Urteil des VG Cottbus vom 15.03.2017

VG Cottbus: aufschiebende wirkung, entziehung, wiedereinsetzung in den vorigen stand, treu und glauben, öffentliches interesse, psychologisches gutachten, vollziehung, entzug, behörde, aussetzung

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Gericht:
VG Cottbus 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 L 460/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 3 S 1 Nr 3 StVG, § 29
StVG
Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktesystem - Tilgung
vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens - bei 18 Punkten
unwiderlegbar ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen
Leitsatz
Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktesystem kann an dem Grundsatz der
Beurteilung der Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung festgehalten werden. Eine Tilgung vor Abschluss des
Widerspruchsverfahrens führt gleichwohl nicht dazu, dass die Entziehung rechtswidrig wird
(a.A. wohl OVG Koblenz, Beschluss vom 19. Juli 2006 -10 B 10750/06-, Juris).
Der Betroffene gilt bei Erreichen von 18 Punkten als unwiderlegbar ungeeignet zum Führen
von Kraftfahrzeugen. Die Eignung kann nicht allein durch eine Punktereduzierung in Folge der
Tilgung einer einzelnen Zuwiderhandlung als wiederhergestellt angesehen werden. Nach dem
Regelungssystem des § 4 StVG bedarf es zur Wiederherstellung der Eignung regelmäßig einer
Anwendung der letzten Eingriffsstufe des Punktesystems, also der Entziehung der
Fahrerlaubnis und der Wartefrist von 6 Monaten nach § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 6.250,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), mit welchem der
Antragsteller sinngemäß begehrt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 20. Dezember 2007 (3 K 1346/07)
gegen die mit Ordnungsverfügung vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007 ausgesprochene Entziehung der
Fahrerlaubnis und der Zwangsmittelandrohung anzuordnen sowie hinsichtlich des
Gebotes, den Führerschein abzugeben bzw. zu übersenden, wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Entgegen der im Antragsschriftsatz geäußerten Ansicht bedurfte es vorliegend keiner
besonderen Anordnung der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs (§ 80 Abs.
2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Denn gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes
(StVG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Entziehung nach dem
Punktesystem (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG) bereits von Gesetzes wegen keine
aufschiebende Wirkung. Entfällt damit bereits von Gesetzes wegen die aufschiebende
Wirkung von Widerspruch und Klage (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), so bedurfte es
auch keiner Begründung der sofortigen Vollziehung.
Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des
Antragstellers aus. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die aufschiebende Wirkung
eines Rechtsbehelfs in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung des
Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist,
wiederherstellen und in den Fällen, in denen, wie hier, einem Rechtsbehelf die
aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 und Satz 2 VwGO von
vornherein nicht zukommt, anordnen, wenn das private Aussetzungsinteresse des
Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des
Verwaltungsaktes überwiegt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der angegriffene
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Verwaltungsaktes überwiegt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der angegriffene
Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da nach dem Rechtsstaatsgebot des Art.
20 Abs. 3 GG an der sofortigen Vollziehung eines noch nicht bestandskräftigen,
offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes ein öffentliches Interesse nicht bestehen
kann. Dagegen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des
Verwaltungsakts das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig
verschont zu bleiben, regelmäßig dann, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich
rechtmäßig erweist und – in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – zusätzlich
ein besonderes Vollzugsinteresse hinzutritt. Angesichts der Wertung des Gesetzgebers
in § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG ist die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung
grundsätzlich nur dann geboten, wenn sich der von Gesetzes wegen sofort vollziehbare
Verwaltungsakt bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung als
offensichtlich rechtswidrig erweist oder doch zumindest die Hauptsache mit hoher
Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird.
Die angegriffene Entziehung der Fahrerlaubnis erweist sich nach dem hier
anzuwendenden Prüfungsmaßstab als rechtmäßig. Ihr steht zunächst nicht das
Schreiben des Antragsgegners vom 26. Juni 2007 entgegen. Soweit der Antragsteller in
der dort enthaltenen Mitteilung des Antragsgegners, die Entziehung der Fahrerlaubnis
werde derzeit ausgesetzt, eine Zusicherung im Sinne von § 38 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfG Bbg) erblickt, kann
dahinstehen, ob dem zu folgen ist. Ihr kann jedenfalls nicht der Bedeutungsgehalt
zugemessen werden, wie der Antragsteller die Erklärung verstehen möchte. Namentlich
ist die Erklärung des Antragsgegners nicht dahingehend aufzufassen, dass bei Vorlage
der erbetenen Nachweise über die Beantragung von Wiedereinsetzung in Bezug auf
rechtskräftige Bußgeldbescheide, ein Verwaltungsakt über die Entziehung der
Fahrerlaubnis unterlassen wird. Eine behördliche Willensäußerung unterliegt der
Auslegung (§§ 133, 157 BGB). Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der
erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers
bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Maßgeblich ist der objektive
Erklärungswert, d.h. wie der Betroffene unter Berücksichtigung aller ihm bekannten oder
erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung die Erklärung
oder das Verhalten der Behörde verstehen durfte bzw. musste. Hiervon ausgehend
kommt der Erklärung des Antragsgegners lediglich die Bedeutung zu, dass eine
Aussetzung des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens längstens bis zur Vorlage der
angeforderten Nachweise bzw. bis zum Ablauf der gesetzten Frist erfolgt. Dies ergibt
sich bereits aus der Wortwahl, wonach die Entziehung lediglich derzeit ausgesetzt werde.
