Urteil des VG Cottbus vom 15.03.2017

VG Cottbus: daten, hauptsache, form, befragung, besucher, gewinnung, polizeigesetz, auflage, drucksache, abgrenzung

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Gericht:
VG Cottbus 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 L 59/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 12 PolAufgG BB, § 32 PolAufgG
BB
Observation eines Tatoostudios
Leitsatz
1. Zur längerfristigen Observation aus präventiven Gründen nach dem brandenburgischen
Polizeigesetz.
2. Eine objektbezogene Beobachtung ist von einer personenbezogenen Observation nicht
allein danach abzugrenzen, ob die Beobachtung nur an einem bestimmten Ort erfolgt.
Maßgeblich ist die Zielrichtung der polizeilichen Maßnahme.
3. Zur Einbindung von Maßnahmen der Identitätsfeststellung von Kontaktpersonen durch
Befragung und Pass- oder Ausweiskontrolle in eine offen durchgeführte personenbezogene
Observation.
4. Zu den (formellen) Anordnungsvoraussetzungen einer längerfristigen Observation. Eine
längerfristige Observation ist rechtswidrig, wenn sie nicht vom Behördenleiter bzw., geht sie
über einen Zeitraum von einem Monat hinaus, nicht vom Amtsgericht angeordnet worden ist.
In einem solchen Fall besteht ein Anspruch auf vorläufige Unterbindung der polizeilichen
Maßnahme.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum
Ergehen einer Entscheidung des Amtsgerichts über die Anordnung von Maßnahmen zur
längerfristigen Beobachtung des Antragstellers verpflichtet, es zu unterlassen vor dem
Tattoo-Studio "F." in der ...straße .., A-Stadt, Personen- und Ausweiskontrollen
gegenüber sämtlichen Kunden unmittelbar vor der Geschäftstür durchzuführen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu ¼ und der Antragsgegner zu ¾.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), mit welchem der
Antragsteller begehrt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu
unterlassen vor dem Tattoo-Studio "F." in der ...straße .., A-Stadt, Polizeikontrollen in der
Art durchzuführen, dass Einsatzkräfte der Polizei unmittelbar vor der Geschäftstür
sämtliche Kunden einer Personen- und Ausweiskontrolle unterziehen,
hat nach Maßgabe des Tenors Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Form der
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus
anderen Gründen nötig erscheint. Dazu hat der Antragsteller die besondere Dringlichkeit
der Anordnung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden Anspruches
(Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen; § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2,
294 der Zivilprozessordnung. Dem Wesen und dem Zweck einer einstweiligen
Anordnung entspricht es dabei, dass mit ihr grundsätzlich nur Regelungen mit
vorläufigem Charakter getroffen werden können. Regelungen, die dem Antragsteller
bereits in vollem Umfang das gewähren, was er an sich nur in einem Verfahren der
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bereits in vollem Umfang das gewähren, was er an sich nur in einem Verfahren der
Hauptsache erreichen kann, widersprechen grundsätzlich der Funktion des vorläufigen
Rechtsschutzes und sind deshalb regelmäßig ausgeschlossen. Etwas anderes gilt im
Hinblick auf das in Art 19. Abs. 4 Grundgesetz (GG) verankerte Gebot des effektiven
Rechtsschutzes nur dann, wenn bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung ohne
vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile
entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung auch ein Erfolg in der Hauptsache nicht
mehr in der Lage wäre und zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in
Hauptsache besteht.
