Urteil des VG Cottbus vom 15.03.2017

VG Cottbus: aufschiebende wirkung, satzung, vollziehung, härte, rücknahme, entsorgung, abwasser, gebühr, erkenntnis, widerruf

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Gericht:
VG Cottbus 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 L 365/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 130 AO, § 164 AO, § 169 AO, §
172ff AO, § 6 Abs 1 S 1 KAG BB
Nacherhebung von Abwassergebühren
Leitsatz
1. Aus der Verpflichtung zur Gebührenerhebung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG ergibt sich
zugleich die Verpflichtung zur Gebührennacherhebung, wenn sich der aus der Satzung
ergebende Gebührenrahmen durch den bereits erlassenen Gebührenbescheid nicht voll
ausgeschöpft wurde.
2. Ebenso wie es im Rahmen der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung grundsätzlich
unzulässig ist, auf die nach den einschlägigen satzungsrechtlichen Vorschriften zu
erhebenden Gebühren auch nur teilweise zu verzichten ist es nicht angängig, derartige
Gebühren bewusst zu niedrig zu erheben oder nach Erkenntnis bisher (unbewusst) zu
niedriger Erhebung eine objektiv mögliche und erfolgversprechende Nacherhebung zu
unterlassen.
3. Die jeweils frühere Festsetzung steht der nachträglichen Festsetzung grundsätzlich nicht
entgegen. Mit der Nacherhebung schöpft der Abgabengläubiger nur aus, was ihm von Rechts
wegen zusteht. Dieser Befund wird zum Einen dadurch bestätigt, dass § 12 Abs. 1 KAG
gerade nicht auf §§ 172 ff. AO verweist, nach denen die Aufhebung und/oder Änderung von
Abgabenbescheiden nur eingeschränkt möglich ist, so dass es mit dem Abgabenbescheid,
der die Abgabe noch nicht voll erfasst hat, auch im Falle seiner Bestandskraft gerade nicht
sein Bewenden haben soll. Auch ist in § 12 Abs. 1 KAG die Vorschrift des § 164 AO über die
Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht übernommen worden. Die
Nichtübernahme beider Gruppen von Vorschriften ergänzt sich gegenseitig zu der
gesetzgeberischen Absicht, die Nacherhebung unbeschränkt zuzulassen. Denn unter dieser
Voraussetzung erübrigt sich eine Festsetzung unter Vorbehalt, wie umgekehrt bekräftigt wird,
dass die Möglichkeit der Nacherhebung nicht von einem Vorbehalt der Nachprüfung abhängig
sein soll. Aus den über § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG anwendbaren §§ 130, 131 AO, soweit sie
die Rücknahme (bzw. den Widerruf) von begünstigenden Verwaltungsakten einschränken,
ergeben sich regelmäßig keine Einschränkungen für die Nacherhebung. Eine Einschränkung
der Nachforderungsmöglichkeit folgt grundsätzlich insbesondere nicht aus § 130 Abs. 2 AO,
da die Nacherhebung allein nach § 130 Abs. 1 AO zu beurteilen ist, der die Zurücknahme
eines belastenden Abgabenbescheides ohne besondere Beschränkungen zulässt.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 361,88 Euro festgesetzt.
Gründe
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte und
mit Blick auf die Anforderungen des § 80 Abs. 6 VwGO auch sonst zulässige
(sinngemäße) Antrag,
die aufschiebende Wirkung der am 10. Dezember 2008 erhobenen Klage (Az.: 6
K 1038/08) gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 3. November 2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2008 anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO entfällt bei der Anforderung vom öffentlichen
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Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO entfällt bei der Anforderung vom öffentlichen
Abgaben und Kosten die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage.
Diese kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO in entsprechender Anwendung
des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Abgabenerhebung unterliegt weder
ernstlichen Zweifeln noch kann dem Vorbringen der Antragsteller entnommen werden,
dass die Vollziehung des angefochtenen Fäkaliengebührenbescheides für sie eine
unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte, § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (analog).
