Urteil des VG Cottbus vom 14.03.2017

VG Cottbus: vorverfahren, wirtschaftliche tätigkeit, widerruf, widerspruchsverfahren, hauptsache, unternehmen, verwertung, gehalt, ausbildung, vollstreckbarkeit

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Gericht:
VG Cottbus 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 K 744/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 80 Abs 2 VwVfG BB
Notwendige Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch den
Insolvenzverwalter
Leitsatz
Ein Insolvenzverwalter bedarf grundsätzlich keiner Zuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren zur Klärung der Frage, ob ein auf die Annahme der Betriebseinstellung
gestützter subventionsrechtlicher Widerruf allein wegen der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Subventionsempfängers gerechtfertigt ist
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der
Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages
abzuwenden, falls die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Mit der Klage erstrebt der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter i.W. die
Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit
dem Widerruf eines die Gemeinschuldnerin begünstigenden Zuwendungsbescheides.
Die Beklagte gewährte u.a. der Gemeinschuldnerin mit Zuwendungsbescheid vom 16.
November 2000, geändert durch Bescheide vom 27. Februar 2001 und vom 24. Januar
2002/25. Juni 2002 (letzterer berichtigt unter dem 28. Juni 2002), eine Zuwendung von
467.423,04 Euro zur Errichtung und zum Betrieb eines Blockheizkraftwerks u.a. mit einer
Zweckbindung der begünstigten Wirtschaftsgüter bis zum 31. Dezember 2006. Die
Zuwendungsmittel gelangten vollständig zur Auszahlung. Nach am 1. Juni 2006
eröffnetem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und
Bestellung des Klägers als Insolvenzverwalter widerrief die Beklagte mit Bescheid vom
13. Juli 2006 den Zuwendungsbescheid vollständig mit Wirkung zum
Bewilligungszeitpunkt und kündigte die Anmeldung eines verzinslichen
Erstattungsanspruchs i.H.v. 467.423,04 Euro zur Tabelle im Insolvenzverfahren an. Die
Bindefristen des Zuwendungsbescheides würden angesichts der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens nicht eingehalten und deshalb könne der Zuwendungszweck, die
Fortsetzung der Betriebstätigkeit bis zum 31. Dezember 2006, nicht mehr erfüllt werden.
Hiergegen wandte sich der Kläger anwaltlich vertreten mit seinem Widerspruch vom 7.
August 2006, in dem er seine unterbliebene Anhörung monierte und geltend machte,
dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschuldnerin zunächst durch ihn und seit
dem 19. Juni 2006 durch einen Erwerber fortgeführt worden sei. Die Beklagte hob
daraufhin den Widerrufsbescheid mit Bescheid vom 5. Juni 2007 auf, wobei sie dem
Kläger die Verfahrenskosten auferlegte.
Am 4. Juli 2007 hat der Kläger Klage erhoben und zunächst die Aufhebung der Bescheide
vom 13. Juli 2006 und 5. Juni 2007 hinsichtlich der Kostenentscheidung sowie die
Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung erstrebt, dass die Hinzuziehung seiner
Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war. Die Beklagte hat dann mit Bescheid
vom 2. August 2007 die Bescheide vom 5. Juni 2007 und vom 13. Juli 2006 aufgehoben,
sich selbst die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt und festgestellt, dass eine
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sich selbst die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt und festgestellt, dass eine
Hinzuziehung der Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren nicht notwendig
gewesen sei, da allein eine einfach zu klärende Tatsachenmitteilung zu machen gewesen
sei. In Bezug auf die Kostengrundentscheidung bezüglich des Widerspruchsverfahrens
haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt.