Schon dies bedeutet für den Antragsteller erkennbar eine Einschränkung der
Aussetzung in zeitlicher Hinsicht und zwar bezogen auf das gegenwärtige
Verwaltungshandeln, ohne dass damit zugleich das weitere Verhalten der Behörde auf
unabsehbare Zeit vorbestimmt wäre. Zudem hat der Antragsgegner die Aussetzung
ausdrücklich damit verknüpft, dass der Antragsteller bis spätestens 16. Juli 2007
nachweist, dass er Wiedereinsetzung beantragt habe. Damit wird dem Antragsteller aber
nicht nur eine Frist für die Vorlage von Nachweisen gesetzt. Zugleich kommt der Frist
Bedeutung für die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereichs der ausgesprochenen
"derzeitigen" Aussetzung zu. Denn die Behörde hat hiermit zum Ausdruck gebracht,
dass sie zunächst nur zuwarten möchte, bis ihr die geforderten Nachweise vorliegen,
längstens aber bis zum Ablauf der gesetzten Frist. Angaben dazu, wie die Behörde nach
Vorlage der Nachweise weiter verfährt, insbesondere ob das Entzugsverfahren dann
weiter ausgesetzt bleibt, lassen sich den Schreiben nicht entnehmen. Vielmehr bedeutet
die Forderung, Nachweise einzureichen, zugleich, dass die Behörde die Nachweise auch
einer inhaltlichen Prüfung unterziehen und ihr weiteres Handeln von der Auswertung der
Nachweise abhängig machen will. Andernfalls würde es deren Einreichung schon nicht
bedürfen. Dass eine weitere Aussetzung des Entzugsverfahrens in jeden Fall, also
unabhängig von Ergebnis der Prüfung der Nachweise erfolgt, hat der Antragsgegner aber
weder erklärt noch konnte der Antragsteller dies vor dem Hintergrund der aufgezeigten
Umstände sicher annehmen.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtlich nicht zu beanstanden. Grundlage für den
Entzug der Fahrerlaubnis ist § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG. Hiernach gilt ein
Fahrerlaubnisinhaber, für den sich 18 oder mehr Punkte ergeben, als ungeeignet zum
Führen von Kraftfahrzeugen; die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zu
entziehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Antragsteller war -
jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Ordnungsverfügung vom 24. Juli
2007- im Verkehrszentralregister mit insgesamt 6 Zuwiderhandlungen eingetragen, die
einen Punktestand von 18 Punkten ergeben. Auf die vom Antragsteller nicht
angegriffene Bewertung der Verkehrszuwiderhandlungen mit Punkten durch den
Antragsgegner, wie sie dem Anhörungsschreiben vom 03. Mai 2007 als Anlage beigefügt
war und auch dem Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 zu entnehmen ist,
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war und auch dem Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 zu entnehmen ist,
wird verwiesen. Rechtliche Bedenken gegen diese sind insoweit auch nicht ersichtlich.
Der Antragsgegner hat auch die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StVG in
der dort vorgegebenen Reihenfolge in nicht zu beanstandender Reihenfolge angewandt.
Bei einem Punktestand von 8 Punkten hat der Antragsgegner den Antragsteller gemäß §
4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG unter dem 27. April 2005 verwarnt; eines Hinweises auf die
Ableistung eines freiwilligen Aufbauseminars bedurfte es hier nicht, weil der Antragsteller
in der Zeit vom 28. September bis 20. Oktober 2001 bereits ein solches absolviert hatte.
Im Folgenden hat der Antragsgegner bei einem Punktestand von 15 Punkten gegenüber
dem Antragsteller die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet; die Anordnung
vom 25. Oktober 2006 enthält zudem die erforderlichen Hinweise auf die Möglichkeit
einer Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung sowie auf den drohenden
Entzug der Fahrerlaubnis bei Erreichen von 18 Punkten.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers führt auch der Umstand, dass die seit dem 05.