Ernstliche Zweifel i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (analog) an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Abgabenbescheides bestehen erst und nur dann, wenn der Erfolg des
Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, wobei die
Rechtmäßigkeit in einem im Vergleich zum Hauptsacheverfahren lediglich beschränkten
Umfang zu prüfen ist. Regelmäßig ist von der Gültigkeit der der Abgabenerhebung
zugrunde liegenden Satzungsvorschriften auszugehen, es sei denn, diese sind
offensichtlich nichtig. Das Gericht hat sich auf die (summarische) Kontrolle der äußeren
Gültigkeit der Normen und sich ersichtlich aufdrängender materieller Satzungsfehler
sowie auf die Prüfung substantiierter Einwände des Antragstellers gegen das
Satzungsrecht und die sonstigen Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu
beschränken, wobei die Prüfung der Einwendungen des Antragstellers dort ihre Grenze
findet, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht (vgl. nur
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. September 2005 – 9 S 33.05 – , S. 3 des
EA).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Erfolg der Klage bei summarischer Prüfung
nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Veranlagung der Antragsteller zu einer
Fäkalienentsorgungsgebühr durch Bescheid vom 3. November 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. November 2008 weist bei der im vorliegenden
Verfahren allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung keine erkennbaren
formellen oder materiellen Fehler auf, die eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung
rechtfertigen könnten.
Der Gebührenbescheid findet unter Zugrundelegung des im Verfahren nach § 80 Abs. 5
Satz 1, 1. Alt. VwGO maßgeblichen, oben dargelegten Prüfungsmaßstabes des § 80 Abs.
4 Satz 3 VwGO (analog) in der rückwirkend zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen
Satzung über die Entsorgung von abflusslosen Gruben des – Fäkaliensatzung des GWAZ
– vom 12. April 2006 (im Folgenden: Fäkaliensatzung FS 2006) eine i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz
2 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) hinreichende Rechtsgrundlage. Hier sind weder
formelle oder materielle, für den umstrittenen Bescheid beachtliche Satzungsfehler
offensichtlich noch besteht auf Grund des sich mit der Rechtmäßigkeit des
Satzungsrechtes nicht auseinandersetzenden Vorbringens der Antragsteller
Veranlassung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Ungültigkeit der Satzung
auszugehen. Dies gilt auch für die in der Satzung enthaltene Rückwirkungsanordnung.
Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller steht bei der im vorliegenden Verfahren
allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung die Bestandskraft der bereits
ergangenen Gebührenbescheide für die betreffenden Jahre der Nachforderung bis zur
Verjährungsgrenze – die hier für die Jahre 2004 bis 2007 noch nicht eingetreten ist (vgl.
dazu noch unten) – nicht entgegen.
Gemäß § 6 Abs. 1 KAG Satz 1 sind Benutzungsgebühren zu erheben, wenn eine
Einrichtung oder Anlage überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder
Personengruppen dient. Die Vorschrift ist insoweit im Zusammenhang mit dem in § 75
Gemeindeordnung (GO) bzw. § 64 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg
(BbgKVerf) normierten Einnahmenbeschaffungsgrundsatz (jew. Abs. 1) zu den
Grundsätzen der für die Einnahmenbeschaffung vorgesehenen Rangfolge (jew. Abs. 2)
und zum grundsätzlichen Verbot der Kreditaufnahme (jew. Abs. 3) zu sehen, die zu
rechtlicher Bindung führende gesetzliche Vorgaben darstellen. Diese Bestimmungen
sind nicht nur Ratschläge, die der Einrichtungsträger aufgrund von
Zweckmäßigkeitsüberlegungen befolgen kann oder auch nicht, sondern sie enthalten
gesetzliche Verpflichtungen, deren Nichtbeachtung das objektive Recht verletzt (vgl. VG
Cottbus, Beschluss vom 2. August 2007 – 6 L 33/07 –, S. 5 f. des EA). Die in § 75 Abs. 2
GO bzw. § 64 Abs. 2 BbgKVerf festgelegte Rangfolge der benötigten Deckungsmittel
verpflichtet den Einrichtungsträger dazu, die gesetzliche Ermächtigung zur Erhebung von
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verpflichtet den Einrichtungsträger dazu, die gesetzliche Ermächtigung zur Erhebung von
Benutzungsgebühren (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KAG) als spezielle Entgelte grundsätzlich auch
tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Demgemäß besteht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG ein
zwingender Gesetzesbefehl, grundsätzlich nicht die Allgemeinheit durch eine
Finanzierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln, sondern die Nutznießer mit den Kosten
der betreffenden Einrichtungen oder Anlagen zu belasten (vgl. VG Cottbus, a.a.O.). Eine
– wie hier - Einrichtung der Fäkalienentsorgung dient dabei i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG
überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen (vgl. OVG
Brandenburg, Urteil vom 27. März 2002 – 2 D 46/99.NE – S. 18 f. des EA; Urteil vom 22.