Der Kläger hält die Hinzuziehung seiner Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig,
da es ihm nicht zuzumuten sei, alle ihm anvertrauten Insolvenzverfahren in eigener
Person abzuwickeln, und da hier mit Blick auf die Widerrufsvoraussetzungen nicht nur der
wirtschaftlich zu betrachtende Sachverhalt festzustellen, sondern schwierige Fachfragen
des Subventionsrechts zu klären gewesen seien, die angesichts der Strafbewehrung in §
264 StGB und der möglichen Auswirkungen im Insolvenzverfahren besonderer
Betrachtung bedurft hätten. Außerdem habe die Beklagte die Kosten durch ihre
willkürliche Widerrufsentscheidung provoziert und hierin auch gar nicht auf die Frage
einer Betriebsfortführung abgehoben gehabt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 3 Satz 3 des Bescheides vom 2. August
2007 zu verpflichten festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das
Vorverfahren notwendig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
da der Kläger den Nachweis für die Aufhebung des Widerrufsbescheides vom 13. Juli
2007 ohne besondere Rechtskenntnisse selbst habe erbringen können; in anderen
Subventionsverfahren hätten sich auch Insolvenzverwalter unmittelbar mit ihr in
Verbindung gesetzt.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11. März 2009 dem
Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war hinsichtlich der zunächst ebenfalls umstrittenen
Kostengrundentscheidung im Bescheid vom 5. Juni 2007 nach entsprechender Abhilfe
durch den Bescheid vom 2. August 2007 und angesichts der beiderseitigen
Hauptsacheerledigungserklärungen in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz
1 VwGO einzustellen.
Die darüber hinausgehende Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben
worden, hat indes in der Sache keinen Erfolg. Die Versagung der Entscheidung, dass die
Hinzuziehung der Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren notwendig war, ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger mangels entsprechenden Anspruchs nicht in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 80 Abs. 2 VwVfGBbg sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder
eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung
eines Bevollmächtigten notwendig war. Demnach ist die Erstattungsfähigkeit von
Anwaltskosten im Vorverfahren - anders als diejenige im gerichtlichen Verfahren (§ 162
Abs. 2 Satz 1 VwGO) - nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur unter
der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen. Die Notwendigkeit der
Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen
Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend
ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der
gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient
hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. November 1985 - 8 C 115.83 -, VBlBW 1986, 257,
vom 14. Januar 1983 - 8 C 73.80 -, BayVBl. 1983, 605, vom 17. Dezember 2001 - 6 C
19.01 -, NVwZ-RR 2002, 446, und Beschluss vom 15. September 2005 - 6 B 39.05 -,
juris; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 162 RdNr. 18 m.w.N.; Olbertz, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 RdNr. 77; Busch, in: Knack, VwVfG, § 80
RdNr. 76). Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist damit die Schwierigkeit der
Sache, die jedoch nicht abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Sachkunde und
der (persönlichen) Verhältnisse des Widerspruchsführers festzustellen ist (vgl. BVerwG,
Beschlüsse vom 21. September 1982 - 8 B 10.82 -, NVwZ 1983, 346, und vom 15. März
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Beschlüsse vom 21. September 1982 - 8 B 10.82 -, NVwZ 1983, 346, und vom 15. März
1999 - 8 B 225.98 -, BayVBl. 1999, 736; vgl. auch zur entsprechenden Problematik beim
in eigener Sache auftretenden Rechtsanwalt: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss
vom 30. April 2002 - 2 O 42/00 -, NVwZ 2002, 1129 m.w.N.). Notwendig ist die
Zuziehung eines Rechtsanwalts danach nur dann, wenn es der Partei nach ihren
persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht zuzumuten
war, das Vorverfahren selbst zu führen. Diese Beurteilung ist nach der Sachlage
vorzunehmen, wie sie sich im Zeitpunkt der Zuziehung eines
Verfahrensbevollmächtigten dargestellt hat (BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1997 - 8 C
39.95 -, BayVBl. 1998, 91, und vom 26. Januar 1996 - 8 C 15.95 -, BayVBl. 1996, 571; zu
allem vgl. VGH BW, Beschluss vom 14. August 2007 - 3 S 1680/07 -, VBlBW 2007, 474).
Im vorliegenden Fall lagen die danach anerkennungsfähigen Voraussetzungen für eine
Hinzuziehung der Bevollmächtigten des Klägers nicht vor.