November 2002 rechtskräftige Bußgeldentscheidung zu der mit 4 Punkten bewerteten
Verkehrszuwiderhandlung vom 28. Juli 2002 (Überschreiten der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 62 km/h) mit Ablauf
der für Ordnungswidrigkeiten geltenden absoluten Tilgungsfrist von 5 Jahren (§ 29 Abs. 6
Satz 4 StVG) am 05. November 2007 zu tilgen war, nicht zur Rechtswidrigkeit der
Fahrerlaubnisentziehung. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ist in einem Verfahren, welches die Entziehung der
Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung, regelmäßig also diejenige bei Erlass des
Widerspruchsbescheides maßgeblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Juni 2005 -3 C 25.04-,
NZV 2005, 603; zu Maßnahmen wegen des Erreichens von Punkten nach § 15 b StVZO
a.F.: Beschluss vom 10. November 1993 -11 B 128.93-, zitiert nach Juris; Urteil vom 18.
März 1982 -7 C 69.81-, BVerwGE 65, 157). Es spricht einiges dafür, auch bei einem
Entzug der Fahrerlaubnis nach dem Punktesystem des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG
hieran grundsätzlich festzuhalten. Vor Schaffung des § 4 StVG in der seit dem 01. Januar
1999 gültigen Fassung war das Punktesystem in der Verwaltungsvorschrift zu § 15b
StVZO a.F. geregelt, das Maßnahmen in Bezug auf mehrfach auffällige Fahrzeugführer
vorsah und in Verbindung mit § 4 Abs. 1 StVG in der vor dem 01. Januar 1999 gültigen
Fassung (nunmehr § 3 Abs. 1 StVG) die Entziehung der Fahrerlaubnis bei mit Punkten
auffälligen Mehrfachtätern regelte. In Bezug auf diese Regelungen, die der Gesetzgeber
in das Straßenverkehrsgesetz integriert hat (vgl. BR-Drucks 821/96, Seite 52 ff.), war
anerkannt, dass es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung ankommt (vgl. BVerwG, a.a.O.). Das Punktesystem des § 4
StVG ist zudem gegenüber § 3 Abs. 1 StVG eine Spezialregelung zum Schutz vor
Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßende Fahrzeugführer
und -halter ausgehen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG), und regelt die Maßnahmen
gegenüber solchen Fahrerlaubnisinhabern, die wegen wiederholter Verstöße
Eignungsbedenken hervorrufen bzw. Eignungsmängel offenbaren. Maßnahmen der
Fahrerlaubnisbehörde bedarf es aber nicht mehr, wenn im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung von dem Betroffenen keine durch Nichteignung bestimmte
Gefahr mehr ausginge und ein Schutzbedürfnis anderer Verkehrsteilnehmer oder der
Allgemeinheit vor einem wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden
Kraftfahrzeugführer nicht mehr bestehen würde.
Ein Abstellen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des
Widerspruchsbescheides führt aber nicht dazu, dass die nach Ergehen der
Ordnungsverfügung eingetretene Tilgung der Zuwiderhandlung einer Entziehung der
Fahrerlaubnis entgegensteht, mithin beachtlich wäre (im Ergebnis ebenso aber auf die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entzugsverfügung abstellend: OVG Münster,
Beschluss vom 24. Januar 2008 -16 B 1269/07- und Beschluss vom 24. Mai 2006 -16 B
1093/05-, VGH Mannheim, Beschluss vom 17. Februar 2005 -10 S 2875/04-; OVG
Greifswald, Beschluss vom 23. November 2006 -1 M 140/06-; Beschluss vom 08. Juni
2007 -11 CS 06.3037-, jeweils zitiert nach Juris; a.A. wohl OVG Koblenz, Beschluss vom
19. Juli 2006 -10 B 10750/06-, zitiert nach Juris). Für einen durch Widerspruchsbescheid
bestätigten Entzug der Fahrerlaubnis nach dem Punktesystem ist nämlich nicht
Voraussetzung, dass der Fahrerlaubnisinhaber durchgängig mit 18 oder mehr Punkten
im Verkehrszentralregister eingetragen ist. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der
Betroffene (schon) dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich 18
oder mehr Punkte ergeben. Die gesetzliche Regelung beruht auf der Erwägung, dass es
sich um einen Fahrerlaubnisinhaber handelt, der trotz der nach dem Punktesystem
vorgesehenen Hilfestellungen, Warnungen und Reduzierungsmöglichkeiten 18 oder mehr
Punkte erreicht und deshalb eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer
darstellt. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (BR-Drucks 821/96, S. 53):
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„Als letzte Eingriffsstufe ist - wie schon nach der geltenden Regelung - bei 18
Punkten die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgesehen. Die neue Konzeption des