August 2002 – 2 D 10/02.NE –, MittStGB Bbg 2002 S. 477, 478).
Aus der Verpflichtung zur Gebührenerhebung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG ergibt sich
zugleich die Verpflichtung zur Gebührennacherhebung, wenn der aus der Satzung
ergebende Gebührenrahmen durch den bereits erlassenen Gebührenbescheid nicht voll
ausgeschöpft wurde (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15. Mai 2000 – 4 A 347/00
–, NordÖR 2000, S. 309; VG Köln, Beschluss vom 26. April 2007 – 14 L 1999/06 –, zit.
nach Juris; Urteil vom 25. August 2005 – 14 K 734/03 –, zit. nach Juris; Gerichtsbescheid
vom 28. November 2007 – 14 K 5391/06 –, zit. nach Juris; Kluge in:
Becker/Benedens/Deppe/Düwel/Kluge/Liedtke/Schmidt, Kommunalabgabengesetz für
das Land Brandenburg, Kommentar, § 6 Rn. 34 ff.). Die vorgenannten Regelungen des
Haushalts- und Abgabenrechts sowie der Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit
der Abgabenerhebung erfordern insoweit, dass die öffentliche Hand aufgrund des
Satzungsrechts infolge der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung entstandene
Gebührenansprüche grundsätzlich in vollem Umfang geltend zu machen hat (vgl. OVG
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Juni 2004 – 3 M 269/03 –, LKV 2005, S. 456; VG
Dessau, Urteil vom 12. August 2005 – 1 A 329/04 –, zit. nach Juris; Kluge, a.a.O., § 6 Rn.
34). Dies muss erst recht gelten, wenn es – wie vorliegend – nicht um die unterbliebene
Ausschöpfung des Gebührenrahmens der einschlägigen Regelung
(Bemessungsvorschrift) der Gebührensatzung geht, sondern der Einrichtungsträger
aufgrund der Anwendung unzutreffender Bemessungsvorschriften (hier: der Regelungen
für die Gebührenerhebung bei Inanspruchnahme der zentralen
Abwasserentsorgungseinrichtung), die Gebühr zu niedrig festgesetzt hat. Denn in beiden
Fällen hat der Satzungsgeber gegen die sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG ergebende
Verpflichtung zur Gebührenerhebung verstoßen.
Soweit in dem streitbefangenen Gebührenbescheid zugleich die Rücknahme der
Gebührenbescheide für Abwasser vom 14. Februar 2005, vom 2. Februar 2006, vom 29.
Januar 2007 und vom 6. Februar 2008 zu sehen ist, ist diese nach dem Erkenntnisstand
des Eilverfahrens gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 130 Abs. 1
Abgabenordnung (AO) gerechtfertigt.
