Urteil des VG Cottbus vom 15.03.2017

VG Cottbus: befreiung, bedürftigkeit, hauptsache, einkünfte, wohnung, stadt, mietvertrag, vollstreckung, gerichtsakte, amtshandlung

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Gericht:
VG Cottbus 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 688/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 5 Abs 5
RdFunkGebBefrV BB, § 1 Abs 1
Nr 7 RdFunkGebBefrV BB, § 6
Abs 1 Nr 1 RdFunkGeb1991Vtr
BB
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen der
Kläger zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Betrages abwenden, wenn nicht dieser vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, der bei dem Beklagten seit dem 20. Juni 2000 mit einem Radiogerät als
Rundfunkteilnehmer gemeldet ist, begehrt die Befreiung von der Erhebung der
Rundfunkgebühren. Der Kläger, der mit seinem Hauptwohnsitz in A. gemeldet ist,
studierte im Wintersemester 2003/2004 an der Universität in Potsdam.
Der Kläger beantragte am 16. Februar 2004 bei dem Sozialamt der Stadt ... die
Befreiung von der Erhebung der Rundfunkgebühren für ein Radio- und ein Fernsehgerät
unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung über die Voraussetzungen für
die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 04. Februar 1992 (im Folgenden:
BefrVO - GVBl. II S. 63 ff.) wegen geringen Einkommens. Zum Beleg legte er einen
Bescheid des Studentenwerks Potsdam vom 29. Oktober 2003 über die Gewährung von
Ausbildungsförderung auf Grund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vor,
wonach er von Oktober 2003 bis September 2004 einen Zuschuss in Höhe von
monatlich 289,- € und ein unverzinsliches Darlehen in Höhe desselben Betrages erhalte.
Die Stadt ... schlug eine Ablehnung des Antrages auf Rundfunkgebührenbefreiung vor,
weil im Rahmen der Bedarfsberechnung die Kosten für die Wohnung des Klägers in
Potsdam nicht berücksichtigt werden könnten; das ihm zur Verfügung stehende
Einkommen von 578,- € – insoweit sei der gesamte Zahlbetrag des BAFÖG anzurechnen
- übersteige den Bedarf um 153,50 €.
Gegen den ablehnenden Bescheid vom 08. März 2004 legte der Kläger mit Schreiben
vom 17. März 2004 mit der Begründung Widerspruch ein, die Aufwendungen für die
auswärtige Unterbringung im Studentenwohnheim im Potsdam in Höhe von 190,- €
gehörten zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen und nur der Zuschussanteil
der Ausbildungsförderung in Höhe von 289,- € sei als Einkommen zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 26. März 2004 lehnte der Beklagte den Antrag auf
Rundfunkgebührenbefreiung (wiederum) ab. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit
Schreiben vom 31. März 2004 am 05. April 2004 Widerspruch ein, den der Beklagte mit
Bescheid vom 22. April 2004 zurückwies.
Zur Glaubhaftmachung nach § 5 Abs. 4 der Befreiungsverordnung gehöre es, bei der
Antragstellung alle Einkünfte und Zuwendungen in Geld und Sachleistungen offen zu
legen. Das Sozialamt habe mitgeteilt, dass der Kläger in in einer Doppelhaushälfte
mietfrei wohne. Diese Zuwendung müsse bei der Berechnung als Einkommen
berücksichtigt werden, weil es sich um eine Sachleistung handele. Das anzusetzende
Einkommen erstrecke sich immer mindestens auf den Förderungshöchstbetrag und
damit auch auf den Darlehensanteil der Ausbildungsförderung. Schließlich habe der
Kläger einen Mietvertrag über das Mietverhältnis in Potsdam nicht vorgelegt.
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Der Kläger hat am 4. Mai 2004 Klage mit dem Begehren erhoben, ihn ab dem „16.
Februar 2004“ von der Pflicht zur Zahlung der Rundfunkgebühren zu befreien. Zur
Begründung der Klage bekräftigt er seine Ausführungen in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht und verweist darauf, dass ihm der Beklagte auf einen Antrag vom 12. Januar
2007 Rundfunkgebührenbefreiung ab dem 01. Februar 2007 gewährt hat. Weitere
Einkünfte als die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von
578,- € habe er nicht. Er habe außerdem Studiengebühren in Höhe von ca. 200,- € je
Semester zu zahlen und habe für Studienliteratur 2004 bislang 773,44 € aufgebracht.
Zum weiteren Beleg seiner Behauptungen hat der Kläger einen - bis zum 31. März 2004
befristeten, sich nach § 2 aber verlängernden - Mietvertrag zwischen ihm und dem
Studentenwerk Potsdam vom 30. September 2003 über die Anmietung einer Wohnung
in Potsdam vorgelegt und angekündigt, eine Aufstellung weiterer Aufwendungen zur
mündlichen Verhandlung „gegebenenfalls“ vorzulegen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte nach Erörterung der Sach- und
Rechtslage dem Begehren des Klägers für den Zeitraum vom 01. März 2004 bis zum 30.
September 2004 entsprochen und den Kläger von der Zahlung der Rundfunkgebühren
befreit. Der Kläger hat insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2004 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. April 2004 aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, die begehrte Rundfunkgebührenbefreiung bis zum 30. September 2007 zu
gewähren.
Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung des Klägers für den Zeitraum vom 01.
März 2004 bis zum 30. September 2004 angeschlossen.
Im Übrigen beantragt der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Er hat seine Auffassung, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 7 der BefrVO lägen
nicht vor, in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung bekräftigt; insoweit wird
hinsichtlich der weiteren Einzelheiten seines Vortrages auf die Gerichtsakte Bezug
genommen. Dass dem Kläger Rundfunkgebührenbefreiung ab dem 1. Februar 2007
gewährt worden sei, beruhe auf einer Änderung der Befreiungsvorschriften.
Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 13.
Juni 2005 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren ist in analoger Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen, soweit es die Beteiligten für den
Befreiungszeitraum vom 01. März 2004 bis zum 30. September 2004 in der Hauptsache
für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen ist die Verpflichtungsklage, die weitergehend auf die Gewährung einer
Rundfunkgebührenbefreiung vom 01. Oktober 2004 bis zum 30. September 2007 zielt,
mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig, soweit der Zeitraum – vom 01.
Februar 2007 bis zum 30. September 2007 - in Rede steht, für den der Beklagte dem
Kläger auf dessen weiteren Antrag vom 12. Januar 2007 bereits
Rundfunkgebührenbefreiung gewährt hat; im Übrigen ist die Klage jedenfalls
unbegründet, weil dem Kläger in dem vorliegenden Verfahren ein entsprechender
Anspruch nicht zusteht, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gegenstand der Prüfung des Verwaltungsgerichts im Fall eines Verpflichtungsbegehrens
ist die Frage, ob die Behörde den begehrten Verwaltungsakt rechtswidrig abgelehnt oder
unterlassen hat; sofern der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das
Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung
vorzunehmen. Mit dem Antrag und dem zum Nachweis seiner Bedürftigkeit vorgelegten
Bescheid über den Bezug einer sozialen Leistung bezeichnet der
Rundfunkgebührenbefreiungsantragsteller das Ziel und den formellen Gegenstand des
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Rundfunkgebührenbefreiungsantragsteller das Ziel und den formellen Gegenstand des
Verfahrens in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht und begrenzt damit zugleich den
Verfahrensgegenstand in zeitlicher Hinsicht (allgemein vgl. etwa Kopp/Ramsauer: VwVfG,
10. Aufl. 2008, § 9 Rn. 24). In der Rechtsprechung wird im Rahmen der rechtlichen
Prüfung der Klage auf Rundfunkgebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) v. 31. August 1991 (GVBl. I S. 580 ff.) i. V.
m. § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO folgerichtig davon ausgegangen, dass maßgeblich die Sach-
und Rechtslage des durch die Antragstellung bestimmten Befreiungszeitraumes im
Sinne des § 5 Abs. 5 BefrVO sei, wie sie sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung in der Tatsacheninstanz darstelle (vgl. etwa OVG für das Land Nordrhein-
Westfalen < OVG NW >, Beschl. v. 03. Juni 2007 – 16 E 294/07 -, zit. nach juris, Rn. 2, 3
auch zur Rechtslage vor In-Kraft-Treten des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages
(GVBl. 2005 I, S. 114 ff.) zum 01. April 2005; Urt. v. 18. August 2004 – 19 A 2349/02 -,
zit. nach juris, Rn. 14, und VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07. Dezember 1995 – 2 S
1075/95 -, zit. juris, Rn. 15). Zwar wird nach § 5 Abs. 5 Satz 2 BefrVO die
Rundfunkgebührenbefreiung für längstens drei Jahre gewährt, die gerichtliche Prüfung ist
jedoch auch nach alter Rechtslage vor In-Kraft-Treten des 8.
Rundfunkänderungsstaatsvertrages zum 01. April 2005 – vgl. nunmehr explizit § 6 Abs. 6
Satz 1 RGebStV n. F., wonach die Befreiung nach der Gültigkeitsdauer des Bescheides
nach § 6 Abs. 1 RGebStV n. F. zu befristen ist - auf den von der zuständigen Behörde in
den Blick genommenen Zeitraum zu beschränken, mithin entweder den Zeitraum, für
den der Antragsteller der Behörde vor ihrer das Verwaltungsverfahren abschließenden
Entscheidung die Prüfung seiner Bedürftigkeit ermöglicht hatte, oder aber, wenn es an
einer eindeutigen und verlässlichen Fixierung der geltend gemachten wirtschaftlichen
Notlage des Antragstellers fehlt, regelmäßig auf die Zeit bis zum Erlass der letzten
Verwaltungsentscheidung (OVG NW, Beschl. v. 03. Juni 2007, a. a. O., m. w. N.).
Vorliegend hat der Kläger mit seinem Antrag vom 16. Februar 2004 und dem zum
Nachweis seiner Bedürftigkeit vorgelegten Bescheid über den Bezug von
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz vom 29. Oktober
2003, der sich lediglich auf den Zeitraum vom 01. Oktober 2003 bis zum 30. September
2004 bezog, das Ziel und den formellen Gegenstand des Verfahrens in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht bezeichnet und in zeitlicher Hinsicht begrenzt. Eine
Rundfunkgebührenbefreiung über den 30. September 2004 hinaus scheidet mithin
bereits aus diesem Grunde aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und §
188 Satz 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils
hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
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