Maßnahmenkatalogs, insbesondere die Möglichkeit des Punkterabatts und die
Erweiterung der Hilfestellungen durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische
Beratung (anstelle des bisherigen Abprüfens von Kenntnissen und Fahrfertigkeiten), hat
zur Folge, daß bei 18 Punkten die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Die Entziehung der
Fahrerlaubnis, weil der Betreffende trotz Hilfestellungen durch Aufbauseminare und
verkehrspsychologische Beratung, trotz Bonus-Gutschriften und trotz der Möglichkeit
von zwischenzeitlichen Tilgungen im Verkehrszentralregister, 18 oder mehr Punkte
erreicht, beruht auf dem Gedanken, daß die weitere Teilnahme derartiger Kraftfahrer am
Straßenverkehr für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstellen würde. Hierbei
fällt besonders ins Gewicht, daß es sich dabei um Kraftfahrer handelt, die eine ganz
erhebliche Anzahl von - im VZR erfaßten und noch nicht getilgten - Verstößen begangen
haben. Der Betreffende gilt als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Diese
gesetzliche Ungeeignetheitsvermutung kann grundsätzlich nicht widerlegt werden.“
Die Entziehung beruht insoweit darauf, dass es sich um einen uneinsichtigen
Kraftfahrzeugführer handelt, der -wie der Antragsteller- wegen wiederholter
Verkehrszuwiderhandlungen innerhalb eines durch die Tilgungsvorschriften markierten
überschaubaren Zeitraumes von bei Ordnungswidrigkeiten maximal 5 Jahren 18 oder
mehr Punkte erreicht hat und sich als unwiderlegbar ungeeignet zum Führen von
Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Die erwiesene charakterliche Nichteignung (§ 2 Abs. 4
Satz 1 letzte Alternative StVG) des Betroffenen ist dann der eigentliche Grund, den
Betroffenen durch einen Entzug der Fahrerlaubnis von einer Teilnahme am motorisierten
Straßenverkehr auszuschließen. Die einmal feststehende, weil unwiderlegbar vermutete
charakterliche Ungeeignetheit entfällt aber nicht bereits dadurch, dass sich der
Punktestand des Betroffenen verringert. Erforderlich ist vielmehr, dass die einmal
entfallende Eignung wiederhergestellt ist. Wann und unter welchen Bedingungen ein
Mehrfachtäter die einmal entfallende Eignung wiedergewinnen kann, hat der
Gesetzgeber im Punktesystem aber selbst bindend festgelegt. Dies ist grundsätzlich
erst dann der Fall, wenn den Betroffenen auch die letzte nach dem Punktesystem
vorgesehene Eingriffsstufe erreicht hat, ihm also die Fahrerlaubnis entzogen worden ist,
wie es § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG in Folge der vermuteten Ungeeignetheit zwingend
erfordert. Denn wie sich aus § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG ergibt, darf der Betroffene
frühestens nach Ablauf von sechs Monaten wieder durch Erteilung einer Fahrerlaubnis
zum Straßenverkehr zugelassen werden. Dieser Frist liegt die Erwägung zu Grunde, dass
die Eignungsmängel, die zur Entziehung geführt haben, nicht ohne weiteres beseitigt
werden können (BR-Drucks, a.a.O.). Die mit dem Fahrerlaubnisverlust verbundenen
vielfältigen Nachteile und Erschwernisse in privater und beruflicher Hinsicht sowie die
Sperrfrist von 6 Monaten sollen den Betroffenen insoweit dazu anhalten und ihm
Gelegenheit geben, die in seiner Person liegenden Fehleinstellungen und
Fehleinschätzungen in Bezug auf die Einhaltung verkehrsrechtlicher Vorschriften zu
erkennen und zu beseitigen, um zukünftig erneuten Verkehrszuwiderhandlungen
vorzubeugen. Folglich wird nach § 4 Abs. 10 Satz 3 StVG dann auch bestimmt, dass der
Betroffene grundsätzlich zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, auf Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde ein
Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle (medizinisch-psychologisches
Gutachten) beizubringen hat. Dieses soll abklären, ob der Betroffene diejenigen
Schlüsse und Konsequenzen für sein zukünftiges Verkehrsverhalten gezogen hat, dass
nicht zu erwarten ist, er werde zukünftig erneut wiederholt oder erheblich gegen
straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen, mithin die Eignung als
wiederhergestellt abgesehen werden kann. Der hierzu erforderliche Denkprozess ist
nach dem im Punktesystem angelegten Verständnis des Gesetzgebers aber erst dann
zu erwarten, wenn den Fahrerlaubnisinhaber auch die letzte Eingriffsstufe erreicht, ihm
also durch den Verlust der Fahrerlaubnis eindringlich die Folgen seines Handelns vor
Augen gehalten worden sind.