Hiervon ausgehend hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch
einen im Umfang des Tenors die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Maßnahmen des Antragsgegners vor dem
Geschäftsobjekt des Antragstellers erweisen sich nach den glaubhaft gemachten
Tatsachen als rechtswidrig. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der
Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme ist entgegen der Beschränkung des
Vortrags des Antragsgegners in dessen Antragserwiderung auf jene Vorschrift nicht
(allein) § 12 des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG). Mit dieser Vorschrift wird
geregelt, ob und unter welchen Voraussetzungen, die Polizei die Identität einer Person
feststellen kann (§ 12 Abs. 1 BbgPolG) und welche Maßnahmen zum Zwecke der
Identitätsfeststellung getroffen werden können. Mit den von den Polizeibeamten
durchgeführten Identitätsfeststellungen, die sich nach dem Vorbringen beider Beteiligten
in erster Linie gegen Besucher und/oder Kunden des Geschäfts des Antragstellers
richten, wird indes lediglich dieser Teilbereich der polizeilichen Maßnahme erfasst,
dessen Rechtmäßigkeit vorliegend keiner näheren Betrachtung bedarf.
Die polizeilichen Maßnahmen richten sich nämlich nach den objektiven Umständen und
dem sich daraus ergebenden Gesamtgepräge auch und vor allem gegen den
Antragsteller. Die Maßnahmen der Polizei sind, soweit sie sich gegen den Antragsteller
richten, in Bezug auf ihre Rechtmäßigkeit nicht an § 12 BbgPolG sondern an § 32
BbgPolG zu messen. Der Antragsteller unterliegt einer als Observation einzustufenden
Beobachtung durch den Antragsgegner. Unter einer Observation wird dabei die in der
Regel unauffällige und planmäßige -gegebenenfalls unter dem Einsatz technischer Mittel
erfolgende- Beobachtung einer Person oder eines Objekts mit dem Ziel der Erhebung
diesbezüglicher Erkenntnisse verstanden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 -1 StR
511/97-, BGHSt 44, 13). § 32 BbgPolG stellt insoweit aber nur Voraussetzungen auf,
soweit sich eine Observation auf eine Person bezieht. Dies ergibt sich aus § 32 Abs. Satz
1 BbgPolG, der eine Erhebung personenbezogener Daten erfordert mit der Folge, dass
die Erhebung objektbezogener Daten nicht in dessen Anwendungsbereich fällt (vgl. auch
Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Auflage, § 22 Rdn. 3). Eine
personenbezogene Observation liegt dabei jedenfalls dann vor, wenn diese unabhängig
von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort einer polizeilichen Beobachtung unterzogen wird. Für
die Abgrenzung kann es aber nicht allein darauf ankommen, ob die Beobachtung nur an
einem bestimmten Ort erfolgt und dort Daten erhoben werden, da die zu beobachtende
Person einen Aufenthalt stets am selben Ort pflegen kann und eine personenbezogene
Beobachtung dann auch regelmäßig an diesem Aufenthaltsort erfolgt. Umgekehrt
werden durch eine objektbezogene Beobachtung auch regelmäßig Erkenntnisse über
Personen gewonnen, wenn sich diese im Beobachtungszeitpunkt dort aufgehalten
haben. Maßgeblich muss insoweit die Zielrichtung des polizeilichen Handelns sein,
welche danach zu bestimmen ist, ob sich das polizeiliche Handeln nach den
Gesamtumständen als eine Beobachtung einer Person zur Gewinnung von auf diese
bezogenen Informationen oder als Beobachtung eines Ortes darstellt. Die hiernach
gebotene Abgrenzung kann das Gericht, da der Antragsgegner nach seinem Vorbringen
einen Verwaltungsvorgang nicht angelegt hat, vorliegend allein anhand der objektiven
Umstände und des Vorbringens der Beteiligten vornehmen.
