Urteil des VG Cottbus vom 15.03.2017

VG Cottbus: aufschiebende wirkung, anfechtungsklage, vorläufiger rechtsschutz, behörde, bestattungskosten, anforderung, öffentlich, vollziehung, ersatzvornahme, anmerkung

1
2
3
4
Gericht:
VG Cottbus 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 L 59/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 20 Abs 2 S 1 BestattG BB, § 39
VwVG BB, § 80 Abs 1 S 1 VwGO,
§ 80 Abs 2 S 1 Nr 1 VwGO, § 80
Abs 2 S 1 Nr 3 VwGO
Aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage
gegen Bescheid über Erstattungsanspruch von
Bestattungskosten
Leitsatz
Widersprüche und Anfechtungsklagen gegen Bescheide, mit denen Ordnungsbehörden ihre
Bestattungskosten betreffenden Erstattungsansprüche nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BbgBestG
gegenüber Bestattungspflichtigen geltend machen, haben aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs.
1 Satz 1 VwGO); diese entfällt weder gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO noch nach § 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 39 VwVGBbg.
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch und die Anfechtungsklage des Antragstellers
(VG 4 K 230/09) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Juni 2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrates des Landkreises Elbe-Elster vom 3.
Februar 2009 aufschiebende Wirkung haben.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 253,60 € festgesetzt.
Gründe
Der von der Kammer gemäß § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem
Rechtsschutzbegehren entsprechend formulierte Antrag des Antragstellers,
festzustellen, dass sein Widerspruch und seine Anfechtungsklage gegen den
Bescheid des Antragsgegners vom 16. Juni 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landrates des Landkreises Elbe-Elster vom 3. Februar
2009 aufschiebende Wirkung hat,
hat Erfolg. Der Antrag ist in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO
statthaft. Nimmt eine Behörde fälschlich an, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch
und Anfechtungsklage sei kraft Gesetzes ausgeschlossen, und droht dem Adressaten
des Bescheides – wie hier mit einem Hinweis am Ende des Ausgangsbescheides
(„Sollten Sie der Zahlungspflicht nicht nachkommen, sind von der Behörde
Vollstreckungsmaßnahmen unabwendbar.“) geschehen – eine Vollziehung auch für den
Fall der Einlegung eines Widerspruchs an, kann der Adressat des Bescheides analog § 80
Abs. 5 VwGO die gerichtliche Feststellung begehren, dass seine Rechtsbehelfe des
Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben (Vgl.
Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren,
5. Auflage 2008, Rn. 1048 m. w. N.). Ein Rechtschutzinteresse für dieses
Feststellungsbegehren besteht vorliegend, da der Antragsgegner ebenso wie die
Widerspruchsbehörde, die dies mit einem Hinweis auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO
begründet hat, annehmen, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den
Kostenbescheid keine aufschiebende Wirkung haben und der Antragsteller deshalb trotz
Einlegung dieser Rechtsbehelfe sogleich zur Zahlung verpflichtet ist. Das
Rechtschutzinteresse ist auch nicht durch die im Schriftsatz des Antragsgegners vom
26. März 2009 abgegebene Erklärung entfallen, da diese sich nur auf die Zeit bis zur
gerichtlichen Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes bezieht.
Der Antrag ist auch begründet. Der Widerspruch und die Anfechtungsklage des
Antragstellers haben gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Diese
aufschiebende Wirkung entfällt hier weder gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO noch
nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 39 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes
5
6
nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 39 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes
für das Land Brandenburg (VwVGBbg). Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und
Anfechtungsklage entfällt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bei der Anforderung von
öffentlichen Abgaben und Kosten. Bei den Bestattungskosten, die der Antragsgegner
von dem von ihm als ein Bestattungspflichtiger angesehenen Antragsteller gemäß § 20
Abs. 2 Satz 1 des Brandenburgischen Bestattungsgesetzes (BbgBestG) fordert, handelt
es sich nicht um eine öffentliche Abgabe i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO (ebenso
zu dortigen Landesrecht: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 1999
– 1 S 1306/99 – NVwZ – RR 2000 189, 190). Öffentliche Abgaben im Sinne dieser
Regelung sind hoheitlich geltend gemachte öffentlich-rechtliche Geldforderungen, die
von allen erhoben werden, die einen gesetzlich bestimmten Tatbestand erfüllen, und die
zur Deckung des Finanzbedarfes eines Hoheitsträgers für die Erfüllung einer öffentlichen
Aufgabe dienen; hierunter fallen Kostenersatzforderungen wie die Anforderung von
Bestattungskosten nicht. Es handelt sich aber auch nicht um öffentliche Kosten im Sinne
der genannten Vorschrift. Zu den Kosten zählen rechtsnormativ bestimmte und
bestimmbare, regelmäßig anfallende öffentlich-rechtliche Geldforderungen zur
Abgeltung eines behördlichen Aufwandes; hierbei hat die entfallende aufschiebende
Wirkung den Zweck der finanziellen Sicherung der öffentlichen Aufgabenerfüllung, indem
die erforderlichen Einnahmen der öffentlichen Hand zunächst einmal zur Verfügung
stehen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Dezember 2005 – 2 S 122.05 –
juris Rn. 7). Öffentliche Kosten sind grundsätzlich nur die in einem förmlichen
Verwaltungsverfahren für die öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Behörden entstehenden
Gebühren und Auslagen, nicht aber etwa Kosten der Ersatzvornahme oder der
unmittelbaren Ausführung einer polizeilichen Maßnahme und auch nicht Kosten, die die
Behörde lediglich als Ersatz der finanziellen Aufwendungen verlangt, für die sie in Vorlage
getreten ist (ebenso VGH Baden-Württemberg, a. a. O.). Um Letztere geht es hier, denn
für die vom Bestattungspflichtigen zu tragenden Bestattungskosten nach § 20 Abs. 2
Satz 1 BbgBestG ist die Behörde lediglich in Vorlage getreten.
Die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich auch nicht aus §
80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 2. Alternative VwGO i. V. m. § 39 VwVGBbg. Nach dieser Regelung
mag bei einer nachträglichen Anforderung der Kosten der Ersatzvornahme durch
Leistungsbescheid als einer Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung auf Grund der
landesgesetzlichen Regelung des § 39 VwVGBbg die aufschiebende Wirkung von
Widerspruch und Anfechtungsklage entfallen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 23. Dezember 2005, a. a. O., Rn. 8). Vorliegend geht es jedoch nicht um die
sofortige Vollziehung von Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden bzw. der
Vollzugsbehörde in der Verwaltungsvollstreckung im Sinne von § 39 VwVGBbg. § 20 Abs.
2 Satz 1 BbgBestG enthält eine außerhalb des Verwaltungsvollstreckungsrechtes
normierte spezialgesetzliche Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch der
Ordnungsbehörde gegen den Bestattungspflichtigen (vgl. Scheiper/Untze
Brandenburgisches Bestattungsgesetz, Kommentar, 2008, § 20, Anmerkung 4, S. 131).
Für die auf Grund dieser Norm ergehenden Verwaltungsakte der Ordnungsbehörde ist
nicht durch eine landesgesetzliche Regelung bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung
von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei im Einklang mit dem Streitwertkatalog für
Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.5) ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren
anzunehmenden Streitwertes zu Grunde gelegt wurde.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum