Kreisausschusses an die Fraktionszugehörigkeit der
Kreisbeigeordneten geknüpft ist. Etwas anderes kann auch nicht für die Wahl der
ehrenamtlichen Beigeordneten im Kreisausschuss gelten.
Dadurch, dass eine mit § 33 Abs. 2 HKO i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1 HGO
vergleichbare Norm für die Besetzung des Kreisausschusses fehlt, hat sich der
Landesgesetzgeber bewusst dafür entschieden, den Kreisausschuss nicht
zwingend nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen im Kreistag
zusammenzusetzen.
Es verstößt auch nicht gegen das Demokratieprinzip und das daraus folgende
Spiegelbildlichkeitsprinzip, wenn bei regelmäßiger – aber nicht gesetzlich
zwangsläufig vorgesehener – entsprechender Besetzung des Kreisausschusses
nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen im Kreistag sich an diesem Verhältnis z.
B. im Falle eines Parteiwechsels etwas ändert und das ursprüngliche
Stärkeverhältnis für die restliche Dauer der Wahlzeit nicht wieder hergestellt wird.
Von Verfassungs wegen wird keine dem Begehren der Antragstellerin
entsprechende Repräsentanz im Kreisausschuss gefordert. Zwar ergibt sich aus
Art. 28 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG, dass der Kreistag durch die
Gesamtheit aller Mitglieder die Bürger eines Landkreises repräsentiert.
Entsprechendes hat das BVerwG auf Gemeindeebene in seinem Urteil vom
10.12.2003 (– 8 C 18.03 – BVerwGE 119, 305 ff.) unter Verweis auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt. Diese Grundsätze zur
Anwendung des Demokratieprinzips und des daraus folgenden
Spiegelbildlichkeitsprinzips für die Repräsentation in Ausschüssen der
Gemeindevertretung sind aufgrund der verfassungsrechtlichen Regelung des Art.
28 GG auch für Ausschüsse des Kreistages gültig.
Eine entsprechende Übertragung dieses Repräsentationsgedankens auch auf die
Kreisbeigeordneten des Kreisausschusses fordert das Demokratieprinzip aber
gerade nicht.
Dagegen spricht die Funktion des Kreisausschusses. Dessen Mitglieder bilden die
Verwaltungsbehörde des Kreises (§ 41 Satz 1 HKO) und dürfen dem Kreistag nicht
angehören (§ 37 Abs. 2 HGO). Im Gegensatz dazu werden die Beschlüsse des
Kreistages in den Ausschüssen des Kreistages vorbereitet (§ 33 Abs. 1 Satz 1
HKO), wobei bestimmte Angelegenheiten den Ausschüssen sogar zur endgültigen
Beschlussfassung übertragen werden können (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 3 HKO). Die
Ausschüsse wirken dadurch maßgeblich an der politischen Meinungsbildung auf
Kreisebene mit. Deshalb ist es notwendig, dass eine Repräsentation des Willens
der Bürger des Kreises sichergestellt ist und das Spiegelbildlichkeitsprinzip gewahrt
wird.
Dies lässt sich aber auf den Kreisausschuss als Verwaltungsbehörde des
Landkreises nicht übertragen. Nach § 8 Satz 2 HKO besorgt er die laufende
Verwaltung des Landkreises. Zudem dürfen, wie oben bereits erwähnt, Mitglieder
des Kreisausschusses nicht gleichzeitig Kreistagsabgeordnete sein. Hieraus wird
deutlich, dass der Kreisausschuss, anders als dies bei Ausschüssen des Kreistags
im Verhältnis zum Kreistag der Fall ist, ein eigenständiges Organ des Landkreises
ist (vgl. auf Gemeindeebene: BVerwG, Urt. v. 28.04.2010 – Az. 8 C 18.08 –).
Eine spiegelbildliche Repräsentation der politischen Kräfte im Kreisausschuss wäre
faktisch auch schwer umsetzbar. Da die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder des
Kreisausschusses zwangsläufig begrenzt ist, ist – jedenfalls wenn viele kleine
Fraktionen im Kreistag bestehen – eine Repräsentation jeder Fraktion schwierig.