Hiervon ausgehend mag mit dem Antragsgegner zwar davon auszugehen sein, dass die
Räumlichkeiten des Tatoo-Studios als gefährlicher Ort im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2
BbgPolG anzusehen sind. Die Gefährlichkeit des Ortes ist aber nicht schon deshalb
gegeben, weil dem Ort für sich genommen eine Gefährlichkeit inne wohnt, wie dies etwa
bei einem allseits bekannten Drogenumschlagsplatz (z.B. ein Bahnhofsgebäude) der Fall
sein kann, bei dem die Begehung von Straftaten unabhängig von den einzelnen jeweils
vor Ort befindlichen Personen drohen kann. Die spezifische Gefahr, die der
Antragsgegner in den Vordergrund seiner Überlegungen zur Rechtfertigung der
Maßnahmen stellt, wird vielmehr durch die Stellung des Antragstellers als "President" der
"…" vermittelt. Mithin geht es nicht (nur) um Besucher und Kunden des Tattoo-Studios,
sondern um die Gewinnung von Informationen, die im unmittelbaren Zusammenhang
mit der Person des Antragstellers stehen. Dies begründet sich zunächst darin, dass die
Maßnahmen ausschließlich im räumlichen Umfeld des Antragstellers durchgeführt
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Maßnahmen ausschließlich im räumlichen Umfeld des Antragstellers durchgeführt
werden. Es wird ferner daran deutlich, dass sich die Maßnahmen der Polizei nicht auf
Identitätsfeststellungen im Sinne von § 12 BbgPolG beschränken, sondern vielmehr in
eine über diese hinausgehende polizeiliche Gesamtmaßnahme eingebettet sind.
Insoweit hat der Antragsgegner nämlich selbst vorgetragen, dass bereits seit dem 09.
Februar 2008 gefahrenabwehrende Maßnahmen veranlasst worden seien. Dazu
übergegangen, Besucher bzw. Kunden des Antragstellers einer offenen
Identifikationsmaßnahme zu unterwerfen, ist der Antragsgegner aber ersichtlich erst
unter dem 15. Februar 2008; erstmals an diesem Tag hat der Antragsteller diese
bemerkt. Zudem hebt der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung hervor, dass der
Antragsteller der "President" der "…" bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung
getreten sei. Ferner führt er zur Begründung der polizeilichen Maßnahmen an, dass
Vergeltungsmaßnahmen der "…" gegen die Gruppe der "…" unmittelbar bevorstünden
und im Tatoo-Studio hierauf gerichtete Bestrebungen verabredet und vorbereitet werden
sollen. Schließlich führt der Antragsgegner als Zweck der Maßnahme insbesondere an,
dass sie der Feststellung der Angehörigen einer kriminellen Rockerszene dienen soll.
Anknüpfungspunkt ist insoweit stets der Antragsteller, der durch seine hervorgehobene
Position in der Organisation der "…" die Zentralfigur der vom Antragsgegner
befürchteten Gefahren ist und der zugleich den Anhaltspunkt für die Feststellung bietet,
welche der Personen, die sich an seinem Aufenthaltsort aufhalten oder sich zu diesem
begeben wollen und deshalb einer Kontrolle und Identitätsfeststellung unterzogen
werden. Verwaltungsunterlagen, die ein anderes Vorgehen und eine andere Zielrichtung
des Antragsgegners belegen könnten, sind dem Gericht nicht zugeleitet worden.
Dass nicht der Ort für sich genommen Anlass und Grund der polizeilichen Maßnahme ist,
sondern diese vielmehr in der Person des Antragstellers liegen, erschließt sich auch
daraus, dass die Verabredung und Vorbereitung der befürchteten Bestrebungen nämlich
die Verabredung und Vorbereitung von Verbrechenstatbeständen eine Kommunikation
und Interaktion zwischen verschiedenen Personen voraussetzt. Der Kreis der hieran
beteiligten Personen wird aber nicht allein durch den Aufenthalt an einem bestimmten,
als gefährlich eingeschätzten Ort bestimmt. Ein polizeiliches Interesse an der
Feststellung dieser Personen ist insoweit nur dann gegeben, wenn diese eine
Kontaktaufnahme zum Antragsteller selbst anstreben. Dies begründet sich nicht nur aus
der hervorgehobenen Position des Antragstellers innerhalb der "…". Zu berücksichtigen
ist insoweit auch, dass die handelnden Polizeibeamten nach dem unwidersprochen
gebliebenen Vorbringen des Antragstellers Besucher des Gebäudes gezielt befragen,
mit welchem Ansinnen dieses betreten werden soll. Diese Befragung erscheint aber nur
dann sinnvoll, wenn hiermit Erkenntnisse darüber gewonnen werden sollen, wer einen
Kontakt zu der Person des Antragstellers herstellt.