Ebenso wie es im Rahmen der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung grundsätzlich
unzulässig ist, auf die nach den einschlägigen satzungsrechtlichen Vorschriften zu
erhebenden Gebühren auch nur teilweise zu verzichten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 16. März 1989 – 9 A 1359/87 u.a. -; Urteil vom 1. Juni 1989 – 9 A 1297/87 –,
OVG 41, 144, 147), ist es nicht angängig, derartige Gebühren bewusst zu niedrig zu
erheben oder – wie hier – nach Erkenntnis bisher (unbewusst) zu niedriger Erhebung eine
objektiv mögliche und erfolgversprechende Nacherhebung zu unterlassen. Denn zur
gesetzmäßigen Abgabenerhebung gehört auch eine vorschriftsmäßige Abrechnung der
Gebühren (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Februar 1982 – 2 A 1503/81 –,
KStZ 1983 S. 172; Urteil vom 1. Juni 1989 a.a.O; Urteil vom 22. Mai 1995 – 23 A 627/04
–, zit. nach Juris). Die jeweils frühere Festsetzung steht der nachträglichen Festsetzung
nicht entgegen. Mit der Nacherhebung schöpft der Abgabengläubiger nur aus, was ihm
von Rechts wegen zusteht. Dieser Befund wird zum Einen dadurch bestätigt, dass § 12
Abs. 1 KAG gerade nicht auf §§ 172 ff. AO verweist, nach denen die Aufhebung und/oder
Änderung von Abgabenbescheiden nur eingeschränkt möglich ist, so dass es mit dem
Abgabenbescheid, der die Abgabe noch nicht voll erfasst hat, auch im Falle seiner
Bestandskraft gerade nicht sein Bewenden haben soll. Auch ist in § 12 Abs. 1 KAG die
Vorschrift des § 164 AO über die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
nicht übernommen worden. Die Nichtübernahme beider Gruppen von Vorschriften
ergänzt sich gegenseitig zu der gesetzgeberischen Absicht, die Nacherhebung
unbeschränkt zuzulassen. Denn unter dieser Voraussetzung erübrigt sich eine
Festsetzung unter Vorbehalt, wie umgekehrt bekräftigt wird, dass die Möglichkeit der
Nacherhebung nicht von einem Vorbehalt der Nachprüfung abhängig sein soll (vgl. OVG
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Juni 1989 a.a.O.; VG Köln, Beschluss vom 24. Juni
2007, a.a.O.; Urteil vom 25. August 2005, a.a.O.; Gerichtsbescheid vom 28. November
2007, a.a.O.; Kluge, a.a.O. § 6 Rn 35). Aus den über § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG
anwendbaren §§ 130, 131 AO, soweit sie die Rücknahme (bzw. den Widerruf) von
begünstigenden Verwaltungsakten einschränken, ergeben sich regelmäßig – wie auch
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begünstigenden Verwaltungsakten einschränken, ergeben sich regelmäßig – wie auch
vorliegend bei summarischer Prüfung - keine Einschränkungen für die Nacherhebung.
Eine Einschränkung der Nachforderungsmöglichkeit folgt – entgegen der Auffassung der
Antragsteller - insbesondere nicht aus § 130 Abs. 2 AO, da die Nacherhebung allein nach
§ 130 Abs. 1 AO zu beurteilen ist, der die Zurücknahme eines belastenden
Abgabenbescheides ohne besondere Beschränkungen zulässt. Zwar mag auch ein nach
seinem Tenor belastender Bescheid grundsätzlich ein geeigneter Gegenstand für ein
verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen sein können, so dass es sich insoweit um
einen – zumindest auch - begünstigenden Abgabenbescheid handeln kann (vgl. BVerwG,
Urteil vom 12. Juli 1968 – VII C 48/66 –, BVerwGE 30 S. 132, 133 f.; Urteil vom 15. April
1983 – 8 C 170/81 –, BVerwGE 67 S. 129, 134 f.). Nicht jeder belastende
Gebührenbescheid ist indes schon aus der Natur der Sache tragfähig für den – ein
entsprechendes Vertrauen rechtfertigenden – Gegenschluss, dass von dem Betroffenen
mehr als die festgesetzte Gebühr nicht verlangt werden solle. Im Gegenteil ist ein
solcher Schluss angesichts des oben erörterten Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der
Abgabenerhebung in der Regel nicht gerechtfertigt, so dass aus der maßgeblichen Sicht
des Zahlungspflichtigen besondere Umstände hinzutreten müssen, wenn er sich –
zumal aus verfassungsrechtlichen Gründen – dennoch rechtfertigen soll. Nur das
Hinzutreten solcher auf ein bewusstes – ausdrücklich oder schlüssig erklärtes – Absehen
von einer Mehrforderung hindeutender Umstände kann dem bloßen „Nicht-Fordern“
rechtliche Erheblichkeit verleihen und eine Gleichstellung mit solchen Bescheiden
rechtfertigen, die ausdrücklich eine Bewilligung aussprechen (vgl. OVG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 7. Mai 1980 – 2 A 1748/79 –, KStZ 1981 S. 111; Urteil vom 25.