Gegen eine Übertragung des Spiegelbildlichkeitsprinzips auf die Besetzung des
Kreisausschusses spricht auch die Stellung von ehrenamtlichen
Kreisbeigeordneten. Bei diesen handelt es sich um sog. (Ehren-)Beamte auf Zeit,
die ihre Aufgaben unparteiisch (vgl. §§ 186 Abs. 1, 67 Abs. 1 HBG) und damit auch
neutral gegenüber dem Kreistag und dessen Fraktionen zu erfüllen haben. Dieses
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neutral gegenüber dem Kreistag und dessen Fraktionen zu erfüllen haben. Dieses
freie Mandat steht einer Koppelung von Fraktions- oder Parteizugehörigkeit
entgegen. Demnach lassen sowohl der Austritt als auch der Ausschluss aus einer
Partei den Bestand eines solchen Mandats unberührt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Antragstellerin angeführten
Urteilen. Die zitierte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom
06.05.2008 (– 8 UE 876/07 – HSGZ 2008, 435) befasst sich mit der Ungültigkeit
der Wahl ehrenamtlicher Stadträte wegen gemeinsamer Wahlvorschläge von
Parteien oder Fraktionen. Das Gericht erwägt zwar die Anwendung eines
„modifizierten Spiegelbildlichkeitsprinzips“ auf den ehrenamtlichen Teil des
Magistrats von Städten, stellt aber auch klar, dass es für seine Entscheidung nicht
auf die Übertragbarkeit des für Ausschusswahlen heranzuziehenden
Spiegelbildlichkeitsprinzips auf die Wahl ehrenamtlicher Mitglieder des Magistrats
ankommt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat somit nicht entschieden,
dass bei der Besetzung des Kreisausschusses das Spielbildlichkeitsprinzip zur
Anwendung kommt.
Auch aus dem von der Antragstellerin angeführten Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 10.12.1974 (–2 BvK 1/73 – BVerfGE 38, 258) lässt
sich nicht ableiten, dass das Spiegelbildlichkeitsprinzip auf die Besetzung des
Kreisausschusses zu übertragen ist. Das Gericht führt zwar aus, dass es keinen
Verfassungssatz gibt, der es ausschließt, ein Kollegialorgan – Magistrat –
entsprechend oder annähernd der Stärke der politischen Gemeindevertretung zu
besetzen und dass danach die Bestellung der hauptamtlichen
Magistratsmitglieder im Wege einer Verhältniswahl verfassungsrechtlich
unbedenklich ist. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass es einen
Anspruch einer Fraktion auf Besetzung des Magistrats entsprechend ihrer
politischen Stärke in der Gemeindevertretung gibt. Vielmehr sind die
Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts dahin zu verstehen, dass eine
Verhältniswahl zur Besetzung des Magistrat verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden ist und dass in der Regel das Ergebnis einer solchen Wahl die Stärke
der Fraktionen in der Gemeindevertretung widerspiegelt, dies aber nicht
zwangsläufig der Fall sein muss.
Auch die von der Antragstellerin angeführten Regelungen aus anderen
Bundesländern ändern nichts an der fehlenden Übertragbarkeit des
Spiegelbildlichkeitsprinzips auf Kreisausschüsse in Hessen. Zwar bestimmen die
Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung –
ThürKO) in den §§ 105 Abs. 2, 27 Abs. 3 und die Landkreisordnung für den
Freistaat Bayern (Bay. LKrO) in Art. 27 Abs. 3 Sätze 1 und 2 nahezu gleichlautend,
dass während der Wahlzeit im Kreistag eintretende Änderungen der
Stärkeverhältnisse der Parteien und Wählergruppen auszugleichen sind und dass
ein Mitglied, wenn es aus der von ihm vertretenen Partei oder Wählergruppe
ausscheidet, seinen Sitz im Kreisausschuss verliert. Mit diesen Regelungen wird
das Spiegelbildlichkeitsprinzip umgesetzt. Daraus lässt sich aber nicht der Schluss
ziehen, dass das Spiegelbildlichkeitsprinzip auf die Besetzung des
Kreisausschusses hessischer Landkreise zu übertragen ist. Die Kreisausschüsse
thüringischer und bayerischen Landkreise besorgen nämlich nicht – wie hessische
Kreisausschüsse – die laufende Verwaltung des Landkreises. In Thüringen ist ein
Kreisausschuss zu bilden, der aus dem Landrat und bis zu sechs weiteren
Mitgliedern besteht und unter anderem mit der Vorbereitung der Sitzungen des
Kreistages zu beauftragen ist; der Kreistag kann weitere beratende und
beschließende Ausschüsse bilden (§ 105 ThürKO). Der Kreisausschuss in Thüringen
ist somit ein zwingend bestehender Ausschuss des Kreistages. In Bayern ist der
Kreisausschuss ein vom Kreistag bestellter ständiger Ausschuss, der die
Verhandlungen des Kreistages vorbereitet und an seiner Stelle die vom Kreistag
übertragenen Angelegenheiten erledigt (Art. 26 Satz 1 und 2 Bay. LKrO). Auch in
Bayern ist der Kreisschuss daher ein Organ des Kreistags.