Richtet sich die Maßnahme auch im Tatsächlichen zuvörderst gegen den in der ....straße
.. seinen Lebensmittelpunkt habenden Antragsteller in seiner Eigenschaft als "President"
der "…" so unterliegt er einer Beobachtung durch den Antragsgegner insbesondere mit
dem Ziel, welche Personen sich mit ihm in Verbindung setzen. Zugleich werden damit
Informationen über den Antragsteller selbst gewonnen insbesondere dahingehend, mit
welchen Personen er -auch mit welcher Häufigkeit und Dauer- in Kontakt getreten ist.
Dies ermöglicht es der Polizei wiederum weitere Rückschlüsse über den Antragsteller
selbst zu ziehen insbesondere dahingehend, in welchem sozialen, gegebenenfalls
kriminellen Umfeld sich dieser bewegt, was vor allem dann aus polizeilicher Sicht Erfolg
verspricht, wenn bereits Informationen über die mit dem Antragsteller in Kontakt
tretenden Personen vorliegen oder noch gewonnen werden.
Für die damit von der Polizei erstrebte Informationsgewinnung, insbesondere über die
Person des Antragstellers und zu dessen Kontakten zu anderen Personen, kommt
vorliegend allein § 32 Abs. 1 BbgPolG als rechtliche Grundlage in Betracht. Hiernach
kann die Polizei personenbezogene Daten durch eine länger als vierundzwanzig Stunden
oder an mehr als zwei Tagen vorgesehene oder tatsächlich durchführte und planmäßig
angelegte Beobachtung einer Person erheben, soweit es sich um eine der in den § 32
Abs. 1 Nummern 1-3 BbgPolG näher umschriebenen Personen handelt. Wie festgestellt
ist nach den dem Gericht bekannten Umständen und einer Gesamtbetrachtung der
objektiven Gegebenheiten Zweck der Maßnahme die Gewinnung von Informationen
jedenfalls vorrangig in Bezug auf die Person des Antragstellers und namentlich von
solchen, die eine Verbindung zu bestimmten (und identifizierten) Personen belegen.
Hierbei handelt es sich um personenbezogene Daten. Denn diese umfassen sämtliche
Einzelangaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse einer bestimmten oder
bestimmbaren Person -hier des Antragstellers- (vgl. die Definition in § 3 Abs. 1
Brandenburgisches Datenschutzgesetz). Die Beobachtung des Antragstellers ist im
Sinne des § 32 Abs. 1 BbgPolG auch längerfristig, da die Maßnahmen zumindest an
mehr als zwei Tagen tatsächlich und zielgerichtet durchgeführt wurden. Zudem hat der
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mehr als zwei Tagen tatsächlich und zielgerichtet durchgeführt wurden. Zudem hat der
Antragsgegner selbst erklärt, dass es sich um "auch weiterhin durchzuführende
Personenkontrollen einschließlich Identitätsfeststellungen" handelt, mithin diese nach wie
vor andauern und fortgeführt werden sollen. Gegen eine Bewertung der Maßnahme des
Antragsgegners als eine längerfristig angelegte Observation im Sinne von § 32 Abs. 1
BbgPolG spricht auch nicht, dass die Beobachtung des Antragstellers offen und nicht
verdeckt erfolgt. Eine Observation erfolgt zwar in der Regel unauffällig (vgl. BGH, a.a.O.);
dies schließt es aber begrifflich nicht aus, in Abweichung von der Regel eine Person offen
zu beobachten, wobei dies freilich auch unter Vorgabe anderer Gründe erfolgen kann. §
32 Abs. 1 BbgPolG unterscheidet auch nicht zwischen einer offenen und einer
verdeckten Observation der zu beobachtenden Person (vgl. zu § 22 Abs. 1 des
Polizeigesetzes Baden-Württemberg: Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-
Württemberg, 5. Auflage, § 22 Rdn. 4). Zudem ist aus der Grundnorm des § 29 BbgPolG
zu schließen, dass Erhebungen von personenbezogenen Daten durch die Polizei ohnehin
grundsätzlich mit Kenntnis des Betroffenen (§ 29 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG) und offen zu
erfolgen haben (§ 29 Abs. 3 BbgPolG) und die verdeckte Erhebung ausnahmsweise und
zwar nur in den durch Gesetz bestimmten Fällen zulässig ist. Die genannten Vorschriften
normieren den Grundsatz, dass Daten offen und bei dem Betroffenen zu erheben sind,
wobei als Datenerhebung bei dem Betroffenen nicht nur dessen Befragung sondern
auch andere Formen der polizeilichen Wahrnehmung in Frage kommen (vgl. Begründung
zum Gesetzentwurf der Landesregierung; Landtags-Drucksache 2/1235; Seite 91); in der
Gesetzesbegründung wird insoweit ausdrücklich als Beispiel die Beobachtung einer
Person erwähnt. Hieraus ist zu schließen, dass die Erhebung von personenbezogenen
Daten im Wege der längerfristigen Observation stets an § 32 Abs. 1 bis 3 BbgPolG zu
messen ist, gleichviel ob die Polizei die Beobachtung offen oder verdeckt durchführt.
Hiergegen spricht auch nicht, dass die Personen, soweit der Antragsgegner feststellt
oder vermutet, dass diese mit dem Antragsteller in Kontakt getreten sind oder treten
wollen, selbst einer Identifikationsmaßnahme unterzogen werden. § 32 Abs. 1 Satz 2
BbgPolG eröffnet der Polizei vielmehr ausdrücklich die Möglichkeit, auch
personenbezogene Daten über andere Personen zu erheben, soweit dies für eine
Datenerhebung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG -also insbesondere zur Erhebung von
Daten mit Bezug auf die observierte Person- erforderlich ist. Auf welche Weise die Daten
erhoben werden, ist in § 32 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG selbst nicht geregelt, so dass auch
eine offene Befragung und Identifikation, wie sie § 12 BbgPolG ermöglicht, als
polizeiliches Mittel in Frage kommt.
Die längerfristig angelegte Observation des Antragstellers erweist sich nach derzeitigem
Sachstand als offensichtlich rechtswidrig. Dahinstehen kann, ob der Antragsteller dem
Kreis der Personen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BbgPolG angehört, die einer
Observation unterzogen werden können. Die gegen ihn gerichtete polizeiliche
Maßnahme erfüllt jedenfalls nicht die wegen ihrer hohen Eingriffsintensität (vgl.
Landtags-Drucksache 2/1235; Seite 96) vom Gesetzgeber aufgestellten besonderen
Anordnungsvoraussetzungen. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG darf eine längerfristige
Observation nur durch den Behördenleiter angeordnet werden; sie ist auf höchstens
einen Monat zu befristen (Absatz 2 Satz 2). Hiervon ausgehend ist bereits zweifelhaft, ob
die Maßnahme nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG von dem Behördenleiter angeordnet
worden ist. Der Antragsgegner hat einen Verwaltungsvorgang, mit dem eine solche
Anordnung belegt werden könnte, schon nicht nur nicht vorgelegt. Zudem hat er, was
sich aus seiner Antragserwiderung ergibt, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme vor dem
Tattoo-Studio des Antragstellers allein an § 12 BbgPolG gemessen, der ein solches
besonderes Anordnungserfordernis nicht vorsieht. Es ist von daher auch nicht ohne
weiteres zu erwarten, dass eine Anordnung durch den Behördenleiter vorliegt. Jedenfalls
erweist sich die Anordnung aber deshalb als rechtswidrig, weil es an der nach § 32 Abs. 2
Satz 3 BbgPolG erforderlichen schriftlichen Begründung der Anordnung fehlt, die zu den
Akten zu nehmen ist. Der Antragsgegner hat auf gerichtliche Anfrage mit Schriftsatz
vom 06. März 2008 ausdrücklich erklärt, ein Verwaltungsvorgang sei nicht vorhanden.