Februar 1982 a.a.O.; Urteil vom 3. Juni 2008 – 9 A 2762/06 –, KStZ 2008 S. 177; vgl.
ferner BVerwG, Urteil vom 15. April 1983, a.a.O. und Urteil vom 18. März 1988 – 8 C
92.97 –, BVerwGE 79, 163, 170 jeweils zu einem Erschließungsbeitragsbescheid; zu
einem Straßenausbaubeitragsbescheid OVG Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2002
– 2 A 75/02.Z –, S. 3 des EA; zu einem Anschlussbeitragsbescheid OVG Thüringen,
Beschluss vom 29. April 2008 – 4 ZKO 610/07 –, LKV 2009 S. 35; zum Ganzen Kluge,
a.a.O., § 6 Rn. 35). An solchen Umständen wird es regelmäßig fehlen und fehlt es auch
vorliegend, da weder dem Tenor des streitgegenständlichen Gebührenbescheides eine
Erklärung des Inhalts, eine weitergehende Gebührenpflicht sei nicht entstanden, sie
werde erlassen oder sonst nicht geltend gemacht, zu entnehmen ist noch sich der zur
Begründung des Bescheides beigefügten Berechnung verlässliche Angaben für die
Aussage entnehmen lassen, die abgabenpflichtigen Antragsteller würden mit einem
weitergehenden Betrag nicht mehr belastet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April
1968 – VII C 48.66 –, BVerwGE 30 S. 132; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.
Februar 1982, a.a.O., Urteil vom 22. Mai 1995, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil
vom 23. November 1995 – 2 S 2947/94 –, NVwZ-RR 1997 S. 120; Bayrischer VGH, Urteil
vom 28. Januar 2004 – 4 B 00.2397 –, zit. nach Juris; zur Erhebung von
Erschließungsbeiträgen BVerwG, Urteil vom 15. April 1983, a.a.O.; VG Köln jeweils
a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist es irrelevant, wenn die Antragsteller in ihrer
Antragsschrift ausführen, sie könnten die in Rede stehenden Nachforderungen nicht
mehr auf ihre Mieter umlegen und spielt es auch keine Rolle, ob die Antragsteller
gegenüber dem Antragsgegner falsche oder unrichtige Angaben gemacht haben oder
ob sie die Bescheide nach bestem Wissen überprüft haben. Auf Fragen des
Vertrauensschutzes i.S.d. § 130 Abs. 2 AO kommt es vorliegend nicht an. Maßgeblich ist
vielmehr – wie ausgeführt – allein, ob dem zurückgenommenen Bescheid ein
Erklärungsgehalt beizumessen ist, der die Annahme eines bewussten – ausdrücklich
oder schlüssig erklärten – Absehens von einer Mehrforderung rechtfertigt. Dies ist hier
nicht der Fall. Auch unter Zugrundelegung des Vortrages der Antragsteller ist nach dem
Erkenntnisstand des Eilverfahrens jedenfalls nicht ersichtlich, dass schon die
Festsetzung der ursprünglichen Gebühren bewusst zu niedrig im oben beschriebenen
Sinne erfolgt wäre.