Das so eben gefundene Auslegungsergebnis wird auch mit Blick auf die Regelung des § 4
Abs. 2 Satz 3 StVG bestätigt. Hiernach werden, wenn die Fahrerlaubnis entzogen worden
ist, die Punkte für die vor der Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht.
Auch hieraus ist zu schließen, dass allein eine Punktereduzierung ohne Mitwirkung des
Betroffenen nicht dazu führt, die einmal erwiesene Ungeeignetheit wieder auszuräumen.
Denn hätte allein die Löschung der Punkte -also regelmäßig eine Reduzierung des
Punktestandes auf "Null"- zur Folge, dass eine bei Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4
Abs. 3 Satz 1Nr. 1 StVG noch gegebene Nichteignung wieder entfallen würde, so
bedürfte es einer Eignungsbeurteilung des Betroffenen nach § 4 Abs. 10 Satz 3 StVG
schon nicht mehr. Auch wäre dann fraglich, ob eine Bestätigung der
Entzugsentscheidung durch den Widerspruchsbescheid noch erfolgen könnte, obwohl
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Entzugsentscheidung durch den Widerspruchsbescheid noch erfolgen könnte, obwohl
dem Betroffenen aufgrund des sofort vollziehbaren Fahrerlaubnisentzugs (§ 4 Abs. 7
Satz 2 StVG) die nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG gelöschten Punkte nicht mehr vorgehalten
werden könnten.
Dies zugrunde gelegt ist es nach der Wertung des Gesetzgebers für die Entziehung der
Fahrerlaubnis nach dem Punktesystem nicht von Belang, wenn sich nach Erreichen von
18 oder mehr Punkten der Punktestand verringert. Maßgeblich ist allein, dass der
Fahrerlaubnisinhaber innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes, der durch die
Tilgungsvorschriften vorgegeben wird, die maßgebliche Punktezahl erreicht und sich
deshalb als uneinsichtiger, mit Charaktermängeln behafteter Kraftfahrer und damit als
ungeeignet erwiesen hat. So liegt der Fall mit der Folge einer Entziehung der
Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG aber hier. Der Antragsteller hat während
des durch die Tilgungsvorschriften begrenzten Zeitraums von 5 Jahren insgesamt 6
Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen, die zu 18 Punkten geführt haben. Er hat sich
damit als unwiderleglich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, ohne
dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides
Voraussetzungen vorgelegen haben, die zu einer Wiederherstellung der Eignung geführt
haben könnten.
Letztlich führt nach Lage der Dinge auch nicht die vom Antragsteller beantragte
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Bußgeldentscheidungen vom
13. Juli 2006 und 09. Januar 2007 zu einer Rechtswidrigkeit der Entzugsverfügung. Auf
gerichtliche Anfrage hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben
vom 29. Februar 2008 mitgeteilt, dass über die Wiederaufnahmeanträge noch nicht
entschieden worden ist. Die Rechtskraft der Bußgeldbescheide ist aber allenfalls dann
beseitigt, wenn dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung gewährt worden ist.
Hieran fehlt es.
Die vom Antragsgegner angeordnete Führerscheinabgabe ist rechtlich ebenfalls nicht zu
beanstanden. Dieses für sofort vollziehbar erklärte Gebot, was der Antragsgegner
zureichend mit der Gefahr des Missbrauchs begründet hat (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO),
findet seine Rechtsgrundlage in § 47 Abs. 1 FeV. Gegen die Zwangsmittelandrohung sind
rechtliche Bedenken ebenfalls nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes (GKG). Das Interesse des Antragstellers in Bezug auf den
Behalt seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, BE, C1E, M, L, S bewertet die Kammer in
Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08. Juli
2004 hinsichtlich der Klasse A mit dem Auffangwert und hinsichtlich der Klasse C1E
(einschließlich der hiervon erfassten Einschlussklassen; vgl. § 6 Abs. 3 FeV) mit dem
eineinhalbfachen Auffangwert. Der sich hieraus ergebende Gesamtbetrag von 12.500,-
Euro war mit Blick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung zu halbieren.
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