Hat der Antragsgegner über die streitgegenständliche Maßnahme aber keine Unterlagen
in schriftlicher Form angelegt, die als Verwaltungsvorgang dem Verwaltungsgericht
übersandt werden könnten, so ist es denknotwendig ausgeschlossen, dass eine
Begründung im Sinne § 32 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG vorhanden ist, die in schriftlicher Form
in einer Akte ansonsten vorgelegen haben müsste.
Zudem erweist sich die Observation des Antragstellers -jedenfalls nunmehr- auch
deshalb als rechtswidrig, weil es an einer richterlichen Anordnung fehlt. Gemäß § 32 Abs.
2 Satz 4 BbgPolG darf eine über einen Zeitraum von einem Monat hinausgehende
längerfristige Observation nur durch den Richter des nach Satz 5 zuständigen
Amtsgerichts (Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat)
angeordnet werden. Dem wird die Maßnahme des Antragsgegners nicht gerecht. Keiner
Beantwortung bedarf dabei die Frage, ob der Richtervorbehalt bereits greift, wenn die
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Beantwortung bedarf dabei die Frage, ob der Richtervorbehalt bereits greift, wenn die
polizeiliche Observation von Anfang an für einen länger als einen Monat dauernden
Zeitraum geplant war oder erst dann, wenn die Observation auch tatsächlich die
zeitliche Grenze von einem Monat zu überschreiten droht bzw. schon überschritten hat.
Jedenfalls letzteres ist der Fall. Zwar hat der Antragsteller lediglich vorgetragen, erstmals
am 15. Februar 2007 seien Polizeibeamte vor der Eingangstür zum Tattoo-Studio
erschienen und hätten Personen befragt und kontrolliert. Indes hat der Antragsgegner
selbst dargelegt, bereits seit dem 09. Februar 2008 im unmittelbaren Umfeld des
Tattoo-Studios des Antragstellers Personenkontrollen durchgeführt zu haben. Auf diesen
Zeitpunkt ist für den Beginn der polizeilichen Beobachtungsmaßnahme abzustellen.
Denn wie dargelegt, kommt es für die Qualifizierung der Maßnahmen der Polizei als
längerfristige Observation nicht darauf an, ob die Beobachtung des Antragstellers offen
oder verdeckt erfolgt. Maßgeblich ist allein, dass eine bestimmte Person durch die Polizei
zur Gewinnung von personenbezogenen Daten einer Beobachtung unterzogen wird. Den
Beginn einer solchen Beobachtung markiert aber die erstmalige planmäßige Einleitung
hierauf gerichteter polizeilicher Maßnahmen; sie setzen nicht erst dann ein, wenn der
Betroffene erstmals von den Beobachtungsmaßnahmen Kenntnis erlangt. Ist nach dem
Vortrag des Antragsgegners mithin von einer Observation des Antragstellers seit dem
09. Februar 2008 auszugehen, so ist ein Zeitraum von einem Monat verstrichen, ohne
dass der Antragsgegner die nach § 32 Abs. 2 Satz 4 BbgPolG zwingend erforderliche
richterliche Anordnung eingeholt hätte.
Aus dem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch folgt zugleich der gemäß § 123
Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderliche Anordnungsanspruch. Aufgrund
des Gewichts des in Rede stehenden Grundrechts des Antragstellers auf informationelle
Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz;
vgl. hierzu zuletzt: BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 -1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07-,
veröffentlicht in http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20080311_1bvr207405.hmtl) und
der hohen Eingriffsintensität, wie sie einer längerfristigen polizeilichen
Beobachtungsmaßnahme durch den Gesetzgeber beigemessen wird (vgl.