Schließlich kann auch unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes dem
Begehren der Antragstellerin nicht entsprochen werden. Der Minderheitenschutz
verlangt nur, dass der Wahlvorschlag der Antragstellerin im Jahre 2006
berücksichtigt werden musste (vgl. für die Gemeindeebene: VG Gießen, Urt. v.
21.09.2007 – Az. 8 E 1887/06 – HSGZ 2008, 279). Die Antragstellerin konnte mit
den von ihr erstellten Wahlvorschlägen lediglich frei entscheiden, wem und in
welcher Reihenfolge sie die nach erfolgter Verhältniswahl von ihr zu besetzenden
Sitze zuteilt. Da auf den Wahlvorschlag der Antragstellerin die entsprechende
Anzahl von Stimmen für einen Sitz im Kreisausschuss entfielen und dieser Sitz
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Anzahl von Stimmen für einen Sitz im Kreisausschuss entfielen und dieser Sitz
ordnungsgemäß durch den Beigeladenen besetzt worden war, wurde dem
Minderheitenschutz Genüge getan. Weil es sich bei den ehrenamtlichen
Beigeordneten des Kreisausschusses – wie bereits festgestellt – um keine
Repräsentanten der Bürgerschaft des Landkreises handelt, ist die Besetzung und
der Bestand ihrer Sitze auch nicht von deren Parteizugehörigkeit abhängig. Dies
bestätigt auch die Regelung der §§ 39 Abs. 1, 23 HKO, wonach als ehrenamtlicher
Kreisbeigeordneter grundsätzlich jeder Wahlberechtigte mit Wohnsitz im Landkreis
wählbar ist, ohne dass es auf dessen Parteizugehörigkeit ankommt.
Der Beigeladene hat im Übrigen auch seinen Sitz im Kreisausschuss des
Landkreises D. durch seinen Parteiwechsel nicht verloren. Über den in § 37a Abs. 2
Satz 3 HKO geregelten Verlust der Mitgliedschaft im Kreisausschuss bei dauernder
Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten hinaus sind die Ausscheidensgründe
für Mitglieder des Kreisausschusses im Hessischen Kommunalwahlgesetz (KWG)
geregelt, das über die Verweisungen der § 37a Abs. 1 Satz 2 HKO und des § 55
Abs. 4 HGO Anwendung findet. Nach § 33 Abs. 1 KWG verliert ein Vertreter seinen
Sitz durch Verzicht, durch Verlust der Wählbarkeit oder der Fähigkeit zur
Bekleidung öffentlicher Ämter sowie aufgrund einer Entscheidung im
Wahlprüfungsverfahren. Der Beigeladene ist nach keinem der dort genannten
Gründe aus seinem Amt ausgeschieden. Die Antragstellerin hat somit keinen
Anspruch darauf, dass der nächste Nachrücker aus ihrer am 04.05.2006
aufgestellten Vorschlagsliste nachrückt. Es besteht auch keine Berechtigung einer
Fraktion des Kreistages, die Vorschlagsliste nach der Durchführung der Wahl
nachträglich – mit Wirkung für die bereits durchgeführte Wahl – zu verändern.
Die Antragstellerin hat die Kosten der Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist
(§ 154 Abs. 1 VwGO). Es entsprach nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da der Beigeladene
keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist (§§
162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.
Mangels anderer Anhaltspunkte für die Bedeutung einer Repräsentation im
Kreisausschuss bewertet die Kammer das Interesse der Antragstellerin mit dem
Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5 000 Euro. Eine Herabsetzung
dieses Wertes wegen des Vorliegens eines Eilverfahrens wurde nicht
vorgenommen, da die Amtszeit der ehrenamtlichen Mitglieder des
Kreisausschusses am 31.03.2011 endet, das Ergehen einer endgültigen
Entscheidung in der Hauptsache bis dahin unwahrscheinlich ist und ein Erfolg des
Antrags somit zur Vorwegnahme der Hauptsache geführt hätte.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.