In zeitlicher Hinsicht ist eine Gebührennachforderung grundsätzlich bis zum Eintritt der
Festsetzungsverjährung zulässig. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2
AO beträgt die Festsetzungsfrist 4 Jahre. Sie beginnt – soweit hier von Interesse – gemäß
§ 170 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Selbst für
das Kalenderjahr 2004 begann daher vorliegend die Festsetzungsverjährungsfrist erst
mit Ablauf des 31.12.2004 zu laufen, so dass bei Erlass des streitgegenständlichen
Gebührenbescheides am 3. November 2008 die Festsetzungsverjährungsfrist ersichtlich
noch nicht abgelaufen war. Dies gilt erst Recht für die anderen in Rede stehenden
Erhebungszeiträume.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Berechnung der mit dem
Gebührenbescheid vom 3. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24. November 2008 festgesetzten Gebühren bestehen bei der im vorliegenden
Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht. Die Korrektur
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Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht. Die Korrektur
der ursprünglichen Gebührenfestsetzungen war erforderlich geworden, nachdem der
Antragsgegner festgestellt hatte, dass das Abwasser vom Grundstück der Antragsteller
nicht nur durch die zentrale Entwässerungsanlage entsorgt wird, sondern ein Teil – und
zwar der hier interessierende – aus einer abflusslosen Sammelgrube. Daher hätte der
Antragsgegner für einen Teil des Abwassers die (höheren) Gebühren für die dezentrale
Entsorgung erheben müssen. Wann die Feststellung des Antragsgegners erfolgte, ist bei
summarischer Prüfung ohne Relevanz. Wie bereits dargelegt, ist auch unter
Zugrundelegung des Vortrages der Antragsteller nach dem Erkenntnisstand des
Eilverfahrens jedenfalls nicht ersichtlich, dass schon die Festsetzung der ursprünglichen
Gebühren bewusst zu niedrig im oben beschriebenen Sinne erfolgt wäre. Soweit die
Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 6. Februar 2009 ausgeführt haben, die vom
Antragsgegner in Rechnung gestellte Fäkalienmenge von 341 m³ sei nicht nachprüfbar,
hat der Antragsgegner hierzu mit Schriftsatz vom 25. Februar 2009 vorgetragen, dass er
eine Mengenberechnung zugunsten der Antragsteller vorgenommen habe. Aufgrund der
besonderen Situation des Einzelfalls habe er vorliegend nur die am Fahrzeug
gemessenen Kubikmeter berechnet und nicht den – in §§ 5, 8 FS 2006 geregelten –
(modifizierten) Frischwassermaßstab in Anwendung gebracht. Anderenfalls wäre die
Nachberechnung – was bei summarischer Prüfung zutrifft - noch sehr viel höher
ausgefallen. Ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsgegner mit dieser
Verfahrensweise der oben beschriebenen Verpflichtung, den sich aus der Satzung
ergebenden Gebührenrahmen voll auszuschöpfen, nicht genügt haben dürfte, sind die
Antragsteller diesem Vortrag nicht substantiiert entgegen getreten. Insbesondere die im
Verwaltungsvorgang dokumentierten Abfuhren haben die Antragsteller nicht
substantiiert in Zweifel gezogen. Soweit die Fäkaliengebühren niedriger festgesetzt
worden sein dürften, als dies nach der FS 2006 möglich (und an sich auch geboten)
wäre, so werden die Antragsteller hierdurch jedenfalls nicht i.S.d. – im
Hauptsacheverfahren anwendbaren - § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten
verletzt. Eine etwaig fehlerhaft zu niedrige Gebührenfestsetzung vermag ihrem
einstweiligen Rechtsschutzbegehren daher nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Schließlich lassen sich Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung des
Gebührenbescheides für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte, ihrem Vorbringen nicht
entnehmen. Eine unbillige Härte liegt (nur) dann vor, wenn durch die sofortige
Vollziehung für den Betroffenen über die eigentliche Zahlung hinaus gehende Nachteile
entstehen, die nicht oder nur schwer (wieder) gut zu machen sind. Dass den
Antragstellern derartige Nachteile im Falle der Vollziehung des Gebührenbescheides
drohen könnten, machen sie selbst nicht geltend. Auch aus ihrem sonstigen Vorbringen
– auch im Verwaltungsverfahren – folgen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer legt in Anlehnung an den Streitwertkatalog
für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327, Ziff. 1.5) in Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes in Abgabensachen regelmäßig ein Viertel des
Abgabenbetrages zu Grunde, dessen Beitreibung vorläufig verhindert werden soll.
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