Dem Kläger war es unter Berücksichtigung seiner Sachkunde durchaus zuzumuten, das
Vorverfahren im vorliegenden Fall selbst zu führen. Insolvenzverwalter dürften
grundsätzlich stets in der Lage sein, die mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des jeweiligen
Gemeinschuldners im Zusammenhang stehenden Fragen in ihrem rechtlichen Gehalt zu
erfassen und ihren Standpunkt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im
Widerspruchsverfahren selbst vorzutragen (vgl. zur Situation bei Unternehmen zur
Errichtung und zum Betrieb von Werbeanlagen: VGH Bay, Beschluss vom 24. Juli 2006 -
26 C 05.3064 -, juris; OVG Sachs, Beschluss vom 24. Februar 2004 - 1 E 238/03 -,
SächsVBl 2004, 162; OVG Nds, Beschluss vom 09. Juni 1986 - 6 B 47/86 -, JurBüro 1987,
607; OVG NW, Beschluss vom 28. Oktober 1982 - 11 B 734/82 -, NVwZ 1983, 355). Dem
Insolvenzverwalter obliegt nämlich die Verwertung des Vermögens des
Gemeinschuldners und die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger oder die
Herbeiführung einer abweichenden Regelung in einem Insolvenzplan insbesondere zum
Erhalt des Unternehmens (§ 1 Satz 1 InsO), und er kann nur berufen werden, wenn er
eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den
Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1
InsO). Dabei ist es anerkennt, dass ein Insolvenzverwalter, auch wenn er selbst Volljurist
ist, Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im Allgemeinen
nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden
Auslagen aus der Masse entnehmen darf (BGH, Urteil vom 17. September 1998 - IX ZR
237/97 -, BGHZ 139, 309; BGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 - IX ZB 48/04 -, ZIP
2005, 36, und vom 23. März 2006 - IX ZB 130/05 -, ZIP 2006, 825). Im vorliegenden Fall
ging es indes um eine eher einfach gelagerte und selbst für Nichtjuristen ohne weiteres
überschaubare Frage, nämlich diejenige nach dem Fortbestand des Unternehmens nach
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Allein auf den Umstand, dass der mit dem
Zuwendungsbescheid beabsichtigte Förderzweck einer Betriebstätigkeit bis zum 31.
Dezember 2006 durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erreicht werden
könne, war der Widerrufsbescheid der Beklagten gestützt. Dem Kläger hat sich die
persönliche Beantwortung der danach entscheidenden und schon nach rein
wirtschaftlichen Gesichtspunkten eindeutig zu beantwortenden Frage nach einer
Fortführung des Betriebes also nicht als besonders schwierig darstellen können.
Da es im vorliegenden Fall nicht um die Entscheidung von Fragen ging, die ein
besonderes Spezialwissen erfordern, hätte die bei dem Kläger voraussetzungsgemäß
vorhandene, in einer Vielzahl von Insolvenzverfahren erworbene Sachkunde zur Wahrung
seiner Rechte im Widerspruchsverfahren genügt. Denn die Frage der Fortführung des
Betriebs der Gemeinschuldnerin mit der sich anschließenden Frage nach einem evt.
Widerruf etwaiger Zuwendungsbescheide und den sich hieraus ergebenden
Konsequenzen für die Befriedigung der Gläubigerinteressen bzw. einen Erhalt des
Unternehmens dürfte sich regelmäßig stellen. Es ist auch unter Berücksichtigung des
Vorbringens des Klägers im Klageverfahren nicht ersichtlich, dass er nicht in der Lage
gewesen wäre, hierzu ohne anwaltliche Hilfe ausreichend Stellung zu nehmen.
Namentlich der von dem Kläger behauptete Umstand, dass schwierige Spezialfragen
des Subventionsrechts unter Berücksichtigung der Strafbewehrung des § 264 StGB zu
prüfen gewesen seien, ist hier nicht zielführend. Denn gerade hier kam es auf rein
tatsächliche Feststellungen an; die damit verbundene Rechtsfrage ist anhand der
Tatsachenfeststellungen regelmäßig ohne eine besondere juristische Sachkunde zu
beantworten. Dass sich im Einzelfall auch hinsichtlich der genannten Umstände
schwierige Rechtsfragen stellen können, stellt das Gericht nicht in Abrede. Dafür ist hier
aber nichts ersichtlich; auch der Kläger hat dafür nichts Überzeugendes vorgebracht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO hinsichtlich
der Kosten und aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO
hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.
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