Gesetzbegründung, Landtags-Druckssache 2/1235; Seite 96), ist es dem Antragsteller
nicht zuzumuten, eine derzeit offensichtlich rechtswidrige Maßnahme hinzunehmen.
Die Wirkung des vorliegenden Beschlusses ist allerdings zum einen dahingehend zu
beschränken, dass dem Antragsgegner vorläufig nur zu untersagen ist, Kunden des
Tattoo-Studios des Antragstellers einer Kontrolle zu unterziehen. Nur auf diesen
Teilaspekt der Observationsmaßnahme der Polizei ist das Antragsbegehren des
Antragstellers gerichtet; hieran ist das Gericht gemäß § 88 VwGO gebunden. Zudem ist
die vorläufige Unterbindung von Maßnahmen der Polizei lediglich bis zum Vorliegen einer
die weitere Durchführung von Observationsmaßnahmen anordnenden amtsgerichtlichen
Entscheidung auszusprechen. Nur in diesem Umfang ist ein Anordnungsgrund gegeben.
Sollte der Antragsgegner nämlich eine Entscheidung des Amtsgerichts nach § 32 Abs. 2
Satz 4 BbgPolG herbeiführen, so wäre nicht nur den besonderen
Anordnungserfordernissen Rechnung getragen. Zugleich ist durch eine Entscheidung
des Amtsgerichts gesichert, dass die materiellen Voraussetzungen für eine längerfristige
Observation (§ 32 Abs. 1 BbgPolG) vorliegen und die Maßnahme erforderlich und
verhältnismäßig ist. Die richterliche Anordnung kann nämlich nur dann erfolgen, wenn
der Antragsgegner nachweist, dass die Maßnahme den an sie zu stellenden
Anforderungen genügt, was das Amtsgericht eigenständig zu prüfen hat. Erfüllt ein vom
Amtsgericht zu prüfender Antrag des Antragsgegners auf Anordnung nach § 32 Abs. 2
Satz 4 BbgPolG nicht die im Gesetz näher geregelten Voraussetzungen, so ist er
abzulehnen. Ein weiterer Eingriff in Rechte des Antragstellers droht dann durch eine
Observation in offener oder verdeckter Form von vornherein nicht. Kann eine weitere
Observation des Antragstellers auf Anordnung des Amtsgerichts hingegen erfolgen, weil
diese rechtmäßig ist, so ist dann ein rechtswidriger Eingriff in Rechte des Antragstellers
nicht (mehr) zu besorgen. Nur einer rechtswidrigen Beeinträchtigung von Rechten des
Antragstellers ist aber durch eine einstweilige Anordnung vorzubeugen, an der es dann
aber fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Antragsteller mit
seinem Begehren weitestgehend obsiegt hat und es auch noch nicht feststeht, ob eine
weitere Beobachtung seiner Person überhaupt erfolgen kann, ist es angemessen, dem
Antragsgegner den überwiegenden Teil der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die
tenorierte Kostenentscheidung trägt dem Rechnung.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes. Mangels hinreichender Anhaltspunkte für die wirtschaftliche
Bedeutung der Sache für den Antragsteller ist ein Streitwert in Höhe des Auffangwertes
festzusetzen. Eine Orientierung an den vom Antragsteller behaupteten wirtschaftlichen
festzusetzen. Eine Orientierung an den vom Antragsteller behaupteten wirtschaftlichen
Nachteilen in Form von Umsatzeinbußen kommt nicht in Betracht, da mit diesen die
Bedeutung der in Rede stehenden Rechte des Antragstellers auf Gewährleistung
informationeller Selbstbestimmung nicht erfasst wird. Mit Blick auf die erstrebte
Vorwegnahme der Hauptsache ist für eine Reduzierung des Streitwerts aufgrund der
Vorläufigkeit einer einstweiligen Anordnung kein Raum.
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